Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 247/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
9C_247/2017        

Urteil vom 7. August 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Parrino, Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 23. Februar 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1963 geborene A.________ meldete sich im November 2004 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
ermittelte einen Invaliditätsgrad von 18 % und wies das Leistungsbegehren mit
Verfügungen vom 24. und 25. April 2008 ab. Nach einem am 1. April 2009
erlittenen Arbeitsunfall meldete sich A.________ im Februar 2010 erneut zum
Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens
- in dessen Verlauf u.a. der Versicherte das Gutachten des pract. med.
B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 2. Februar 2015
einreichte - verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 23. Juni 2015 wiederum
einen Rentenanspruch. Zur Begründung führte sie an, im Vergleich zum 24. April
2008 habe sich keine rententangierende Verschlechterung ergeben; in einer
leidensangepassten Tätigkeit bestehe weiterhin eine uneingeschränkte
Arbeitsfähigkeit.

B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 23. Februar 2017 ab.

C. 
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen, der Entscheid vom 23. Februar 2017 sei aufzuheben, und es sei ihm
eine Rente nach Gesetz auszurichten, er sei polydisziplinär mittels
gerichtlicher Expertise zu begutachten, und die IV-Stelle sei zu verpflichten,
die Kosten für die Expertise des pract. med. B.________ in der Höhe von Fr.
4'500.- zu übernehmen.

Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Eine offensichtlich
unrichtige Sachverhaltsfeststellung weist damit die Tragweite von Willkür auf (
BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153). Es liegt noch keine offensichtliche
Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt,
selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (Urteil 9C_570/2007 vom 5. März
2008 E. 4.2). Eine Sachverhaltsfeststellung ist etwa dann offensichtlich
unrichtig, wenn das kantonale Gericht den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich falsch eingeschätzt, ohne sachlichen Grund ein
wichtiges und für den Ausgang des Verfahrens entscheidendes Beweismittel nicht
beachtet oder aus den abgenommenen Beweisen unhaltbare Schlüsse gezogen hat (
BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 8C_734/2016 vom 12. Juli 2017 E. 1.2; 9C_275/
2016 vom 19. August 2016 E. 1.2 mit Hinweisen).

2.

2.1. Bei einer Neuanmeldung zum Leistungsbezug finden die Grundsätze zur
Rentenrevision analog Anwendung (Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV
[SR 831.201]; BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77), weshalb zunächst eine
anspruchsrelevante Veränderung des Sachverhalts erforderlich ist. Erst in einem
zweiten Schritt ist der (Renten-) Anspruch in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht umfassend - gegebenenfalls anhand der neuen Rechtsprechung zu den
somatoformen Schmerzstörungen gemäss BGE 141 V 281 - zu prüfen (Urteil 9C_894/
2015 vom 25. April 2016 E. 5 und 6.4).

2.2. Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung
und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und
gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche
Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu
nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte
Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes
ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf
allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis).

2.3. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um
Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das
Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1.3). Die
konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die
Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln (BGE 132
V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit
Hinweisen) wie auch die Frage nach der rechtlichen Relevanz einer attestierten
Arbeitsunfähigkeit (BGE 140 V 193) frei überprüfbare Rechtsfrage.

3. 
Die Vorinstanz hat nach einlässlicher Beweiswürdigung dem polydisziplinären
Gutachten der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim) vom 27. September 2011
und dem neurologisch-psychiatrischen Verlaufsgutachten der (bereits am
asim-Gutachten beteiligten) Dres. med. C.________ und D.________ vom 25.
November 2013 in Bezug auf den medizinischen Sachverhalt Beweiskraft
beigemessen. In Abweichung von der ärztlichen Arbeitsfähigkeitsschätzung - die
Experten attestierten eine Einschränkung von 20 % - hat sie festgestellt, für
behinderungsangepasste Tätigkeiten bestehe nach wie vor eine uneingeschränkte
Arbeitsfähigkeit, und seit dem Erlass der Verfügung vom 24. April 2008 sei
keine rententangierende Verschlechterung eingetreten. Folglich hat sie einen
Rentenanspruch verneint. Weiter hat das kantonale Gericht erwogen, dem
Parteigutachten des pract. med. B.________ vom 2. Februar 2015 sei keine
massgebliche Bedeutung für die Entscheidfindung zugekommen, weshalb der
Versicherte keinen Anspruch auf Vergütung der entsprechenden Kosten habe.

4.

4.1. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht, dass die
vorinstanzliche Feststellung, wonach zwischen April 2008 und dem Erlass der
angefochtenen Verfügung vom 23. Juni 2015 keine anspruchsrelevante
Gesundheitsverschlechterung eingetreten sei, offensichtlich unrichtig (E. 1.2)
sein soll.

4.2. Die Vorinstanz hat ausführlich und einleuchtend dargelegt, weshalb der
Umstand, dass im Verlaufsgutachten vom 25. November 2013 die Schwierigkeiten in
der Untersuchungssituation offengelegt wurden, nicht auf eine
Voreingenommenheit der Experten schliessen lässt, und warum diese
Verdeutlichungen, "mitunter auffällige Aggravation bis hin zu einer
Simulation", Inkonsistenzen, Selbstlimitierung u.ä. annehmen und miteinbeziehen
durften. Die Gutachter (Dres. med. C.________ und D.________) berücksichtigten
die Angaben des Versicherten und seiner Ehefrau wie auch die (u.a.
psychotherapeutische) Behandlung und setzten sich mit den Einschätzungen
anderer Ärzte auseinander. Aus neurologischer Sicht konnten die geltend
gemachten Beschwerden nicht objektiviert werden. Dass die Experten angesichts
der Selbstlimitierung und der Aggravation die Prognose als ernst bezeichneten,
ist nachvollziehbar. Weiter ergibt sich weder aus der verkehrsmedizinischen
Untersuchung noch aus dem Gutachten des pract. med. B.________ vom 2. Februar
2015 eine anspruchsrelevante Gesundheitsverschlechterung: Erstere wurde mit
Blick auf die Fahreignung erstellt und enthält keine Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit. Pract. med. B.________ erkannte eine psychische Störung, die
"im Abgleich" mit den Kriterien nach ICD-10 einer mittelgradigen depressiven
Episode entspricht. Diesbezüglich verwies er auf erfolgte Verbesserungen "unter
der sehr intensiven (...) Psychopharmakatherapie" während eines nur knapp
zweiwöchigen stationären Klinikaufenthalts, ohne nachvollziehbar darzulegen,
weshalb eine längere stationäre Behandlung keine Aussicht auf (weiteren) Erfolg
haben sollte. Damit weist er ebenfalls keine rechtlich relevante
Arbeitsunfähigkeit aus (vgl. Urteil 8C_753/2016 vom 15. Mai 2017 E. 4). Sodann
trägt die ärztliche Beurteilung von der Natur der Sache her unausweichlich
Ermessenszüge (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.3 S. 253; Urteil 9C_397/2015 vom 6.
August 2015 E. 5.3), die es zu respektieren gilt. Ohnehin beschränkt sich der
Beschwerdeführer auf weiten Strecken darauf, lediglich die medizinischen
Unterlagen abweichend von der Vorinstanz zu würdigen und daraus andere Schlüsse
zu ziehen, was nicht genügt (Urteile 9C_494/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 3.5;
9C_794/2012 vom 4. März 2013 E. 4.1; 9C_65/2012 vom 28. Februar 2012 E. 4.3 mit
Hinweisen).

4.3. Nachdem Gesagten genügen die Gutachten der asim sowie der Dres. med.
C.________ und D.________ - zumindest in Bezug auf die entscheidende Frage nach
einer erheblichen Veränderung - den Anforderungen an die Beweiskraft (E. 2.2).
Demnach beruhen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung (E. 4.1) und
Beweiswürdigung auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie für das
Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1.1).

4.4. Bei diesem Ergebnis besteht kein Anlass zur beantragten Rückweisung. Das
kantonale Gericht hat zu Recht sowohl einen Rentenanspruch als auch eine
massgebende Bedeutung der Expertise des pract. med. B.________ mit Anspruch auf
entsprechende Kostenvergütung verneint. Die Beschwerde ist unbegründet.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. August 2017

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Die Gerichtsschreiberin: Dormann

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