Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 264/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
9C_264/2017  
 
 
Urteil vom 18. Dezember 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Tomaschett, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. CSS Kranken-Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
2. Aquilana Versicherungen, Bruggerstrasse 46, 5400 Baden, 
3. CONCORDIA Schweiz. Kranken- und Unfallversicherung, Bundesplatz 15, 6002
Luzern, 
4. Avenir Assurance Maladie SA, c/o Groupe Mutuel, Rue des Cèdres 5, 1920
Martigny, 
5. KPT Krankenkasse AG, Tellstrasse 18, 3014 Bern, 
6. Vivao Sympany AG, Rechtsdienst, Peter Merian-Weg 4, 4002 Basel, 
7. Kolping Krankenkasse AG, Wallisellenstrasse 55, 8600 Dübendorf, 
8. EGK-Grundversicherungen, Brislachstrasse 2, 4242 Laufen, 
9. Krankenkasse SLKK, Hofwiesenstrasse 370, 8050 Zürich, 
10. Progrès Versicherungen AG, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf, 
11. SWICA Gesundheitsorganisation, Rechtsdienst, Römerstrasse 38, 8400
Winterthur, 
12. Mutuel Assurance Maladie SA, Service juridique, Rue des Cèdres 5, 1920
Martigny, 
13. Sanitas Grundversicherungen AG, Jägerstrasse 3, 8021 Zürich, 
14. INTRAS Assurance-maladie SA, Avenue de Valmont 41, 1000 Lausanne, 
15. Philos Assurance Maladie SA, Rechtsdienst, Rue des Cèdres 5, 1920
Martigny, 
16. Assura-Basis SA, Avenue Charles-Ferdinand Ramuz 70, 1009 Pully, 
17. Visana AG, Weltpoststrasse 19, 3000 Bern 15, 
18. Agrisano Krankenkasse AG, Laurstrasse 10, 5200 Brugg AG, 
19. Helsana Versicherungen AG, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf, 
20. Arcosana AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
21. vivacare AG, Weltpoststrasse 19, 3015 Bern, 
22. Compact Grundversicherungen AG, Jägerstrasse 3, 8021 Zürich, 
23. SUPRA-1846 SA, avenue de la Rasude 8, 1006 Lausanne, 
24. Genossenschaft Krankenkasse Steffisburg, Unterdorfstrasse 37, 3612
Steffisburg, 
25. ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG, Bahnhofstrasse 13, 7302
Landquart, 
 
alle vertreten durch santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer,
Römerstrasse 20, 4500 Solothurn, 
und diese vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin, Quaderstrasse 8,
7000 Chur, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Krankenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Schiedsgerichts in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern vom 1. März 2017 (200 15 658
SCHG und 200 16 667 SCHG). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
 
A.a. Am 13. Juli 2017 reichten verschiedene Krankenversicherer, u.a. die CSS
Kranken-Versicherung AG, vertreten durch santésuisse, beim Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern Klage gegen Dr. med.
A.________ ein mit den Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihnen
jene Beträge zurückzuerstatten, die er gemäss der Rechnungssteller-Statistik
(RSS) 2013 in diesem Jahr wegen unwirtschaftlicher oder allenfalls nicht
gesetzlicher Behandlungsweise zu Unrecht vereinnahmt habe; gegebenenfalls seien
weitere Sanktionsmassnahmen zu treffen (Verfahren 200 15 658 SCHG). Am 14. Juli
2016 erhoben dieselben sowie drei weitere Krankenversicherer eine gleich
lautende Klage für das Jahr 2014 (Verfahren 200 16 667 SCHG).  
Der ins Recht gefasste Arzt beantragte in seinen Klageantworten, die Klagen
seien abzuweisen, sofern darauf eingetreten werden könne; zur Überprüfung
seiner Zahlen sei die analytische Methode, systematische oder die
repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung, anzuwenden. 
Mit Verfügung vom 23. Januar 2017 vereinigte der kantonale Instruktionsrichter
die Verfahren 200 15 658 SCHG und 200 16 667 SCHG. 
 
A.b. Mit Entscheid vom 1. März 2017 hiess das Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern die Klagen, soweit darauf
einzutreten war, dahingehend gut, als der Beklagte verpflichtet wurde, den
jeweiligen Klägerinnen insgesamt Fr. 33'303.20 für das Jahr 2013 bzw. Fr.
40'204.50 für das Jahr 2014 zurückzuerstatten (Dispositiv-Ziffer 1), sowie die
Verfahrenskosten von Fr. 5'000.- und eine Parteientschädigung von Fr. 12'960.-
zu bezahlen (Dispositiv-Ziffer 2 und 3).  
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
der schiedsgerichtliche Entscheid vom 1. März 2017 sei aufzuheben, und die
Klagen seien abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne; eventualiter
sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen und diese sei
anzuweisen, zur Überprüfung seiner Zahlen die analytische Methode,
systematische oder die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung,
anzuwenden. 
Die Krankenversicherer schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden kann. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung. 
A.________ hat Bemerkungen zu den Ausführungen der Krankenversicherer gemacht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das kantonale Schiedsgericht hätte
mangels Bestimmtheit der Rechtsbegehren bzw. Bezifferung der
Rückforderungssummen nicht auf die Klagen eintreten dürfen. Der Einwand ist
nicht stichhaltig. Nach unbestrittener Feststellung des Schiedsgerichts hatten
die Beschwerdegegner in der Begründung der Klagen unter Hinweis auf
entsprechende Schreiben der santésuisse vom 9. Januar 2015 und 1. Juni 2016 an
den Beschwerdeführer die Rückforderung (vorerst) auf Fr. 49'448.- (2013) und
Fr. 67'160.25 (2014) beziffert. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung hatten sie nach
der statistischen Methode des Durchschnittskostenvergleichs auf der Grundlage
der RSS vorgenommen (vgl. dazu BGE 137 V 43 E. 2.2 S. 45; 136 V 415 E. 6.2 S.
416 f.).  
 
1.2. Unbegründet ist weiter die Rüge einer nicht statthaften Klagenhäufung nach
Art. 376 ZPO. Das Verfahren vor dem kantonalen Schiedsgericht in Streitigkeiten
zwischen Versicherern und Leistungserbringern gemäss Artikel 89 KVG richtet
sich im Kanton Bern von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen nach
den Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege
(VRPG [BGS 155.21]; Art. 41 Abs. 1 lit. c und Art. 46 Abs. 2 des Gesetzes vom
6. Juni 2000 betreffend die Einführung der Bundesgesetze über die Kranken-, die
Unfall- und die Militärversicherung [EG KUMV; BGS 842.11] i.V.m. Art. 89 Abs. 5
erster Teilsatz KVG). Nach Art. 1 Abs. 2 VRPG bleiben abweichendes Bundesrecht,
insbesondere solches aus dem Gebiete der Sozialversicherung, und staatliche
Abkommen vorbehalten. Es ist nicht ersichtlich und der Beschwerdeführer zeigt
auch nicht auf, inwiefern sich aus dieser Regelung die Anwendbarkeit der
schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (ZPO; SR 272) im
Klageverfahren vor dem Schiedsgericht ergeben soll. Im Übrigen kann auf Art. 59
Abs. 2 KVG und das Urteil 9C_773/2008 vom 12. Dezember 2008 E. 5 verwiesen
werden.  
 
1.3. Schliesslich ist unklar, was der Beschwerdeführer damit sagen will, eine
Umstellung der Praxisstruktur sei erst ein Jahr nach Bekanntwerden der
Problematik möglich, was das Schiedsgericht im Zusammenhang mit der Vereinigung
der beiden Klagen gestützt auf die Untersuchungsmaxime hätte berücksichtigen
müssen. Jedenfalls nennt er weder eine Gesetzesbestimmung noch eine
Rechtsprechung, wonach Leistungserbringer, die dem Vorwurf der
unwirtschaftlichen Behandlung ausgesetzt sind, Anspruch auf eine einjährige
Umstellungszeit haben, während welcher die Voraussetzungen für eine
Rückforderung von Vergütungen der Krankenversicherer gewissermassen milder zu
beurteilen sind oder eine solche sogar ausgeschlossen ist.  
 
2.   
Streitgegenstand bildet die - auf Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG gestützte (BGE 141
V 25) - Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Rückerstattung von Fr.
33'303.20 für das Jahr 2013 bzw. Fr. 40'204.50 für das Jahr 2014 wegen
Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit der Leistungen nach Art. 56 Abs. 1
KVG. 
 
3.   
Das kantonale Schiedsgericht hat die Wirtschaftlichkeit der Praxistätigkeit des
Beschwerdeführers in Anwendung der statistischen Methode der Varianzanalyse
(Anova; vgl. dazu Mirjam D'Angelo/Peter Kraft/ Roland Amstutz, Neue
statistische Methode für die Wirtschaftlichkeitsprüfung entbindet Ärzte
teilweise von Beweislast, Schweizerische Ärztezeitung [SAeZ] 2005 S. 1849 f.;
Gebhard Eugster, Überarztung aus juristischer Sicht, in: Rechtsfragen zum
Krankheitsbegriff, Gächter/ Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 123 ff. Rz. 78 ff.)
geprüft. Danach betrug der Index der direkten Kosten (ohne Medikamente) 150
Punkte (2013) bzw. 152 Punkte (2014). Daraus ergab sich bei einem Toleranzwert
von 130 Punkten und direkten (Arzt- und Medikamenten-) Kosten von Fr.
249'774.21 (2013) und Fr. 277'776.65 (2014) ein rückerstattungspflichtiger
Betrag von Fr. 33'303.20 und Fr. 40'204.50. Diese Berechnung ist als solche
unbestritten, ebenso die Feststellung des Schiedsgerichts, dass die Anwendung
des Durchschnittskostenvergleichs mit Gesamtkostenindizes von 162 bzw. 170
Punkten und der Vergleichsgruppe der Fachärzte 'praktischer Arzt' im Kanton
Bern zu einer höheren Rückforderung geführt hätte. 
 
 
4.   
Der Beschwerdeführer bestreitet wie schon im kantonalen Verfahren die
Anwendbarkeit einer statistischen Methode, Anova oder
Durchschnittskostenvergleich. Lediglich die Einzelfallprüfung (analytische
Methode; BGE 119 V 448 E. 4d S. 454 mit Hinweis) ermögliche eine gerechte,
willkürfreie Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der 2013 und 2014 von ihm
erbrachten Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Zur Begründung beruft er sich u.a. auf den seit 1. Januar 2013 in Kraft
stehenden Art. 56 Abs. 6 KVG, welcher der Anwendung der Anova-Methode in der
bisherigen Form entgegenstehe. 
 
5.  
 
5.1. Nach dem mit Bundesgesetz vom 23. Dezember 2011 (AS 2012 4087) neu in Art.
56 KVG eingefügten, am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Abs. 6 legen
Leistungserbringer und Versicherer vertraglich eine Methode zur Kontrolle der
Wirtschaftlichkeit fest. Gemäss der dazu gehörigen Übergangsbestimmung legt der
Bundesrat für die Leistungserbringer nach Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe a
[Ärzte und Ärztinnen] die Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit nach
Artikel 56 Absatz 6 fest, wenn Versicherer und Leistungserbringer sich nicht
innert 12 Monaten nach Inkrafttreten der vorliegenden Änderung vertraglich auf
eine Methode geeinigt haben.  
In einem am 27. Dezember 2013/16. Januar 2014 abgeschlossenen Vertrag haben die
Vereinigung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) auf der einen Seite,
santésuisse (Die Schweizer Krankenversicherer) und curafutura (Die innovativen
Krankenversicherer) auf der anderen Seite gestützt auf Art. 56 Abs. 6 KVG als
statistische Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit die Varianzanalyse
[ANOVA] festgelegt (Ziff. 1). Weiter vereinbarten die Vertragsparteien, dass
das heute verwendete Varianzanalysenmodell künftig von Leistungserbringern und
Versicherern gemeinsam weiterentwickelt und unter anderem durch
Morbiditätsvariablen ergänzt werden soll (Ziff. 2). Neben dem Auftrag des
Gesetzgebers, die statistische Methode festzulegen, vereinbaren die
Leistungserbringer und Versicherer, die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit durch
paritätische Vertrauenskommissionen (PVK) zu vereinheitlichen und
professionalisieren (Ziff. 4 erster Satz). 
 
5.2. Das kantonale Schiedsgericht hat in E. 4.3 des angefochtenen Entscheids
ausgehend von den Materialien (zu deren Bedeutung für die Gesetzesauslegung BGE
141 V 191 E. 3 S. 194; 140 III 206 E. 3.5.4 S. 214; 134 V 170 E. 4.1 S. 174)
dargelegt, dass Art. 56 Abs. 6 KVG die Anwendung der Anova-Methode
grundsätzlich nicht ausschliesst. Es hat im Wesentlichen erwogen, das Parlament
habe dieser Gesetzesvorschrift nicht über den Wortlaut hinaus das Verbot einer
bestimmten Methode beimessen, sondern deren Festlegung in Zukunft auf den
partnerschaftlichen Weg verweisen wollen, ohne sich selbst dazu zu äussern. Die
Vertreter der Leistungserbringer hätten Gelegenheit gehabt, sich die Methode
transparent vorlegen zu lassen und in eine Diskussion mit den Versicherern
einzusteigen. Das sei erfolgt und ein Vertrag über die Anwendbarkeit der
Anova-Methode abgeschlossen worden, wobei die Parteien gleichzeitig
übereingekommen seien, sie fortlaufend zu verbessern. Insoweit dürfe davon
ausgegangen werden, dass Transparenz geschaffen worden sei und keine
unüberwindbare Vorbehalte mehr bestanden hätten. Im Übrigen stünde es jeder
Partei frei, den Vertrag zu kündigen.  
 
5.3. Dem kantonalen Schiedsgericht ist beizupflichten:  
 
5.3.1. Eine Zielsetzung von Art. 56 Abs. 6 KVG war, zum einen die Bemessung der
Wirtschaftlichkeit der Leistungen transparent und namentlich für die Ärztinnen
und Ärzte nachvollziehbar zu machen, zum andern die Morbidität des
Patientenkollektivs miteinzubeziehen (Bericht "Parlamentarische Initiativen
Stärkung der Hausarztmedizin" der Kommission für soziale Sicherheit und
Gesundheit des Nationalrates vom 21. Januar 2011, BBl 2011 2519 ff., 2520 und
2523 f., sowie Stellungnahme des Bundesrates vom 4. März 2011, BBl 2011 2529
ff., 2530 unten; AB 2011 N 1308 ff. [alle Redner], S 1106 f. [Votum Maury
Pasquier]; ferner Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit,
SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 686 Rz. 918, wonach eine entsprechende
grundlegende Änderung des Vergleichsverfahrens zu den zentralen Erwartungen des
Gesetzgebers zählt). Wie indessen das kantonale Schiedsgericht richtig erkannt
hat, ging es bei der Schaffung von Art. 56 Abs. 6 KVG in erster Linie darum,
dass Versicherer und Leistungserbringer zusammen eine Methode zur Kontrolle der
Wirtschaftlichkeit entwickeln bzw. festlegen, hingegen nicht um die Umsetzung
der Wirtschaftlichkeitsprüfung als solche (AB 2011 N 1309 [Votum Humbel], S
1107 [Votum Bundesrat Burkhalter]). "Der neue Absatz 6 enthält keine
Spezifizierung oder exemplarische Aufzählung von Kriterien, die bei der
Durchführung der Kontrolle zu berücksichtigen sind". Diese partnerschaftlich zu
erarbeiten und festzulegen, liegt "allein in der Kompetenz der
Leistungserbringer und der Versicherer" (BBl 2011 2524 und 2529 ff.).  
 
5.3.2. Einzig der zweite Gesichtspunkt hat im Wortlaut von Art. 56 Abs. 6 KVG
Niederschlag gefunden. Der Gesetzgeber räumte somit dem Weg des gemeinsamen
Vorgehens von Leistungserbringern und Versicherern Vorrang ein vor dem zu
erreichenden Ziel einer transparenten und qualitativen, d.h. die Morbidität des
Patientenkollektivs einbeziehenden Wirtschaftlichkeitsprüfung. Das bedeutet
auch, dass der beidseitigen Akzeptanz der künftig anzuwendenden Methode der
Wirtschaftlichkeitskontrolle besonderes Gewicht zukommen soll. Es kann daher
nicht als gesetzwidrig bezeichnet werden, dass die Parteien (FMH sowie
santésuisse und curafutura) das Varianzanalysenmodell, welches "gemeinsam
weiterentwickelt und unter anderem durch Morbiditätsvariablen ergänzt werden
soll", vereinbart haben, auch wenn dieses ebenso wie der
Durchschnittskostenvergleich seit langem in der Ärzteschaft in der Kritik
standen (Gebhard Eugster, KVG: Baustelle statistische
Wirtschaftlichkeitsprüfung, Jusletter 27. August 2012 Rz. 13 f., 61 und 82) und
Anstoss für parlamentarische Initiativen gegeben hatten, welche schliesslich
zur Gesetzesänderung vom 23. Dezember 2011 (Art. 56 Abs. 6 KVG) führten.  
 
6.   
Im Weitern hat das kantonale Schiedsgericht das Vorliegen von
Praxisbesonderheiten, welche das Überschreiten des Toleranzwertes von 130
Indexpunkten zu erklären vermöchten (Urteil K 150/03 vom 18. Mai 2004 E. 6.3,
nicht publ. in: BGE 130 V 377, aber in: SVR 2005 KV Nr. 4 S. 13), verneint,
ebenso kompensatorische Effekte im Sinne einer vergleichsweise geringen Anzahl
von Überweisungen an Spezialisten und Spitäler (BGE 133 V 37 E. 5.3.6 S. 41).
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig: 
 
6.1. Soweit er die Homogenität der Vergleichsgruppe der Fachärzte 'praktischer
Arzt' im Kanton Bern bestreitet, verkennt er, dass bei der hier anzuwendenden
Anova-Methode die betreffenden Fachärzte der ganzen Schweiz die
Vergleichsgruppe bilden (Gebhard Eugster, Überarztung aus juristischer Sicht,
in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/Schwendener [Hrsg.], 2009, S.
123 Rz. 78). Ebenso besteht keine Rechtsprechung, wonach der Umstand, dass der
Arzt sich nicht am allgemeinen ärztlichen Notfalldienst beteilige, was bei ihm
altershalber zutreffe, als Praxisbesonderheit anerkannt werde.  
 
6.2. Sodann sagen weder die Zufriedenheit der Patienten und deren Wohlbefinden
noch die Häufigkeit einer bestimmten abgerechneten Tarmed-Position direkt etwas
aus über Wirksamkeit und Zweckmässigkeit einer Behandlung, welche Kriterien
nach seiner Auffassung bei der "Überprüfung der Überarztung" ebenfalls zu
berücksichtigen seien. Im Übrigen hat das kantonale Schiedsgericht einlässlich
dargelegt, weshalb vor dem Hintergrund des Durchschnittsalters der Patienten
und der vergleichsweise weit günstigeren Kosten pro Konsultation seine
Behandlungsweise weder wirtschaftlich noch zweckmässig sein könne. In der
Beschwerde wird nicht substanziiert aufgezeigt, inwiefern die betreffenden
Erwägungen Bundesrecht verletzen sollen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die jederzeitige
Erreichbarkeit für seine Patienten, auch für Notfälle, vermag daran nichts zu
ändern.  
 
6.3. Schliesslich kann dem kantonalen Schiedsgericht im Zusammenhang mit der
Frage nach kompensatorischen Einsparungen im Sinne unterdurchschnittlicher
Überweisungen an Spezialärzte und Spitäler keine Verletzung der
Untersuchungspflicht vorgeworfen werden. Entgegen BGE 133 V 37 E. 5.3.6 S. 41,
worauf sich der Beschwerdeführer beruft, gibt es keine statistische Daten zu
veranlassten Spitalbehandlungskosten (Urteil 9C_393/2007 vom 8. Mai 2008 E.
5.2; Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd.
XIV, 3. Aufl. 2016, S. 683 Rz. 907).  
 
7.   
Die in betraglicher Hinsicht nicht bestrittene Rückforderung von Fr. 33'303.20
für das Jahr 2013 und Fr. 40'204.50 für das Jahr 2014 wegen Verletzung des
Gebots der Wirtschaftlichkeit der Leistungen nach Art. 56 Abs. 1 KVG besteht
somit zu Recht. 
 
8.   
Das kantonale Schiedsgericht hat dem unterliegenden Beschwerdeführer die
gesamten Verfahrenskosten auferlegt und ihn zur Bezahlung einer (vollen)
Parteientschädigung an die Gegenpartei verpflichtet. Nach dem anwendbaren Art.
109 Abs. 1 VRPG (E. 1.2) sind Verfahrens- und Parteikosten nach Massgabe des
Unterliegens auf die Parteien zu verlegen. Der Beschwerdeführer bringt insoweit
richtig vor, dass er gemessen an den in der Klagebegründung (vorerst) geltend
gemachten Rückforderungssummen von Fr. 49'448.- (2013) und Fr. 67'160.25 (2014;
E. 1.1) im Umfang von rund 30 % bzw. 40 % obsiegt hat. Zu beachten ist indessen
Art. 109 Abs. 2 VRPG. Danach kann je nach den Umständen auf eine
verhältnismässige Teilung der Verfahrens- und Parteikosten erkannt werden, wenn
die obsiegende Partei zuviel gefordert oder den Prozessaufwand durch unnötige
Weitläufigkeiten vermehrt hat. 
 
9.   
Ausgangsgemäss wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'400.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Schiedsgericht in
Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Bern und dem Bundesamt für
Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Dezember 2017 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Fessler 

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