Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 132/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_132/2017            

 
 
 
Urteil vom 22. November 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino, 
Gerichtsschreiber R. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR),
Obstgartenstrasse 19, 8006 Zürich, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Adrian
von Kaenel und/oder Lukasz Grebski, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mischa Berner, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden
vom 5. Januar 2017 (S 15 85). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung
FAR) ist mit dem Vollzug des zwischen dem Schweizerischen Baumeisterverband
(SBV) und den Gewerkschaften Unia sowie Syna am 12. November 2002 geschlossenen
Gesamtarbeitsvertrags für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV
FAR) beauftragt. Das vom Stiftungsrat erlassene Stiftungsreglement regelt den
freiwilligen vorzeitigen Altersrücktritt für die letzten fünf Jahre vor dem
ordentlichen AHV-Alter und dessen Finanzierung. Mit Beschluss vom 5. Juni 2003
hat der Bundesrat den GAV FAR ab 1. Juli 2003 teilweise für
allgemeinverbindlich erklärt, ebenso in der Folge die seither vereinbarten
Änderungen. 
Mit Beschluss vom 6. Dezember 2012 hat der Bundesrat stationäre
Recycling-Anlagen ausserhalb von Baustellen ab 1. Januar 2013 vom betrieblichen
Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten (AVE) GAV FAR ausgenommen. 
Mit Entscheid vom 28. November/4. Dezember 2014 stellte die Stiftung FAR fest,
bei der A.________ AG handle es sich um einen unechten Mischbetrieb mit Gepräge
im betrieblichen Geltungsbereich des allgemeinverbindlich erklärten GAV FAR.
Folglich habe die Unternehmung ab 1. Juli 2003 für die Mitarbeiter, die in den
persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR fallen, FAR-Beiträge zu entrichten.
Der Stiftungsratsausschuss entschied am 12. März 2015, die A.________ AG sei
bis 31. Dezember 2012 von Gesetzes wegen dem GAV FAR unterstellt gewesen. Das
entsprechende Vorsorgeverhältnis sei mit Schreiben vom 28. Juni 2014 gekündigt
worden. Demgemäss schulde die A.________ AG für die betroffenen Arbeitnehmer
für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2014 FAR-Beiträge. Für diesen
Zeitraum habe die Gesellschaft der Stiftung FAR Lohnbescheinigungen der
unterstellten Mitarbeiter einzureichen. 
 
B.   
Die A.________ AG leistete dieser Aufforderung keine Folge. Am 9. Juli 2015
reichte die Stiftung FAR beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden Klage
ein mit den Anträgen, die A.________ AG sei zu verpflichten, ihr für die Zeit
vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2014 Beiträge in noch zu bestimmender Höhe
von der noch zu beziffernden jeweiligen AHV-pflichtigen Lohnsumme der unter den
persönlichen Anwendungsbereich des GAV FAR gefallenen Mitarbeiter zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 5. Januar 2017 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden die Klage teilweise gut. Es verpflichtete die A.________ AG, der
Stiftung FAR für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2012 Beiträge in
der Höhe von Fr. 80'297.15, nebst Zins zu 5 % auf verschiedenen Beträgen ab
unterschiedlichen Fälligkeiten zu bezahlen. 
 
C.   
Die Stiftung FAR führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
den Anträgen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben, soweit er die
Forderungen betreffend FAR-Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31.
Dezember 2014 abweist. Die A.________ AG sei zu verpflichten, ihr zusätzlich
zum vorinstanzlich zugesprochenen Betrag Fr. 19'583.15 für die FAR-Beiträge in
der Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014, nebst Zins zu 5 % auf Fr.
10'477.80 ab 1. Januar 2014 und auf Fr. 9'105.35 ab 1. Januar 2015 zu bezahlen.
Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht
zurückzuweisen. 
Die A.________ AG schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Sie reicht ein Rechtsgutachten von Prof. Jürg Brühwiler und
Rechtsanwältin Rahel Brühwiler ein. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Die Stiftung FAR lässt sich zur Stellungnahme der A.________ AG vernehmen,
worauf diese sich in einer weiteren Eingabe äussert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Vorinstanz hat die Beitragsforderung der Stiftung FAR für den Zeitraum vom
1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2012 gutgeheissen, was unbestritten geblieben
ist. Zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin zusätzlich FAR-Beiträge für die
Jahre 2013 und 2014 schuldet. 
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht hat zunächst festgestellt, dass die
Beschwerdegegnerin nicht Mitglied des SBV ist, jedoch dem AVE GAV FAR
unterstanden hat. Es hat für die Zeitspanne von 2004 bis 2012 den betrieblichen
Geltungsbereich des GAV FAR für die Beschwerdegegnerin bejaht, welche eine
stationäre Recyclinganlage betreibt. Seit der Änderung der Regelung gemäss
Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 2012 falle die Beschwerdegegnerin als
Betreiberin einer stationären Recyclinganlage ausserhalb einer Baustelle
hingegen nicht mehr in den betrieblichen Geltungsbereich des GAV FAR. Dies sei
zwischen den Parteien unbestritten. Die Auffassung der Stiftung FAR, wonach die
vom Bundesrat am 6. Dezember 2012 verfügte Änderung des betrieblichen
Geltungsbereichs für die Beschwerdegegnerin erst ab dem 1. Januar 2015
Rechtswirkung entfalte, verwarf die Vorinstanz. Das Schweizerische Recht kenne
keine Nachwirkung der Allgemeinverbindlicherklärung für Aussenstehende mit der
Folge, dass diese über das im Bundesratsbeschluss festgelegte Datum hinaus
Geltung beanspruchen könnte.  
 
2.2. Die Stiftung FAR begründet ihren Antrag auf Zahlung der FAR-Beiträge durch
die Beschwerdegegnerin auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31.
Dezember 2014 zunächst damit, dass der Bundesrat zum Beschluss vom 6. Dezember
2012 (in Kraft seit 1. Januar 2013), mit dem er stationäre Recyclinganlagen
ausserhalb der Baustelle und das in ihnen beschäftigte Personal vom
Geltungsbereich der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV FAR
ausgenommen hat, keine ausdrückliche Übergangsbestimmung geschaffen habe.
Dieser Umstand sei für die betroffenen Arbeitnehmer stossend, zumal die
Änderung erst am 28. Dezember 2012 publiziert wurde. Ab 1. Januar 2013 würden
sämtliche betroffenen Angestellten nicht mehr in einem dem GAV FAR
unterstellten Betrieb arbeiten; damit würden die zwischen 53 und 60 Jahre alten
Arbeitnehmer den FAR-Rentenanspruch verlieren, weil in dieser Zeit eine
ununterbrochene Tätigkeit in einem dem GAV unterstellten Unternehmen
vorgewiesen werden muss. Mit Zusatz 4 des Bundesratsbeschlusses vom 6. Dezember
2012 habe der Bundesrat auf den 1. Januar 2013 die Unterstellung von
Recyclingbetrieben insoweit eingeschränkt, als er die stationären
Recyclinganlagen ausserhalb der Baustelle vom Geltungsbereich des GAV FAR
ausgenommen hat. Der Bundesratsbeschluss entspreche nicht dem Willen der
Vertragsparteien und verletze deren Tarifautonomie. Die neue, im Zusatz 4 zum
Bundesratsbeschluss festgelegte Ausnahme sei erst im Jahr 2014 in den GAV FAR
aufgenommen worden. Des Weiteren enthalte dieser Vertrag in Art. 28 Abs. 5 eine
Übergangsbestimmung. Diese sehe vor, dass die Beendigung der Unterstellung
durch Kündigung zu erfolgen hat. Aus der Kombination dieser Übergangsbestimmung
mit dem Ausschluss von stationären Recyclinganlagen ausserhalb von Baustellen
auf Ende 2013 ergebe sich für die dem GAV FAR unterstellten stationären
Recyclingbetriebe eine normative Nachwirkung, die seitens der Betriebe seit 1.
Januar 2014 durch eine entsprechende Erklärung unter Einhaltung einer Frist von
sechs Monaten auf Ende des Kalenderjahres beseitigt werden kann. Da der
Bundesrat nicht kompetent war, die entsprechenden Betriebe aus dem GAV FAR
auszuschliessen, habe die Unterstellung so lange angedauert, wie dies der der
Allgemeinverbindlicherklärung zugrunde liegende GAV vorsieht. Indem die
Vorinstanz von der Gültigkeit des Bundesratsbeschlusses bezüglich des
Ausschlusses von stationären Recyclinganlagen ausserhalb von Baustellen aus dem
GAV FAR ausging, habe sie Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die
Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28. September 1956
(AVEG; SR 221.215.311) sowie den Bundesratsbeschluss über die
Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR und damit Bundesrecht verletzt. Im
Übrigen müsste nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine angemessene
Übergangsregelung geschaffen werden, um die betroffenen Arbeitnehmer vor
Nachteilen zu schützen.  
 
2.3. Die Beschwerdegegnerin macht im Wesentlichen geltend, die Interessen ihrer
Arbeitnehmer seien nie beeinträchtigt gewesen, weil sie nie annahmen, dem GAV
FAR zu unterstehen. Vielmehr seien sie der Ansicht gewesen, dass der Betrieb
nicht im Bauhauptgewerbe tätig sei. Demnach seien auch keine Beiträge
entrichtet worden. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für einen Austritt mit
einer Frist von sechs Monaten. Die Ausnahme von der Unterstellung mittels
Bundesratsbeschluss sei ebenso zwingend wie die Unterstellung. Arbeitnehmern,
die zu einem Betrieb wechseln, der dem GAV FAR untersteht, wären die seitens
der Vorinstanz verfügten Beitragsjahre anzurechnen; auch insofern bestünde
keine Härte.  
 
3.   
Der Bundesratsbeschluss über die Verlängerung und Änderung der
Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen
Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) vom 5. Juni 2003 [BBl 2003 4039]
bestimmt in Art. 2 Abs. 4 lit. b in der Fassung vom 6. Dezember 2012, in Kraft
ab 1. Januar 2013 [BBl 2012 9763], dass die allgemeinverbindlich erklärten
Bestimmungen des GAV FAR u.a. für die Betriebe, Betriebsteile und
selbstständigen Akkordanten der folgenden Bereiche gelten: 
Aushub, Abbruch, Deponie und Recyclingbetriebe; ausgenommen sind stationäre
Recyclinganlagen ausserhalb der Baustelle und das in ihnen beschäftigte
Personal. 
 
4.   
Auf Grund der Erwägungen der Vorinstanz steht fest und ist im Übrigen
unbestritten geblieben, dass die Voraussetzungen für die Unterstellung der
Beschwerdegegnerin unter den AVE GAV FAR erfüllt waren. Diese hat gegen die
grundsätzliche Unterstellung kein Rechtsmittel eingelegt, und in der
Vernehmlassung zieht sie die Auffassung des kantonalen Gerichts zur
Unterstellung nicht einmal ansatzweise in Zweifel. Streitig und zu prüfen ist
im vorliegenden Fall einzig die Dauer der Unterstellung unter den GAV. 
 
5.   
 
5.1. In der Beschwerde wird zum ersten Mal vorgebracht, die
Allgemeinverbindlicherklärung vom 6. Dezember 2012 verletze das Bundesgesetz
über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28.
September 1956 (AVEG; SR 221.215.311). In der Klage wurde diesbezüglich
lediglich vorgebracht, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nicht richtig
durchdacht und daher "planwidrig unvollständig" sei. Ein Verstoss gegen
übergeordnetes Recht wurde mit keinem Wort geltend gemacht. Die erst vor
Bundesgericht vorgetragenen Gründe und Tatsachen, die nach Ansicht der
Beschwerdeführerin im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle die
Nichtanwendung der Allgemeinverbindlicherklärung von Art. 2 Abs. 4 lit. b GAV
FAR zur Folgen haben sollen, sind unzulässig, wie aus den nachstehenden
Erwägungen erhellt: Wird die Allgemeinverbindlichkeit eines
Gesamtarbeitsvertrages nachträglich im kantonalen Gerichtsverfahren in Frage
gestellt, liegt es an der daran interessierten Partei, die Tatsachen, die aus
ihrer Sicht die Rechtmässigkeit der Allgemeinverbindlicherklärung erschüttern,
zu behaupten. Auch im Anwendungsbereich des Untersuchungsgrundsatzes obliegt es
nicht dem kantonalen Gericht, die Rechtmässigkeit der
Allgemeinverbindlicherklärung zu prüfen, wenn wie hier keine entsprechenden
Anhaltspunkte aktenkundig sind. Da der angefochtene Entscheid keinen Anlass zu
den neuen Behauptungen gegeben hat, ist darauf letztinstanzlich nicht
einzugehen (Art. 99 Abs. 1 BGG; Urteil 9C_374/2012 vom 7. Dezember 2012 E.2.2).
Damit ist die Frage, ob der Bundesrat den betrieblichen Geltungsbereich des GAV
mit Beschluss vom 6. Dezember 2012 einschränken durfte, nicht zu erörtern.  
 
5.2. Die Beschwerdeführerin rügt des Weiteren das Fehlen einer angemessenen
Übergangsregelung, die der Bundesrat zu Gunsten der betroffenen Arbeitnehmer
nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hätte gewähren müssen. Der Ausschluss
stationärer Recycling-Anlagen ausserhalb von Baustellen vom Geltungsbereich des
AVE GAV FAR habe Arbeitnehmer der Möglichkeit beraubt, sich frühzeitig zu den
gesamtarbeitsvertraglich vereinbarten vorteilhaften Bedingungen pensionieren zu
lassen.  
 
5.2.1. Die Rechtsprechung hat das Fehlen einer Übergangsregelung nur
zurückhaltend als verfassungswidrig beurteilt und namentlich bei realtiv
geringfügigen Leistungseinbussen auch eine übergangslose Inkraftsetzung der
neuen Regelung nicht beanstandet (BGE 134 I 23 E. 7.6.1 S. 40 f. mit
Hinweisen).  
 
5.2.2. Die Beschwerde ist in diesem Punkt pauschal und allgemein gehalten. Sie
genügt den qualifizierten Anforderungen, wie sie nach Art. 106 Abs. 2 BGG für
die Geltendmachung der Verletzung von Grundrechten erfüllt sein müssen (BGE 139
I 229 E. 2.2 S. 232), nicht. Einer Überprüfung hält sie unabhängig davon, ob
eine Verfassungsverletzung rechtsgenüglich begründet wurde, ohnehin nicht
stand, wie sich den nachstehenden Erwägungen entnehmen lässt. Es wird geltend
gemacht, zwei Arbeitnehmer der Beschwerdegegnerin, B.________ (geboren 18. Juli
1951) und C.________ (geboren 23. Juli 1953) seien direkt vom
Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 2012 betroffen, indem sie ihren
FAR-Rentenanspruch unmittelbar verloren hätten. Die Anspruchsberechtigung
gegenüber der Stiftung FAR ist indessen nicht nur vom Alter des Arbeitnehmers
abhängig. Es muss gemäss Art. 14 Abs. 1 und 2 GAV FAR insbesondere auch eine
ununterbrochene Betriebszugehörigkeit während sieben Jahren vor der vorzeitigen
Pensionierung ausgewiesen sein. C.________ ist erst seit April 2009 im Betrieb
der Beschwerdegegnerin tätig, weshalb für ihn eine bis Ende 2014 währende
Übergangsfrist keinen Vorteil brächte. Die Behauptung, die Arbeitnehmer hätten
ihren FAR-Rentenanspruch ohne Übergangsfrist "sofort verloren", trifft auch auf
B.________ nicht zu, da ihm vor August 2014 der Altersrücktritt gemäss
Leistungsentscheid der Stiftung FAR vom 5. Juni 2015 ohnehin nicht offen stand.
Des Weiteren ist der mit dem Wegfall der gesamtarbeitsvertraglichen Regelung
angeblich verbundene Verlust von durchschnittlich Fr. 300'000.- je Arbeitnehmer
nicht nachvollziehbar. Es fehlen eine Substanziierung und Spezifizierung, und
ein Beleg für den geltend gemachten Betrag ist nicht eingereicht worden.  
 
5.3. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf eine individualrechtliche
Nachwirkung nach Ablauf der Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR beruft
und sich für ihren Standpunkt auf BGE 130 III 19 E. 3.1.2.2 S. 23 stützt, kann
ihr nicht beigepflichtet werden. Das Bundesgericht hat in diesem Urteil,
bestätigt in SVR 2011 BVG Nr. 14 S. 51 E. 4.2.2 (9C_297/2010), anerkannt, dass
Bestimmungen von Gesamtarbeitsverträgen, welche die Leistungen der Parteien
eines  Einzelarbeitsvertrages regeln, nach dem effektiven  Willen der
Vertragsparteien auch nach Beendigung des Gesamtarbeitsvertrages als Inhalt
des  Einzelarbeitsvertrages weiter gelten (vgl. auch Bruchez, Handbuch zum
kollektiven Arbeitsrecht, Basel 2009, Kapitel F, N 92 zu Art. 356 OR). Im
vorliegenden Fall steht jedoch ein Arbeitgeber am Recht, der nicht Mitglied
einer Vertragspartei (hier der SBV) ist und den Inhalt des GAV nicht
mitbestimmen konnte. Ein solcher Wille hinsichtlich der Weitergeltung des GAV
FAR über dessen Beendigung hinaus kann ihm deshalb nicht unterstellt werden.
Dies hat um so mehr zu gelten, als die Beschwerdegegnerin nicht freiwillig,
sondern allein kraft Rechtssetzung - bei der Allgemeinverbindlicherklärung
handelt es sich um eine normative Regelung mit Rechtssetzungscharakter (BGE 138
V 32 E. 4.1 S. 39; vgl. auch Urteil 4C_1/2008 vom 9. März 2009 E. 2) - dem GAV
FAR unterstellt wurde. Entscheidend ist schliesslich, dass die Bestimmungen des
GAV FAR nicht das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer berühren,
sondern der GAV FAR das Anschlussverhältnis zwischen Arbeitgeber und Stiftung
begründet. Bei diesem handelt es sich um einen Innominatsvertrag aus dem
Anwendungsbereich der beruflichen Vorsorge (vgl. BGE 120 V 299 E. 4a S. 304),
der vom vom Arbeitnehmer nicht als arbeitsrechtliche Grundlage herangezogen
werden kann.  
 
5.4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet.  
 
6.   
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat der
Beschwerdegegnerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs.
1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. November 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer 

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