Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 289/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_289/2017            

 
 
 
Urteil vom 4. September 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Daniela Mathys, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 30.
März 2017. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1963 geborenen A.________, welche als Pflegefachfrau tätig war, wurde
am 12. November 2008 nach einer Koronarangiographie fälschlicherweise Heroin
verabreicht, worauf sie intubiert und auf die Intensivstation verlegt werden
musste. Der Unfallversicherer erbrachte Leistungen (Heilbehandlung, Taggelder).
Nach Einholung eines interdisziplinären Gutachtens (Psychiatrie, Neurologie)
bei der Gutachterstelle B.________, welches am 24. Mai 2011 erstattet wurde,
verfügte er am 18. Juni 2012 die Leistungseinstellung per 31. Dezember 2011.
Diese wurde vom Unfallversicherer mit Einspracheentscheid vom 25. Februar 2013
und vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. September
2013 bestätigt.  
 
A.b. Am 28. Mai 2009 hatte sich A.________ unter Hinweis auf eine seit dem
Ereignis vom 12. November 2008 bestehende posttraumatische Belastungsstörung
zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung angemeldet. Die IV-Stelle Bern
zog die Akten des Unfallversicherers bei und tätigte Abklärungen in
medizinischer und erwerblicher Hinsicht. Sie holte beim Zentrum für
medizinische Begutachtung (ZMB), Basel, ein vom 13. Januar 2015 datierendes
polydisziplinäres Gutachten (allgemein-internistisch, neurologisch,
psychiatrisch und neuropsychologisch) ein. Des Weitern veranlasste sie eine
Haushaltabklärung, welche am 9. Februar 2015 vorgenommen wurde. Nach
Durchführung des Vorbescheidverfahrens verfügte die IV-Stelle am 24. März 2015
die Ablehnung des Leistungsbegehrens, wobei sie für den Zeitraum ab Ablauf des
Wartejahres im November 2009 einen - nicht rentenbegründenden -
Invaliditätsgrad von 35 % ermittelte und ab Dezember 2011 einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden gänzlich verneinte.  
 
B.   
Die von A.________ gegen die Verfügung vom 24. März 2015 erhobene Beschwerde
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 30. März 2017
ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und die Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragen (Rechtsbegehren
Ziff. 1). Die IV-Stelle sei unter Wahrung ihrer Mitwirkungsrechte zu
verpflichten, dem ZMB im Nachgang zu seinem Gutachten die sich zur Prüfung der
Indikatoren gemäss BGE 141 V 281 stellenden Fragen sowie Ergänzungsfragen zur
diagnostizierten Depression zu unterbreiten (Rechtsbegehren Ziff. 2). Im
Weitern sei ihr vom 1. November 2009 bis zum 30. November 2011 angesichts eines
Invaliditätsgrades von mindestens 55 % eine halbe Rente auszurichten
(Rechtsbegehren Ziff. 3). 
Die IV-Stelle schliesst ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung
verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1
BGG). Gemäss Art. 107 BGG darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der
Parteien hinausgehen (Abs. 1). Heisst es die Beschwerde gut, so entscheidet es
in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurück (Abs. 2). Da die Beschwerde ans Bundesgericht grundsätzlich ein
reformatorisches Rechtsmittel ist, muss die Beschwerdeführerin einen Antrag in
der Sache stellen. Ein blosses Rückweisungsbegehren reicht ausnahmsweise aus,
wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst
entscheiden könnte. Die Beschwerdebegründung kann zur Interpretation des
Rechtsbegehrens beigezogen werden (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f. mit Hinweis).
 
 
1.2. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. November 2009 bis zum 30. November 2011
liegt mit dem Antrag auf Zusprechung einer halben Rente (Rechtsbegehren Ziff.
3) ein diesen Anforderungen genügendes Rechtsbegehren vor. In Bezug auf die
nachfolgende Zeitperiode ergibt sich aus der Begründung der Beschwerde, dass
die Versicherte sich sinngemäss gegen die Abweisung des Gesuchs um Leistungen
der Invalidenversicherung wendet. Ein Antrag in der Sache liegt in diesem Sinne
vor. Die beantragte Rückweisung an die Beschwerdegegnerin (Rechtsbegehren Ziff.
2) bezweckt, den nicht als rechtsgenüglich abgeklärt gerügten Sachverhalt durch
Einholung ergänzender Auskünfte bei den ZMB-Gutachtern zu ergänzen, gestützt
darauf den Invaliditätsgrad zu ermitteln und über den Leistungsanspruch neu zu
verfügen. Auf die Beschwerde kann demnach eingetreten werden.  
 
2.   
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E.
1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf Rüge hin oder von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht, und wenn die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art.
97 Abs. 1 BGG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Beschwerde
führende Person genau darzulegen. Dazu genügt es nicht, einen von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1
S. 356; Urteil 9C_779/2010 vom 30. September 2011 E. 1.1.2, nicht publ. in: BGE
137 V 446, aber in: SVR 2012 BVG Nr. 11 S. 44).  
 
2.3. Die gestützt auf medizinische Akten gerichtlich festgestellte
Arbeitsfähigkeit ist eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.).
Rechtsfragen stellen demgegenüber die unvollständige Feststellung
rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes
(Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und der Anforderungen an den Beweiswert
von Arztberichten dar (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die konkrete und die
antizipierte Beweiswürdigung bilden wiederum Tatfragen (Urteile 9C_1019/2010
vom 30. März 2011 E. 1.2 f. und 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht
publ. in: BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164).  
 
2.4. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) darf sich die
Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die (den
beweisrechtlichen Anforderungen genügenden) medizinischen
Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch sich die ärztlichen Einschätzungen
und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten
sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen. Die
medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die
Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306 f.; 140 V
193 E. 3 S. 194 ff.; je mit Hinweisen). Die rechtsanwendenden Behörden haben
mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der
Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere
psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, die
vom invaliditätsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 140 V
193; 130 V 352 E. 2.2.5 S. 355 f.).  
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht einen rentenrelevanten
Gesundheitsschaden der Versicherten zu Recht verneint hat. Mit Blick auf die in
der Beschwerde gestellten Rechtsbegehren ist insbesondere zu untersuchen, ob
die vorhandenen medizinischen Akten eine abschliessende Beurteilung der
Angelegenheit erlauben. 
 
3.1. Im angefochtenen Entscheid sind die massgebenden rechtlichen Grundlagen
zutreffend dargelegt. Es betrifft dies die Bestimmungen und die von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG), zu den
Begriffen der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG) und der Invalidität (Art.
8 Abs. 1 ATSG), zur ärztlichen Aufgabe bei der Invaliditätsbemessung (BGE 140 V
193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zu den Anforderungen an
beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S.
269; 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352). Richtig dargelegt hat
das kantonale Gericht auch die mit BGE 141 V 281 geänderte Rechtsprechung zu
den Voraussetzungen, unter denen anhaltende somatoforme Schmerzstörungen und
vergleichbare psychosomatische Leiden eine Invalidität zu begründen vermögen.
Darauf wird verwiesen.  
 
3.2. Die Fachärzte der Gutachterstelle B.________ diagnostizierten in ihrem
(vom Unfallversicherer in Auftrag gegebenen) interdisziplinären Gutachten vom
24. Mai 2011 eine schwere depressive Episode (bzw. gemäss Anamnese eine
chronische Depression) bei chronisch verlaufender posttraumatischer
Belastungsstörung (PTBS) bei Status nach akzidenteller Heroininjektion am 12.
November 2008 sowie eine substituierte Hypothyreose seit Jahren und
Sensibilitätsstörungen am linken Fussrücken. Sie hielten fest, gegenwärtig
bestehe aufgrund der psychischen Störung eine massive Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit als Pflegefachfrau und schätzten diese auf mindestens 80 %.
Die angegebene Einschränkung betreffe auch angepasste Tätigkeiten, soweit diese
von der Versicherten ein wesentliches Mass an selbständiger Arbeit erforderten.
Eine Prognose erachteten sie (zum Begutachtungszeitpunkt) als verfrüht, zumal
eine weitere Heilbehandlung dringend angezeigt sei und damit der
Gesundheitszustand sowie die Arbeitsfähigkeit voraussichtlich namhaft
verbessert werden könnten.  
Das von der IV-Stelle eingeholte polydisziplinäre ZMB-Gutachten vom 13. Januar
2015 nennt als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine
depressive Episode, gegenwärtig mittelgradig ausgeprägt, sowie eine PTBS mit
chronischem Verlauf bei Status nach akzidenteller Heroininjektion am 12.
November 2008. Aus psychiatrischer Sicht zeige die Versicherte ein depressives
Zustandsbild und Symptome einer PTBS. Es existierten Ängste und Unsicherheiten
in allen Lebensbereichen und sie entwickle ein Vermeidungsverhalten. Zudem
bestehe eine Chronifizierung der Symptome, wobei die Gesamtsituation sehr starr
und unveränderbar erscheine. Die Gutachter ermittelten - im
Beurteilungszeitpunkt, als die Versicherte zu 30 bis 40 % bei der Spitex
arbeitete -eine Arbeitsfähigkeit von 50 %. Die Einschränkung ergebe sich allein
aus psychischen Gründen. Die aktuelle Einschätzung gelte seit Wiederaufnahme
der Spitex-Tätigkeit. Vorher - ab November 2008 - habe eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischen Gründen bestanden. 
 
3.3. Das kantonale Gericht erwog, beiden Gutachten komme volle Beweiskraft zu.
Für die Zeit zwischen dem Ablauf des Wartejahres im November 2009 und der
Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Versicherte bei der Spitex im
Dezember 2011 stellte es auf das zeitlich nähere Gutachten der Gutachterstelle
B.________ vom 24. Mai 2011 ab und ging von einer Arbeitsunfähigkeit von 80 %
aus. In Anwendung der gemischten Methode mit einem Erwerbsanteil von 30 % und
einer Beeinträchtigung im (mit 70 % gewichteten) Haushalt von 36 % ermittelte
es einen Invaliditätsgrad von (gerundet) 39 % ([45 % x 0.3] + [36 % x 0.7]),
welcher nicht zu einer Rente berechtigt. Die Beschwerdeführerin hält für diesen
Zeitraum die - leicht, aber rentenwirksam - differierende Einschätzung des ZMB
vom 13. Januar 2015 für massgebend (vgl. dazu hinten E. 5).  
Für die Zeit ab Dezember 2011 verneinte das kantonale Gericht in Anwendung der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu anhaltenden Schmerzstörungen und
vergleichbaren psychosomatischen Leiden (BGE 141 V 281) eine invalidisierende
Arbeitsunfähigkeit. Diesbezüglich ist vor allem streitig, ob die im
ZMB-Gutachten vom 13. Januar 2015 (medizinisch) ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit
von 50 % auch bei Anwendung der (rechtlichen) Zumutbarkeitsbeurteilung nach den
in BGE 141 V 281 entwickelten Indikatoren standhält bzw. ob die medizinischen
Unterlagen eine Beurteilung der Angelegenheit und insbesondere eine
rechtsgenügliche Indikatorenprüfung erlauben (vgl. dazu hinten E. 6). 
 
4.   
 
4.1. Eine Diagnose - so auch diejenige der PTBS, wie sie das Gutachen der
Gutachterstelle B.________ und das ZMB-Gutachten übereinstimmend festhalten -
ist praxisgemäss so herzuleiten und zu begründen, dass für die
rechtsanwendenden Behörden nachvollziehbar ist, ob die jeweiligen
klassifikatorischen Vorgaben (gemäss ICD-10 oder einem anderen anerkannten
Klassifikationssystem) tatsächlich eingehalten sind (BGE 141 V 281 E. 2.1.1 S.
285).  
 
4.2. Eine PTBS (ICD-10 F43.1) entsteht als eine verzögerte oder protrahierte
Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation aussergewöhnlicher
Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmasses (kurz oder lang anhaltend), die
bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Angst und Depression
sind häufig mit den Symptomen und Merkmalen der PTBS assoziiert und
Suizidgedanken nicht selten. Drogeneinnahme oder übermässiger Alkoholkonsum
können als komplizierende Faktoren hinzukommen. Der Verlauf ist wechselhaft, in
der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. Bei wenigen
Patienten nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht
dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über (DILLING/MOMBOUR/
SCHMIDT [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10,
Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, 10. Aufl. 2015, S. 207 f.;
vgl. auch KRAEMER/HEPP/SCHNYDER, Entstehung, Verlauf und therapeutische
Möglichkeiten der posttraumatischen Belastungsstörung, in: Der medizinische
Sachverständige, 2007 S. 153 ff.). Lediglich bei etwa 10 % der Betroffenen
persistieren die Symptome einer PTBS über Jahre hinweg; dabei widersprechen
allerdings progrediente Entwicklungen dem zu erwartenden degressiven Charakter
posttraumatischer Störungen (WOLFGANG SCHNEIDER ET AL. [Hrsg.], Begutachtung
bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, 2012, S. 533; zum Ganzen:
BGE 142 V 342 E. 5.1 S. 345 f.).  
 
4.3. In Bezug auf das die PTBS kennzeichnende Belastungskriterium, mithin das
auslösende Trauma, scheint zumindest fraglich, ob die irrtümliche Verabreichung
von Heroin an die Versicherte am 12. November 2008 als geeigneter Stressor
betrachtet werden kann, d.h. als kurz- oder langanhaltendes Ereignis oder
Geschehen von aussergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmass im
Sinne der einschlägigen klassifikatorischen Vorgaben gemäss ICD-10 F43.1. Die
Versicherte erlebte den Vorfall, bei welchem sie im Übrigen nie in Lebensgefahr
schwebte (kein Herzstillstand) und auch ihr Gehirn keinen (strukturellen)
Schaden erlitt, nicht direkt, sondern erfuhr davon erst nachträglich, als die
Gefahr bereits vorüber war. Im Rahmen ihrer Diskussion der diagnostischen
Kriterien erwähnten die Gutachter der Gutachterstelle B.________ sodann einige
Widersprüche. So führten sie beispielsweise aus, es sei schwierig, von einem
Vermeidungsverhalten (als der PTBS inhärentem Aspekt) auszugehen, wenn die
Versicherte früh im Verlauf die Verordnung von Opioiden akzeptiert habe, obwohl
diese zur gleichen Substanzgruppe gehörten wie das versehentlich injizierte
Heroin, was einer Konfrontation mit einem Element entspreche, welches das
traumatisierende Ereignis klar in Erinnerung rufen müsste. Des Weitern zeigten
sie sich erstaunt darüber, dass die Einnahme von Lyrica, einem gegen
Angststörungen (wozu auch die PTBS zählt) eingesetzten Medikament, bei der
Versicherten nicht angstmindernd gewirkt habe und ihr im weiteren Verlauf
Ritalin verabreicht worden sei, dessen Einsatz bei einer PTBS als
kontraindiziert gelte. Schliesslich wurde im Gutachten der Gutachterstelle
B.________ vom 24. Mai 2011 auch darauf hingewiesen, es sei selten, dass eine
PTBS bei einem singulären Ereignis derart chronifiziere, umso mehr, als die
Versicherte sich objektiv nie in Lebensgefahr befunden habe. Aufgrund der
Faktenlage sei man geneigt anzunehmen, dass die inzwischen lang anhaltenden
affektiven Probleme aufgrund von anderen, insbesondere prätraumatischen
belastenden Faktoren aufrechterhalten würden. Nichtsdestotrotz übernahmen die
ZMB-Gutachter fast vier Jahre später (bzw. sechs Jahre nach dem Vorfall) die
PTBS-Diagnose aus dem Gutachten der Gutachterstelle B.________, ohne diese
anhand der Vorgaben gemäss ICD-10 F43.1 nochmals zu erläutern. Sie sahen auch
keinen Anlass zur Diskussion der Frage, ob die Versicherte zu den wenigen
Betroffenen gehört, bei welchen die Störung über viele Jahre einen chronischen
Verlauf nimmt und dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10
F62.0) übergeht, wie dies als mögliche Entwicklung in den diagnostischen
Leitlinien beschrieben ist.  
 
4.4. Unter den dargelegten Umständen rechtfertigt es sich, die Sache zur
Einholung ergänzender medizinischer Auskünfte an das kantonale Gericht
zurückzuweisen, damit es die ZMB-Gutachter auffordere, die PTBS-Diagnose mit
Blick auf die klassifikatorischen Vorgaben gemäss ICD-10 F43.1 nochmals zu
erläutern und sich allenfalls auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein
Übergang in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10 F62.0)
stattgefunden hat.  
 
4.5. Sollte sich im Rahmen dieser noch vorzunehmenden Abklärungen ergeben, dass
die Arbeitsunfähigkeit - zumindest auch - durch die PTBS (wie die Vorinstanz
annahm) oder ein vergleichbares, in den Anwendungsbereich von BGE 141 V 281
fallendes psychosomatisches Leiden begründet ist, kommt gemäss
bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich das für somatoforme
Schmerzstörungen entwickelte strukturierte Beweisverfahren nach Massgabe von
BGE 141 V 281 zur Anwendung (zur PTBS: BGE 142 V 342).  
 
5.  
 
5.1. Für die Zeit ab November 2009 stellte die Vorinstanz auf das der
Beschwerdeführerin eine Arbeitsunfähigkeit von 80 % attestierende Gutachten der
Gutachterstelle B.________ vom 24. Mai 2011 ab mit der Begründung, dieses sei
mit Blick auf die erhobenen psychopathologischen Befunde und den Schweregrad
der Symptomatik schlüssig und nachvollziehbar. Es sei näher am zu beurteilenden
Zeitpunkt erstellt worden und damit aussagekräftiger als das erst vom 13.
Januar 2015 datierende ZMB-Gutachten. Zudem hätten sich die ZMB-Gutachter nicht
mit der abweichenden früheren Einschätzung der Gutachterstelle B.________
auseinandergesetzt.  
 
5.2. Die Beschwerdeführerin hält demgegenüber die Annahme einer
Arbeitsfähigkeit von 20 % für nicht zulässig. Die Gutachter der Gutachterstelle
B.________ hätten eine solche im Sinne einer therapeutischen Massnahme bejaht,
im Übrigen aber wiederholt von einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 80 %
gesprochen und eine definitive Beurteilung erst nach Umsetzung der
vorgeschlagenen Therapie postuliert. Die von den ZMB-Gutachtern attestierte
vollständige Arbeitsunfähigkeit stehe deshalb nicht im Widerspruch zur
Einschätzung der Gutachterstelle B.________, vielmehr würden darin die
Ergebnisse der Therapie berücksichtigt und es komme dem ZMB-Gutachten deshalb
höhere Beweistauglichkeit zu. Das kantonale Gericht habe zudem nur begründet,
das Gutachten der Gutachterstelle B.________ sei betreffend den
psychopathologischen Befund und den Schweregrad der Symptomatik schlüssig und
nachvollziehbar; weshalb dies beim ZMB-Gutachten nicht der Fall sei, werde
nicht ausgeführt. Die vorinstanzliche Begründung für die Annahme einer
Arbeitsunfähigkeit von 80 % sei somit bundesrechtswidrig.  
 
5.3. Da die Gutachter der Gutachterstelle B.________ bei der Versicherten neben
der (im Rahmen der Rückweisung noch zu überprüfenden [E. 4.4]) PTBS eine
schwere depressive Episode diagnostizierten, ging das kantonale Gericht für die
Zeit ab November 2009 ohne Prüfung der Standardindikatoren vom Vorliegen einer
beträchtlichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus. Dies ist angesichts der
Schwere des depressiven Leidens, welches für sich allein die von den Gutachtern
angenommene Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu begründen vermag, nicht zu
beanstanden. Insoweit (d.h. für die Zeit bis Ende November 2011) bleiben die
gemäss E. 4.4 von der Vorinstanz zu veranlassenden zusätzlichen medizinischen
Abklärungen ohne Einfluss, so dass deren Ergebnis nicht abgewartet werden muss.
 
 
5.4. Die Beschwerdeführerin weist zutreffend daraufhin, dass bei einander
widersprechenden medizinischen Berichten das Gericht den Prozess nicht
erledigen darf, ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe
anzugeben, warum es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These
abstellt (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352). Entgegen der in der Beschwerde
geäusserten Kritik genügt der angefochtene Entscheid diesen Vorgaben: Das
kantonale Gericht hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es hinsichtlich der
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit auf das zeitnähere und ausführlichere
Gutachten der Gutachterstelle B.________ abstellte. Soweit die
Beschwerdeführerin bemängelt, das kantonale Gericht habe es unterlassen
darzulegen, weshalb die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im ZMB-Gutachten vom
13. Januar 2015 nicht schlüssig sei, ist darauf hinzuweisen, dass sich im
ZMB-Gutachten nur die nicht weiter begründete Angabe einer vollständigen
Arbeitsunfähigkeit seit November 2008 findet; bei der Stellungnahme zu
fachspezifischen Vorberichten im psychiatrischen Teilgutachten wird lediglich
die diagnostische Einordnung bestätigt, die unterschiedliche Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit aber nicht diskutiert. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz,
wonach sich für die Zeit ab November 2009 gestützt auf das Gutachten der
Gutachterstelle B.________ vom 24. Mai 2011 die Annahme einer
Arbeitsunfähigkeit von 80 % rechtfertigt, ist demnach vertretbar und für das
Bundesgericht verbindlich.  
 
5.5. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von 80 % resultiert gemäss der insofern
unbestritten gebliebenen Berechnung der Vorinstanz ein Invaliditätsgrad von 39
%, welcher keinen Anspruch auf eine Rente gibt. Soweit die Versicherte bei
einem Invaliditätsgrad von 55 % die Ausrichtung einer halben Rente vom 1.
November 2009 bis zum 30. November 2011 beantragt, ist ihre Beschwerde deshalb
abzuweisen.  
 
6.  
 
6.1. Hinsichtlich des Zeitraums ab teilweiser Wiederaufnahme der
Erwerbstätigkeit durch die Beschwerdeführerin (d.h. ab 1. Dezember 2011)
verneinte das kantonale Gericht einen invalidisierenden Gesundheitsschaden.
Dabei nahm es angesichts der (von ihm nunmehr im Rahmen der Rückweisung zu
überprüfenden; vgl. dazu E. 4.4) PTBS-Diagnose eine Beurteilung der
Arbeitsfähigkeit in dem für anhaltende somatoforme Schmerzstörungen und
vergleichbare psychosomatische Leiden entwickelten strukturierten
Beweisverfahren unter Verwendung der Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281
vor. Seiner Auffassung nach lässt das ZMB-Gutachten vom 13. Januar 2015 eine
schlüssige Beurteilung der Frage zu, ob der darin festgestellten Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit von 50 % zu folgen ist. Hinsichtlich des Komplexes
"Gesundheitsschädigung" erachtete es die Ausprägung der diagnoserelevanten
Befunde und Symptome als "nicht übermässig"; die Beschwerdeführerin sei in der
Lage, entsprechend ihren Verpflichtungen einem strukturierten Tagesablauf zu
folgen. Zum Indikator "Behandlungserfolg und -resistenz" sei zu bemerken, dass
sich die Versicherte keiner psychiatrischen Therapie mehr unterziehe. Eine
psychische Komorbidität sei schon deshalb fraglich, weil am Vorliegen einer
selbständigen depressiven Erkrankung neben der PTBS mit Blick auf die
Ausführungen im Gutachten der Gutachterstelle B.________ vom 24. Mai 2011 zu
zweifeln sei. Selbst wenn aber entsprechend der ZMB-Beurteilung von einer
selbständigen depressiven Erkrankung ausgegangen würde, könne keine relevante
Komorbidität angenommen werden, weil es an einer konsequent durchgeführten
Depressionstherapie fehle. - Die Beschwerdeführerin habe es geschafft, ihre
Ressourcen zu mobilisieren und wieder eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen;
insofern gebe es keine Anhaltspunkte, dass die Persönlichkeit ein
Leistungsvermögen ausschliesse. Gemäss dem Gutachten bestehe zwar eine soziale
Isolation, diese sei jedoch nicht ausgeprägt. Unter dem Aspekt der "Konsistenz"
sei festzustellen, dass das Aktivitätsniveau in vergleichbaren Lebensbereichen
ungleich beeinträchtigt sei; so sei die Versicherte in der Haushaltführung
wesentlich geringer eingeschränkt als im Erwerbsleben. Therapeutische Optionen
nehme sie nicht in Anspruch, obwohl eine nach dem Ereignis begonnene
Gesprächstherapie offenbar hilfreich gewesen sei. Auch zeige sie keine
Motivation zu einer von den Gutachtern als Möglichkeit für eine Besserung
bezeichneten stationären Therapie und es sei insofern nicht von einem hohen
Leidensdruck auszugehen. In der Gesamtbetrachtung seien die geltend gemachten
funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten psychischen
Beeinträchtigungen anhand der Standardindikatoren gemäss BGE 141 V 281 nicht
überwiegend wahrscheinlich erstellt, weshalb das Vorliegen eines
invalidisierenden Gesundheitsschadens zu verneinen sei.  
 
6.2. Die Beschwerdeführerin stellt sich demgegenüber primär auf den Standpunkt,
das kantonale Gericht habe bei der Prüfung, ob eine rechtlich relevante
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gegeben sei, unzulässigerweise eigene
medizinische Beurteilungen vorgenommen statt weitere medizinische Abklärungen
anzuordnen; damit habe es den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Insbesondere sei
nicht abgeklärt worden, ob eine eigenständige depressive Erkrankung vorliege
oder ob die depressive Problematik im Rahmen der PTBS zu sehen sei. Indem das
kantonale Gericht entgegen der Diagnosestellung im ZMB-Gutachten vom 13. Januar
2015 von Letzterem ausgegangen sei, habe es eine unzulässige eigene
medizinische Wertung vorgenommen. Unhaltbar sei es im Weitern auch, wenn es aus
der Tatsache, dass sie im Rahmen der Selbsteingliederung eine Arbeitsstelle mit
einem Pensum von 40 % gefunden habe, ableite, sie verfüge über Ressourcen, so
dass aufgrund ihrer Persönlichkeit keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
bestehe. Gerade die Persönlichkeitsdiagnostik sei gemäss den
bundesgerichtlichen Vorgaben im Leitentscheid BGE 141 V 281 mehr als andere
Indikatoren untersuchungsabhängig und erfordere deshalb besonders hohe
Anforderungen an die Gutachtensbegründung. Die nötige Erfassung der noch
vorhandenen Ressourcen sei nicht vorgenommen worden, wobei die Vorinstanz
insbesondere der Tatsache, dass eine Teilarbeitsfähigkeit auf dem Prüfstand
stehe, nicht Rechnung getragen habe. Sie sei zu Unrecht vom Fehlen einer
sozialen Isolation ausgegangen und habe die Auswirkungen der Krankheit auf die
familiäre Situation (Trennung, Scheidung) ausser Acht gelassen. Zusammenfassend
stehe fest, dass die Verneinung eines invalidisierenden Gesundheitsschadens ab
Aufnahme der Teilerwerbstätigkeit bei der Spitex auf einer rechtsfehlerhaften
Indikatorenprüfung basiere. Soweit der Sachverhalt auf der Basis des
ZMB-Gutachtens nicht ausreichend erstellt sei, hätte das kantonale Gericht
weitere medizinische Abklärungen in die Wege leiten müssen; vorliegend sei es
jedoch in medizinischen Fachfragen wie etwa betreffend den Schweregrad des
Gesundheitsschadens und die Arbeitsfähigkeit vom ZMB-Gutachten abgewichen, ohne
sich dafür auf triftige Gründe berufen zu können.  
 
6.3. Ergibt sich im Rahmen der angeordneten Abklärungen (E. 4.4) eine Diagnose,
bei welcher hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang die
Beschwerdeführerin in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, die
Rechtsprechung zu anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden Anwendung findet, ist weiter streitig und zu prüfen,
ob die medizinischen Unterlagen genügen, um die in diesem Zusammenhang
anzustellende Indikatorenprüfung durchzuführen. Sowohl das Gutachten der
Gutachterstelle B.________ als auch das ZMB-Gutachten wurden vor der mit BGE
141 V 281 vom 3. Juni 2015 geänderten, auf alle zu diesem Zeitpunkt noch nicht
erledigten Fälle anzuwendenden (SVR 2016 IV Nr. 30 S. 90, 9C_539/2015 E. 4 mit
Hinweis) Rechtsprechung erstellt. Es gilt deshalb in intertemporalrechtlicher
Hinsicht zu beachten, dass gemäss altem Verfahrensstandard eingeholte Gutachten
ihren Beweiswert nicht per se verlieren. Mit Blick auf die nunmehr
materiell-beweisrechtlich geänderten Anforderungen bei der Einschätzung des
funktionellen Leistungsvermögens ist jedoch in jedem einzelnen Fall zu prüfen,
ob die beigezogenen administrativen und/oder gerichtlichen
Sachverständigengutachten, gegebenenfalls im Kontext mit weiteren
fachärztlichen Berichten, eine schlüssige Beurteilung im Lichte der
massgeblichen Indikatoren erlauben (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309).  
 
6.4. Zu Unrecht stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, das
kantonale Gericht hätte nicht von der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch
die ZMB-Gutachter abweichen dürfen. Wie vorne in Erwägung 2.4 ausgeführt, ist
die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht einzig Aufgabe der Ärzte oder
Ärztinnen. Die medizinische Einschätzung bietet einzig, aber immerhin eine
wichtige Grundlage für die juristische Beurteilung, welche Arbeitsleistung der
versicherten Person noch zugemutet werden kann (BGE 141 V 281 E. 5.2.1 S. 306
mit Hinweisen). Die Rechtsanwender prüfen dabei die medizinischen Angaben frei,
insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die massgebenden normativen
Rahmenbedingungen gehalten haben. Das heisst, ob sie ausschliesslich
funktionelle Ausfälle berücksichtigt haben, welche Folgen der gesundheitlichen
Beeinträchtigung sind (Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG), und ob die
versicherungsmedizinische Zumutbarkeitsbeurteilung auf objektivierter Grundlage
erfolgt ist (Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG). Auf diese Weise wird eine
einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gesichert.
Allein aus der Tatsache, dass das kantonale Gericht zu einer vom Gutachten
abweichenden Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gelangt ist, kann die
Beschwerdeführerin also nichts für sich ableiten. Allerdings ist zu beachten,
dass die rechtliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich den gleichen
Regeln folgt wie die medizinische (BGE 141 V 281 E. 5.2.2 und 5.2.3 S. 307).
Nimmt der medizinische Gutachter eine ganze oder teilweise Arbeitsunfähigkeit
an, so hat er die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit unter Bezugnahme auf die
von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben zu prüfen und zu begründen,
andernfalls die medizinische Beurteilung keine genügende Grundlage für die
rechtliche Zumutbarkeitsbeurteilung darstellt.  
 
6.5. Zu untersuchen bleibt die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, die
Vorinstanz habe bezüglich wesentlicher medizinischer Tatsachen eine eigene
Beurteilung durchgeführt statt weitere medizinische Abklärungen zu veranlassen.
 
 
6.5.1. In dem für die Zeit ab Dezember 2011 massgeblichen ZMB-Gutachten vom 13.
Januar 2015 wird die attestierte Arbeitsunfähigkeit von 50 % nicht begründet.
Im Hauptteil des Gutachtens bei der "Beschreibung der aktuellen medizinischen
Problematik inkl. Konsistenzprüfung" wird angegeben, dass die Versicherte aus
psychiatrischer Sicht ein depressives Zustandsbild und Symptome einer PTBS
zeige. Es existierten Ängste und Unsicherheiten in allen Lebensbereichen. Zudem
zeige sich ein Vermeidungsverhalten. Es bestehe eine Chronifizierung der
Symptome, wobei die Gesamtsituation "sehr starr und unveränderbar erscheine".  
 
6.5.2. Im psychiatrischen Teilgutachten wird etwas weitergehend als im
Hauptgutachten auf das die psychische Problematik auslösende Ereignis - die
irrtümliche Verabreichung von Heroin - und die weitere Entwicklung eingegangen,
wobei festgestellt wird, dass sich in der aktuellen Exploration weiterhin
Symptome einer PTBS zeigen würden. Die Versicherte habe es jedoch geschafft,
eine gewisse Autonomie wiederzuerlangen. Sie arbeite zu 40 % bei der Spitex mit
einem eingeschränkten Arbeitsprofil; wegen ihrer Ängste sei es ihr nicht
möglich, Spritzen zu verabreichen. Ihr aktueller Zustand belaste die familiären
Beziehungen (Trennung und Scheidung vom Ehemann). Es sei eine ambulante
Therapie mit mässigem Erfolg durchgeführt worden. Die Versicherte selbst sehe
in einer weiteren ambulanten oder stationären Therapie keinen Erfolg. Die
antidepressive bzw. neuroleptische Therapie bringe wahrscheinlich eine gewisse
Symptomverbesserung und ermögliche der Versicherten, im Alltag mit dem jetzigen
Aktionsradius zurechtzukommen. Zur Frage der Arbeitsfähigkeit finden sich im
Teilgutachten keine Angaben.  
 
6.5.3. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im psychiatrischen
Teilgutachten lässt die ZMB-Beurteilung im Hinblick auf die von der neuen
Rechtsprechung geforderte Prüfung der Indikatoren wesentliche Fragen offen. Das
Ausmass der durch den Gesundheitsschaden bedingten funktionellen
Einschränkungen lässt sich dem ZMB-Gutachten nur ansatzweise entnehmen,
insofern nämlich als das für eine (im Rahmen der Rückweisung allerdings noch zu
verifizierende [vorne E. 4.4]) PTBS-Diagnose typische Vermeidungsverhalten
einer mit der Verabreichung von Spritzen verbundenen Tätigkeit entgegensteht.
Weitere Ausführungen zur Schwere der Befunde und Symptome (welche im Rahmen der
Rückweisung unter Bezugnahme auf die sich dann ergebende Diagnose ebenfalls zu
überprüfen sind) - ausser dem Hinweis auf deren Chronifizierung - finden sich
im Gutachten nicht. Es fehlt insbesondere auch eine Begründung, weshalb ein
Arbeitspensum nur eingeschränkt zumutbar sein soll.  
Zur Frage der Komorbidität lässt das Gutachten offen, ob die diagnostizierte
depressive Episode, gegenwärtig mittelgradig ausgeprägt, eine eigenständige
Krankheit darstellt. Dem kantonalen Gericht ist zwar insofern beizupflichten,
als unabhängig davon, ob die Auswirkungen eines psychischen Leidens auf das
Leistungsvermögen im Kontext eines eigenständigen Beschwerdebildes oder einer
psychischen Begleiterkrankung (Komorbidität) zu beurteilen sind, generell gilt,
dass leichte bis höchstens mittelschwere Störungen aus dem depressiven
Formenkreis als therapierbar eingestuft werden und deshalb nur ausnahmsweise
eine Invalidität begründen (SVR 2016 IV Nr. 30 S. 90, 9C_539/2015 E. 4.1.3.1).
Gerade die Frage, ob die depressive Erkrankung der Versicherten
therapieresistent ist, kann aber aufgrund des Gutachtens nicht eindeutig
beantwortet werden. Wie in der Beschwerde zutreffend bemerkt, sind die Angaben
zu den Therapiemöglichkeiten unklar: Im psychiatrischen Teilgutachten wird die
explizite Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Massnahmen verneint und
festgestellt, dass die Versicherte in einer weiteren stationären oder
ambulanten Behandlung keinen Erfolg sehe. Im (konsensualen) Hauptteil des
Gutachtens wird vermerkt, dass allenfalls mit einem längerdauernden Aufenthalt
in einer spezialisierten Klinik eine relevante Verbesserung der psychischen
Situation erreicht werden könne; die Motivation der Versicherten zu einem
derartigen Aufenthalt sei aber gering. In der abschliessenden Beurteilung der
aktuellen medizinischen Problematik wird hervorgehoben, dass eine
Chronifizierung der Symptome vorliege, wobei die Gesamtsituation sehr starr und
unveränderbar erscheine, welche Formulierung gegen erfolgversprechende
Therapiemöglichkeiten spricht. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht,
dass der behandelnde Arzt dringend von einer stationären Behandlung abriet
(Bericht des Dr. med. C.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 1. Dezember 2011)
und gemäss den ZMB-Gutachtern ein ambulantes Therapiesetting während längerer
Zeit (2008 bis 2014) keine Besserung über den im Beurteilungszeitpunkt
vorliegenden Zustand hinaus brachte. 
Das ZMB-Gutachten vom 13. Januar 2015 erweist sich auch in anderer Hinsicht als
ergänzungsbedürftig: Die vom Bundesgericht beim Komplex "Persönlichkeit"
verlangte sorgfältige Abklärung fand nicht statt oder zumindest liegt das
Resultat dieser Abklärung nicht in einer nachvollziehbaren und überprüfbaren
Form vor (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S. 302). Eine
persönlichkeitsdiagnostische Prüfung wäre aber umso wichtiger gewesen als die
Gutachter der Gutachterstelle B.________ die Frage aufgeworfen hatten, ob
andere, insbesondere prätraumatische belastende Faktoren die inzwischen
(aussergewöhnlich) lang anhaltenden affektiven Probleme aufrechterhielten. 
Im Weitern finden sich im Gutachten keine Darlegungen zu den Ressourcen, welche
der Versicherten zur Verfügung stehen. Mit dem kantonalen Gericht kann zwar
aufgrund der teilweise geglückten beruflichen Selbsteingliederung davon
ausgegangen werden, dass die Versicherte über gewisse Ressourcen verfügt. Von
Interesse wäre aber die Beantwortung der Frage, ob und weshalb diese Ressourcen
keine weitergehende Tätigkeit als die attestierten 50 % zulassen. Hier wären
begründete ärztliche Angaben eine unerlässliche Voraussetzung für eine
abschliessende Beurteilung des der Versicherten zumutbaren Arbeitspensums. 
 
6.5.4. Gestützt auf das ZMB-Gutachten vom 13. Januar 2015 kann somit - auch
unter Berücksichtigung der übrigen medizinischen Berichte und Gutachten sowie
der anderen Unterlagen - keine schlüssige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der
Versicherten im Lichte der massgeblichen Indikatoren gemäss der Rechtsprechung
zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden erfolgen. Weil schliesslich keine Anhaltspunkte für
das Vorliegen von Ausschlussgründen bestehen, welche einer Leistungszusprechung
von vornherein entgegenstehen würden (BGE 141 V 281 E. 2.2 S. 287 f.), kann auf
die Durchführung ergänzender medizinischer Abklärungen nicht verzichtet werden.
Da dem ZMB-Gutachten aber grundsätzlich Beweiswert zukommt, ist keine
umfassende neue medizinische Beurteilung nötig. Es genügt, dass die
ZMB-Gutachter, insbesondere die psychiatrische Gutachterin - nach vorgängiger
Verifizierung der Diagnose (vgl. E. 4.4) - ihre Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit im Lichte der von der Rechtsprechung (unter Berücksichtigung
der medizinischen Empirie [vgl. BGE 141 V 281 E. 5.1.1 S. 304 f.]) entwickelten
Indikatoren überprüfen und das Ergebnis der Neuevaluierung darlegen. Im
Besonderen ist auszuführen und zu begründen, ob bei der Versicherten eine
therapieresistente depressive Störung vorliegt. Zudem sind die der Versicherten
zugänglichen Ressourcen vor allem auch mit Blick auf die Ausübung einer
Teilzeittätigkeit zu prüfen und darzulegen. Gestützt auf die Ergebnisse dieser
ergänzenden Abklärungen wird das kantonale Gericht neu zu entscheiden haben.  
 
7.   
Mit dem vorliegenden Urteil wird der Rentenanspruch bis Ende November 2011
definitiv abgewiesen; insofern unterliegt die Versicherte. Was danach gilt,
hängt ab vom Ergebnis der aufgrund der Rückweisung in die Wege zu leitenden
weiteren Abklärungen; diesbezüglich entspricht der Prozessausgang einem
Obsiegen der Beschwerdeführerin (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen). 
Bei dieser Sachlage rechtfertigt es sich, die Parteien die Gerichtskosten je
hälftig tragen zu lassen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und die Beschwerdegegnerin zur
Bezahlung einer reduzierten Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin zu
verpflichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 30. März 2017 wird insofern
aufgehoben, als ein Rentenanspruch ab 1. Dezember 2011 verneint wird.
Diesbezüglich wird die Sache zum Vorgehen im Sinne der Erwägungen und zum neuen
Entscheid an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen. Im Übrigen
wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden den Parteien je zur Hälfte auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann 

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