Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.95/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_95/2017         

Urteil vom 15. Mai 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Gerichtsschreiberin Polla.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Evelyne Angehrn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 30. November 2016.

Sachverhalt:

A. 
Die 1975 geborene A.________ meldete sich im Mai 2009 wegen psychischen Leiden
(posttraumatische Belastungssituation und schwere Depression) bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die Berichte des
behandelnden Arztes Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen A.________ ab
1. September 2008 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Anlässlich
einer Rentenrevision im Jahr 2011 veranlasste die IV-Stelle eine psychiatrische
Begutachtung (Expertise des Dr. med. C.________, Psychiatrie und
Psychotherapie, Klinik D.________, vom 17. November 2011). Der Gutachter
attestierte wiederum eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit wegen einer schweren
depressiven Episode ohne psychotische Symptome und des Verdachts auf eine
andauernde Persönlichkeitsänderung im Rahmen der anhaltenden depressiven
Symptomatik. Differenzialdiagnostisch hielt Dr. med. C.________ eine anhaltende
Akzentuierung der emotional-instabilen Persönlichkeitszüge fest.
Aufgrund eines Verdachts (vgl. Meldeblatt - Hinweis BVM [Bekämpfung von
Versicherungsmissbrauch] vom 14. März 2012) erteilte die IV-Stelle am 30. April
2012 einen Überwachungsauftrag (Überwachungsbericht vom 28. Juni 2012) und
ordnete eine neue Begutachtung an. Nachdem A.________ zwei vereinbarten
Terminen zur Begutachtung ferngeblieben war, fand diese am 2. und 3. Mai 2013
statt (Psychiatrisches Gutachten der Frau med. pract. E.________, Fachärztin
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 21. Mai 2013). Wegen der gebesserten
depressiven Symptomatik erachtete Frau med. pract. E.________ die Versicherte
im Umfang von 60 bis 70 % für arbeitsfähig. Der zur medizinischen Stellungnahme
angefragte    Dr. med. F.________, Regionaler Ärztlicher Dienst der IV-Stelle
(RAD), äusserte am 24. Juni 2013 Zweifel an einer eigenständigen, die
Arbeitsfähigkeit einschränkenden depressiven Problematik. Mit Verfügung vom 12.
Dezember 2013 stellte die IV-Stelle die Rentenleistungen auf Ende des der
Zustellung folgenden Monats ein.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 30. November 2016 gut und hob die angefochtene
Verfügung auf.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, der vorinstanzliche Entscheid vom 30. November 2016 sei aufzuheben
und die Verfügung vom 12. Dezember 2013 zu bestätigen. Zudem sei der Beschwerde
die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ lässt Abweisung der Beschwerde beantragen und es sei dem Gesuch um
Erteilung der aufschiebenden Wirkung nicht stattzugeben. Ferner ersucht sie um
unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet
auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist
aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der
angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell-
und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a
BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften
Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht die renteneinstellende
Verfügung vom 12. Dezember 2013 aufhob.

3. 
Die Vorinstanz betrachtete für die revisionsweise Überprüfung nach Art. 17 ATSG
den Erlass der rentenzusprechenden Verfügung vom 20. August 2009 als
massgeblichen Vergleichszeitpunkt. Diese basierte auf den Berichten der Klinik
G.________ vom 24. Januar 2008, des Spitals H.________ vom 2. November 2007 und
des Psychiatriezentrums I.________ vom 1. Oktober, 13. November 2007 und 17.
Januar 2008 sowie den Berichten des Dr. med. B.________ vom 7. August und 12.
November 2008. Gestützt hierauf führten die Diagnosen einer schweren
posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) nach fristloser Entlassung
und einer schweren chronischen depressiven Phase (ICD-10 F33.2) zu einer
100%-igen Arbeitsunfähigkeit. Das kantonale Gericht hielt bezüglich des
Gesundheitszustands anlässlich der Rentenrevision fest, das Gutachten des Dr.
med. C.________ vom 17. November 2011 sei überzeugend. Demnach leide die
Beschwerdeführerin an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische
Symptome (ICD-10         F 33.2), weshalb eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit
anzunehmen sei. Auf das zweite Gutachten der Frau med. pract. E.________ vom
21. Mai 2013 könne nicht abgestellt werden, da weder die Diagnosestellung einer
leichten bis phasenweise mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F33.0/33.1)
noch die attestierte Arbeitsunfähigkeit von 30 bis 40 % überzeugten. Auch fehle
es an einer Fremdanamnese und gewisse Widersprüche im Gutachten seien nicht
aufgelöst worden. Da somit keine gesundheitliche Verbesserung erstellt sei,
könne offen gelassen werden, ob der Observationsbericht vom 28. Juni 2012
gestützt auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
(EGMR; dritte Kammer) in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz (61838/10) vom
18. Oktober 2016 aus dem Recht zu weisen sei. Die während des kantonalen
Gerichtsverfahrens eingereichten Akten, insbesondere das psychiatrische
Teilgutachten des Dr. med. K.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und
Psychotherapie, Chur, vom 14. Juni 2016 und die neuropsychologische Beurteilung
des Dr. phil. L.________, Klinischer Neuropsychologe, Fachpsychologe für
Neuropsychologie, vom 2. Juni 2016, seien aufgrund des Devolutiveffekts der
Beschwerde nicht zu berücksichtigen.

4. 

4.1. Versicherungsträger und Sozialversicherungsrichter haben die Beweise frei,
das heisst ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und
pflichtgemäss zu würdigen. Für das Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass der
Sozialversicherungsrichter alle Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie
stammen, objektiv zu prüfen und danach zu entscheiden hat, ob die verfügbaren
Unterlagen eine zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruches
gestatten. Insbesondere darf er bei einander widersprechenden medizinischen
Berichten den Prozess nicht erledigen, ohne das gesamte Beweismaterial zu
würdigen und die Gründe anzugeben, warum er auf die eine und nicht auf die
andere medizinische These abstellt. Hinsichtlich des Beweiswertes eines
Arztberichtes ist also entscheidend, ob der Bericht für die streitigen Belange
umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten
Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben
worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der
Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die
Schlussfolgerungen des Experten begründet sind. Ausschlaggebend für den
Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft eines Beweismittels noch
die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag gegebenen Stellungnahme als
Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352).

4.2. Das kantonale Gericht stellte auf das Gutachten des Psychiaters Dr. med.
C.________ vom 7. November 2011 ab, während es dem Gutachten der Frau med.
pract. E.________ vom 21. Mai 2013 jeglichen Beweiswert absprach. Dies
begründete es damit, dass sich daraus keine relevanten neuen Erkenntnisse
ergeben würden. Es habe weiter keine Fremdanamnese stattgefunden, Widersprüche
seien nicht ausgeräumt worden und die Begründung für das Fehlen einer schweren
Depression sowie die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit seien nicht
nachvollziehbar.
Selbst wenn die Vorinstanz zu Recht nicht auf das Gutachten der Frau med.
pract. E.________ abgestellt hätte, durfte sie bei dieser unklaren Aktenlage
aufgrund der widersprüchlichen Gutachten nicht einfach die mehrere Jahre
zurückliegende Expertise aus dem Jahr 2011 als alleinige Entscheidungsgrundlage
heranziehen. Wie die Beschwerdeführerin richtig darlegt, wäre das kantonale
Gericht bei dieser von ihm angenommenen Sach- und Rechtslage vielmehr gehalten
gewesen, ein psychiatrisches Gerichtsgutachten einzuholen. Indem es dies
unterliess und einem veralteten Gutachten vollen Beweiswert zusprach,
missachtete es die bundesrechtlichen Beweiswürdigungsregeln.

5.

5.1. Für die richterliche Beurteilung eines Falles sind grundsätzlich die
tatsächlichen Verhältnisse zur Zeit des Erlasses der angefochtenen
Verwaltungsverfügung massgebend (BGE 121 V 366 E. 1b mit Hinweisen). Tatsachen,
die sich erst später verwirklichen, sind jedoch insoweit zu berücksichtigen,
als sie mit dem Streitgegenstand in engem Sachzusammenhang stehen und geeignet
sind, die Beurteilung im Zeitpunkt des Verfügungserlasses zu beeinflussen (BGE
121 V 362 E. 1b S. 366, 99 V 98 S. 102).

5.2. Es trifft zu, dass der Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht
als ordentliches Rechtsmittel nach Art. 56 ff. ATSG Devolutiveffekt zukommt
(Art. 61 lit. c ATSG; BGE 136 V 5), weshalb die Verwaltung im
Beschwerdeverfahren die Herrschaft über den Streitgegenstand verliert und
folglich keine zusätzlichen aufwendigen Abklärungen mehr betreiben kann (vgl.
BGE 127 V 232 f.).

5.3. Der vorliegende Sachverhalt tangiert jedoch den Devolutiveffekt entgegen
der Auffassung der Vorinstanz nicht. Das psychiatrische Teilgutachten vom 14.
Juni 2016 erging aufgrund der Neuanmeldung der Versicherten, weshalb die
Verwaltung, nach ihrem Eintreten auf das Gesuch, zu weiteren Abklärungen
verpflichtet gewesen war. Der Auftrag zur Begutachtung erfolgte demnach im
Rahmen eines neuen Leistungsbegehrens und nicht anlässlich des hier hängigen
Beschwerdeverfahrens über die Rechtmässigkeit der am 12. Dezember 2013
verfügten Renteneinstellung. Weiter betrifft das Gutachten auch den
Gesundheitszustand zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses und verursachte keine
namhafte zeitliche Verzögerung. Daher ist es auch unter dem Gebot eines raschen
und einfachen Verfahrens (Art. 61    lit. a ATSG) zu den Akten zu nehmen,
insbesondere auch, weil die kantonale Gerichtsinstanz aufgrund ihrer
Überlegungen gehalten gewesen wäre, ein psychiatrisches Gerichtsgutachten
einzuholen und es unnötige gerichtliche Rückweisungen zu vermeiden gilt, wobei
sie im Beschwerdeverfahren sämtliche Parteirechte zu dem neu eingereichten
Gutachten, so auch das rechtliche Gehör, gewährte. Die Tatsache allein, dass
die Expertise erst am 14. Juni 2016 und somit während des laufenden kantonalen
Beschwerdeverfahrens erstellt wurde, ändert an deren Zulässigkeit als
Beweismittel ebenfalls nichts. Die vorinstanzliche Auffassung, wonach das
Gutachten unbeachtlich sei, da es erst nach Durchführung des doppelten
Schriftenwechsels eingereicht worden sei, ist unzutreffend. Vielmehr sind die
Parteien bis zum Urteilsdatum berechtigt, Akten einzureichen, die das Gericht
bis zur Urteilsfindung zu berücksichtigen hat (vgl. Urteile 9C_996/2010 vom 5.
Mai 2011 E. 3 und 9C_1005/2010 vom 5. Mai 2011 E. 3). Es obliegt dem kantonalen
Gericht diese - in freier Beweiswürdigung - in seine Entscheidfindung
einzubeziehen (Art. 61 lit. c ATSG). Indem das kantonale Gericht das
psychiatrische Teilgutachten des Dr. med. K.________ (vom 14. Juni 2016) und
die neuropsychologische Beurteilung des Dr. phil. L.________ (vom 2. Juni 2016)
mit der Begründung aus dem Recht wies, die nachträglich eingereichten Akten
müssten aufgrund des Devolutiveffekts und des Umstands, dass sie erst nach
Abschluss des doppelten Schriftenwechsels erstellt und eingereicht worden
seien, unberücksichtigt bleiben, obschon sie sich zum Gesundheitszustand der
Beschwerdegegnerin auch zum Zeitpunkt der Renteneinstellung äusserten,
verletzte es nach dem Gesagten Bundesrecht.

5.4.

5.4.1. Die Frage nach der Erfüllung der Anforderungen an den Beweiswert
ärztlicher Berichte und Gutachten ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232).

5.4.2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt dem Gutachten der Frau med.
pract. E.________ vom 21. Mai 2013 durchaus Beweiswert zu. Sie begründete
namentlich hinreichend, weshalb sie von einer verbesserten depressiven
Problematik ausging, wobei sie sich dabei nebst den Vorakten nicht nur auf das
Aktivitätsniveau der Versicherten im Rahmen der persönlichen Befragung, sondern
auch auf ihre eigenen aktuellen Untersuchungsergebnisse bezog. Eine fehlende
Fremd-anamnese und Würdigung der RAD-Stellungnahmen schränkt überdies den
Beweiswert des Gutachtens nicht entscheidend ein. Soweit die Vorinstanz
bemängelte, die Gutachterin habe die widersprüchlichen Aussagen der
Versicherten "sie habe keine Lust auf nichts und wolle nur sterben" und "Sie
wolle nicht sterben, sie wolle nicht dass ihre Kinder leiden", nicht
diskutiert, kann darin ebensowenig ein wesentlicher Widerspruch gesehen werden.
Dieser Umstand führt zu keinen Inkonsistenzen oder nicht nachvollziehbaren
Ergebnissen im Gutachten. Weiter legte die Expertin in Bezug auf die
verbesserte Arbeitsfähigkeit schlüssig dar, dass kein schweres depressives
Geschehen, sondern gegenwärtig eine leichte bis allenfalls zeitweise
mittelgradige depressive Episode im Sinne einer deutlichen Teilremission einer
früher gestellten schweren depressiven Episode vorliege, die die
Arbeitsfähigkeit höchstens um 30 bis 40 % einschränke. Überdies sei anzunehmen,
dass die behandelnden Ärzte die bei der Versicherten bestehenden
Auffälligkeiten und subjektiven Beschwerden zu stark gewichtet und überwiegend
psychosoziale Belastungsfaktoren bei der Ein-schätzung der Arbeitsfähigkeit
miteinbezogen haben.

5.4.3. Nach dem Gesagten stellte das kantonale Gericht mit seinen Darlegungen
zur fehlenden Beweiskraft des Gutachtens der Frau med. pract. E.________ in
bundesrechtswidriger Weise überhöhte Anforderungen an dessen Beweiswert (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352). Die Sache ist daher zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird das Gutachten der
Frau med. pract. E.________ und dasjenige des Dr. med. K.________ und des
Neuropsychologen Dr. phil. L.________ auf ihre Verwertbarkeit im Lichte des
EGMR-Urteils Vukota-Bojic gegen die Schweiz (61838/10) vom 18. Oktober 2016
sowie im Hinblick darauf zu prüfen haben, ob damit den Anforderungen gemäss BGE
141 V 281 genügt wird. Im Übrigen ist anzumerken, dass eine Einschränkung der
Leistungsfähigkeit nur dann relevant sein kann, wenn sie Folge einer
fachärztlich einwandfrei diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (vgl.
BGE 130 V 396). Sodann liegt nach BGE 131 V 49 regelmässig keine versicherte
Gesundheitsschädigung vor, soweit die Leistungseinschränkung auf Aggravation
oder einer ähnlichen Erscheinung beruht. Besteht im Einzelfall Klarheit
darüber, dass solche Ausschlussgründe die Annahme einer
Gesundheitsbeeinträchtigung verbieten, so besteht von vornherein keine
Grundlage für eine Invalidenrente (vgl. Art. 7 Abs. 2 ATSG erster Satz). Mit
Blick darauf, dass der Gutachter Dr. med. K.________ ebenso wie Frau med.
pract. E.________ auf Simulations-, Aggravations- oder Verdeutlichungstendenzen
hinwies, wird das kantonale Gericht bei der erneuten Beurteilung auch zu
entscheiden haben, ob eine medizinisch nicht begründbare Selbstlimitierung im
Sinne von Ausschlussgründen gemäss BGE 141 V 281 E. 2.2. S. 287 vorliegt.

6.

6.1. Mit dem Urteil in der Hauptsache wird das Gesuch der Beschwerdeführerin um
Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

6.2. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz (mit noch offenem Ausgang) gilt
praxisgemäss als Obsiegen der Beschwerde führenden Partei (vgl. SVR 2013 IV Nr.
26 S. 75, 8C_54/2013 E. 6). Daher sind die Gerichtskosten von der
unterliegenden Beschwerdegegnerin zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihrem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren (im Sinne
der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung) kann indessen entsprochen werden, da die
Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt
geboten war (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird jedoch ausdrücklich auf Art. 64
Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen, Abteilung III, vom 30. November
2016 wird aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit
sie eine bundesrechtskonforme Würdigung der Beweise vornehme und hernach über
die Beschwerde neu entscheide. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin Evelyne Angehrn wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, Abteilung III, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 15. Mai 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Polla

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