Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 581/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_581/2017  
 
 
Urteil vom 30. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Wüthrich, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 20. Juni 2017 (VBE.2017.103). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1966, bezog mit Wirkung ab 1. April 1998 bei einem
Invaliditätsgrad von 70 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügung
der IV-Stelle des Kantons Aargau [fortan: IV-Stelle] vom 19. Januar 2001). Mit
Revision vom 20. September 2002 ermittelte die IV-Stelle (nach orthopädischer
Abklärung im Spital B.________) neu einen Invaliditätsgrad von 69 %. Dieser
basierte insbesondere darauf, dass wegen Rückenbeschwerden eine leichte,
sitzende Verweistätigkeit nicht über längere Zeit möglich sei, weshalb als
Invalideneinkommen der Lohn für eine 40%ige Tätigkeit als Hilfsarbeiter in
einer sehr leichten Tätigkeit eingesetzt wurde. Am 17. April 2004 verfügte die
IV-Stelle infolge Inkrafttretens der 4. IV-Revision die Herabsetzung der
bisherigen ganzen Rente auf eine Dreiviertelsrente. Diesen Rentenanspruch
bestätigte sie 2008 und 2011. 
Im Rahmen eines im August 2012 eingeleiteten Revisionsverfahrens holte die
IV-Stelle (u.a.) eine bidisziplinäre Expertise bei der Swiss Medical
Assessment- and Business Center AG, Bern (fortan: SMAB; Gutachten vom 9. Juni
2016 in den Fachbereichen Orthopädie/Traumatologie und Psychiatrie), ein.
Gestützt darauf ging sie von einer vollen Arbeitsfähigkeit des Versicherten in
einer leidensangepassten Tätigkeit aus und verfügte am 14. Dezember 2016 die
Aufhebung der Rente (Invaliditätsgrad von 0 %). 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 20. Juni 2017 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Juni
2017 und die Verfügung der IV-Stelle vom 14. Dezember 2016 seien aufzuheben,
und ihm sei eine ganze Rente auszurichten. Ausserdem seien ihm berufliche
Massnahmen zu gewähren und während deren Durchführung eine ganze Rente
auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache massgebenden
Rechtsgrundlagen zutreffend wiedergegeben. Dies betrifft insbesondere die
Bestimmungen und Grundsätze zur Revision (Art. 17 ATSG) sowie zur Zumutbarkeit
der Selbsteingliederung nach langjährigem Rentenbezug (vgl. etwa Urteile 9C_228
/2010 vom 26. April 2011 E. 3.1, in: SVR 2011 IV S. 73 Nr. 220; 9C_58/2016 vom
11. Mai 2016 E. 5.3. 
Zu wiederholen ist, dass jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen seit der Rentenzusprache, die geeignet ist, den Invaliditätsgrad
und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen, Anlass zur Rentenrevision gibt.
Liegt ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") zu prüfen, wobei keine Bindung
an frühere Beurteilungen besteht (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz stellte in sorgfältiger und umfassender Würdigung der
Aktenlage fest, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zwischen
dem 20. September 2002 (Datum der letzten umfassenden Rentenüberprüfung) und
dem 14. Dezember 2016 (Datum der rentenaufhebenden Verfügung, vgl. zur
zeitlichen Vergleichsbasis BGE 130 V 71 E. 3.2.2 S. 75 ff.; Urteil 9C_582/2017
vom 14. November 2017 E. 4) in somatischer Hinsicht massgeblich verändert habe.
Aufgrund der klinischen Befunde in der SMAB-Begutachtung - u.a. keine Angabe
von Druckschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mehr; markant verringerter
Finger-Boden-Abstand - sei die gutachterlich beschriebene Verbesserung des
Gesundheitszustands ("bestehen keine Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit mehr
aufgrund von Rückenbeschwerden") mit nunmehr uneingeschränkter
Lendenwirbelsäule gut nachvollziehbar.  
 
3.2. Soweit der Beschwerdeführer dem lediglich seine eigene Sicht der Dinge
gegenüberstellt, ohne sich mit den Erwägungen der Vorinstanz
auseinanderzusetzen, übt er appellatorische Kritik, die nicht zu hören ist
(vgl. z.B. BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266). Ungerechtfertigt ist sodann sein an
die Vorinstanz gerichteter Vorwurf, ihre Feststellung bezüglich in der
SMAB-Begutachtung nicht mehr angegebener Druckschmerzen im Bereich der
Lendenwirbelsäule sei unzutreffend. Diese Aussage findet sich - wie in der
vorinstanzlichen E. 4.2.2 referenziert - auf S. 7 des
orthopädisch-traumatologischen Fachgutachtens.  
Der Versicherte moniert weiter, das kantonale Gericht sei in Willkür verfallen,
indem es aus der vermeintlich unzureichenden Behandlung seiner Rückenschmerzen
geschlossen habe, ein Rückenleiden bestehe nicht (mehr). Mit seinem Verweis auf
regelmässigen Schmerzmittelkonsum sowie das Fehlen von Aggravationstendenzen
vermag er jedoch nicht aufzuzeigen, inwiefern diese vorinstanzliche
Feststellung offensichtlich unrichtig oder gar willkürlich wäre (E. 1 vorne).
Beide Elemente wurden bereits im Gutachten der SMAB berücksichtigt, auf welches
das kantonale Gericht abstellte. 
Dass schliesslich die Gutachter der SMAB retrospektiv seit 1998 eine
Arbeitsfähigkeit zwischen 70 bis 100 % attestierten, stellt - entgegen der
Ansicht des Beschwerdeführers - den Beweiswert ihrer Feststellungen zum
aktuellen Gesundheitszustand sowie zum aktuellen Leistungsvermögen nicht
entscheidend in Frage. Ausschlaggebend ist, dass nach dem Gesagten eine
wesentliche gesundheitliche Verbesserung - weder willkürlich noch sonstwie
bundesrechtswidrig - festgestellt ist, und damit der Rentenanspruch
revisionsweise umfassend überprüft werden durfte (E. 2 Abs. 2). 
Damit erübrigen sich Weiterungen zur Frage nach der Anpassung an die
Behinderung. Offen bleiben kann auch, ob und inwieweit hier ein Anwendungsfall
der Schlussbestimmungen der 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket, gegeben ist
bzw. ein Wiedererwägungsgrund (Art. 53 Abs. 2 ATSG) vorliegt (vgl. Urteil 9C_24
/2017 vom 4. Mai 2014 E. 2 mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Zum geltend gemachten Anspruch auf Durchführung von beruflichen Massnahmen
vor Aufhebung der Rente erwog die Vorinstanz, es habe seit der Rentenzusprache
im Januar 2001 bzw. seit der Revision vom September 2002 eine
Restarbeitsfähigkeit von 40 % bestanden. Bemühungen um deren Verwertung seien
nicht ersichtlich; die subjektive Eingliederungsfähigkeit fehle. Dabei seien
erwerbliche Ressourcen vorhanden, habe doch der Beschwerdeführer in den
vergangenen Jahren - nach eigener Angabe gegenüber der psychiatrischen
Gutachterin der SMAB - 18 Bücher geschrieben, wovon zwölf in seiner Heimat
publiziert worden seien. Demnach sei die langjährige Abwesenheit vom
Arbeitsmarkt nicht invaliditätsbedingt und der Verzicht der IV-Stelle auf die
Durchführung von beruflichen Massnahmen nicht zu beanstanden.  
 
4.2. Der Versicherte wendet hiegegen im Wesentlichen ein, beim Bücherschreiben
handle es sich um eine legitime Form der Verwertung der Restarbeitsfähigkeit,
wobei aber die dabei entfalteten Fähigkeiten berufliche Massnahmen nicht
obsolet machen würden. Dieser Einwand geht fehl. Der Beschwerdeführer legt
selbst sinngemäss dar, bei der Schriftstellerei handle es sich um ein Hobby und
um einen "brotlosen Beruf": Insofern als der schriftstellerischen Tätigkeit
nach eigener Darstellung die subjektive und objektive Gewinnstrebigkeit fehlt
(vgl. Urteil 9C_428/2016 vom 22. Mai 2017 E. 4.3.3), ging die Vorinstanz
zutreffend davon aus, dass die Restarbeitsfähigkeit nicht verwertet wurde. Das
kantonale Gericht verfiel weiter nicht in Widersprüche, wenn es davon ausging,
dass die Betätigung als Schriftsteller für vorhandene erwerbliche Ressourcen
spreche (vgl. zu deren Bedeutung mit Bezug auf die Selbsteingliederung Urteil
9C_58/2016 vom 11. Mai 2016 E. 5.3), können solche doch auch durch ein Hobby
aufgebaut oder aufgezeigt werden. Dass sich der Beschwerdeführer schliesslich
jahrelang um Arbeit bemüht und damit seinen Eingliederungswillen nachgewiesen
haben soll, wie er dies erstmals vor Bundesgericht behauptet, ist - soweit als
neue Tatsachenbehauptung überhaupt zulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG) - durch nichts
belegt.  
Für nicht invaliditätsbedingte Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung hat
die Invalidenversicherung nicht einzustehen (Urteil 8C_393/2016 vom 25. August
2016, E. 3.7). War dem Beschwerdeführer die Verwertung seiner
Restarbeitsfähigkeit spätestens seit September 2002 zumutbar, und ist die
berufliche Integration seither allein aus invaliditätsfremden Gründen
unterblieben, besteht vor der Rentenaufhebung kein Anspruch auf Durchführung
beruflicher Eingliederungsmassnahmen (Urteil 9C_752/2013 vom 27. Juni 2014 E.
4.3.2 mit Hinweisen). 
 
5.   
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1
Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. November 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald 

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