Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 436/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_436/2017, 9C_746/2017  
 
 
Urteil vom 14. Dezember 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A._________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 26. April 2017 (VBE.2016.762) 
und 13. September 2017 (VBE.2016.767). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1965 geborene A._________ meldete sich im Februar 2005 unter Hinweis auf
Rückenbeschwerden und Weichteilrheuma bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 27. August 2010 verneinte die IV-Stelle
des Kantons Aargau einen Anspruch (Invaliditätsgrad 27 %). Auf Beschwerde hin
hob das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Verfügung mit Entscheid vom
18. Januar 2012 auf; es wies die Sache zu weiteren Abklärungen und erneuter
Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurück. Diese veranlasste
u.a. die multidisziplinäre Expertise des Swiss Medical Assessment- and
Business-Centers (SMAB) vom 17. April 2014 und das bidisziplinäre Gutachten der
MEDAS Oberaargau vom 13. Juni 2016 (wobei die MEDAS-Untersuchungen bereits am
12. und 18. November 2015 erfolgten). Eine am 28. April 2016 erhobene
Rechtsverzögerungsbeschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
mit Entscheid vom 10. August 2016 ab. Mit Vorbescheid vom 12. August 2016
stellte die IV-Stelle die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht. Am 1.
September 2016 liess A._________ um unentgeltliche Verbeiständung für das
Verwaltungsverfahren durch ihren (am 26. August 2016 beauftragten)
Rechtsvertreter ersuchen. 
Mit Verfügungen vom 2. November 2016 verneinte die IV-Stelle den Anspruch auf
eine Invalidenrente (Invaliditätsgrad 16 %) und auf unentgeltliche
Verbeiständung. 
 
B.  
 
B.a. Die Beschwerde gegen die Verfügung betreffend die unentgeltliche
Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren wies das Versicherungsgericht des
Kantons Aargau mit Entscheid vom 26. April 2017 (VBE.2016.762) ab; gleichzeitig
verneinte es den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das
Beschwerdeverfahren.  
 
B.b. Ebenso wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Beschwerde
gegen die Verfügung betreffend die Invalidenrente mit Entscheid vom 13.
September 2017 (VBE.2016.767) ab.  
 
C.  
 
C.a. A._________ lässt gegen den Entscheid vom 26. April 2017 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die unentgeltliche
Verbeiständung für das Verwaltungs- und das kantonale Beschwerdeverfahren durch
ihren Rechtsvertreter beantragen (Verfahren 9C_436/2017). Ferner ersucht sie
für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege.  
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
C.b. A._________ lässt auch gegen den Entscheid vom 13. September 2017
Beschwerde einreichen mit dem Antrag, es sei ihr ab Anmeldedatum in Beachtung
der entsprechenden Frist eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter
sei die Sache an die Verwaltung oder das kantonale Gericht zurückzuweisen
zwecks Erstellung des medizinischen Sachverhalts, der Bewertung des
funktionellen Leistungsvermögens und der Bestimmung des Invaliditätsgrades;
eventualiter sei ein Obergutachten durchzuführen. A._________ lässt eine
weitere Eingabe einreichen.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Da die Beschwerden die gleichen Parteien betreffen, und ihnen das gleiche
Verwaltungsverfahren und der gleiche Sachverhalt zugrunde liegen, rechtfertigt
es sich, die beiden Verfahren 9C_436/2017 und 9C_746/2017 zu vereinigen und in
einem Urteil zu erledigen (vgl. BGE 131 V 59 E. 1 S. 60 f.). 
 
2.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen und die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG. Bei der konkreten
Beweiswürdigung geht es um Sachverhaltsfragen (Urteil 8C_590/2015 vom 24.
November 2015 E. 1, nicht publ. in BGE 141 V 585). 
 
3.  
 
3.1. Was das Verfahren 9C_436/2017 anbelangt, so prüft das Bundesgericht seine
Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und
mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit
Hinweisen).  
Der vorinstanzliche Entscheid betreffend die unentgeltliche Verbeiständung für
das Verwaltungsverfahren ist ein Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 BGG (BGE
139 V 600 E. 2.2 S. 602), der grundsätzlich nur unter der Voraussetzung von 
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG anfechtbar ist. Ist - wie hier - im
Entscheidzeitpunkt das Verwaltungsverfahren nicht mehr hängig, kann er keinen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken. Da inzwischen der Endentscheid
(betreffend die Invalidenrente; Verfahren 9C_746/2017) ergangen ist, ist auf
die Beschwerde gegen den Entscheid vom 26. April 2017 einzutreten, auch wenn
sie nicht erst zusammen mit jener gegen den Entscheid vom 13. September 2017
eingereicht wurde (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 139 V 600 E. 2.3 S. 603). 
 
3.2. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf
unentgeltliche Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren (Art. 37 Abs. 4 ATSG
; Art. 29 Abs. 3 Satz 2 BV; BGE 132 V 200 E. 4.1 S. 200 f.; vgl. auch SVR 2017
IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 2.1 mit Hinweisen) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.  
 
3.3. Die Frage nach der sachlichen Gebotenheit der anwaltlichen Verbeiständung
für das Administrativverfahren ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare
Rechtsfrage (SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
3.4. Das kantonale Gericht verneinte die sachliche Gebotenheit der
unentgeltlichen Verbeiständung für das Verwaltungsverfahren im Wesentlichen mit
der Begründung, dass es im Zeitpunkt des Gesuchs darum gegangen sei, sich zum
Beweiswert des MEDAS-Gutachtens, zur Invaliditätsgradbemessung und zu einer
allfälligen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu äussern. Die
Komplexität dieser Fragestellungen sei im sozialversicherungsrechtlichen
Kontext durchschnittlich. Die lange Verfahrensdauer allein, wie auch die
gerichtliche Rückweisung, begründe keine Notwendigkeit einer anwaltlichen
Verbeiständung. Schliesslich sei es eine reine Schutzbehauptung, dass nicht auf
die Unterstützung von Fach- oder Vertrauensleuten sozialer Institutionen
zurückgegriffen werden könne.  
 
3.5. Es trifft zu, dass die hohe Bedeutung medizinischer Gutachten für sich
allein genommen die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung nicht zu
begründen vermag. Daran ändert auch nichts, dass im Rahmen der Stellungnahme zu
einem medizinischen Gutachten regelmässig gewisse medizinische Kenntnisse und
ein gewisser juristischer Sachverstand erforderlich sind, um Schwachstellen
einer fachärztlichen Expertise und deren rechtliche Relevanz zu erkennen. Denn
die gegenteilige Auffassung liefe in der Tat darauf hinaus, dass ein Anspruch
auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung kaum verneint werden könnte, wenn ein
medizinisches Gutachten zur Diskussion steht. Dies aber wäre mit der Konzeption
von Art. 37 Abs. 4 ATSG als einer Ausnahmeregelung nicht mehr vereinbar (vgl.
Urteile 8C_468/2016 vom 13. September 2016 E. 3.2; 8C_676/2015 vom 7. Juli 2016
E. 7, nicht publ. in: BGE 142 V 342). Es bedarf mithin weiterer Umstände,
welche die Sache als nicht (mehr) einfach und eine anwaltliche Vertretung als
notwendig erscheinen lassen (SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.2;
Urteil 9C_908/2012 vom 22. Februar 2013 E. 5.2 mit Hinweisen).  
 
3.6.   
 
3.6.1. Vorliegend gilt es zunächst zu beachten, dass das kantonale Gericht die
Sache mit Entscheid vom 18. Januar 2012 zur weiteren medizinischen Abklärung an
die IV-Stelle zurückwies.  
Nicht jede Rückweisung an die IV-Stelle zur weiteren Abklärung in Bezug auf die
Wiederaufnahme des Administrativverfahrens begründet einen Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege. Dieser setzt vielmehr zusätzliche, besondere
Umstände voraus, welche die Sache als nicht (mehr) einfach erscheinen lassen.
Solche Besonderheiten liegen beispielsweise vor, wenn die Verwaltung nicht
bloss einzelne rechtsverbindliche Anweisungen gemäss Rückweisungsentscheid ohne
eigenen Ermessensspielraum konkret umzusetzen hat, sondern das kantonale
Gericht die Sache zur umfassenden medizinischen Abklärung und Veranlassung
eines polydisziplinären Gutachtens an die IV-Stelle zurückweist, ein komplexer
Sachverhalt vorlag und die versicherte Person bereits im damaligen
gerichtlichen Verfahren vertreten war (Urteil 9C_692/2013 vom 16. Dezember 2013
E. 4.2). Besondere Umstände können des Weiteren dann gegeben sein, wenn die
Rückweisung an die Verwaltung zur mono- oder bidisziplinären Begutachtung
erfolgt, weil in diesem Kontext die zufallsbasierte Zuweisung einer
Gutachterstelle entfällt, so dass den übrigen Verfahrensgarantien im Sinn von
BGE 137 V 210 (Partizipationsrechte, Verfügungspflichten und Rechtsschutz) umso
grössere Bedeutung zukommt. Ferner können auch besondere Vorgaben rechtlicher
Natur (z.B. Rückweisung nicht nur zur umfassenden Neubeurteilung des
Gesundheitszustands, sondern auch zur Neuüberprüfung des Einkommensvergleichs
unter allfälliger Parallelisierung der Einkommen) die Verbeiständung
erforderlich machen (SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.3.1 mit
Hinweisen). 
 
3.6.2. Im Rückweisungsentscheid vom 18. Januar 2012 trug das kantonale Gericht
"unter Berücksichtigung der neusten Rechtsprechung (BGE 137 V 210) " der
IV-Stelle auf, den Sachverhalt in Bezug auf eine allfällige gesundheitliche
Veränderung seit der letzten - im Sommer 2006 erfolgten - ärztlichen
Begutachtung abzuklären. Die daraufhin eingeholte multidisziplinäre
SMAB-Expertise vom 17. April 2014, in der eine Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit von 40 % attestiert wurde, hielt der Regionale Ärztliche
Dienst nicht für überzeugend; er bezifferte die Einschränkung auf 30 %.
Deshalb, und weil zwischenzeitlich weitere medizinische Berichte vorlagen,
veranlasste die IV-Stelle in der Folge das bidisziplinäre MEDAS-Gutachten vom
13. Juni 2016. Gestützt darauf erliess sie den Vorbescheid.  
 
3.6.3. Spätestens mit der Abweichung von der SMAB-Expertise und der
zusätzlichen, von der IV-Stelle nach der Rückweisung eigenständig angeordneten
erneuten (bidisziplinären) Begutachtung und der damit verbundenen weiteren
Verlängerung des Verfahrens kann - entgegen der Vorinstanz - nicht mehr von
einem einfachen, durchschnittlichen Sachverhalt ausgegangen werden (vgl. SVR
2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.3.3).  
Hinzu kommt, dass das gesamte Verfahren ausserordentlich lang dauerte, und auch
von der vorinstanzlichen Rückweisung bis zum Erlass der Rentenverfügung nahezu
fünf Jahre vergingen, was denn auch Anlass zu einer
Rechtsverzögerungsbeschwerde gab. Auch wenn das kantonale Gericht diese im
Ergebnis abwies, ermahnte es die Verwaltung, das Verfahren "nun (...)
beförderlich" zu erledigen. In beiden Beschwerdeverfahren
(Rückweisungsentscheid vom 18. Januar 2012 und Rechtsverzögerungsentscheid vom
10. August 2016) war die Versicherte durch einen Rechtsanwalt vertreten.
Ausserdem war mit BGE 141 V 281 seit Juni 2015 in Bezug auf die medizinischen
Fragen resp. Gutachten einer veränderten Rechtslage Rechnung zu tragen. 
Aufgrund des komplexen Verfahrensverlaufs und der nicht mehr einfachen
Fragestellungen zielt schliesslich auch der Einwand ins Leere, dass sich der
Beschwerdeführer mit dem Beizug von Fach- und Vertrauensleuten sozialer
Institutionen oder unentgeltlicher Rechtsberatungsstellen behelfen müsse (vgl.
SVR 2017 IV Nr. 57 S. 177, 8C_669/2016 E. 3.3.3). 
 
3.6.4. Aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falls ist der Beizug eines
Anwalts mit Blick auf die dargelegten Grundsätze für die Dauer des
Vorbescheidverfahrens ausnahmsweise erforderlich.  
 
3.7. Die Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie die verbleibenden
Voraussetzungen betreffend die Prozessaussichten und die Bedürftigkeit, zu der
weder sie selbst noch die Vorinstanz bislang Stellung nahm, prüfe und
anschliessend erneut über die unentgeltliche Verbeiständung verfüge. Insoweit
ist die Beschwerde im Verfahren 9C_436/2017 begründet.  
 
3.8. Praxisgemäss entspricht die Rückweisung der Sache zu neuem Entscheid einem
vollen Obsiegen (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die
Beschwerdeführerin hat für das vorangegangene Verfahren Anspruch auf eine
Parteientschädigung (Art. 61 lit. g ATSG). Damit wird der Antrag auf
unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren
gegenstandslos.  
 
4.  
 
4.1. Der im Verfahren 9C_746/2017 neu eingereichte Bericht der Klinik
B.________ vom 6. Oktober 2017 ist als echtes Novum von vornherein unzulässig (
Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.2 S. 23 f.; 140 V 543 E. 3.2.2.2 S. 548;
139 III 120 E. 3.1.2 S. 123).  
 
4.2. Der Umstand, dass die für die Beurteilung des umstrittenen Rentenanspruchs
zuständige Kammer des kantonalen Gerichts in der gleichen Sache bereits die
vorangegangene Rechtsverzögerungsbeschwerde abwies, verletzt nicht das
Willkürverbot (Art. 9 BV; vgl. BGE 142 II 369 E. 4.3 S. 380 mit Hinweisen) und
- soweit überhaupt rechtsgenüglich gerügt (Art. 106 Abs. 2 BGG) - stellt auch
keinen Ausstandsgrund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 BV dar (vgl. BGE 131 I 113 E.
3.7.3 S. 123 betreffend Mitwirkung am negativen Entscheid über die
unentgeltliche Rechtspflege).  
 
4.3. Anders als die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, obliegt es nicht der
IV-Stelle nachzuweisen, dass keine invalidisierende gesundheitliche
Beeinträchtigung vorliegt, denn die Gesundheit der Versicherten wird vermutet (
BGE 140 V 290 E. 4.1 S. 297).  
 
4.4.  
 
4.4.1. Die Vorinstanz hat ausführlich dargelegt, weshalb sie die Expertise des
Swiss Medical Assessment- and Business-Center (SMAB) vom 17. April 2014 nicht
für überzeugend und die Einholung des Gutachtens der MEDAS Oberaargau vom 13.
Juni 2016 für zulässig gehalten hat. Weiter hat sie festgestellt, dass im
Vorfeld der MEDAS-Begutachtung keine Beanstandungen im Zusammenhang mit der
Auftragsvergabe (vgl. BGE 139 V 349 E. 5.2.2.3 und 5.2.3 S. 356) vorgebracht
worden seien. Sodann hat das kantonale Gericht dem MEDAS-Gutachten in Bezug auf
den medizinischen Sachverhalt Beweiskraft beigemessen und gestützt darauf eine
uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für angepasste Tätigkeiten festgestellt.
Folglich hat es einen Rentenanspruch verneint.  
 
4.4.2. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substanziiert (vgl. Art.
106 Abs. 2 BGG) geltend gemacht, dass die vorinstanzliche Beweiswürdigung und
Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig (d.h. unhaltbar, willkürlich:
BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; Urteil 9C_607/2012 vom 17. April 2013 E. 5.2)
sein sollen.  
 
4.4.3. Was die Beschwerdeführerin gegen die Beweiskraft (vgl. BGE 134 V 231 E.
5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a, 3b/bb und cc S. 352 f.) des MEDAS-Gutachtens
vorbringt, hält nicht stand: Die Experten berücksichtigten die medizinische
Aktenlage und begründeten ihre Einschätzungen nachvollziehbar. Sie äusserten
sich auch zum leidensangepassten Tätigkeitsprofil, indem sie wechselbelastende
leichte bis kurzzeitig mittelschwere Arbeiten für vollzeitig zumutbar hielten.
Die Versicherte setzt sich nicht mit den vorinstanzlichen Ausführungen
betreffend die Beweiskraft des MEDAS-Gutachtens im Lichte von BGE 141 V 281
(vgl. insbesondere auch dessen E. 8 S. 309) auseinander. Inwiefern das
kantonale Gericht dabei Recht verletzt haben soll, ist nicht ersichtlich.
Ohnehin beschränkt sich die Beschwerdeführerin auf weiten Strecken auf eine von
der Vorinstanz abweichende Beweiswürdigung, was nicht genügt (vgl. Urteile
9C_714/2015 vom 29. April 2016 E. 4.3; 9C_65/2012 vom 28. Februar 2012 E. 4.3
mit Hinweisen).  
Nach dem Gesagten beruht die vorinstanzliche Feststellung betreffend die
Arbeitsfähigkeit auch nicht auf einer Rechtsverletzung. Sie bleibt für das
Bundesgericht verbindlich (E. 2), und weitere medizinische Abklärungen
erübrigen sich. 
 
4.5. Für die Verwertbarkeit der festgestellten Arbeitsfähigkeit ist der
(hypothetische) ausgeglichene Arbeitsmarkt massgeblich (Art. 16 ATSG). Dieser
bietet eine Vielzahl verschiedenartiger Stellen (vgl. Urteile 9C_183/2017 vom
30. Oktober 2017 E. 4.2; 8C_13/2017 vom 21. Juni 2017 E. 3.3.3). Anders als die
Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, hat der Umstand, dass ein allfälliger
Kollektivversicherer eines potentiellen Arbeitgebers die Beschwerdeführerin
"als unerwünschtes Risiko bewerten würde", nicht (zwingend) zur Folge, dass das
Finden einer geeigneten Arbeit unmöglich ist. Die Beschwerde 9C_746/2017 ist
auch in diesem Punkt unbegründet.  
 
5.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten für das Verfahren
9C_436/2017 der Beschwerdegegnerin, jene für das Verfahren 9C_746/2017 der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat für das
Verfahren 9C_436/2017 Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 2 und
3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 9C_436/2017 und 9C_746/2017 werden vereinigt. 
 
2.   
Die Beschwerde betreffend die unentgeltliche Verbeiständung für das
Verwaltungsverfahren (9C_436/2017) wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid
des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 26. April 2017 und die
entsprechende Verfügung der IV-Stelle des Kantons Aargau vom 2. November 2016
werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
3.   
Die Beschwerde betreffend den Rentenanspruch (9C_746/2017) wird abgewiesen. 
 
4.   
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 1'600.- werden je zu Fr. 800.- der
Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
5.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
6.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung für das vorangegangene
Verfahren VBE.2016.762 an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
zurückgewiesen. 
 
7.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der CPV/CAP Pensionskasse Coop, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 14. Dezember 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann 

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