Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 559/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_559/2017            

 
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Attinger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Figi, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Rückerstattung; Verwirkung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 26. Juni 2017 (IV.2016.00584). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 7. November 2013 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
A.________ (geboren am 17. Oktober 1949) rückwirkend ab 1. Juni 2013 eine
Viertelsrente der Invalidenversicherung zu. Hiegegen führte der Versicherte
Beschwerde mit dem Antrag auf Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gab ihm Gelegenheit, sich zu
einer drohenden Schlechterstellung (reformatio in peius) zu äussern, und wies
ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, die Beschwerde zurückzuziehen, womit die
angefochtene Verfügung in Rechtskraft erwachsen würde (Beschluss vom 19. August
2015). Nachdem A.________ an seinem Rechtsmittel festgehalten hatte, wies das
Sozialversicherungsgericht die Beschwerde ab, hob die Rentenverfügung vom 7.
November 2013 auf und verneinte jeglichen Rentenanspruch. Auf Beschwerde des
Versicherten hin bestätigte das Bundesgericht mit Urteil vom 30. Dezember 2015
den fehlenden Rentenanspruch. Daraufhin forderte die IV-Stelle die von Juni
2013 bis Oktober 2014 (Eintritt ins Rentenalter) zu Unrecht ausgerichtete
Viertelsrente in Höhe von insgesamt Fr. 9'433.- von A.________ zurück
(Verfügung vom 19. April 2016). 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 26. Juni 2017 gut und hob die Rückerstattungsverfügung vom 19.
April 2016 wegen Verwirkung der Rückforderung auf. Spätestens im Zeitpunkt
ihres vernehmlassungsweisen Antrags auf eine reformatio in peius vom 23. Januar
2014 habe die IV-Stelle über die Kenntnis sämtlicher Tatsachen verfügt, welche
schliesslich zur Verneinung des Rentenanspruchs geführt hätten. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Aufhebung
des vorinstanzlichen Entscheids und Bestätigung ihrer
Rückerstattungsverfügung. 
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass die von Juni 2013 bis Oktober
2014 bezogene Viertelsrente im Sinne von Art. 25 Abs. 1 erster Satz ATSG (SR
830.1) zu Unrecht ausgerichtet wurde, weil dem Versicherten - wie sich im
Nachhinein aufgrund der erwähnten Urteile von kantonalem und Bundesgericht
ergab - von Beginn weg keine Invalidenrente zustand. Soweit der
Beschwerdegegner geltend macht, eine rückwirkende Leistungsanpassung wegen
IV-spezifischer Gesichtspunkte setze eine Meldepflichtverletzung voraus,
übersieht er, dass die diesbezüglich einschlägigen Art. 85 Abs. 2 und Art.
88bis Abs. 2 lit. b IVV (SR 831.201) ausschliesslich auf rechtskräftig verfügte
Leistungen anwendbar sind. Die Frage nach der Gutgläubigkeit des
Beschwerdegegners beim Rentenbezug wäre erst im Falle eines Erlassgesuchs
relevant (Art. 25 Abs. 1 zweiter Satz ATSG). Hingegen ist im Folgenden zu
prüfen, ob die Vorinstanz die Rückerstattungsforderung zu Recht als verwirkt
erachtete. 
 
2.   
Gemäss Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG erlischt der Rückforderungsanspruch mit
dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis
erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der
Entrichtung der einzelnen Leistung. Bei den genannten Fristen handelt es sich
um Verwirkungsfristen (BGE 140 V 121 E. 2.1 S. 525 mit Hinweisen). 
Unter der Wendung "nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten
hat", ist der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Verwaltung bei Beachtung der
ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen
für eine Rückerstattung bestehen, oder mit andern Worten, in welchem sich der
Versicherungsträger hätte Rechenschaft geben müssen über Grundsatz, Ausmass und
Adressat des Rückforderungsanspruchs (BGE 140 V 121 E. 2.1 S. 525 mit
Hinweisen). Ergibt sich eine Rückforderung, weil das kantonale
Versicherungsgericht im Beschwerdeverfahren eine reformatio in peius (vgl. Art.
61 lit. d ATSG) zulasten der rentenbeziehenden Person vornimmt, beginnt die
Verwirkungsfrist bei Eintritt der Rechtskraft dieses Gerichtsentscheids zu
laufen (SVR 2015 IV Nr. 4 S. 8, 8C_316/2014 E. 2; Urteil 9C_714/2015 vom 29.
April 2016 E. 5.4). 
 
 
3.   
Nach der unmittelbar hievor zitierten Rechtsprechung fällt der Beginn der
Verwirkungsfrist auf das Datum des bundesgerichtlichen Urteils vom 30. Dezember
2015, mit welchem die Beschwerde gegen die vorinstanzliche Verneinung jeglichen
Rentenanspruchs abgewiesen wurde. Zuvor wusste die IV-Stelle lediglich, gegen
wen sich eine allfällige Rückforderung richten und in welchem Betrag sie
gestellt würde. Noch keine definitive Gewissheit hatte sie hingegen bezüglich
der Rückerstattungspflicht als solcher. Wie die hier beschwerdeführende
IV-Stelle zutreffend geltend macht, war der Ausgang des seinerzeitigen
letztinstanzlichen Verfahrens bis zur Urteilsfällung offen. Nach dem Gesagten
erging die streitige Rückforderungsverfügung vom 19. April 2016 innerhalb der
einjährigen Verwirkungsfrist. Auf die vom Beschwerdegegner geltend gemachte,
aber nicht begründete Verletzung des Vertrauensschutzes ist nicht einzugehen. 
Die Beschwerde der IV-Stelle ist begründet. 
 
4.   
Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdegegner als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 26. Juni 2017 wird aufgehoben, und die
Rückerstattungsverfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 19. April 2016
wird bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 17. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Attinger 

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