Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 561/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_561/2017            

 
 
 
Urteil vom 30. Oktober 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Oswald. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Kempf, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 31. Mai 2017 (IV.2016.00993). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die 1970 geborene A.________ war zuletzt bis Juli 1998 als
stellvertretende Rayonchefin bzw. als Kassierin bei der B.________ angestellt.
Mit Datum vom 18. Juni 1999 meldete sie sich bei der IV-Stelle des Kantons
Zürich (fortan: IV-Stelle) zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle wies das
Rentenbegehren mit Verfügung vom 31. März 2000 ab, wogegen die Versicherte
Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich führte. Dieses
verpflichtete die Verwaltung mit Entscheid vom 31. Januar 2001 zu weiteren
Abklärungen. Nachdem eine neurologische Begutachtung vom 6. Februar 2003
unklare Angaben betreffend Beginn und Umfang der Arbeitsunfähigkeit geliefert
hatte, holte die IV-Stelle ein polydisziplinäres Gutachten beim medizinischen
Zentrum Römerhof (Medizinisches Zentrum Römerhof GmbH, fortan: MZR;
internistisch-psychiatrisch-rheumatologische Expertise vom 5. Dezember 2003)
ein. Gestützt darauf verfügte sie am 14. Juli 2004 mit Wirkung ab 1. Oktober
1998 die Ausrichtung einer halben Rente.  
Auf Beschwerde der A.________ hin wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich die Sache - unter Verweis auf die damals geltenden
Foerster-Kriterien - zur ergänzenden Abklärung an die IV-Stelle zurück. Diese
gewährte schliesslich am 22. Juni 2006 - gestützt auf das bereits vorliegende
polydisziplinäre Gutachten vom 5. Dezember 2003 sowie auf die bei Dr. med.
C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am MZR, zusätzlich
eingeholte psychiatrische Expertise vom 13. Februar 2006 - mit Wirkung ab 1.
Oktober 1998 eine halbe und ab 1. März 2004 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung. 
 
A.b. Im Rahmen eines im Februar 2015 eingeleiteten Revisionsverfahrens
veranlasste die IV-Stelle eine psychiatrisch-rheumatologische Begutachtung bei
der medizinischen Gutachtenstelle Zug (Medizinische Gutachten Zug, fortan: MGZ;
Expertise vom 15. März 2016). Gestützt hierauf, und nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens, verfügte sie am 26. Juli 2016 bei einem ermittelten
Invaliditätsgrad von 20 % die Aufhebung der Rente per 1. September 2016.  
 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. Mai 2017
ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom
31. Mai 2017 sowie die Verfügung der IV-Stelle vom 26. Juli 2016 seien
aufzuheben und es sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihr auch für die Zeit ab
1. September 2016 weiterhin eine unbefristete Rente auszurichten. Eventualiter
sei die Sache zur weiteren Abklärung und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz,
subeventualiter an die IV-Stelle, zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Invaliditätsbegriff (
Art. 8 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 ATSG), zum Anspruch auf eine nach dem
Grad der Invalidität abgestuften Invalidenrente (Art. 28 IVG), zur Revision (
Art. 17 ATSG) sowie zum Beweiswert ärztlicher Gutachten zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht erwog, die streitgegenständliche Rente sei -
gestützt auf die Gutachten des MZR vom 5. Dezember 2003 sowie vom 13. Februar
2006 - aufgrund einer somatoformen Schmerzstörung sowie eines angstgefärbten,
depressiven Zustandsbilds mit somatischem Syndrom, zur damaligen Zeit
mindestens einer mittelschweren depressiven Episode entsprechend, gewährt
worden. Diese Leiden hätten gemäss Schätzung der Dr. med. C.________ zu einer
Arbeitsunfähigkeit von mindestens 70 % geführt.  
 
3.2. Eine somatoforme Schmerzstörung, so die Vorinstanz weiter, liege aktuell
gemäss beweiskräftigem psychiatrisch-rheumatologischen Gutachten der MGZ vom
15. März 2016 nicht mehr vor, da weder emotionale Konflikte noch psychosoziale
Probleme hätten festgestellt werden können. Ebenso werde die im psychiatrischen
Gutachten der Dr. med. C.________ vom 13. Februar 2006 gestellte Diagnose einer
mittelgradigen depressiven Episode im Rahmen der aktuellen Begutachtung nicht
mehr bestätigt. Diese Beurteilung sei mit Blick auf die unauffälligen
Untersuchungsbefunde nachvollziehbar. Sei das Gedächtnis der Beschwerdeführerin
anlässlich der Begutachtung durch Dr. med. C.________ noch objektivierbar
eingeschränkt, die Stimmung deutlich zum depressiven Pol verschoben und die
affektive Schwingungsfähigkeit nahezu erloschen gewesen, stelle der
psychiatrische Gutachter der MGZ weder eine gedrückte Stimmung, noch einen
Interessenverlust oder Schuldgefühle fest. Hinzu komme, dass er eine deutliche
Aggravationstendenz festhalte und das der Beschwerdeführerin verordnete
Antidepressivum gemäss Medikamentenspiegel unterhalb des therapeutischen
Wirkungsbereichs nachweisbar sei.  
Der rheumatologische Gutachter der MGZ attestiere aufgrund einer nicht näher
spezifizierbaren Kopfschmerzproblematik eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
um 20 %, da zwecks Kontrolle der Kopfschmerzen immer wieder kurze Pausen
notwendig seien. Dieser Einschätzung könne nicht gefolgt werden, da ihr eine
fundierte Begründung fehle, zumal der Experte gleichzeitig eine offensichtlich
bestehende bewusstseinsnahe Schmerzverdeutlichung mit Selbstlimitierung,
Diskrepanzen und Inkonsistenzen festgestellt habe. Eine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit aufgrund der Kopfschmerzen erscheine umso weniger
nachvollziehbar, als die Beschwerdeführerin anlässlich der MZR-Begutachtung im
Jahr 2003 in somatischer Hinsicht als vollständig arbeitsfähig erachtet worden
sei und sich die Kopfschmerzproblematik - die der rheumatologische Gutachter im
übrigen als schmerzmittelinduziert betrachte - seither nicht wesentlich
verändert habe. 
Aus der beweiskräftigen medizinischen Aktenlage - weiterer Abklärungsbedarf sei
in antizipierter Beweiswürdigung zu verneinen -ergebe sich mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführerin die angestammte sowie jede
angepasste Tätigkeit zu 100 % zumutbar seien. Die angefochtene,
rentenaufhebende Verfügung erweise sich damit als rechtens. 
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, IV-Stelle und Vorinstanz hätten
durch die bloss bi- statt polydisziplinäre Begutachtung Art. 72bis IVV
verletzt, da damit die Gutachterstelle nicht nach dem Zufallsprinzip bestimmt
worden sei. Insbesondere macht sie geltend, die aktenkundige
Kopfschmerzproblematik hätte neurologisch, neuropsychologisch oder durch einen
Hals-Nasen-Ohren Spezialisten abgeklärt werden müssen.  
Die Beschwerdeführerin leidet seit 1996 unter Kopfschmerzen. Dabei wurde
bereits im neurologischen Gutachten vom 6. Februar 2003 klar zwischen
Kopfschmerzen im Zusammenhang mit der Nasennebenhöhlenproblematik einerseits,
und mit dem nach der Stirnhöhlenoperation vom Februar 1996 und einem
Auffahrunfall im Dezember 1996 (wonach die Kopfschmerzen verstärkt auftraten)
geklagten Kopfschmerzbild anderseits, differenziert. Für letzteres konnten
weder der behandelnde Neurologe (Untersuchung vom Juni 1998) noch der
neurologische Gutachter eine Ursache ermitteln. Der neurologische Experte
vermutete eine psychodynamische Natur mit posttraumatischer (mithin
unfallbedingter) Komponente "im weiteren Sinne". Auch Dr. med. C.________ sah
(in Beantwortung von Zusatzfragen der IV-Stelle mit Schreiben vom 13. Dezember
2006) im besagten Auffahrunfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die
Hauptursache für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Im polydisziplinären
Gutachten des MZR vom 5. Dezember 2003 wurde aus rheumatologischer Sicht zur
Kopfschmerzproblematik festgehalten, dass Sinusitiden (Entzündungen im Bereich
der Nebenhöhlen) als Ursache in Frage kämen. Diese hätten jedoch - da
therapierbar - keinen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Schliesslich ist weder
aktenkundig, noch von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass sie seit der
Rentenzusprache im Jahr 2006 jemals eine neurologische, neuropsychologische
oder oto-rhino-laryngologische Behandlung in Anspruch genommen hat oder ihr
eine solche nahe gelegt wurde. Damit fehlt es an Anhaltspunkten, die eine
entsprechende fachärztliche Begutachtung als angezeigt erscheinen lassen. 
Wie die Vorinstanz (für das Bundesgericht verbindlich, da weder angefochten
noch offensichtlich unrichtig, vgl. E. 1 hievor) in antizipierter
Beweiswürdigung (vgl. hierzu BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f.; 124 V 90 E. 4b S.
94) zudem feststellte, erübrigte sich auch eine (zusätzliche) internistische
Untersuchung, da (ebenfalls) keine medizinischen Anhaltspunkte für deren
Notwendigkeit vorlagen und ausserdem der rheumatologische MGZ-Gutachter, Dr.
med. D.________, auch über einen Facharzttitel in Allgemeiner Innerer Medizin
verfügt. 
Demnach ist der Verzicht von Vorinstanz und Verwaltung auf eine zusätzliche
Begutachtung, und damit auf eine polydisziplinäre Untersuchung, weder
willkürlich, noch sonstwie bundesrechtswidrig. 
 
4.2. Im Weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, es liege keine
Verbesserung ihres Gesundheitszustandes vor, sondern die Gutachter der MGZ
hätten eine revisionsrechtlich unbeachtliche Neubeurteilung eines im
wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts vorgenommen.  
Diese Rüge verfängt nicht. Die Vorinstanz hat die jeweiligen Befunde gemäss
psychiatrischem Gutachten der Dr. med. C.________ vom 5. Dezember 2006 und
gemäss MGZ-Gutachten vom 15. März 2016 verglichen und in konkreter
Beweiswürdigung eine Verbesserung des Gesundheitszustands festgestellt (vgl. E.
3.2 hievor). Mit dieser Tatsachenfeststellung setzt sich die Beschwerdeführerin
nicht einmal ansatzweise auseinander. Vielmehr beschränkt sie sich darauf
vorzubringen, dass der gutachterlichen Einschätzung erklärtermassen eine
geänderte Rechtsprechung und geänderte Anforderungen an die Begutachtung
zugrunde lägen. Dabei lässt sie ausser Acht, dass der dahingehenden Aussage der
Gutachter - ebenso wie der abweichenden diagnostischen Beurteilung der
gesundheitlichen Leiden ex tunc - vorliegend keine Bedeutung zukommt. Streitig
sind nicht die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung (vgl. dazu BGE 141 V 405
E. 5.2 S. 414 f. mit Hinweisen), sondern diejenigen für eine Revision.
Massgeblich ist dabei, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin
zwischen dem 22. Juni 2006 (Datum der Rentenzusprache) und dem 26. Juli 2016
(Datum der rentenaufhebenden Verfügung; vgl. zum zeitlichen Referenzpunkt BGE
133 V 108 E. 5.4 S. 114) gemäss verbindlicher - da nicht offensichtlich
unrichtiger (E. 1 hievor) - Feststellung der Vorinstanz in erheblicher Weise
verbessert hat. 
Damit durfte eine freie Überprüfung der Anspruchsberechtigung erfolgen (BGE 141
V 9 E. 2.3 S. 11 mit Hinweisen). Diese ist nicht weiter angefochten. Anzufügen
bleibt, dass die Frage danach, ob und in welchem Umfang die Feststellungen in
einem medizinischen Gutachten anhand der rechtserheblichen Indikatoren auf die
Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen, rechtlicher Natur und damit frei
überprüfbar ist (BGE 141 V 281 E. 7 S. 308). Demnach konnte die Vorinstanz aus
rechtlicher Sicht von der medizinischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit
gemäss MGZ-Gutachten abweichen, ohne dass dieses gänzlich den Beweiswert
einbüsste (Urteil 8C_814/2016 vom 3. April 2017 E. 5.3.5, nicht publiziert in
BGE 143 V 66, aber in SVR 2017 IV Nr. 47 S. 139). 
 
4.3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald 

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