Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 105/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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9C_105/2017            

 
 
 
Urteil vom 4. September 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Witwen-, Waisen- und Pensionskasse 
der Professoren der Universität Zürich, Künstlergasse 15, 8001 Zürich, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt C. Schweizer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kanton Zürich, Staatskanzlei, 
Neumühlequai 10, 8001 Zürich, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Isabelle
Vetter-Schreiber, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 15. Dezember 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Professoren der Universität Zürich, die bis Mitte April 1989 berufen
worden sind resp. ihren Lehrstuhl angetreten haben, erhalten nach ihrer
Emeritierung anstelle einer Pension ein Ruhegehalt. Die Ruhegehaltsordnung
deckt die Vorsorgefälle Alter und Invalidität ab. Die Ruhegehälter werden aus
der laufenden Staatskasse im Umlageverfahren finanziert.  
Die Stiftung Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der Professoren der Universität
Zürich (bis Juli 2013 im Kleid einer Genossenschaft; nachfolgend:
Pensionskasse) wurde gegründet, um u.a. den Vorsorgefall Tod abzudecken.
Ausserdem richtet sie jedem Professor ab Emeritierung oder Invalidisierung eine
Pension aus, die das Ruhegehalt ergänzt. 
 
A.b. Sowohl Ruhegehalt als auch die Leistungen der Pensionskasse wurden
regelmässig der Teuerung angepasst. Die Finanzierung der Teuerungszulagen
erfolgte aus der Staatskasse des Kantons Zürich, und zwar ebenfalls im
Umlageverfahren. Ab Juli 2008 stellte der Kanton Zürich die Zahlungen für die
Teuerungszulagen auf Hinterbliebenenleistungen ein, da er zur Auffassung
gelangte, dass es dafür an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehle. Die
Teuerungszulagen auf den Pensionen leistete er noch bis Ende 2008.  
 
B.   
Mit Entscheid vom 15. Dezember 2016 wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich die (Teil-) Klage der Pensionskasse ab, mit der diese vom Kanton
Zürich die Zahlung von Fr. 4'842'581.25 für Teuerungszulagen der Jahre 2008 bis
2010, nebst 5 % Zins auf den entsprechenden jährlichen Beträgen, verlangte. 
 
C.   
Dagegen erhebt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid vom 15. Dezember 2016 sei
aufzuheben und die Sache an das Sozialversicherungsgericht zurückzuweisen. 
Der Kanton Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich reicht eine
Vernehmlassung ein, ohne einen Antrag zu stellen, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine solche verzichtet. 
Die Pensionskasse gelangt mit einer weiteren Eingabe an das Bundesgericht. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung
des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG
). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch
an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II
257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die vorgebrachten
Rügen, sofern eine Rechtsverletzung nicht geradezu offensichtlich ist. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht
mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
2.  
 
2.1. Soweit die Beschwerdeführerin replikweise Kritik am angefochtenen Urteil
anbringt und sich nicht zu Vorbringen in den einzelnen Vernehmlassungen
äussert, ist darauf nicht einzugehen. Die Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG)
war in jenem Zeitpunkt abgelaufen und eine Ergänzung der Beschwerdebegründung
daher unzulässig (Art. 43 BGG e contrario).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Der vorinstanzliche Entscheid behandelt die materiell-rechtliche Frage
des Anspruchs auf eine Teuerungszulage zu Rentenansprüchen. Er umfasst
insgesamt vier Seiten und ist in einem einzigen Satz als sogenannter
"Dass-Entscheid" ergangen. Weiter erfolgt im angefochtenen Entscheid keine
Trennung von Sach- und Rechtsfragen. Auf die Bedenklichkeit derartiger
Entscheide im Zusammenhang mit der Gewährung des rechtlichen Gehörs hat das
Bundesgericht wiederholt hingewiesen (vgl. statt vieler Urteil 8C_742/2016 vom
5. Januar 2017 E. 2.1).  
 
2.2.2. In concreto ist festzuhalten: Im Zentrum der Beschwerde steht die Frage
nach der anwendbaren Rechtsgrundlage, in welchem Zusammenhang die
Beschwerdeführerin eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts resp. die
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs rügt. Die
diesbezügliche Ausgangs (sach) lage - der Kanton Zürich stellte im Jahr 2008
die Ausrichtung von Teuerungszulagen ein - findet sich in der Wiedergabe und
Umschreibung der Klageschrift (S. 2 oben des angefochtenen Entscheids). Zu
beantworten hatte das kantonale Gericht eine Rechtsfrage, die nach seiner
Meinung vom Bundesgericht in BGE 130 V 80 bereits beurteilt worden war (S. 3
oben des angefochtenen Entscheids). Gestützt darauf legte das kantonale Gericht
sodann, wenn auch sehr reduziert und ohne Tiefe, die Gründe der Klageabweisung
dar. Einerseits fehle es an einem in der Vergangenheit eingeräumten
wohlerworbenen Recht (S. 3 Abs. 2 des angefochtenen Entscheids). Anderseits
machten die im streitigen Zeitraum gültigen Statuten eine zu gewährende
Preisentwicklung auf den Renten von den finanziellen Möglichkeiten abhängig (S.
3 Abs. 3 und 4 des angefochtenen Entscheids). Anschlussvertraglich könnten von
einem Arbeitgeber aber nur Beiträge zur Finanzierung gesetzlicher oder
reglementarischer Ansprüche der Destinatäre verlangt werden, nicht jedoch die
Finanzierung von Ermessensleistungen (S. 3 Abs. 5 des angefochtenen
Entscheids). Diese inhaltlichen Angaben vermögen insgesamt ein hinreichendes
Bild über die Tragweite des Entscheides zu verschaffen und erlauben es, ihn auf
seine Richtigkeit überprüfen und gegebenenfalls anfechten zu können. Es ist
ersichtlich, von welchen rechtlichen und tatsächlichen Prämissen die Vorinstanz
ausgegangen ist und wie sie diese gewürdigt hat. Nachdem die Anforderungen
gemäss Art. 112 Abs. 1 BGG nicht über diejenigen des verfassungsrechtlichen
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) hinaus gehen (Urteil 5D_194
/2016 vom 5. April 2017 E. 2.2), ist eine Verletzung der vorinstanzlichen
Begründungspflicht zu verneinen.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin bestreitet die Massgeblichkeit von BGE 130 V 80.
Anders als dort gehe es hier nicht um eine für die Zukunft wirksame
Teuerungszulage. Vielmehr stehe die "Frage der Finanzierung der laufenden
Kosten der (in der Vergangenheit) verbindlich erfolgten Anpassungen an die
Preisentwicklung im Zentrum". Ausserdem mache sie einen anschlussvertraglichen
Finanzierungsanspruch für vorsorgevertraglich verbindlich gewährte
Rentenerhöhungen geltend. Die Beantwortung dieser Frage ergebe sich nicht aus
vorsorgerechtlichen, sondern aus anschlussrechtlichen Grundlagen, die von der
Vorinstanz gänzlich unbeachtet gelassen worden seien.  
 
3.2. Die Vorsorgeeinrichtungen haben zur Regelung ihres Finanzierungssystems
einen weitgehenden Handlungsspielraum (vgl. Art. 65 Abs. 2 BVG). Die
entsprechenden Grundlagen finden sich entweder in reglementarischen oder
anschlussvertraglichen Bestimmungen (vgl. Urteil 9C_130/2015 vom 14. September
2015 E. 4.2 mit Hinweis auf B 125/04 vom 22. August 2005 E. 2.3).  
 
3.2.1. Wie die Pensionskasse in der Beschwerde selber festhält, knüpft ihr
anschlussvertraglich begründeter Finanzierungsanspruch an eine
"vorsorgevertraglich verbindlich gewährte Rentenerhöhung" an. Gleichzeitig
behauptet sie, dass die Verbindlichkeit der gewährten Teuerungszulagen
anerkannt sei und daher von der Vorinstanz gar nicht zu prüfen gewesen wäre.  
Der Kanton Zürich stellt in Abrede, je einen Anspruch der versicherten Personen
auf Teuerungszulagen anerkannt zu haben. Er habe vorinstanzlich das Gegenteil
dargelegt resp. den Standpunkt vertreten, dass es an einer rechtlichen
Grundlage für seine Pflicht zur Finanzierung von Teuerungszulagen fehle. 
 
3.2.2. Den Ausführungen der Pensionskasse unter dem Titel "Sachverhalt gemäss
grundsätzlich übereinstimmenden Parteidarstellungen" lässt sich nicht
entnehmen, dass der Beschwerdegegner je anerkannt hat, dass in der vorliegenden
Streitsache ein vorsorgerechtlich garantierter Anspruch auf Teuerungsanpassung
besteht. Von der Anerkennung eines entsprechend verbindlich geregelten
Rechtsanspruchs auf Teuerungszulage kann demnach nicht die Rede sein (vgl. E.
1.1 vorne).  
 
3.3. Die - daher von der Vorinstanz zu Recht geprüfte - Frage, ob und inwieweit
im vorliegenden Fall der Anspruch auf Teuerungszulagen vorsorgerechtlich
garantiert ist, bildet eine frei überprüfbare Rechtsfrage. Ausgangspunkt ist
dabei die massgebende Rechtslage im Zeitraum, für den die Beschwerdeführerin
Teuerungszulagen eingeklagt hat. Die Vorinstanz hat dazu - sinngemäss -
festgehalten, dass mangels eines Revisionsausschlusses hinsichtlich einer
früher einmal bestandenen Regelung, die eine Teuerungszulage vorsah, bzw.
mangels eines in der Vergangenheit eingeräumten wohlerworbenen Rechts die in
den Jahren 2008 bis 2011 gültig gewesenen Statuten zur Anwendung gelangen, die
bloss einen Teuerungsausgleich nach Ermessen beinhalten (Art. 22: "nach
Massgabe der finanziellen Möglichkeiten der Genossenschaft"). Mit anderen
Worten vermochte sie zu keinem Zeitpunkt eine qualifizierte Zusicherung der
Teuerungszulage auszumachen, weshalb die Beschwerdeführerin aus den in der
Vergangenheit erfolgten Rentenanpassungen an die Preisentwicklung nichts zu
ihren Gunsten ableiten kann.  
Die Pensionskasse legt nicht einmal ansatzweise dar, aufgrund welchen
Wortlautes resp. in welchem Zusammenspiel von einschlägigen Bestimmungen sich
ein individueller, gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch auf eine
Teuerungszulage ergibt resp. findet. Die - unbestrittenen - Tatsachen, dass
einerseits der Regierungsrat des Kantons Zürich für die Jahre 1989 bis 2010
Beschlüsse über die Gewährung von Teuerungszulagen gefasst und die
Pensionskasse ihren Rentnerinnen und Rentnern Teuerungszulagen gewährt hatte,
die prozentual denjenigen der jeweiligen Regierungsratsbeschlüsse entsprachen,
und anderseits der Kanton Zürich diese bis Mitte 2008 im Umlageverfahren
finanzierte, stellen keine solche Zusicherung dar. Diesbezügliche Weiterungen
erübrigen sich somit (vgl. E. 2.1 vorne), und es kann festgehalten werden, dass
hier - anders als die Beschwerdeführerin glauben zu machen versucht - im
Vergleich zu BGE 130 V 80 keine grundlegend unterschiedliche Fragestellung zu
beurteilen ist bzw. die Vorinstanz nicht fälschlicherweise von "neu zu
gewährenden" Anpassungen der Renten an die Teuerung ausging. Der Vorwurf einer
willkürlichen Sachverhaltsfeststellung verfängt nicht; ebenso wenig die in
diesem Punkt geltend gemachte Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes und des
rechtlichen Gehörs. 
 
3.4. Unter diesen Umständen sind die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts,
wonach die Pensionskasse anschlussvertraglich nur Beiträge zur Finanzierung
gesetzlicher oder reglementarischer Ansprüche der Destinatäre verlangen kann,
und die darauf beruhende Abweisung der Klage nicht bundesrechtswidrig. Die
Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.   
Angesichts dieses Verfahrensausgangs sind die Gerichtskosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung
ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 30'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann 

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