Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 101/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_101/2017

Urteil vom 5. April 2017

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Huber.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Solothurn,
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin
Dr. Franziska Ryser-Zwygart,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 21. Dezember 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die IV-Stelle des Kantons Solothurn sprach dem 1967 geborenen A.________ ab
November 1997 eine halbe und ab 1. September 2001 eine ganze Invalidenrente zu
(Verfügung vom 29. September 2003). Mit Mitteilungen vom 12. Juni 2006 und 9.
Januar 2012 bestätigte sie den Anspruch auf eine ganze Rente.
Aufgrund einer anonymen Meldung veranlasste die IV-Stelle eine Beweissicherung
vor Ort mittels Observierung und Videoaufzeichnungen an mehreren Tagen im
Zeitraum von Oktober 2012 bis Januar 2013. In der Folge veranlasste sie
polydisziplinäre Untersuchungen im Zentrum für Interdisziplinäre Medizinische
Begutachtungen AG (ZIMB; Expertise vom 27. April 2014 und Stellungnahme vom 12.
Juli 2014) sowie in der SMAB AG (Swiss Medical Assessment- and Business-Center;
Gutachten vom 7. Januar 2015).
Mit Verfügung vom 13. Oktober 2015 (Ziffer 1) reduzierte die IV-Stelle die
ganze Rente rückwirkend auf Ende November 2012 auf eine Viertelsrente
(Invaliditätsgrad: 45 %). Am 19. Oktober 2015 forderte sie von A.________ für
die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 31. Juli 2013 einen Betrag von Fr. 18'700.-
zurück.

B. 
A.________ erhob gegen die Verfügungen vom 13. und 19. Oktober 2015 Beschwerde
an das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses erkannte mit
Entscheid vom 21. Dezember 2016, Ziffer 1 der Verfügung vom 13. Oktober 2015
sowie die Verfügung vom 19. Oktober 2015 würden in Gutheissung der Beschwerde
aufgehoben. Die IV-Stelle habe A.________ weiterhin eine ganze Rente
auszurichten.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt, der angefochtene Entscheid sei in Bestätigung der Verfügungen vom
13. und 19. Oktober 2015 vollumfänglich aufzuheben.
Erwägungen:

1. 

1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter
anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die
Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

1.2. Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu
enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf
und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen -
darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG). Dabei gilt in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung und
Beweiswürdigung durch die Vorinstanz eine qualifizierte Begründungspflicht
(Urteil 9C_306/2016 vom 4. Juli 2016 E. 1.1 mit Hinweis auf BGE 130 I 258 E.
1.3 S. 261 und Urteil 9C_619/2014 vom 31. März 2015 E. 2.2).

2. 
Streitig ist der Rentenumfang des Versicherten ab Dezember 2012.

2.1. Die Vorinstanz verneinte eine Gesundheitsverbesserung im massgebenden
Zeitraum vom 9. Januar 2012 bis 13. Oktober 2015 sowie eine Anpassung des
Versicherten an seine Leiden. Sie stellte fest, weder die beiden ZIMB- und SMAB
AG-Gutachten noch die Observationsergebnisse vermöchten eine Leidensanpassung
zu begründen. Entsprechend kam sie zum Schluss, dem Beschwerdegegner sei die
ganze Rente auch ab 1. Dezember 2012 weiterhin auszurichten. Die
Beschwerdeführerin lässt die Feststellungen der Vorinstanz, es liege keine
Gesundheitsverbesserung vor, unbestritten. Hingegen erblickt sie einen
Revisionsgrund in der Anpassung des Versicherten an seine Leiden.

2.2. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Dies gilt
auch für veränderte Auswirkungen auf den Erwerbs- oder Aufgabenbereich, wozu
die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer Angewöhnung oder Anpassung
an die Behinderung gehört (Urteil 8C_454/2016 vom 19. Dezember 2016 E. 2). Die
konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar (Urteil 9C_399/2016
vom 18. Januar 2017 E. 4.3 mit Hinweisen; Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009
E. 4.1, nicht publ. in BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164).

3.

3.1. Soweit die Beschwerdeführerin eine Anpassung des Versicherten an seine
Leiden mit den Observationsergebnissen begründen will, ist auf die
vorinstanzlichen Erwägungen zu verweisen, wonach ein Observationsbericht für
sich allein nicht als Beweisgrundlage dienen kann (vgl. BGE 137 I 327 E. 7.1 S.
337 mit Hinweisen; Urteil 8C_192/2013 vom 16. August 2013 E. 3.1 mit Hinweisen,
in: SVR 2013 UV Nr. 32 S. 111). Das kantonale Gericht würdigte die
medizinischen Akten einlässlich und legte nachvollziehbar dar, die Observation
liefere keine neuen Erkenntnisse, welche nicht in die Expertisen des ZIMB und
der SMAB AG eingeflossen seien. Die in den Videoaufzeichnungen sichtbaren
Aktivitäten des Beschwerdegegners würden nicht über das von den Gutachtern
Festgestellte hinaus gehen. Der Einwand der IV-Stelle, anhand der Observation
werde aufgezeigt, der Beschwerdegegner könne trotz seiner Behinderung
verschiedene Tätigkeiten verrichten, lässt die erfolgte Beweiswürdigung des
kantonalen Gerichts nicht als offensichtlich unrichtig oder anderweitig
bundesrechtswidrig erscheinen (vgl. E. 2.2 hievor).

3.2. Die Beschwerdeführerin macht ausserdem geltend, laut den beiden
polydisziplinären Gutachten sei der Versicherte voll arbeitsfähig bei einer
Leistungseinschränkung von 20 %. Es bestehe somit höchstens eine qualitative
Einschränkung, was die Vorinstanz nicht beachtet und somit zu Unrecht einen
Revisionsgrund verneint habe. Mit dem Einwand, dass die Gutachter einstimmig
von einer 20%igen Einschränkung der Leistungsfähigkeit ausgehen, kann die
IV-Stelle keinen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG geltend
machen. Denn die Ärzte beider Gutachterstellen berichteten von einer
gleichbleibenden Arbeitsfähigkeit des Versicherten im massgebenden
Vergleichszeitraum, was eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit aufgrund einer
Anpassung an die Behinderung ausschliesst.

3.3. Die weiteren beschwerdeweise erhobenen Einwendungen zur Feststellung der
Vorinstanz, den medizinischen Akten und den Observationsergebnissen könne eine
Anpassung an das Leiden nicht entnommen werden, erschöpfen sich in einer im
Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1.1 hievor)
unzulässigen appellatorischen Kritik an der Beweiswürdigung des kantonalen
Gerichts. Es fehlt an einer Darlegung, weshalb die entsprechenden Erwägungen
des Entscheids - welche entgegen der IV-Stelle ausreichend begründet und ohne
Weiteres sachgerecht anfechtbar waren (vgl. dazu BGE 142 II 49 E. 9.2 S. 65;
136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen) - offensichtlich unrichtig sind (vgl. E.
1.2 und 2.2 hievor).

3.4. Die Frage nach einer Meldepflichtverletzung im Sinne von Art. 88 ^bis Abs.
2 lit. b IVV ist obsolet, da die Vorinstanz einen Revisionsgrund verneinte und
die Weiterausrichtung der ganzen Rente ab 1. Dezember 2012 anordnete, ohne
dabei Bundesrecht zu verletzen. Gleichzeitig erübrigt es sich, der - in Fällen
wie vorliegend seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EGMR; dritte Kammer) in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz
(61838/10) vom 18. Oktober 2016 jeweils aufgeworfenen - Frage nach der
Rechtmässigkeit der Observierung nachzugehen.

4. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG ohne Durchführung eines
Schriftenwechsels, mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die
Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt wird.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. April 2017

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Die Gerichtsschreiberin: Huber

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