Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.876/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_876/2017  
 
 
Urteil vom 15. Mai 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Kübler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 28. September 2017 (IV.2016.01038). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1965 geborene A.________ meldete sich am 14. Mai 2010 bei der IV-Stelle des
Kantons St. Gallen zum Leistungsbezug an. Nachdem der Versicherte eine seiner
gesundheitlichen Situation angemessene Stelle gefunden hatte, stellte die
IV-Stelle am 2. November 2011 fest, dass er rentenausschliessend eingegliedert
sei. 
Am 4. Dezember 2012 meldete sich A.________ bei der nunmehr (aufgrund eines
Wohnsitzwechsels) zuständigen IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug
an. Diese tätigte daraufhin medizinische Abklärungen, verneinte aber mit
Verfügung vom 12. August 2016 einen Leistungsanspruch, da das psychische Leiden
des Versicherten therapierbar und damit invalidenversicherungsrechtlich nicht
relevant sei. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. September
2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihm sei unter Aufhebung der Verfügung und
des kantonalen Gerichtsentscheides für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Mai
2016 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen und die Sache sei
zur Ermittlung des Invaliditätsgrades in der Zeit ab 1. Juni 2016 an die
IV-Stelle zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. 
 
D.   
Den Parteien wurde vom Bundesgericht die Möglichkeit eingeräumt, sich zu
allfälligen Folgerungen, welche sich aus dem BGE 143 V 409 für die vorliegend
streitige Sache ergeben, zu äussern. Die Parteien hielten daraufhin an ihren
Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat,
als es für die Zeit ab 1. Juli 2013 einen Rentenanspruch des Versicherten
verneint hat. 
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem
voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar
bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich
bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.  
 
3.2. Die Neuanmeldung wird - wie auch das Gesuch um Leistungsrevision - nur
materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die
tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten, rechtskräftigen Entscheidung in
einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3
in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Gelingt
ihr dies nicht, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Ist die
anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, ist die Verwaltung
verpflichtet, auf das neue Leistungsbegehren einzutreten und es in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (SVR 2014 IV Nr. 33
S. 121, 8C_746/2013 E. 2); sie hat demnach in analoger Weise wie bei einem
Revisionsfall nach Art. 17 ATSG vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71). Stellt sie
fest, dass der Invaliditätsgrad oder die Hilflosigkeit seit Erlass der früheren
rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so weist sie das neue
Gesuch ab. Andernfalls hat sie zunächst noch zu prüfen, ob die festgestellte
Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität oder
Hilflosigkeit zu bejahen, und hernach zu beschliessen.  
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer reichte bereits im Mai 2010 bei der damals
zuständigen IV-Stelle ein Leistungsgesuch ein. Nachdem er eine neue Stelle
gefunden hatte, hielt die Verwaltung fest, dass er damit rentenausschliessend
eingegliedert sei. Am 2. Dezember 2012 meldete sich der Versicherte bei der
Beschwerdegegnerin zum Leistungsbezug an, nachdem er diese neue Stelle wieder
verloren hatte. Aufgrund dieser Ausgangslage ist das erneute Leistungsgesuch
entgegen den vorinstanzlichen Erwägungen nicht als Neuanmeldung im Sinne von 
Art. 87 Abs. 3 IVV (vgl. E. 3.2 hievor), sondern gleich wie eine erstmalige
Anmeldung zu behandeln (vgl. Urteil 9C_257/2009 vom 6. Juli 2009; vgl auch
MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl.
2014, Rz. 127 zu Art. 30-31 IVG).  
 
4.2. Das kantonale Gericht hat im Wesentlichen erwogen, ärztlicherseits werde
dem Versicherten aufgrund einer psychiatrischen Symptomatik eine Einschränkung
in seiner Leistungsfähigkeit attestiert. Es könne aber weder von einer
konsequenten Depressionstherapie noch davon gesprochen werden, dass das Leiden
therapeutisch nicht angehbar sei, weshalb dem Leiden keine invalidisierende
Wirkung zuzuerkennen sei. Allerdings ist die seitens der Vorinstanz zitierte
Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen, unter denen leichten bis
mittelschweren Depressionen invalidisierende Wirkung zukommen kann (BGE 140 V
193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis; Urteil 9C_841/2016 vom 8. Februar 2017 E. 3.1),
mit BGE 143 V 409 und 418 geändert worden. Gemäss BGE 143 V 418 sind sämtliche
psychischen Leiden, laut BGE 143 V 409 namentlich auch leichte bis
mittelschwere Depressionen, einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V
281 zu unterziehen. Diese neue Rechtsprechung ist auf alle im Zeitpunkt der
Praxisänderung noch nicht erledigten Fälle anzuwenden (Urteil 8C_756/2017 vom
7. März 2018 E. 4 mit weiterem Hinweis) und ist somit auch im vorliegenden Fall
massgebend. Da bis anhin noch kein solches Beweisverfahren stattgefunden hat
und insbesondere auch eine umfassende vorinstanzliche Auseinandersetzung mit
den massgebenden Standardindikatoren fehlt, ist die Beschwerde des Versicherten
teilweise gutzuheissen. Der kantonale Entscheid ist aufzuheben und die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese, allenfalls nach weiteren
medizinischen Abklärungen, ein solches Beweisverfahren durchführe und hernach
über die Beschwerde des Versicherten neu entscheide.  
 
5.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten
werden der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs.
1 BGG). Sie hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten (
Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. September 2017
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 15. Mai 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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