Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 580/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_580/2017  
 
 
Urteil vom 16. Januar 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Elisabeth Tribaldos, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 21. Juni 2017 (VBE.2016.723). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 4. Dezember 2013 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau der
1954 geborenen A.________ für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. August
2011 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu. Diese Verfügung hob
das Versicherungsgericht des Kantons Aargau auf Beschwerde von A.________ hin
auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer Verfügung an die
IV-Stelle zurück (Entscheid vom 11. November 2014). Nach Beizug eines
bidisziplinären Gutachtens der asim Versicherungsmedizin, Basel, vom 24. August
2015, welchem eine psychiatrische und eine rheumatologische Untersuchung
zugrunde lagen, sprach die IV-Stelle der Versicherten mit Verfügung vom 18.
Oktober 2016 aufgrund eines Invaliditätsgrades von 69 % für die Zeit vom 1.
Oktober 2010 bis 31. Oktober 2011 eine Dreiviertelsinvalidenrente zu. 
 
B.   
A.________ liess Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
führen mit den Anträgen auf Zusprechung der gesetzlichen Leistungen, eventuell
Rückweisung der Sache zu weiterer Abklärung und neuer Verfügung an die
IV-Stelle. Mit Beschluss vom 26. April 2017 stellte das Versicherungsgericht
A.________ die Abweisung der Beschwerde und die ersatzlose Aufhebung der
angefochtenen Verfügung vom 18. Oktober 2016 in Aussicht. Innert der im
nämlichen Beschluss angesetzten Frist nahm die Versicherte zur angedrohten
reformatio in peius Stellung und hielt an ihrer Beschwerde fest. Mit Entscheid
vom 21. Juni 2017 wies das Versicherungsgericht die Beschwerde ab und hob die
Verfügung der IV-Stelle vom 18. Oktober 2016 auf. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Versicherte
die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz stellte in Bezug auf den psychischen Gesundheitsschaden fest,
die im asim-Gutachten diagnostizierte depressive Störung mit gegenwärtig
mittelgradiger Episode mit somatischem Syndrom bewirke nach der Rechtsprechung
keine invalidisierende Erwerbsunfähigkeit, was sich ebenfalls aus dem Umstand
ergebe, dass sich die Beschwerdeführerin nie einer psychiatrischen Behandlung
unterzogen hat. Was die somatischen Befunde betrifft, habe der Rheumatologe
festgestellt, dass die Versicherte nach der Rückenoperation vom 1. März 2010
weiterhin über Schmerzen klagte. Ein eindeutiges organisches Korrelat zu den
Beschwerden habe sich indessen nicht finden lassen. Gestützt auf die Angaben
der Gutachter gelangte das kantonale Gericht zum Schluss, dass die
Beschwerdeführerin die zuletzt ausgeübte Arbeit (als Haushalts- und
Pflegehilfe) wegen des durchgeführten operativen Eingriffs nicht mehr ausüben
könne. Hingegen sei sie in einer angepassten Tätigkeit gemäss dem
rheumatologischen Profil des asim-Gutachtens voll arbeitsfähig. In der Folge
prüfte das kantonale Gericht die Frage, ob die Beschwerdeführerin aufgrund
ihres Alters von 60 Jahren 9 Monaten im Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens
bei der Verwertung der Resterwerbsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt
eingeschränkt sei, verneinte dies jedoch insbesondere unter Berücksichtigung
des weiten Betätigungsfeldes, das ihr auf dem in Betracht fallenden
Arbeitsmarkt offen stehe. Aufgrund eines Einkommensvergleichs anhand der
Tabellenlöhne gemäss Lohnstrukturerhebung 2010 des Bundesamtes für Statistik
ermittelte die Vorinstanz sodann unter Berücksichtigung des höchst möglichen
leidensbedingten Abzugs von 25 % einen Invaliditätsgrad von 33 %, der keinen
Invalidenrentenanspruch1-6 begründet. Auch in Anwendung der gemischten
Bemessungsmethode ändere sich nichts. 
 
3.   
 
3.1. Was die Beschwerdeführerin hiegegen vorbringt, ist nicht geeignet, zu
einem abweichenden Ergebnis zu führen. Die seitens der Vorinstanz zitierte
Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen, unter denen leichten bis
mittelschweren Depressionen invalidisierende Wirkung zukommen kann (BGE 140 V
193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis; Urteil 9C_841/2016 vom 8. Februar 2017 E. 3.1),
ist mit den zur Publikation in der amtlichen Sammlung bestimmten Urteilen
8C_130/2017 und 8C_841/2016 vom 30. November 2017 geändert worden. Gemäss
Urteil 8C_130/2017 sind sämtliche psychischen Leiden, laut Urteil 8C_841/2016
namentlich auch leichte bis mittelschwere Depressionen, einem strukturierten
Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Dieses bleibt entbehrlich,
wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte eine Arbeitsunfähigkeit
in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfällige gegenteilige
Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen
kein Beweiswert beigemessen werden kann. Insbesondere in Fällen, in welchen
nach der Aktenlage überwiegend wahrscheinlich von einer bloss leichtgradigen
depressiven Störung auszugehen ist, die nicht schon als chronifizert gelten
kann und auch nicht mit Komorbiditäten einhergeht, bedarf es in aller Regel
keines strukturierten Beweisverfahrens (zitiertes Urteil 8C_841/2016 E. 4.5.3).
Diese neue Rechtsprechung ist auf alle im Zeitpunkt der Praxisänderung noch
nicht erledigten Fälle anzuwenden (ZAK 1990 S. 255; Urteile 9C_125/2015 vom 18.
November 2015 E. 5.1, 9C_354/2015 vom 29. Februar 2016 E. 5 mit weiteren
Hinweisen) und ist somit auch im vorliegenden Fall massgebend.  
 
3.2. Im vorliegenden Fall gelangte der Psychiater der asim, Dr. med.
C.________, im Fachgutachten vom 13. Mai 2015 zur Auffassung, dass die
Versicherte an einer rezidivierenden depressiven Störung gegenwärtig
mittelgradiger Episode mit somatischem Syndrom sowie seit 2009 an einer
Anpassungsstörung bei chronischen Schmerzen leide. Die Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit schätzte er für eine Tätigkeit als Betriebsmitarbeiterin oder
Spitex-Mitarbeiterin ohne Ausbildung und alle Verweisungstätigkeiten auf 30 %.
Aus Sicht des Rheumatologen Dr. med. B.________, besteht eine
Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz vermochte der Gutachter indessen für die klinischen Befunde kein
organisches Korrelat zu beschreiben, weshalb in somatischer Hinsicht von voller
Arbeitsfähigkeit auszugehen ist. Gesamthaft ist somit eine Arbeitsunfähigkeit
von 30 % ausgewiesen. Der Expertise des asim-Psychiaters ist sodann zu
entnehmen, der Schweregrad der depressiven Störung sei als mittelgradig, im
Übergang zur leichtgradigen Episode, einzustufen. Eine Psychotherapie hat
gemäss vorinstanzlichen Feststellungen nie statt gefunden, und die
Beschwerdeführerin selbst erklärte bei der Begutachtung, sie habe noch nie
einen Psychiater aufgesucht. Diese Umstände sind auch i1-6m Rahmen der
medizinischen Begutachtung als Indiz für den (fehlenden) Leidensdruck der
versicherten Person und damit für den Schweregrad der Störung zu werten
(erwähntes Urteil 8C_841/2016 E. 4.4). Aufgrund der diagnostizierten
depressiven Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, der attestierten
geringgradigen Arbeitsunfähigkeit, des Fehlens jeglicher fachärztlicher
Behandlung während der vergangenen Jahre sowie mangels einer ins Gewicht
fallenden Komorbidität ist ein strukturiertes Beweisverfahren im Lichte der
Rechtsprechung entbehrlich.  
 
4.   
 
4.1. Was das fortgeschrittene Alter betrifft, hat das kantonale Gericht
gestützt auf die Rechtsprechung (vgl. Urteile 9C_918/2008 vom 28. Mai 2009 E.
4.3, 8C_345/2013 vom 10. September 2013 E. 4.3.2, 8C_482/2010 E. 4.2) richtig
dargelegt, dass die am 13. November 1954 geborene Beschwerdeführerin zum
Zeitpunkt der Erstattung des bidisziplinären Gutachtens (vom 24. August 2015)
eine mutmassliche Erwerbsdauer von mindestens drei Jahren und drei Monaten vor
sich hatte, und es ihr zumutbar war, in Nachachtung der
Schadenminderungspflicht eine leichte Arbeit zu verrichten. Auf die
entsprechenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid wird verwiesen.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin weist schliesslich darauf hin, dass die Vorinstanz
die für die Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode erforderliche
prozentuale Aufteilung zwischen den Teilbereichen Erwerbstätigkeit und
Hausarbeit nicht vorgenommen und weitere Punkte offen gelassen habe. Sie rügt
jedoch nicht, das kantonale Gericht habe mit seinem Vorgehen und namentlich der
gewählten Begründung Bundesrecht verletzt. Mangels einer entsprechenden
konkretisierten Rüge ist die vorinstanzliche Invaliditätsbemessung, die einen
Invaliditätsgrad von rund 33 % ergeben hat, auch insoweit nicht zu überprüfen,
als sie als Rechtsfrage grundsätzlich letztinstanzlicher Beurteilung zugänglich
wäre (vgl. dazu BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. Januar 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer 

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