Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 445/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_445/2017  
 
 
Urteil vom 16. April 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 5. Mai 2017 (IV.2016.00451). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1960 geborene A.________ erlitt am 3. April 2012 als Beifahrerin einen
Auffahrunfall. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), bei
welcher sie gegen Unfälle versichert war, erbrachte die gesetzlichen
Leistungen. Am 22. März 2013 meldete A.________ sich unter Hinweis auf die
Folgen eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Gestützt auf Abklärungen in erwerblicher und
medizinischer Hinsicht, insbesondere eine polydisziplinäre Expertise der Medas
Ostschweiz, medizinische Abklärungsstelle, St. Gallen, vom 26. August 2014
sowie einen Bericht des Konsiliarpsychiaters der Suva, Dr. med. B.________, vom
13. Januar 2016, lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich das Gesuch um
Leistungen der Invalidenversicherung mit Verfügung vom 9. März 2016 ab. Zur
Begründung hielt sie fest, bei der mittelgradigen depressiven Episode, an der
die Versicherte leidet, handle es sich um ein vorübergehendes, gut
therapierbares Leiden. Die ebenfalls diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung
stelle keinen invalidisierenden Gesundheitsschaden dar. 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A.________ hatte beantragen
lassen, unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei ihr rückwirkend eine
Invalidenrente zuzusprechen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom    5. Mai 2017 ab. 
 
C.   
Die Versicherte lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
sei ihr - nach Ergänzung der Akten - rückwirkend eine angemessene
Invalidenrente zu gewähren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unbegründet
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105    Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) verletzt hat,
indem sie den Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente verneint
hat. 
 
3.   
3.1 Nach der früheren Rechtsprechung wurde bei leichten bis mittelschweren
Störungen aus dem depressiven Formenkreis, seien sie im Auftreten rezidivierend
oder episodisch, angenommen, dass - aufgrund der nach gesicherter
psychiatrischer Erfahrung regelmässig guten Therapierbarkeit - hieraus keine
IV-rechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit resultiert. Den
leichten bis mittelschweren depressiven Erkrankungen fehle es, solange sie
therapeutisch angehbar sind, an einem hinreichenden Schweregrad der Störung, um
diese als invalidisierend anzusehen (vgl. BGE 140 V 193    E. 3.3 S. 196;
Urteil 8C_753/2016 vom 15. Mai 2017). Nur in der - seltenen, gesetzlich
verlangten Konstellation mit Therapieresistenz - ist den normativen
Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATSG für eine objektivierende
Betrachtungs- und Prüfungsweise Genüge getan (BGE 141 V 281 E. 3.7.1 bis E.
3.7.3 S. 295 f.). 
3.2 In BGE 143 V 409 und 143 V 418 hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung
geändert und festgestellt, dass die Therapierbarkeit allein keine
abschliessende evidente Aussage über das Gesamtmass der Beeinträchtigung und
deren Relevanz im IV-rechtlichen Kontext zu liefern vermöge. Weiter hat es
erkannt, dass sämtliche psychischen Erkrankungen, namentlich auch depressive
Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur, grundsätzlich einem strukturierten
Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen seien, welches bislang bei
Vorliegen somatoformer Schmerzstörungen anhand eines Kataloges von Indikatoren
durchgeführt wird. Dieses bleibt entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger
fachärztlicher Berichte (vgl. BGE 125 V 351) eine Arbeitsunfähigkeit in
nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen
Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen
kein Beweiswert beigemessen werden kann (BGE 143 V 409 E. 4.5 S. 415). 
 
4.   
4.1 Laut Gutachten der Medas Ostschweiz vom 26. August 2014 leidet die
Versicherte zur Hauptsache an einer mittelgradigen depressiven Episode,
reaktiven depressiven Episode (ICD_10: F32.1) und einer anhaltenden
somatoformen Schmerzstörung (ICD-10: F45.4). Mit diesen Krankheitsbildern ist
den Fachärzten zufolge keine Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit verbunden. 
4.2 Die Vorinstanz hat eine einlässliche Würdigung der umfangreichen
medizinischen Unterlagen im Lichte von BGE 141 V 281 vorgenommen. Gestützt auf
die fachärztlichen Stellungnahmen gelangte sie zum Schluss, dass die depressive
Erkrankung nicht als selbstständiges, vom Schmerzgeschehen losgelöstes,
invalidisierendes Leiden zu betrachten sei. Vielmehr handle es sich um eine
Begleiterscheinung zum unklaren Beschwerdebild. Die gesundheitlichen
Beeinträchtigungen seien aus diesem Grund in der Gesamtheit nach der sog.
Schmerzrechtsprechung zu beurteilen. 
4.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet diese Folgerung und macht geltend, bei
der mittelgradigen Depression handle es sich um eine von der somatoformen
Schmerzstörung unabhängige Krankheit, was von mehreren Psychiatern bestätigt
worden sei. Die Auswirkungen der depressiven Erkrankung seien deshalb nicht als
Begleiterscheinung zu einem unklaren Beschwerdebild nach der sog.
Schmerzrechtsprechung zu beurteilen (vgl. E. 3.1 hievor). Ob es sich bei der
diagnostizierten mittelgradigen Depression der Versicherten, wie
beschwerdeweise vorgebracht, um ein von der Schmerzkrankheit losgelöstes,
eigenständiges Krankheitsbild handelt, braucht nicht abschliessend geprüft zu
werden, da der mit den zitierten Urteilen BGE 143 V 409 und 143 V 418
geänderten Rechtsprechung auch depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger
Natur grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu
unterziehen sind. 
 
5.   
5.1 Wie erwähnt, hat die Vorinstanz das gesamte Beschwerdebild der Versicherten
nach den Grundsätzen eines strukturierten Beweisverfahrens anhand der
rechtsprechungsgemässen (BGE 141 V 281       E. 4.1.3 bis E. 4.4.2 S. 297 - S.
304) Indikatoren geprüft. Dabei ist sie zum Schluss gelangt, dass eine aus der
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung resultierende Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Damit habe die IV-Stelle
einen Rentenanspruch zu Recht verneint. 
5.2 Soweit die Versicherte letztinstanzlich vorbringen lässt, BGE 141 V 281 sei
auf Depressionen nicht anwendbar - was im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung (15.
Juni 2017) noch zutraf - ruft dies nach keinen verfahrensmässigen Weiterungen
(rechtliches Gehör). Denn die Vorinstanz hat effektiv eine umfassende
Indikatorenprüfung vorgenommen, mit der sich das Rechtsmittel denn auch
auseinandersetzt. In der Beschwerde werden jedoch keine Argumente namhaft
gemacht, die zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten. Eine
Auseinandersetzung mit den einzelnen Indikatoren fehlt. Die einzige Ausnahme
betrifft das definitive Scheitern einer indizierten, lege artis und mit
optimaler Kooperation durchgeführten Therapie. Die Vorinstanz hat dargelegt,
die Versicherte habe die verordneten Medikamente nicht zuverlässig eingenommen
und die belastende psychosoziale Situation stehe dem Behandlungserfolg
entgegen. Ein definitives Scheitern einer indizierten und lege artis
vorgenommenen Behandlung sei damit nicht erstellt. Die Versicherte wendet sich
gegen diese Feststellung. Ihre Einwendungen erschöpfen sich jedoch im
Wesentlichen in einer appellatorischen Kritik an der Beweiswürdigung der
Vorinstanz, auf welche das Bundesgericht nicht einzugehen hat (E. 1 hievor).
Dass das kantonale Gericht mit seiner Begründung Bundesrecht verletzt habe,
vermag sie nicht darzutun. Dass sie wegen des psychischen Gesundheitsschadens
während längerer Zeit stationär und teilstationär behandelt wurde, ist dem
kantonalen Gericht nicht entgangen und vermag einen Vorwurf, wonach der
angefochtene Entscheid gegen Bundesrecht verstosse, nicht zu begründen. Eine
Aktenergänzung, wie beschwerdeweise beantragt, erübrigt sich, da der
rechtserhebliche Sachverhalt vollständig abgeklärt wurde. 
 
6.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1    Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. April 2018 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer 

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