Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 277/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_277/2017            

 
 
 
Urteil vom 17. Oktober 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber Williner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Mark A. Glavas, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Ausgleichskasse Schwyz, 
Rubiswilstrasse 8, 6438 Ibach, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz 
vom 23. Februar 2017 (II 2016 96). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Bezirksgericht X.________ schied mit "Urteil und Verfügung vom........" die
Ehe der 1945 geborenen A.________ und des B.________. Dabei genehmigte es eine
Vereinbarung der Scheidungsfolgen, worin sich B.________ unter anderem
verpflichtete, an seine geschiedene Frau eine güterrechtliche Ausgleichszahlung
in der Höhe von Fr. 380'000.- zu leisten, wobei die folgenden Zahlungsfristen
vereinbart wurden: Fr. 5'000.- bis zum 31. Dezember 2016, Fr. 20'000.- bis zum
30. Juni 2017, Fr. 50'000.- bis zum 31. Dezember 2017 und Fr. 305'000.- bis zum
31. Dezember 2018. Zur Sicherung der Ausgleichszahlung wurde ein Schuldbrief
auf der Liegenschaft C.________ erstellt, die sich im Alleineigentum des
B.________ befindet. 
Im Juli 2016 meldete sich A.________ bei der Ausgleichskasse des Kantons Schwyz
zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Mit Verfügung vom 8. August 2016
verneinte diese einen Anspruch darauf, wobei sie A.________ unter anderem ein
"Guthaben aus Scheidung" in der Höhe von Fr. 380'000.- anrechnete. 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die dagegen eingereichte
Beschwerde der A.________ ab (Entscheid vom 23. Februar 2017). 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, es seien ihr unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids
Ergänzungsleistungen per 1. Juli 2016 zu gewähren, eventualiter sei die Sache
zu weiteren Abklärungen an die Ausgleichskasse Schwyz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Es steht ausser Frage, dass die güterrechtliche Ausgleichszahlung in der
Höhe von Fr. 380'000.- im Rahmen der Berechnung der Ergänzungsleistungen
grundsätzlich zu berücksichtigen ist. Zu prüfen ist indessen, ob dies bereits
per 1. Juli 2016 zu erfolgen hat.  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zu den
Voraussetzungen des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen bei Bezug einer
Altersrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 4 Abs. 1 lit. a
ELG) und zu Berechnung und Höhe der Leistungen (Art. 9 Abs. 1 ELG) korrekt
dargelegt. Ebenso zutreffend sind die vorinstanzlichen Ausführungen zur
Anrechenbarkeit von Vermögenswerten (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG). Darauf wird
verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen hänge
der Zeitpunkt der Anrechnung eines Vermögenswertes von dem zugrunde liegenden
Rechtsgeschäft ab. Unter Hinweis auf die Rechtsprechungen bei Kapitalsummen aus
zweiter und dritter Säule, Leibrenten ohne Rückgewähr, unverteilten Erbschaften
sowie nicht künd-, belehn- und verwertbaren Vermögensanlagen im Ausland kam das
kantonale Gericht zum Schluss, die güterrechtliche Ausgleichszahlung sei
bereits ab Juli 2016 zu berücksichtigen. Zur Begründung führte es im
Wesentlichen an, der Zeitpunkt der Anrechnung eines Vermögenswertes falle in
aller Regel mit dem Zeitpunkt der Erlangung eines gefestigten (gesicherten) und
sofort realisierbaren Anspruchs auf den Vermögenswert zusammen. Im vorliegenden
Fall sei dies der Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes, woran allfällige
Liquiditätsprobleme des geschiedenen Ehemannes nichts änderten.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 11 ELG, weil ihr bei
der Berechnung der Ergänzungsleistungen ein (noch) nicht verfügbares Vermögen
angerechnet worden sei. Zudem habe das kantonale Gericht den Sachverhalt
unvollständig und willkürlich ermittelt. Insbesondere habe es in Verletzung des
Untersuchungsgrundsatzes die Akten des Bezirksgerichts X.________ nicht
eingeholt.  
 
4.  
 
4.1. Die Beschwerdeführerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass bei der
Berechnung von Ergänzungsleistungen grundsätzlich nur tatsächlich vereinnahmte
Einkünfte und vorhandene Vermögenswerte berücksichtigt werden dürfen, über die
der Leistungsansprecher ungeschmälert verfügen kann (vgl. zum Ganzen Urteil
9C_831/2016 vom 11. Juli 2017 E. 5.1 mit Hinweisen). Indessen lässt sie den in 
Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG explizit vorbehaltenen Tatbestand des Verzichts auf
Einkünfte oder Vermögenswerte ausser Acht.  
Im Rahmen einer Scheidung ist für die Bewertung der Aktiven und Passiven im
Vermögen der Ehegatten der Zeitpunkt entscheidend, in welchem die
güterrechtliche Auseinandersetzung vorgenommen wird. Erfolgt sie im Rahmen
eines gerichtlichen Verfahrens, so ist der Tag der Urteilsfällung massgebend (
Art. 214 Abs. 1 ZGB; BGE 121 III 152 E. 3a S. 154). Gestützt darauf ging die
Vorinstanz zu Recht von einer grundsätzlichen Verfüg- und Verwertbarkeit der
den Ehegatten per 4. Juli 2016 zugesprochenen Vermögenswerten aus. Trotzdem -
und obwohl sie sich nur wenige Tage später zum Bezug von Ergänzungsleistungen
anmeldete - verzichtete die Beschwerdeführerin im Rahmen der richterlich
genehmigten Vereinbarung über die Scheidungsfolgen auf eine unmittelbare
(Teil-) Auszahlung der güterrechtlichen Ausgleichszahlung. Sie gewährte ihrem
geschiedenen Mann stattdessen eine Ratenzahlung, wobei die erste Rate erst Ende
2016 fällig wurde. Damit hat sie - zumindest vorübergehend - auf Vermögenswerte
verzichtet, über die sie ungeschmälert hätte verfügen und die sie zur Deckung
ihrer laufenden Lebensbedürfnisse hätte verwenden können. Wie die Vorinstanz
richtig erwogen hat, ändern die geltend gemachten finanziellen Schwierigkeiten
ihres geschiedenen Ehegatten am Verzichtstatbestand nichts. Diese hätten einzig
dazu führen können, dass die nunmehr in sein Alleineigentum gefallene
Liegenschaft in Portugal zur Deckung der güterrechtlichen Ausgleichszahlung
hätte veräussert werden müssen. Dies zu verhindern ist aber nicht Aufgabe der
Ergänzungsleistungen. 
 
4.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet den vorinstanzlichen Schluss nicht, der
Verkehrswert der nicht den eigenen Wohnzwecken dienenden Liegenschaft in
Portugal wäre ohne Zweifel bereits ab Juli 2016 zu berücksichtigen, würde diese
in ihrem Alleineigentum stehen (vgl. dazu Urteil 9C_928/2011 vom 9. Juli 2012; 
Art. 17 Abs. 4 ELV; URS MÜLLER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum ELG, 3.
Aufl. 2015, S. 139 Rz. 365 ff.). Nichts anderes kann aber in Bezug auf eine
güterrechtliche Ausgleichszahlung gelten, welche als Ersatz für die Übertragung
solcher Eigentumsanteile geleistet wird. Entsprechend fehl geht der - im
Übrigen unbegründet gebliebene - Einwand, eine "umgehende" Verwertung der
Liegenschaft sei im Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht
möglich gewesen. An diesem Ergebnis vermöchten auch die Akten des
Bezirksgerichts X.________ nichts zu ändern, weshalb das kantonale Gericht auf
deren Einholung verzichten durfte.  
Insofern die Beschwerdeführerin eine nicht näher bezeichnete Verletzung von
"EMRK-Garantien (insbesondere Art. 6 EMRK) " rügt, weil die Vorinstanz davon
ausgegangen sei, die Beschwerdeführerin hätte die Ausgleichszahlung sofort
erlangen können, fehlt es zum Vornherein an einer (qualifizierten; vgl. Art.
106 Abs. 2 BGG) Begründung. Weiterungen dazu erübrigen sich. 
 
4.3. Unbehelflich ist schliesslich die Rüge, im Scheidungsverfahren werde die
güterrechtliche Auseinandersetzung durch das Gericht genehmigt, welches einen
Missbrauch von Sozialversicherungsleistungen gar nie genehmigen würde. Im
Gegensatz zum Beispiel einer unverteilten Erbschaft bestehe deshalb hier gar
keine Gefahr des Missbrauchs. Indem das kantonale Gericht dies ausser Acht
lasse, habe es dem Bezirksgericht X.________ indirekt unterstellt, einen
Missbrauch von Sozialversicherungsleistungen vorzuschlagen. Mit diesem Einwand
lässt die Beschwerdeführerin ausser Acht, dass die Vorinstanz zwar auf die
generelle Gefahr eines Missbrauchs hinwies, konkrete Anhaltspunkte darauf aber
explizit verneinte. Die Beschwerdeführerin verkennt zudem die Aufgabe des eine
Vereinbarung über die Scheidungsfolgen prüfenden Zivilgerichts. Dieses spricht
nach Art. 279 Abs. 1 ZPO die Genehmigung aus, wenn es sich davon überzeugt hat,
dass die Ehegatten aus freiem Willen und nach reiflicher Überlegung die
Vereinbarung geschlossen haben und diese klar, vollständig und nicht
offensichtlich unangemessen ist (vgl. Urteil 5A_346/2016 vom 29. Juni 2017 E.
7.3.1). Demgegenüber hat es nicht zu prüfen, ob die Vereinbarung einem
künftigen Sozialversicherungsmissbrauch dienen soll.  
 
5.   
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz die güterrechtliche Ausgleichszahlung in
der Höhe von Fr. 380'000.- zu Recht bereits ab Juli 2016 berücksichtigt. 
 
6.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 17. Oktober 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Williner 

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