Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.890/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_890/2017  
 
 
Urteil vom 15. Mai 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 31. Oktober 2017 (IV.2015.00997). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1977 geborene, bei der B.________ AG als Projektleiter tätige A.________,
erlitt am 27. September 2010 auf einer Baustelle einen Unfall. Ein Fenster
prallte gegen seinen Kopf und den Rücken, wobei er sich gemäss Austrittsbericht
der medizinischen Notfallstation des Spitals C.________ eine vegetative
Dystonie nach einer commotio cerebri zuzog. Am 7. September 2011 meldete sich
A.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, IV-Stelle, gewährte nach
medizinischen und erwerblichen Abklärungen Eingliederungsmassnahmen
(Einarbeitungszuschuss mit Job-Coaching). Die für den Unfall
leistungspflichtige Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) stellte
die Heilbehandlung und das Taggeld per 1. Dezember 2011 ein und verneinte einen
Anspruch auf Rente und Integritätsentschädigung mit der Begründung, die noch
geklagten Beschwerden stünden nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit
dem Unfall. Dies wurde mit Urteil vom 30. Dezember 2013 letztinstanzlich vom
Bundesgericht bestätigt (Verfahren 8C_779/2013). Die IV-Stelle ordnete in der
Folge eine polydisziplinäre Begutachtung an, welche von der Ärztlichen
Begutachtungs-Institut GmbH (fortan: ABI) mit Expertise vom 29. Dezember 2014
erstattet wurde. Auf Einwand des Versicherten hin wurde bei der
Begutachtungsstelle eine weitere Stellungnahme vom 15. Juni 2015 eingeholt. Mit
Verfügung vom 24. August 2015 verneinte die Invalidenversicherung einen
Rentenanspruch. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 31. Oktober 2017 ab, nachdem es ein lite pendente
eingereichtes Gutachten der estimed AG, Medas Zug (fortan: estimed) vom 6.
Oktober 2016 der IV-Stelle zur Stellungnahme unterbreitet hatte. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine Rente gestützt
auf einen Invaliditätsgrad von mindestens 40 % zuzusprechen. Das Gutachten der
ABI sei aus dem Recht zu weisen und es sei festzustellen, dass gegen die am
Gutachten beteiligten Ärzte ein Ausstands- und Ablehnungsgrund bestehe.
Eventualiter sei die Sache zur Einholung eines neuen polydisziplinären
Gutachtens an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann
deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von 
Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie
einen Rentenanspruch des Beschwerdeführers verneinte. 
 
2.1. Im angefochtenen Entscheid legte die Vorinstanz die gesetzlichen
Bestimmungen und die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze,
namentlich diejenigen zu den Begriffen der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG in
Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG)
sowie zum Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dar. Korrekt sind auch
die Erwägungen zur ärztlichen Aufgabe bei der Invaliditätsbemessung (BGE 140 V
193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99 f.) sowie zum Beweiswert und zur
Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S.
232; 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis). Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Geht es um psychische Erkrankungen wie eine anhaltende somatoforme
Schmerzstörung, ein damit vergleichbares psychosomatisches Leiden (vgl. BGE 140
V 8 E. 2.2.1.3 S. 13 f.) oder depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger
Natur (BGE 143 V 409, 143 V 418), sind für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
systematisierte Indikatoren beachtlich, die - unter Berücksichtigung
leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und
Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich
erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2 S. 285 ff., E.
3.4-3.6 und 4.1 S. 291 ff.).  
 
3.   
Einleitend sind die in der Beschwerde vorgebrachten formellen Rügen zu prüfen. 
 
3.1. Wie schon vor dem kantonalen Gericht wird die Befangenheit sämtlicher am
ABI-Gutachten beteiligter Ärzte geltend gemacht. Im angefochtenen Entscheid
wurde bereits ausführlich und in Nachachtung der geltenden Rechtsprechung
dargelegt, dass der Beschwerdeführer nichts vorbringt, was den Anschein einer
persönlichen Befangenheit der einzelnen abgelehnten Gutachter erwecken könnte.
Eine entsprechende Begründung geht auch aus der Beschwerde nicht hervor.
Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers gibt es keine Rechtsprechung,
wonach es "gerichtsnotorisch" sei, dass es den Sachverständigen der
Gutachterstelle ABI an Ergebnisoffenheit mangelt. Das kantonale Gericht hat
kein Bundesrecht verletzt, indem es das Gutachten der ABI vom 29. Dezember 2014
nicht aus dem Recht wies.  
 
3.2. Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein rechtliches Gehör sei
verletzt worden, indem die IV-Stelle bei der ABI ergänzende Abklärungen
vornahm, ohne ihm Gelegenheit zu bieten, Ergänzungsfragen zu stellen, überzeugt
nicht. Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 wurde der Beschwerdeführer über diese
informiert und es wurde ihm Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen. Davon
machte er mit seiner Eingabe vom 17. August 2015 Gebrauch. Er rügt darin u.a.,
es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden Ergänzungsfragen zu stellen.
Indessen legt er nicht dar, was er die Gutachter hätte fragen wollen. Auch wird
weder in der Beschwerde an das kantonale Gericht noch letztinstanzlich
dargelegt, welche Ergänzungsfragen hätten gestellt werden müssen. Die Rüge der
Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich daher als unbegründet.  
 
3.3. Weiter rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der richterlichen
Unabhängigkeit. Das kantonale Gericht habe sich bei der Frage, ob sich die aus
otorhinolaryngologischer Sicht erhobene leichtgradige Funktionsstörung im Sinne
einer commotio labyrinthi auf die Arbeitsfähigkeit auswirke, auf die
entsprechende Feststellung des Bundesgerichts im Urteil 8C_779/2013 vom 30.
Dezember 2013 gestützt und sich daran gebunden erklärt. Damit habe es nicht
unabhängig geurteilt.  
Selbst wenn eine entsprechende Bindungswirkung zu verneinen wäre und das
kantonale Gericht im Verfahren gegen die Invalidenversicherung eine
eigenständige Feststellung bezüglich der Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
hätte treffen müssen, vermag der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen
Gunsten abzuleiten. Der Beschwerdeführer begründet letztinstanzlich nicht,
inwiefern nicht näher bezeichnete Beschwerden aufgrund der geltend gemachten
commotio labyrinthi erheblich seien und sich auf seine Arbeitsfähigkeit
auswirkten. Solche sind aus den Akten denn auch nicht ersichtlich. 
 
4.   
Die Vorinstanz hat die medizinische Aktenlage umfassend wiedergegeben und
sorgfältig gewürdigt. Sie stellte fest, zwischen dem ABI-Gutachten und der
estimed-Expertise beständen zunächst Abweichungen in diagnostischer Hinsicht.
In der Folge setzte sich das kantonale Gericht mit den diagnostischen
Abweichungen auseinander. Dabei gelangte es zur Erkenntnis, dass eine Vielzahl
der im Gutachten estimed genannten Diagnosen mit Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit nur invalidisierend seien, wenn eine Indikatorenprüfung in
Anwendung der Rechtsprechung gemäss BGE 141 V 281 entsprechend ausfalle. In der
Folge nahm die Vorinstanz eine entsprechende Prüfung vor und stellte fest, der
Beschwerdeführer leide zwar an verschiedenen Störungen, welche sich wohl auch
in Wechselwirkung gegenseitig beeinflussten. Ausser der
otorhinolaryngologischen Störung komme jedoch keiner der anderern
Beeinträchtigungen für sich genommen Krankheitswert zu. Der Versicherte verfüge
zudem über beachtliche persönliche Ressourcen. Die funktionellen Auswirkungen
der von den estimed-Gutachtern festgestellten 50%igen Arbeitsunfähigkeit sei
nicht schlüssig und widerspruchsfrei. Diese sei nicht mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Die Folgen der Beweislosigkeit habe der
Beschwerdeführer zu tragen. Bezüglich der von der neuropsychologischen
Teilgutachterin der estimed bescheinigten Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer
50%igen Funktionseinschränkung stellte das kantonale Gericht fest, es sei
anhand der blanden Befunde nicht nachvollziehbar, wie sie die angeführte
Aufmerksamkeits- und Konzentrationseinbusse begründe. Da der Beschwerdeführer
ohne Einschränkungen Auto fahre, sei eine entsprechende Störung auch fraglich.
Auf die Einschätzung der Neuropsychologin sei nicht abzustellen.
Zusammenfassend bestehe aufgrund der klaren Aktenlage kein Anlass für weitere
Beweismassnahmen. Aus rechtlicher Sicht bestehe eine 10%ige Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit, weshalb kein Anspruch auf eine
Rente bestehe. 
 
5.   
Zusammenfassend rügt der Beschwerdeführer in materieller Hinsicht sinngemäss,
das kantonale Gericht habe in willkürlicher Weise nicht auf die medizinischen
Erkenntnisse und die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gemäss Gutachten der
estimed vom 6. Oktober 2016 abgestellt. 
 
6.  
 
6.1.  
 
6.1.1. Hauptaufgabe des Bundesgerichts ist die Rechtskontrolle (Art. 189 BV).
Es prüft daher die Sachverhaltsfeststellung nicht wie eine Appellationsinstanz
in freier Weise, sondern grundsätzlich nur eingeschränkt. Es soll sich auf die
von der Vorinstanz getroffene Sachverhaltsfeststellung abstützen und sich auf
seine Hauptaufgabe, die Rechtskontrolle, beschränken (Art. 105 BGG). Aus dem
Gesetzestext geht hervor, dass die Sachverhaltskontrolle auf "offensichtlich
unrichtige" Feststellungen begrenzt ist, weshalb es nicht dem Bundesgericht
obliegt, die Akten auf entsprechende Anhaltspunkte hin zu untersuchen (ULRICH
MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl.
2011, N. 36 ff. zu Art. 105 BGG, NICOLAS VON WERDT, a.a.O., N. 9 zu Art. 105).
Für die Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt das
strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dabei ist zudem zu berücksichtigen,
dass das Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung über einen erheblichen
Ermessensspielraum verfügt (BGE 120 Ia 3a E. 4b; NICOLAS VON WERDT, a.a.O., N.
14 f. zu Art. 105).  
 
6.1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich
unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 9C_838/2016 vom 3. März 2017 E. 5.1). Diese Grundsätze
gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_222/2016 vom
19. Dezember 2016 E. 1.2 mit Hinweis); in diese greift das Bundesgericht auf
Beschwerde hin nur bei Willkür (zu diesem Begriff BGE 137 I 1 E. 2.4 S. 5 mit
Hinweisen) ein, insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare
Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht
lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211). Solche Mängel sind in der Beschwerde
aufgrund des strengen Rügeprinzips (E. 6.1.1 hiervor) klar und detailliert
aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.). Auf ungenügend begründete Rügen
oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246 mit
Hinweis).  
 
6.1.3. Neben den durch den Rechtsanwender zu prüfenden allgemeinen
beweisrechtlichen Vorgaben an ein Gutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V
351 E. 3a S. 352) ergibt sich aus BGE 141 V 281 Folgendes: Die ärztliche
Arbeitsfähigkeitsschätzung, zumindest ohne einlässliche Befassung mit den
spezifischen normativen Vorgaben und ohne entsprechende Begründung, kann zwar
den rechtlich geforderten Beweis des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit (Art.
7 Abs. 2 ATSG) nicht erbringen, weil sie weitgehend vom Ermessen des
medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen abhängt. Die medizinische
Einschätzung der Arbeitsfähigkeit ist aber eine wichtige Grundlage für die
anschliessende juristische Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistung der
versicherten Person noch zugemutet werden kann (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195).
Dabei gilt, dass die versicherte Person als grundsätzlich gesund anzusehen ist
und sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen kann (vgl. BGE 141 V 281 E. 3.7.2 S.
295 f.). Hinsichtlich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit haben sich sowohl
die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung bei
ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu
orientieren; die Gutachter im Idealfall gemäss der entsprechend formulierten
Fragestellung (BGE 141 V 281 E. 5.2 S. 306 f.). Die Rechtsanwender prüfen die
medizinischen Angaben frei insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die
massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben und ob und in welchem
Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der rechtserheblichen Indikatoren
auf Arbeitsunfähigkeit schliessen lassen (BGE 143 V 418 E. 6 S. 426 f.). Im
Rahmen der Beweiswürdigung obliegt es den Rechtsanwendern zu überprüfen, ob in
concreto ausschliesslich funktionelle Ausfälle bei der medizinischen
Einschätzung berücksichtigt wurden und ob die Zumutbarkeitsbeurteilung auf
einer objektivierten Grundlage erfolgte (BGE 141 V 281 E. 5.2.2; Art. 7 Abs. 2
ATSG). Es soll keine losgelöste juristische Parallelüberprüfung nach Massgabe
des strukturierten Beweisverfahrens stattfinden (BGE 141 V 281 E. 5.2.3; vgl.
auch ANDREAS TRAUB, in: UELI KIESER [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung
2016, S. 142 Ziff. 3.3.3), sondern im Rahmen der Beweiswürdigung überprüft
werden, ob die funktionellen Auswirkungen medizinisch anhand der Indikatoren
schlüssig und widerspruchsfrei festgestellt wurden und somit den normativen
Vorgaben Rechnung tragen (BGE 141 V 281 E. 6 S. 307 f.; Urteil 8C_260/2017 vom
1. Dezember 2017 E. 4.2.4). Entscheidend bleibt letztlich immer die Frage der
funktionellen Auswirkungen einer Störung, welche im Rahmen des
Sozialversicherungsrechts abschliessend nur aus juristischer Sicht beantwortet
werden kann. Nach BGE 141 V 281 kann somit der Beweis für eine lang andauernde
und erhebliche gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur dann als geleistet
betrachtet werden, wenn die Prüfung der massgeblichen Beweisthemen im Rahmen
einer umfassenden Betrachtung ein stimmiges Gesamtbild einer Einschränkung in
allen Lebensbereichen (Konsistenz) für die Bejahung einer Arbeitsunfähigkeit
zeigt. Fehlt es daran, ist der Beweis nicht geleistet und nicht zu erbringen,
was sich nach den Regeln über die (materielle) Beweislast zuungunsten der
rentenansprechenden Person auswirkt (zur Veröffentlichung in der amtlichen
Sammlung bestimmtes Urteil 8C_409/2017 vom 21. März 2018 E. 4.3 mit Hinweis auf
BGE 143 V 418 E. 6 S. 427).  
 
6.2. Weiter hat das Bundesgericht in BGE 137 V 210 (insbesondere E. 1.3.4 und
1.4 S. 227 f.) mit einlässlicher, die Frage der Verfassungs- und
Konventionskonformität abhandelnder Begründung entschieden, dass Gerichte sich
auf ein im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholtes externes sogenanntes
Verwaltungs- oder Administrativgutachten stützen können, solange nicht konkrete
Indizien gegen dessen Zuverlässigkeit sprechen. Allein der Umstand, dass im
Gerichtsverfahren ein Privatgutachten, dem ein weit geringerer Beweiswert
zukommt, eingereicht wird, erfordert noch nicht das Einholen eines
Gerichtsgutachtens. Zuerst hat das erstinstanzliche Gericht zu prüfen, ob das
Privatgutachten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Administrativgutachtens zu
begründen vermag. Nur wenn das Gericht aufgrund der Zweifel zu keinem
eindeutigen Ergebnis kommt, hat es zusätzliche Beweismassnahmen - wie
beispielsweise die Anordnung eines Gerichtsgutachtens - zu treffen.  
Zudem verlieren die vor der Praxisänderung gemäss BGE 141 V 281 eingeholten
Gutachten nicht per se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer
gesamthaften Prüfung des Einzelfalls mit seinen spezifischen Gegebenheiten und
den erhobenen Rügen entscheidend, ob ein Abstellen auf die vorhandenen
Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält. Es ist somit zu prüfen, ob die
beigezogenen Sachverständigengutachten - gegebenenfalls im Kontext mit weiteren
fachärztlichen Berichten - eine schlüssige Beurteilung im Lichte der
massgeblichen Indikatoren erlauben (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309). 
 
7.  
 
7.1. Vorliegend standen sich zwei Gutachten von medizinischen Abklärungsstellen
(Medas) gegenüber. Die Vorinstanz hat diese nach den massgebenden Grundsätzen
gewürdigt. Dabei hat das kantonale Gericht dem Privatgutachten nicht eine
geringere Beweiskraft als demjenigen der Verwaltung zugesprochen. Entgegen der
Darstellung in der Beschwerde hat es nicht nur das ABI-Gutachten
berücksichtigt, sondern auch das Parteigutachten der estimed bezüglich der
einzelnen Diagnosen und der erhobenen Befunde eingehend gewürdigt und gestützt
darauf korrekte Feststellungen über den Gesundheitszustand und die
Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers getroffen. Daran ist das Bundesgericht
gebunden. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die vorinstanzlichen
Ausführungen willkürlich sind. Es genügt nicht, wenn in der Beschwerde
bezüglich sämtlicher medizinischer Ausführungen im angefochtenen Entscheid eine
Verletzung von Bundesrecht und eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes
moniert wird, ohne dies darzulegen. Das kantonale Gericht legte in nicht zu
beanstandender Weise dar, warum es die Arbeitsfähigkeitsschätzung der
estimed-Experten aus rechtlichen Gründen nicht übernahm.  
 
7.2. Die Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpfen sich weitgehend in
appellatorischer Kritik, auf die das Bundesgericht nicht eingeht. Die
Beurteilung, ob es sich bei einem bestimmten Gesundheitsschaden um ein unklares
Beschwerdebild handelt, dessen allenfalls invalidisierende Wirkung anhand der
Rechtsprechung für ein pathogenetisch-ätiologisch unklares syndromales
Beschwerdebild ohne nachweisbare organische Ursache im Sinne von BGE 141 V 281
zu prüfen ist, betrifft eine Rechts- und nicht eine Tatfrage. Es kann sich
dabei somit nicht um eine unrichtige Feststellung des Sachverhaltes handeln,
wenn die Vorinstanz zur begründeten Erkenntnis gelangte, die MTBI, die geltend
gemachten Kopfschmerzen, das leichte cervicovertebrale Syndrom und die
somatoforme Schmerzstörung seien nur invalidisierend, wenn das Ergebnis der
anzuwendenden Indikatorenprüfung entsprechend ausfalle. Inwiefern diese
Rechtsfrage im angefochtenen Entscheid in Verletzung von Bundesrecht
beantwortet wurde, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt und ist auch nicht
ersichtlich. Das kantonale Gericht hat daher zu Recht eine Indikatorenprüfung
vorgenommen.  
 
7.3. In der Beschwerde wird nicht gerügt, die dem kantonalen Gericht
vorliegenden medizinischen Akten hätten die für eine Prüfung der in BGE 141 V
281 formulierten Standardindikatoren notwendigen Informationen nicht enthalten
und wären damit ungenügend gewesen. Ein entsprechender Mangel ist denn auch
nicht ersichtlich.  
Die Vorinstanz zeigt im Rahmen der Würdigung des estimed-Gutachtens und in
Berücksichtigung der Rechtsprechung schlüssig auf, weshalb der dort
attestierten 50%igen Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden kann und
stattdessen von einer 10%igen Einschränkung gemäss ABI-Gutachten aufgrund der
otorhinolaryngologischen Gesundheitsschädigung auszugehen ist. Eine Abweichung
hiervon bzw. eine andere Würdigung des Sachverhalts steht dem Bundesgericht nur
zu, wenn die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt
und hieraus offensichtlich unrichtige Schlüsse gezogen hat. Es reicht nicht
aus, die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse als willkürlich zu bezeichnen,
wenn sie nicht mit den Darstellungen des Beschwerdeführers übereinstimmen. Der
Beschwerdeführer vermag sodann nicht darzulegen, inwiefern die Erwägungen im
angefochtenen Entscheid Bundesrecht verletzen. Folglich ist es nicht die
Aufgabe des Bundesgerichts, wie ein Sachgericht die gesamte Aktenlage erneut zu
würdigen. Es stellt keine Rechtsverletzung dar, wenn die Vorinstanz der
gutachterlich attestierten 50%igen Arbeitsunfähigkeit die rechtliche Relevanz
absprach. 
Was der Versicherte hinsichtlich der vorinstanzlich vorgenommenen Prüfung der
Indikatoren moniert, ist nicht stichhaltig. Der Umstand, dass es dem
Beschwerdeführer trotz entsprechender Bemühungen nicht gelungen ist, sich
wieder vollständig ins Erwerbsleben zu integrieren, vermag an der Feststellung
des kantonalen Gerichts, wonach das soziale Leben des Versicherten sowie seine
Aktivitäten zeigten, dass er über beachtliche persönliche Ressourcen verfüge,
die mit den geltend gemachten Einschränkungen im Erwerbsbereich nicht zu
vereinbaren seien, nichts zu ändern. Inwiefern bezüglich der im angefochtenen
Entscheid angeführten Aspekte eine "offensichtlich unrichtige Feststellung des
rechtsrelevanten Sachverhalts" vorliegen soll, wie vom Beschwerdeführer geltend
gemacht, wird nicht dargelegt. 
 
7.4. Zusammenfassend sind die Einwendungen des Beschwerdeführers nicht
geeignet, die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit
als offensichtlich unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen zu
lassen. Die Vorinstanz hat die medizinischen Akten und insbesondere auch das
Privatgutachten der estimed umfassend gewürdigt und ihre
Sachverhaltsfeststellungen willkürfrei begründet. Eine Bundesrechtsverletzung
liegt nicht vor. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.  
 
8.   
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 65
Abs. 1 und 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. Mai 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben