Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 403/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
9C_403/2017  
 
 
Urteil vom 27. Dezember 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Orlando Rabaglio, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 18. April 2017 (AB.2016.00026). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die A.________ AG war vom 1. April 2010 bis 30. April 2013 der Ausgleichskasse
des Kantons Zürich als beitragspflichtige Arbeitgeberin angeschlossen. Im
Rahmen einer Buchprüfung bei der Gesellschaft stellte das Steueramt des Kantons
Zürich in den Steuerperioden 2010 bis 2012 verschiedene geldwerte Leistungen
zugunsten des Alleinaktionärs B.________ fest, was ein Nach- und
Strafsteuerverfahren nach sich zog. B.________ habe in den Steuerperioden 2010/
11 geschäftsmässig nicht begründete Aufwendungen von Fr. 187'026.- (2010) und
Fr. 412'484.- (2011) bei der Gesellschaft als geschäftsmässigen Aufwand
verbucht. Am 16. Juni 2015 verfügte das kantonale Steueramt die Nachsteuern und
auferlegte B.________ zudem eine Busse. 
Mit Verfügungen vom 13. November 2015 verpflichtete die Ausgleichskasse die
A.________ AG zur Nachzahlung paritätischer AHV/IV/EO/ AlV-Beiträge und von
Beiträgen an die Familienausgleichskasse im Gesamtbetrag von Fr. 25'441.15 für
die Periode von April bis Dezember 2010 und von Fr. 58'634.60 für das Jahr
2011, je einschliesslich Verwaltungskosten. 
Auf Einsprache der A.________ AG hin hielt die Ausgleichskasse mit Entscheid
vom 12. Mai 2016 an ihren Nachzahlungsverfügungen fest. Zur Begründung führte
sie aus, der Alleinaktionär der A.________ AG, B.________, habe in den Jahren
2010 und 2011 geschäftsmässig nicht begründete Aufwendungen von Fr. 187'026.-
(2010) und Fr. 412'484.- (2011) als Geschäftsaufwand verbucht. Einerseits gehe
es um der Gesellschaft belastete, privat angefallene Reisespesen, anderseits um
die erhöhte Fakturierung von Aufwendungen für eine dem Alleinaktionär gehörende
Wohnung in London. Die erfolgten Vorteilszuwendungen seien in beiden Fällen
Ersatz für privat angefallene Kosten und stünden im Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis. Überdies sei zu berücksichtigen, dass sich B.________ in den
Jahren 2010 und 2011 einen unüblich tiefen Bruttolohn von Fr. 70'000.- und Fr.
63'991.- ausbezahlt habe. Die fraglichen Zuwendungen seien daher als
massgebender Lohn zu qualifizieren. 
 
B.   
Die von der A.________ AG eingereichte Beschwerde, mit der sie die Aufhebung
des Einspracheentscheids beantragt hatte, wies das Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. April 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erneuert die
A.________ AG das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren. 
Die Ausgleichskasse, das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und das
Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Von der mit dem vorinstanzlichen Entscheid bestätigten Nachzahlung gemäss
Verfügung vom 13. November 2015 für April bis Dezember 2010 entfällt ein
Teilbetrag von Fr. 2'244.30, für das Jahr 2011 ein solcher von Fr. 4'949.80,
auf die Beiträge an die kantonale Familenausgleichskasse. Soweit der
angefochtene Entscheid auf kantonalem Recht beruht, kann er weitgehend nur
wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte beanstandet werden, wobei hiefür
eine qualifizierte Rügepflicht besteht, d.h. konkret und detailliert darzulegen
ist, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den kantonalen
Entscheid verletzt worden sein sollen; die Verletzung blossen kantonalen Rechts
bildet keinen selbstständigen Beschwerdegrund (Art. 95 in Verbindung mit Art.
106 Abs. 2 BGG; BGE 141 I 36 E. 1.3 S. 41; 137 V 57 E. 1.3 S. 60 f.).  
 
1.3. In der Beschwerde werden keine qualifizierten Rügen hinsichtlich der
Nachzahlung von Beiträgen an die Familienausgleichskasse erhoben, weshalb
insoweit mangels rechtskonformer Begründung nicht darauf einzutreten ist.  
 
2.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen zur Beitragserhebung (Art. 5 Abs. 1 und 14
Abs. 1 AHVG) auf dem massgebenden Lohn (Art. 5 Abs. 2 AHVG) und die dazu
ergangene Rechtsprechung (BGE 133 V 549 E. 4 S. 558, 134 V 297 E. 2.1) richtig
wiedergegeben. Es wird darauf verwiesen. 
 
3.   
Das kantonale Gericht stellte gestützt auf die Unterlagen der Steuerbehörde
fest, dass die Beschwerdeführerin B.________ 2010 privat angefallene
Reisespesen in der Höhe von Fr. 187'026.-, im Jahr 2011 solche im Betrag von
Fr. 196'188.-, vergütet habe. Sodann habe die Gesellschaft für die B.________
persönlich gehörende, vorwiegend geschäftlich genutzte Wohnung in London
Aufwendungen von Fr. 432'592.- verbucht. Hievon habe die Steuerbehörde
lediglich 50 % als geschäftsmässig begründet erachtet, womit sich ein
Privatanteil von Fr. 216'296.- ergeben hat. Die Spesenentschädigungen und die
nicht geschäftsmässig begründeten Aufwendungen für die Liegenschaft
qualifizierte die Vorinstanz als massgebenden Lohn. Ins Gewicht fiel dabei auch
die Tatsache, dass in den Jahren 2010 und 2011 B.________ ein tiefer Lohn,
hingegen hohe Leistungen der Gesellschaft (2010: Fr. 187'026.- für private
Reisespesen, 2011: Fr. 412'484.- Reisespesenvergütung und Ersatz für
Aufwendungen für die Privatliegenschaft) vergütet wurden. Zwischen Lohn und
übrigen Bezügen bestehe ein Missverhältnis. Die von der Gesellschaft
ausgerichteten Leistungen stünden im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung von
B.________, würden doch einem Aktionär, der nicht zugleich Arbeitnehmer ist,
keine solchen Leistungen erbracht. Für einen massgeblichen Arbeitseinsatz des
Alleinaktionärs sprächen auch die von der Beschwerdeführerin mit sehr wenig
Personal erzielten hohen Dienstleistungserträge von rund Fr. 1,65 Mio. (2010)
und Fr. 4,98 Mio. (2011). 
 
4.  
 
4.1. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Angemessenheit von Lohn und
Dividende, von deren Aufteilung bei einem offensichtlichen Missverhältnis
zwischen Arbeitsleistung und Lohn bzw. zwischen eingesetztem Vermögen und
Dividende abgesehen werden kann (BGE 134 V 297 E. 2.2 S. 300 f.). Zu prüfen ist
vielmehr die (Vor-) Frage, ob die Vorinstanz die geschäftsmässig nicht
begründeten Aufwendungen, die B.________ in der Erfolgsrechnung der A.________
AG als Geschäftsaufwand verbucht hat, zu Recht vom Grundsatz her als
massgebenden Lohn qualifiziert hat (vgl. dazu auch Urteil 9C_8/2016 vom 1.
September 2016 E. 4.3 in fine).  
 
4.2. Das kantonale Gericht hat in tatsächlicher Hinsicht verbindlich
festgestellt, dass die Beschwerdeführerin B.________ im Jahr 2010 privat
angefallene Reisespesen in der Höhe von Fr. 187'026.-, im Jahr 2011 solche im
Betrag von Fr. 196'188.-, vergütet habe. Sodann habe die Gesellschaft für die
B.________ persönlich gehörende, vorwiegend geschäftlich genutzte Wohnung in
London Aufwendungen von Fr. 432'592.- verbucht. Hievon habe die Steuerbehörde
lediglich 50 % als geschäftsmässig begründet erachtet, womit sich ein
Privatanteil von Fr. 216'296.- ergeben habe. Die Reisespesenentschädigung und
die nicht geschäftsmässig begründeten Aufwendungen für die Liegenschaft
qualifizierte die Vorinstanz als massgebenden Lohn und unterstellte sie der
Beitragspflicht.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz in rechtlicher Hinsicht vor,
sie habe nicht aufgrund nachvollziehbarer Überlegungen, sondern rein
ergebnisorientiert entschieden. Die Leistungen an B.________ seien
ausschliesslich im Gesellschaftsverhältnis begründet. Entgegen dem von der
Vorinstanz erweckten Anschein seien nicht nur die Dienstleistungserträge,
sondern auch die Kosten hoch gewesen. Der geringe Lohn von B.________ habe
seinen Grund darin gefunden, dass die Beschwerdeführerin sich noch tief in der
Verlustzone bewegt habe. Des Weiteren bestehe ahv-rechtlich eine Bindung an die
steuerrechtliche Betrachtungsweise. Aus der Rechtsprechung zum Steuerrecht
ergebe sich, dass man nicht für steuerliche Zwecke von einer dem Gewinn
aufzurechnenden geldwerten Leistung ausgehen und für die Belange der AHV diese
kurzerhand als Lohn qualifizieren kann. Wichtige Gründe, um von der
steuerrechtlichen Qualifikation abzuweichen, lägen nicht vor.  
 
5.  
 
5.1. Im Folgenden ist von den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz auszugehen, die von der Beschwerdeführerin zu
Recht nicht in Frage gestellt und schon gar nicht als offensichtlich unrichtig
(E. 1 hievor) bezeichnet werden. Demnach ist erwiesen, dass die
Beschwerdeführerin ihrem Alleinaktionär in den Jahren 2010 und 2011
geschäftsmässig nicht begründete Reisespesenentschädigungen (Fr. 187'026 / Fr.
196'188.-) und Vergütungen für dessen vorwiegend geschäftlich genutzte Wohnung
in London (Fr. 432'592.-, wovon Fr. 216'296.- Privatanteil) bezahlt hat. Die
entsprechenden, nicht geschäftlich begründeten Vergütungen hat die Vorinstanz
in Bestätigung der Nachzahlungsverfügungen der Ausgleichskasse vom 13. November
2015 als massgebenden Lohn qualifiziert, von welchem die paritätischen Beiträge
geschuldet seien.  
 
5.2. Die rechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die
vorinstanzlich bestätigten Kassenverfügungen verfangen nicht. Insbesondere sind
die Ausführungen in der Beschwerde zum ungewöhnlich tiefen Lohn, den der in der
Gesellschaft tätige Alleinaktionär in den Jahren 2010 und 2011 für seine
Erwerbstätigkeit bezogen hat, unerheblich. Ob die geringe Lohnhöhe durch die
anfänglichen Verluste der Gesellschaft gerechtfertigt ist, braucht nicht
geprüft zu werden, da es hier nicht um das Verhältnis zwischen (zu tiefem) Lohn
und (hoher) Dividende geht (vgl. E. 4.1 vorne). Vielmehr hat die Vorinstanz die
erwähnten übermässigen Aufwendungen für Reisespesen und die geschäftlich
genutzte Wohnung in London in Einklang mit der Ausgleichskasse als verdeckte
Lohnzahlungen qualifiziert. Ihre differenzierten und auf die Umstände des
konkreten Falles eingehenden Ausführungen überzeugen. Das Bundesgericht hat
keine Veranlassung davon abzuweichen. Dass den im kantonalen Gerichtsentscheid
bezifferten Dienstleistungserträgen auch hohe Kosten gegenüberstanden, ist
nicht erheblich, da es hier nicht um die Gewinnungskosten geht (vgl. E. 5.1
vorne).  
 
5.3. Schliesslich obliegt es praxisgemäss der Ausgleichskasse, selbst zu
beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn zu betrachten
ist. Auch wenn sie sich dabei in der Regel an die bundessteuerliche
Betrachtungsweise hält, ist eine von der steuerrechtlichen Sichtweise
abweichende Betrachtungsweise der AHV-Verwaltung möglich, wenn ausschlaggebende
Gründe vorliegen (BGE 134 V 297 E. 2.3 S. 302). Inwiefern die Ansicht der
Vorinstanz, welche das Vorliegen solcher Argumente bejaht hat, Bundesrecht
verletzen soll, vermag die Beschwerdeführerin nicht hinreichend zu begründen.  
 
6.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. Dezember 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer 

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