Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 401/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_401/2017        

Urteil vom 12. Juli 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Advokat Jan Bangert,
Beschwerdeführerin,

gegen

Ausgleichskasse Hotela, Rue de la Gare 18, 1820 Montreux,
Beschwerdegegnerin,

1. B.________,
2. C.________,
3. D.________.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis vom 26. April 2017.

Sachverhalt:

A. 
Die F.________ AG bezweckte laut Handelsregistereintrag den Betrieb des Hotels
E.________ AG, das über einen Wellnessbereich "Center Beau-Vital", bestehend
u.a. aus einem Hallenbad, einer Sauna, einer Massagewanne und einem
Massageraum, verfügte. Die F.________ AG war der Ausgleichskasse Hotela
angeschlossen. Gestützt auf eine Arbeitgeberkontrolle betreffend die Jahre 2009
bis 2013 erliess die Ausgleichskasse am 23. Dezember 2014 für die
entsprechenden Jahre eine Nachzahlungsverfügung über einen Betrag von insgesamt
Fr. 34'269.50 mit der Begründung, gemäss dem Revisorenbericht seien Bruttolöhne
in der Höhe von Fr. 162'361.20 nicht abgerechnet worden; diese Entschädigungen
seien an B.________, C.________ und D.________ für erbrachte Wellness- und
Massageleistungen im Center Beau-Vital ausgerichtet worden. Auf Einsprache hin
bestätigte die Ausgleichskasse die Nachzahlungsverfügung mit Entscheid vom 8.
Juni 2015.

B. 
Die F.________ AG liess beim Kantonsgericht Wallis Beschwerde führen mit den
Rechtsbegehren, unter Aufhebung des Einspracheentscheids vom 8. Juni 2015 sei
festzustellen, dass es sich bei den von B.________, C.________ und D.________
erzielten Entgelten um Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit handelt.
Mit Entscheid vom 26. April 2017 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.

C. 
Die A.________ AG als Rechtsnachfolgerin der F.________ AG lässt mit Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die vorinstanzlich gestellten Anträge
erneuern. Eventuell sei die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer
Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich
unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte
Erwerbseinkommen als solches aus selbstständiger oder aus unselbstständiger
Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff.
AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in
unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete
Arbeit; als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9
Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger
Stellung geleistete Arbeit darstellt.

Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall
selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht auf Grund
der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend
sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen
Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die
AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein.
Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von
einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer
Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt.

Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen,
schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen
Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung
einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des
Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu
Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale
im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 162 Erw. 1, 122 V 171 Erw. 3a, 283 Erw.
2a, 119 V 161 Erw. 2 mit Hinweisen).

3. 

3.1. Das kantonale Gericht gelangte in seinem einlässlich begründeten Entscheid
zur Auffassung, die von der F.________ AG an B.________, C.________ und
D.________ ausgerichteten Entschädigungen für Wellness- und Massageleistungen
im Center Beau-Vital stellten massgebenden Lohn dar. Zahlreiche Merkmale
sprächen für unselbstständige Erwerbstätigkeit. Die Beschwerdeführerin habe im
interessierenden Zeitraum einen Wellnessbereich betrieben, der Bestandteil des
Ferienhotels in der Viersterne-Kategorie bildete. Wie der Homepage des
Betriebes zu entnehmen ist, habe die F.________ AG die Termine für Massagen,
Bäder und Behandlungen vereinbart. Die unmittelbare Kontaktaufnahme sei den
Masseuren verwehrt geblieben. Dementsprechend hätten Termine anschliessend über
die Telefonnummer des Hotels, dessen E-Mailadresse oder direkt vor Ort
vereinbart werden können. Über die Homepage der F.________ AG sei Werbung für
die Leistungen des Masseurs im Wellness-Center im Namen des Hotels als
eigentlicher Leistungserbringer verbreitet worden. Dies spreche gegen einen
selbstständigen Leistungsauftritt der einzelnen Masseure und Masseurinnen, die
nur in einem Fall namentlich erwähnt wurden.
Weiter führte die Vorinstanz aus, die Masseure hätten in entscheidenden
Bereichen in einer relevanten betriebs- und arbeitsorganisatorischen
Abhängigkeit gestanden. Ebenso habe eine Weisungsabhängigkeit vorgelegen. Weil
mehrere Masseure Infrastruktur und weitere Betriebsmittel gleichzeitig oder
nacheinander, innerhalb der Betriebs- und Öffnungszeiten des Centers, für die
Massageangebote nutzten, seien eine zentrale zeitliche Koordination und eine
betriebliche Ordnung zwingend notwendig gewesen. Die Masseure hätten ihre
Arbeitszeit nicht frei wählen können. Ihr Einsatz habe sich nach den
betrieblichen Möglichkeiten sowie den Bedürfnissen und auch dem Willen der
Beschwerdeführerin gerichtet. Die Rechnungsstellung sei teilweise über die
Hotel-Rezeption erfolgt. Zumindest für die Pauschalwochenangebote sei der
Zahlungsverkehr über das Hotel gelaufen. Belege, wonach Rechnungen auf die
einzelnen Masseure ausgestellt wurden, fehlten. Im Übrigen seien die Einnahmen
der Masseure bei der Beschwerdeführerin verbucht worden, was im Falle
selbstständiger Erwerbstätigkeit kaum der Fall gewesen wäre. Hinsichtlich der
den Hotelgästen in Rechnung gestellten Tarife seien die Masseure nicht frei
gewesen. Dies sei ebenfalls ein gewichtiges Indiz für unselbstständige
Erwerbstätigkeit. Des Weiteren wies die Vorinstanz darauf hin, dass die
Masseure das Inventar der Beschwerdeführerin benützten, um die ihnen
übertragenen Aufgaben weisungsgebunden zu erledigen. Die Anlagen seien von der
F.________ AG bzw. der A.________ AG zur Verfügung gestellt worden. Das Hotel
habe auch die anfallenden Reparaturkosten und die tägliche Reinigung
übernommen. Ebenso sei die notwendige Wäsche zur Verfügung gestellt worden,
womit sich die Investitionen der Masseure auf ein Minimum reduzierten. Diese
hätten sodann auch kein Personal angestellt, sondern die Behandlungen
persönlich durchgeführt. Demgegenüber sei das Geschäftsrisiko als gering zu
bezeichnen. Die Abhängigkeit von der Nachfrage der Kundschaft vermöge keine
selbstständige Erwerbstätigkeit zu begründen. Für Raummiete und Infrastruktur
hätten die Masseure keine relevanten Fixkosten bezahlen müssen, sondern einen
Anteil ihres Umsatzes von ursprünglich 25 %, seit März 2012 von nur noch 10 %.
Schliesslich seien die Masseure in arbeitsorganisatorischer Hinsicht vom Hotel
abhängig gewesen, indem dieses die Räumlichkeiten samt Inventar zur Verfügung
stellte, die Anmeldungen entgegennahm und die erbrachten Leistungen teilweise
in Rechnung stellte.

3.2. Diesen umfassenden, sämtliche wesentlichen Aspekte in die Beurteilung des
Beitragsstatuts der Masseure einbeziehenden Erwägungen der Vorinstanz ist
beizupflichten. Soweit sich die Beschwerdeführerin mit tatsächlichen
Gesichtspunkten befasst und teilweise Abweichungen vom vorinstanzlichen
Entscheid behauptet, kann sich das Bundesgericht damit nicht auseinandersetzen,
da eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nicht vorliegt (E.
1 hievor). Wenn in der Beschwerde vorgetragen wird, die Masseurinnen und
Masseure hätten ihre Tätigkeit nicht nur im Hotel der Beschwerdeführerin
ausgeübt, ist dies nicht entscheidend. Denn nach den zutreffenden Darlegungen
der Vorinstanz ist für jede von mehreren von der versicherten Person ausgeübten
Tätigkeiten separat zu prüfen, ob das damit erzielte Einkommen aus
selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit stammt. Entgegen den
Ausführungen in der Beschwerde hat das kantonale Gericht nicht nur gestützt auf
einzelne Kriterien auf massgebenden Lohn geschlossen. Vielmehr hat es die
gesamten Umstände gewürdigt. Insbesondere hat es nicht hauptsächlich auf den
Internetauftritt abgestellt. Ob die Masseure ihre Dienstleistungen ausserhalb
des Hotels öffentlich anbieten, ist nicht relevant. Die entsprechende Aussage
der Vorinstanz bezieht sich auf das Verhältnis zum Hotel und ist nicht
willkürlich. Gleiches gilt für die Erwägungen zu Arbeitszeit und
Weisungsabhängigkeit. Eine dem angefochtenen Entscheid widersprechende
Einschätzung des Sachverhalts vermag keine Willkür zu begründen. Eine
Weisungsgebundenheit in fachlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht entgegen
der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht festgehalten. Es ist denn auch
selbstverständlich, dass Masseure, deren Dienste teilzeitlich im
Wellnessbereich eines Hotels angeboten werden, über die erforderlichen
Berufskenntnisse verfügen. Dass sie dabei ihre eigenen Produkte (Öle, Salze,
usw.) verwenden, führt als einzelnes Kriterium noch nicht zur Annahme
selbstständiger Erwerbstätigkeit. Auch weitere tatsächliche Vorbringen, z.B.
zum zeitlichen Umfang der verrichteten Tätigkeit, begründen keine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts. Vielmehr handelt es sich
dabei um unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz (E.1 hievor).
Der in der Beschwerde wiederholt geäusserte Vorwurf, das Kantonsgericht habe
den Untersuchungsgrundsatz, den Anspruch auf rechtliches Gehör und das
Willkürverbot verletzt, stützt sich lediglich auf Kritik am seitens der
Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt. Inwiefern das kantonale
Gericht Gesetz und Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen selbstständiger und
unselbstständiger Erwerbstätigkeit (E. 2 hievor) verletzt haben soll,
erschliesst sich aus den vorgetragenen Behauptungen der Beschwerdeführerin
nicht. Da der rechtserhebliche Sachverhalt umfassend abgeklärt ist, durfte die
Vorinstanz auf die Abnahme zusätzlicher Beweise in antizipierter
Beweiswürdigung verzichten. Darin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(vgl. BGE 124 V 90 E. 4b S. 94).

3.3. Da der rechtserhebliche Sachverhalt vollständig festgestellt wurde,
erübrigt sich die eventualiter beantragte Rückweisung der Angelegenheit an die
Vorinstanz zur Vornahme ergänzender Abklärungen.

3.4. Der Beschwerdeführerin ist beizupflichten, dass einzelne von ihr in den
Vordergrund gestellte Kriterien eher für die Annahme selbstständiger
Erwerbstätigkeit sprechen. Dies ist jedoch auch der Vorinstanz nicht entgangen.
Wie dargelegt, ist diese in einer sorgfältigen Würdigung der massgebenden
tatsächlichen Umstände zum Schluss gelangt, dass die Kriterien, die aus
rechtlicher Sicht für unselbstständige Erwerbstätigkeit sprechen, klar
überwiegen. Diese rechtliche Folgerung beruht auf einer korrekten Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts. Eine Verletzung formellen oder materiellen
Bundesrechts ist nicht erkennbar, woran sämtliche weiteren Einwendungen in der
Beschwerde nichts ändern.

4. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, B.________, C.________, D.________, dem
Kantonsgericht Wallis und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 12. Juli 2017

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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