Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.893/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_893/2017  
 
 
Urteil vom 22. Februar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Sozialkommission X.________, 
2. Departement Gesundheit und Soziales des 
    Kantons Aargau, Kantonaler Sozialdienst, 
    Obere Vorstadt 3, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Sozialhilfe (Kürzung; Weisung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau 
vom 8. November 2017 (WBE.2017.374). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1958, wird von der Gemeinde X.________ finanziell
unterstützt. Obwohl er über keinen Führerausweis verfügt, ist ein Personenwagen
auf seinen Namen eingelöst und es wurden Betriebskosten von monatlich Fr. 296.-
bei der Ermittlung der Sozialhilfe berücksichtigt. Mit Beschluss vom 9. Mai
2017 forderte ihn die Sozialkommission der Gemeinde X.________ auf, sein Auto
bis 31. Mai 2017 zu exmatrikulieren oder schriftlich zu begründen und belegen,
weshalb er aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen auf das Auto
angewiesen sei, andernfalls ab 1. Juni 2017 die Betriebskosten nicht mehr
berücksichtigt würden. Dies wurde vom Departement für Gesundheit und Soziales
des Kantons Aargau (DSG) mit Entscheid vom 16. August 2017 bestätigt. 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hiess die dagegen erhobene Beschwerde
mit Entscheid vom 8. November 2017 bezüglich der vom DSG verweigerten
unentgeltlichen Rechtspflege gut, wies das Rechtsmittel aber im Übrigen ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und seiner
Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Zudem ersucht er um
unentgeltliche Rechtspflege. 
Die Sozialkommission beantragt die Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung
sowie die Erteilung der Weisung an A.________, seiner Mitwirkungs- und
Meldepflicht umgehend nachzukommen und die Unterlagen zur Prüfung des
Sachverhalts einzureichen. Das DSG verzichtet auf eine Stellungnahme zum Gesuch
um Gewährung der aufschiebenden Wirkung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und
mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 142 II 363 E. 1 Ingress S. 365
mit Hinweis).  
 
1.2. Das BGG unterscheidet in Art. 90 bis 93 zwischen End-, Teil- sowie Vor-
und Zwischenentscheiden und schafft damit eine für alle Verfahren einheitliche
Terminologie. Ein Endentscheid ist ein Entscheid, der das Verfahren prozessual
abschliesst (Art. 90 BGG), sei dies mit einem materiellen Entscheid oder
Nichteintreten, z.B. mangels Zuständigkeit. Der Teilentscheid ist eine Variante
des Endentscheids. Mit ihm wird über eines oder einige von mehreren
Rechtsbegehren (objektive und subjektive Klagehäufung) abschliessend befunden.
Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen
eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Vor- und
Zwischenentscheide sind alle Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen
und daher weder End- noch Teilentscheid sind; sie können formell- und
materiellrechtlicher Natur sein. Voraussetzung für die selbstständige
Anfechtbarkeit materiellrechtlicher Zwischenentscheide ist gemäss Art. 93 Abs.
1 BGG zunächst, dass sie selbstständig eröffnet worden sind. Erforderlich ist
sodann alternativ, dass der angefochtene Entscheid einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder dass die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(lit. b; BGE 138 V 106 E. 1.1 S. 109).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Eine Verfügung, welche der Sozialhilfe beziehenden Person (Verhaltes-)
Pflichten auferlegt, beeinflusst ihre rechtliche Situation und kann in ihre
Grundrechte (z.B. persönliche Freiheit) eingreifen. Die Weisung ist auch
erster, notwendiger Schritt im Rahmen einer allfälligen Leistungskürzung. Die
Sozialhilfe beziehende Person kann deshalb ein schützwürdiges Interesse haben,
die auferlegte (Verhaltens-) Pflicht umgehend anfechten zu können und nicht die
nachfolgende leistungskürzende Verfügung abwarten zu müssen. Andererseits ist
der Schutz der Grundrechte derart fundamental, dass eine Verwirkung des
Anfechtungsrechts nicht leichthin anzunehmen ist und der betroffenen Person -
gerade auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte - eine globale Einschätzung ihrer persönlichen Situation in
Kenntnis der gesamten Umstände (d.h. einschliesslich der konkreten negativen
Sanktionen bei Nichtbefolgung der Weisung) möglich sein muss. Im Rahmen einer
bundesrechtlichen Betrachtungsweise ist die strittige Weisung denn auch als
Zwischenverfügung zu bezeichnen, da sie das Verfahren nicht beendet, sondern
lediglich einen unverzichtbaren ersten Schritt im Rahmen des auf Reduktion der
Sozialhilfeleistungen eingeleiteten Verfahrens darstellt (Urteil 8C_871/2011
vom 13. Juni 2012 E. 4.3.4; vgl. auch Rudolf Ursprung/Dorothea Riedi Hunold,
Verfahrensgrundsätze und Grundrechtsbeschränkungen in der Sozialhilfe, ZBl 116/
2015 S. 403 ff., insbesondere S. 413 ff.).  
Die Festlegungen der Weisungen und Auflagen einerseits und die Kürzung der
Sozialhilfe bei deren Nichtbefolgung andererseits stehen denn auch in einem
sehr engen inneren Zusammenhang. Für die rechtsuchende Person ist die
Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Weisung und der angedrohten Sanktion a
priori schwierig zu beurteilen. Sie soll nicht dazu verhalten werden, die
Weisung als solche zum vornherein, gleichsam auf Vorrat, anzufechten. Vielmehr
soll der Schwerpunkt ihrer Bemühungen auf dem Bestreben, die Weisung erfüllen
zu können, liegen. Es sprechen daher auch materielle Überlegungen für die
Lösung, Weisungen und Auflagen als Zwischenentscheide und nicht als
selbstständige Verfügung zu betrachten (Urteil 8C_871/2011 vom 13. Juni 2012 E.
4.3.5). 
 
1.3.2. Die Verfügung vom 9. Mai 2017 ist nur ein erster Schritt im Verfahren
bezüglich der (allfällig andauernden) Anrechnung der Auslagen für das Auto des
Beschwerdeführers (vgl. zu Weisungen in Zusammenhang mit der Anrechnung von
Kosten eines Fahrzeugs Ursprung/Riedi Hunold, a.a.O., S. 415 f.). Somit stellt
der vorinstanzliche Entscheid einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 Abs.
1 BGG dar, auch wenn er nicht als solcher bezeichnet ist und im Dispositiv
keine Überweisung der Sache an die Sozialkommission festgehalten wird. Denn
materiell wird erst in einem zweiten Schritt über die Anrechnung bzw. den
Verzicht der weiteren Anrechnung dieser Kosten an den Lebensbedarf des
Beschwerdeführers entschieden, je nachdem ob er die Weisung der Abgabe der
Schilder befolgt oder aber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. dazu
Ursprung/Riedi Hunold, a.a.O., S. 411 f.) die angeforderten Unterlagen
beibringt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kanton Aargau -
anders als der im Urteil 8C_871/2011 vom 13. Juni 2012 betroffene Kanton Zürich
- in seinem Verwaltungsrechtspflegegesetz keine speziellen Bestimmungen zu
Zwischenverfügungen und deren Anfechtbarkeit kennt. Der vorinstanzliche
Entscheid ist demnach nur unter den Voraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG
beim Bundesgericht anfechtbar.  
 
1.3.3. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde ans Bundesgericht
keinerlei Ausführungen dazu und es ist auch nicht ohne Weiteres ersichtlich,
inwiefern er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG erleiden würde. Dasselbe gilt für die alternative
Voraussetzung nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG. Auf seine Beschwerde ist demnach
nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird ein Entscheid über
das Gesuch um aufschiebende Wirkung obsolet.  
 
2.   
 
2.1. Da die Beschwerde aussichtslos ist, wird sie im Verfahren nach       Art.
109 BGG erledigt.  
 
2.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).  
 
2.3. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Beschwerdeführer hat
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau,
3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. Februar 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold 

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