Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.89/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
8C_89/2017             

 
 
 
Urteil vom 27. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (vorinstanzliches Verfahren; unentgeltliche Rechtspflege;
Parteientschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 30. November 2016 (VBE.2016.344). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Einspracheentscheid vom 4. Mai 2016 sprach die Suva dem 1969 geborenen
B.________ in Bestätigung der Verfügung vom 16. Mai 2014 eine Invalidenrente
gestützt auf eine Erwerbsunfähigkeit von 17 % zu. 
 
B.   
Hiegegen liess B.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Beschwerde erheben, das mit Verfügung vom 16. September 2016 die beantragte
unentgeltliche Rechtspflege bewilligte und Rechtsanwalt A.________ zum
unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannte. Dieser reichte am 22. September 2016
eine Kostennote in der Höhe von Fr. 4'901.90 ein. Das kantonale Gericht wies
die Beschwerde mit Entscheid vom 30. November 2016 ab und setzte das Honorar
des unentgeltlichen Rechtsvertreters richterlich auf Fr. 2'800.- fest
(Dispositiv-Ziffer 4). 
 
C.   
Rechtsanwalt A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt, unter Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 4 des
vorinstanzlichen Entscheids habe ihm das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau die objektiv notwendigen Aufwendungen im Betrag von Fr. 4'901.90 als
Honorar zu vergüten. 
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau und das Bundesamt für Gesundheit
verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Nach Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde führende Person
Anspruch auf Ersatz der Parteikosten; diese werden vom Versicherungsgericht
festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der
Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. Der
(tatsächliche und notwendige) zeitliche Aufwand der Rechtsvertretung wird zwar
nicht ausdrücklich als Bemessungskriterium aufgeführt, ist aber ebenfalls zu
berücksichtigen, soweit er, was regelmässig der Fall ist, von der Schwierigkeit
des Prozesses mitbestimmt wird. Im Übrigen ist die Bemessung der
Parteientschädigung für das erstinstanzliche Beschwerdeverfahren in
Sozialversicherungsangelegenheiten dem kantonalen Recht überlassen (Art. 61
Ingress ATSG; SVR 2016 IV Nr. 13 S. 43, 8C_11/2016 E. 3.2 mit Hinweis).  
 
1.2. Das Bundesgericht prüft frei, ob die vorinstanzliche Festsetzung der
Parteientschädigung den in Art. 61 lit. g ATSG statuierten bundesrechtlichen
Anforderungen genügt, darüber hinaus nur, ob die Anwendung des kantonalen
Rechts zu einer in der Beschwerde substanziiert gerügten (Art. 106 Abs. 2 BGG)
Verfassungsverletzung geführt hat, wegen seiner Ausgestaltung oder aufgrund des
Ergebnisses im konkreten Fall. Dabei fällt praktisch nur das Willkürverbot in
Betracht   (Art. 9 BV); es muss nicht nur die Begründung, sondern auch das
Ergebnis unhaltbar sein (BGE 132 V 13 E. 5.1 S. 17). Das Bundesgericht hebt die
Festsetzung eines Anwaltshonorars nur auf, wenn sie ausserhalb jedes
vernünftigen Verhältnisses zu den mit Blick auf den konkreten Fall notwendigen
anwaltlichen Bemühungen steht und in krasser Weise gegen das
Gerechtigkeitsgefühl verstösst (SVR 2016 IV Nr. 14 S. 43, 8C_11/2016 E. 3.2 mit
Hinweisen).  
 
1.3. Die Festsetzung des Honorars des unentgeltlichen Rechtsbeistandes muss in
der Regel nicht oder lediglich summarisch begründet werden. Eine
Begründungspflicht besteht, wenn dieser eine Kostennote einreicht und das
Gericht die Entschädigung abweichend davon auf einen bestimmten nicht der
Praxis entsprechenden Betrag festsetzt. Akzeptiert es einzelne Posten aus der
Kostennote, setzt es aber andere herab, hat es zu jeder Reduktion zumindest
kurz auszuführen, aus welchem konkreten Grund die Aufwendungen oder Auslagen
als unnötig betrachtet werden (SVR 2009 IV Nr. 48 S. 144, 9C_991/2008 E. 3.1.2
mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1.  
 
2.1.1. Die Vorinstanz hat erwogen, die Grundentschädigung vor dem kantonalen
Versicherungsgericht bestimme sich gemäss § 8a Abs. 3 in Verbindung mit § 3
Abs. 1 lit. b des kantonalen Dekretes über den Anwaltstarif (AnwT; vgl.
Systematische Sammlung des Aargauischen Rechts [SAR] 291.150) nach dem
mutmasslichen Aufwand, der Bedeutung und Schwierigkeit des Falles und betrage
Fr. 1'210.- bis Fr. 14'740.-. Praxisgemäss sei in durchschnittlichen
Beschwerdeverfahren betreffend UVG - wie vorliegend - die Grundentschädigung
innerhalb des genannten Rahmens auf Fr. 2'500.- festzulegen, womit
Aktenstudium, Instruktion, rechtliche Abklärungen, Korrespondenz und
Telefongespräche sowie eine Rechtsschrift und die Teilnahme an einer
behördlichen Verhandlung abgegolten würden (§ 6 Abs. 1 AnwT). Diese
Grundentschädigung sei wegen nicht vollständiger Durchführung des Verfahrens
(fehlende Verhandlung) um 10 % zu kürzen, gleichzeitig aber wegen der
zusätzlichen Rechtsschrift (Replik) zu erhöhen, weshalb es beim Ausgangswert
von Fr. 2'500.- bleibe. Hinzu zu zählen sei eine Spesenpauschale von 3 % und
die Mehrwertsteuer von 8 %, was eine Entschädigung von gerundet Fr. 2'800.-
ergebe.  
 
2.1.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, das kantonale Gericht setze das Honorar
ohne weitere Begründung "praxisgemäss" auf pauschal Fr. 2'500.- fest. Seine
Auffassung, es handle sich um ein durchschnittliches Beschwerdeverfahren, sei
offensichtlich unhaltbar und stehe mit der tatsächlichen Situation in
Widerspruch. Die äusserst komplexe Krankheitsgeschichte habe sich seit dem
Unfall vom 11. Mai 2012 über einen Zeitraum von gut vier Jahren erstreckt und
es lägen mittlerweile unzählige, sich teilweise widersprechende medizinische
Beurteilungen vor. Hinzu komme, dass das kantonale Gericht im
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren die Beschwerde mit Entscheid vom
17. Mai 2016 gutgeheissen und damit zum Schluss gelangt sei, der medizinische
Sachverhalt sei nicht genügend abgeklärt worden. Auch aus diesem Grund habe er
in Bezug auf das vorliegende unfallversicherungsrechtliche Verfahren die Akten
analysieren müssen. Das Abweichen von der detaillierten Kostennote habe die
Vorinstanz mit keinem Wort begründet, weshalb sie das kantonale Recht
willkürlich angewendet habe.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Das Bundesgericht hat mit Urteil 8C_98/2017 vom 27. Oktober 2017 E. 5.2
mit Hinweisen nach einlässlicher Darstellung des aargauischen Rechts und der
dazu ergangenen Praxis (E. 5 Ingress und E. 5.1) in einem vergleichbaren Fall
erkannt, dass nach der Rechtsprechung eine pauschalisierte Bemessung der
Parteientschädigung mit dem übergeordneten Recht vereinbar ist, dies die
Behörde jedoch nicht davon entbindet, im Einzellfall zu prüfen, ob damit die
effektiv entstandenen und von der Vertretung objektiv gerechtfertigten Kosten
und Aufwendungen, wenn auch nicht vollumfänglich, so doch in angemessener Weise
abgegolten werden. Von einer Prüfung der Frage, ob ein mit einer Kostennote
ausgewiesener Zeitaufwand notwendig war, darf solange Abstand genommen werden,
als mit dem pauschalisierten Vorgehen - zumindest in einem Verfahren, bei dem
die Beschwerde führende Person um einen unentgeltlichen Rechtsbeistand ersucht
hatte - der Mindestansatz von rund Fr. 180.- (zuzüglich MwSt) auch im Falle
einer Anerkennung des gesamten ausgewiesenen Zeitaufwandes eingehalten wird.
Soll hingegen eine Entschädigung zugesprochen werden, die - gemessen am geltend
gemachten, noch nicht auf seine effektive Notwendigkeit hin überprüften
Zeitaufwand - im Ergebnis zu einem Stundenansatz von deutlich unter Fr. 180.-
führen würde, so besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Spielraum mehr
für eine abstrahierende Bemessungsweise. Klar ist, dass der zur gehörigen
Mandatsführung erforderliche, allein zu entschädigende Zeitaufwand sich erst
dann konkret bestimmen lässt, wenn dieser nach einzelnen Aufwandpositionen -
wie etwa "Verfassen der Beschwerdeschrift" - aufgeschlüsselt worden ist. Hat
der Rechtsvertreter eine diesen Anforderungen genügende Honorarnote ins
Verfahren eingebracht, hat die Behörde kurz aber bestimmt zu erläutern, welche
Aufwandpositionen inwiefern ungerechtfertigt sind und daher ausser Betracht
bleiben müssen.  
 
2.2.2. Der Beschwerdeführer hat mit der im vorinstanzlichen Verfahren
aufgelegten Schlussrechnung vom 22. September 2016 einen detailliert
aufgelisteten Zeitaufwand von 20.03 Stunden geltend gemacht. Verglichen mit der
vom kantonalen Gericht anerkannten Grundentschädigung von Fr. 2'500.- ergibt
sich ein deutlich unter Fr. 180.- liegender Stundenansatz von gerundet Fr.
125.-, womit einer rein abstrahierenden Bemessungsweise die Grundlage entzogen
ist (vgl. das zitierte Urteil 8C_98/2017 vom 27. Oktober 2017 E. 6.2). Die
Vorinstanz hätte daher im Sinne der in vorstehender Erwägung zitierten
Rechtsprechung zumindest kurz erläutern müssen, ob mit der von ihr
zugesprochenen Entschädigung die anwaltlichen Bemühungen ausreichend abgegolten
worden seien. Nachdem sie sich im bundesgerichtlichen Verfahren zu den
Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geäussert hat, ist die Sache an sie
zurückzuweisen, damit sie über die Höhe des Anspruchs auf Parteientschädigung
neu entscheide.  
 
3.   
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 4 BGG). Der im Streit um die Parteientschädigung für den kantonalen
Prozess obsiegende Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine Parteientschädigung
für das bundesgerichtliche Verfahren, die der Kanton trägt, dem das
vorinstanzliche Gericht angehört (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. Urteil 8C_136/
2016 vom 11. August 2016 E. 4 mit Hinweisen). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Dispositiv-Ziffer 4 des Entscheids
des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 30. November 2016 wird
aufgehoben. Die Sache wird an das kantonale Gericht zurückgewiesen, damit es
über die Höhe der dem Beschwerdeführer zustehenden Parteientschädigung neu
befinde. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(Suva) und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. November 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben