Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 348/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_348/2017        

Urteil vom 10. August 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Fessler.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Lagerhausstrasse 19, 8400
Winterthur.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Kantonales Verfahren; Gerichtsgutachten; Kosten),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 28. März 2017.

Sachverhalt:

A. 
A.________ meldete sich im März 2013 bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 8. Dezember 2014 verneinte die IV-Stelle
des Kantons Zürich u.a. gestützt auf das Gutachten der polydisziplinären
medizinischen Abklärungen der Klinik B.________ vom 20. Dezember 2013 den
Anspruch auf eine Rente.

B. 
Dagegen erhob A.________ Beschwerde, welche das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich nach Einholung eines bidisziplinären Gerichtsgutachtens (MEDAS
Zentralschweiz vom 30. September 2016) mit Entscheid vom 28. März 2017 abwies
(Dispositiv-Ziffer 1), wobei es die IV-Stelle verpflichtete, von den Kosten der
Expertise einen Anteil von Fr. 7'530.- zu erstatten (Dispositiv-Ziffer 3).

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle des Kantons Zürich, Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids vom 28. März
2017 sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Kosten des
Gerichtsgutachtens nicht durch sie zu tragen seien. Im Weitern sei der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Vorinstanz hat die Verpflichtung der Beschwerde führenden IV-Stelle, von
den Kosten des bidisziplinären Gerichtsgutachtens von   Fr. 15'057.80 einen
Anteil von Fr. 7'530.- zu erstatten, damit begründet, die medizinischen Akten
hätten keine verlässliche Beurteilung des Gesundheitszustandes aus
orthopädischer Sicht erlaubt.

2. 
Erachtet das kantonale Versicherungsgericht eine fachärztliche Begutachtung als
notwendig, entfällt indessen mit Blick auf die Wahrung der Verfahrensfairness
eine Rückweisung der Sache zu diesem Zweck an die IV-Stelle, können dieser die
Kosten der Abklärungsmassnahme auferlegt werden (Art. 45 Abs. 1 ATSG; BGE 137 V
201 E. 4.4.2       S. 265; zur Höhe der Vergütung der Kosten von medizinischen
Gerichtsgutachten Urteil 8C_113/2017 vom 29. Juni 2017 [zur Publikation in der
Amtlichen Sammlung bestimmt]). Voraussetzung ist, dass ein Zusammenhang besteht
zwischen dem Untersuchungsmangel seitens der Verwaltung und der Notwendigkeit,
eine Gerichtsexpertise anzuordnen. Dies trifft namentlich zu bei einem
manifesten Widerspruch zwischen den verschiedenen ärztlichen Beurteilungen,
ohne dass die IV-Stelle diesen durch objektiv begründete Argumente entkräftet
hat, oder wenn zur Klärung der medizinischen Situation notwendige Aspekte
unbeantwortet geblieben sind oder auf eine Expertise abgestellt wurde, welche
den Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Gutachten (vgl. dazu BGE 134 V
231 E. 5.1 S. 232) nicht genügt. Hat hingegen die Verwaltung den
Untersuchungsgrundsatz nach Art. 43 Abs. 1 ATSG respektiert und ihre Auffassung
auf objektive konvergente Grundlagen oder auf die Ergebnisse einer
rechtsgenüglichen Expertise gestützt, ist die Überbindung der Kosten des
Gerichtsgutachtens nicht gerechtfertigt (BGE 140 V 70 E. 6.1 S. 75; 139 V 496;
Urteil 8C_719/2014 vom 27. Februar 2015 E. 2.1).

3.

3.1. Die IV-Stelle rügt eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 61 lit. h
ATSG und Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Das kantonale Sozialversicherungsgericht
habe weder zu den Vorbringen in ihrer Eingabe vom 17. Januar 2017 zur
Auferlegung der Gutachtenskosten Stellung genommen noch Ausführungen zur
diesbezüglich geltenden Rechtslage gemacht. Die Rüge ist unbegründet. Die
Vorinstanz legte im Beschluss vom 14. Dezember 2015 die Gründe dar, weshalb es
sich rechtfertige, ein bidisziplinäres Gerichtsgutachten (orthopädisch und
psychiatrisch) einzuholen. Die Beschwerdeführerin macht denn auch - zu Recht -
nicht geltend, sie habe die Überbindung eines Teils der Kosten dieser
Abklärungsmassnahme nicht sachgerecht bestreiten können (BGE 142 III 433 E.
4.3.2 i.f. S. 437).

3.2. Das kantonale Sozialversicherungsgericht bezeichnete in seinem Beschluss
vom 14. Dezember 2015 das Administrativgutachten vom 20. Dezember 2013 insofern
nicht als beweiskräftig, als darin keine Befunde im Zusammenhang mit der
Wirbelsäule genannt würden. Dies vermöge nicht zu überzeugen angesichts der
übrigen medizinischen Berichte, wonach bei der Versicherten unter anderem eine
Fehlform der Wirbelsäule sowie degenerative Veränderung der LWS
(Osteochondrose, Spondylose, Diskusprotrusion) ausgewiesen seien. Verschiedene
Ärzte attestierten ihr eine 50%ige Arbeitsfähigkeit in einer angepassten
Tätigkeit. Eine sitzende Tätigkeit sei teilweise nicht als geeignet erachtet
worden.

3.2.1. Wie die IV-Stelle vorbringt, lässt sich den Erwägungen der Vorinstanz im
Beschluss vom 14. Dezember 2015 kein konkreter Grund entnehmen, weshalb die
Feststellungen im Adminstrativgutachten nicht überzeugend sein sollten. Vorab
werden die gemäss dem MRI vom 10. Januar 2014 (lediglich) alterstypischen
spinalen Befunde (im Zusammenhang mit der Wirbelsäule) nicht in Frage gestellt.
Sodann wird nicht gesagt, die klinische Untersuchung, welcher bei
Gesundheitsschäden an der Wirbelsäule zentrale Bedeutung zukommt (Urteil 9C_699
/2016 vom 13. März 2017 E. 4.3 mit Hinweis), sei im Rahmen der Begutachtung
nicht lege artis erfolgt, oder die Experten hätten sich nicht in genügender
Weise mit den abweichenden fachärztlichen Einschätzungen auseinandergesetzt.
Abgesehen davon vermag eine unterschiedliche (selbst fach-) ärztliche Meinung
allein nicht, die Aussagekraft und damit den Beweiswert eines Gutachtens
entscheidend zu mindern (Urteil 9C_360/2016 vom 21. April 2017 E. 3.2 mit
Hinweis).

3.2.2. Ebenso lässt sich den Feststellungen im angefochtenen Entscheid nichts
entnehmen, was gegen den Beweiswert des Administrativgutachtens spräche. Im
Gegenteil hält die Vorinstanz ausdrücklich fest, gemäss dem Gerichtsgutachten
begründe sich die Abweichung der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit in einer
Verweistätigkeit unter anderem durch die zwischenzeitlich eingetretene,
kernspintomographisch bestätigte Verschlechterung der degenerativen
Veränderungen der Lendenwirbelsäule, die nun das atypische Mass überschreiten
würden.
Unter diesen Umständen können die Voraussetzungen für eine auch bloss teilweise
Überbindung der Kosten des Gerichtsgutachtens auf die IV-Stelle, welcher
namentlich keine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes vorgeworfen werden
kann, nicht als gegeben erachtet werden. Die Beschwerde ist begründet.

4. 
Mit dem Entscheid in der Sache ist die Frage der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde gegenstandslos.

5. 
Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist umständehalber zu verzichten (Art. 66
Abs. 1 Satz 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositiv-Ziffer 3 des Entscheids des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. März 2017 wird
aufgehoben.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. August 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Der Gerichtsschreiber: Fessler

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