Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.835/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_835/2017  
 
 
Urteil vom 1. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin. 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Lauri, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 25.
Oktober 2017 (200 17 677 UV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war als Monteur der B.________ GmbH, bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als
er am 1. April 2016 bei der Montage eines Spirorohrs einen höheren als den
gewohnten Druck ausüben musste, woraufhin Schmerzen in der rechten Schulter
auftraten. Mit Verfügung vom 7. Februar 2017 und Einspracheentscheid vom 29.
Juni 2017 verneinte die Suva eine Leistungspflicht, da der Gesundheitsschaden
weder Folge eines Unfalles noch einer unfallähnlichen Körperschädigung sei. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 25. Oktober 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, die Suva sei unter Aufhebung des
Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides zu verpflichten, für die
Folgen des Ereignisses vom 1. April 2016 Leistungen zu erbringen. 
 
Während die Suva auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
1.3. Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG sind neue Tatsachen und Beweismittel im
letztinstanzlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig. Die Voraussetzungen,
unter denen die vom Beschwerdeführer neu eingereichten Unterlagen ausnahmsweise
zulässig wären, sind vorliegend nicht erfüllt. Insbesondere ist entgegen seinen
Ausführungen nicht ersichtlich, dass die Einholung des Berichts des Dr. med.
C.________ vom 23. November 2017 erst durch den angefochtenen Entscheid
veranlasst ist, war doch die Frage, ob der Schädigungsmechanismus des
Ereignisses vom 1. April 2016 überhaupt geeignet war, eine
Rotatorenmanschettenruptur auszulösen, bereits Gegenstand des
Einspracheentscheides. Somit hat dieser Bericht vorliegend unbeachtet zu
bleiben.  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Suva für die
Schulterbeschwerden des Versicherten. Dabei steht fest und ist unbestritten,
dass er weder an den Folgen einer Berufskrankheit leidet noch das Ereignis vom
1. April 2016 als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren ist. Zu prüfen ist
demgegenüber, ob das kantonale Gericht zu Recht auch eine unfallähnliche
Körperschädigung des Beschwerdeführers bei diesem Ereignis verneint hat. 
 
3.   
Bei unfallähnlichen Körperschädigungen nach Art. 9 Abs. 2 aUVV gemäss der hier
anwendbaren, bis 31. Dezember 2016 gültig gewesenen Rechtlslage, müssen zur
Begründung der Leistungspflicht des Unfallversicherers - wie das kantonale
Gericht zutreffend dargelegt hat - mit Ausnahme der Ungewöhnlichkeit die
übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfalls erfüllt sein. Besondere Bedeutung kommt
hierbei der Voraussetzung des äusseren Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb
des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben
unfallähnlichen Vorfalles (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467). Die schädigende
äussere Einwirkung kann in einer körpereigenen Bewegung bestehen (BGE 129 V 466
E. 4.1 S. 468 mit Hinweisen). Das Auftreten von Schmerzen als solches ist kein
äusserer (schädigender) Faktor im Sinne der Rechtsprechung, weshalb dieser
nicht gegeben ist, wenn die versicherte Person nur das (erstmalige) Auftreten
von Schmerzen in zeitlicher Hinsicht anzugeben vermag (BGE 129 V 466 E. 4.2.1
S. 469). Nicht erfüllt ist das Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors
auch, wenn das erstmalige Auftreten der Schmerzen mit einer blossen
Lebensverrichtung einhergeht, welche die versicherte Person zu beschreiben in
der Lage ist. Vielmehr ist gemäss Rechtsprechung für die Bejahung eines
äusseren auf den menschlichen Körper schädigend einwirkenden Faktors stets ein
Geschehen verlangt, dem ein gewisses gesteigertes Gefährdungspotenzial
innewohnt. Das ist zu bejahen, wenn die zum einschiessenden Schmerz führende
Tätigkeit im Rahmen einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird,
wie dies etwa für viele sportliche Betätigungen zutreffen kann. Der äussere
Faktor mit erheblichem Schädigungspotenzial ist sodann auch zu bejahen, wenn
die in Frage stehende Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen
und psychologisch beherrschten Beanspruchung des Körpers, insbesondere seiner
Gliedmassen, gleichkommt. Deswegen fallen einschiessende Schmerzen als Symptome
einer Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV ausser Betracht, wenn sie allein bei
der Vornahme einer alltäglichen Lebensverrichtung auftreten, ohne dass hiezu
ein davon unterscheidbares äusseres Moment hineinspielt. Die physiologische
Beanspruchung des Skelettes, der Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder stellt
keinen äusseren Faktor dar, dem ein zwar nicht ungewöhnliches, jedoch gegenüber
dem normalen Gebrauch der Körperteile gesteigertes Gefährdungspotenzial
innewohnen muss (BGE 129 V 466 E. 4.2.2 S. 470). Erforderlich für die Bejahung
eines äusseren Faktors ist demzufolge ein gesteigertes Schädigungspotenzial,
sei es zufolge einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage, sei es durch
Hinzutreten eines zur Unkontrollierbarkeit der Vornahme der alltäglichen
Lebensverrichtung führenden Faktors (BGE 129 V 466 E. 4.3 S. 471). 
 
4.  
 
4.1. Erste Voraussetzung für eine Leistungspflicht der Unfallversicherung
aufgrund einer unfallähnlichen Körperschädigung ist das Vorliegen einer
Listenverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 aUVV. Während eine solche von der
Suva zunächst verneint wurde, steht aufgrund der Operation im Spitalzentrum
Biel vom 24. März 2017 fest, dass der Versicherte eine
Rotatorenmanschettenruptur und damit eine Listenverletzung erlitten hat. Gemäss
dem Bericht des behandelnden Arztes dieses Zentrums, Dr. med. C.________, vom
19. Juli 2017 waren bereits auf dem Arthro-MRI der Schulter vom 10. August 2016
Anzeichen für eine solche Ruptur erkennbar.  
 
4.2. Zweite Voraussetzung für die Annahme einer unfallähnlichen
Körperschädigung war nach der hier anwendbaren Rechtslage, dass die
Listenverletzung durch ein äusseres, sinnfälliges Ereignis verursacht wurde
(vgl. E. 3 hievor). Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, es könne offen
bleiben, ob das gemeldete Ereignis vom 1. April 2016 als solches sinnfälliges
Ereignis anerkannt werden könne, da ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen
dem Ereignis vom 1. April 2016 und der erlittenen Listenverletzung nicht
überwiegend wahrscheinlich sei. Hiebei stützte sich die Vorinstanz auf eine
umfassende Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere aber auf den Bericht
des Suva-Kreisarztes Dr. med. D.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie
und Traumatologie des Bewegungsapparates, Bern, vom 7. Dezember 2016. In diesem
Bericht wird im Wesentlichen ausgeführt, der Mechanismus des Ereignisses vom 1.
April 2016 sei nicht geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenruptur zu
verursachen.  
 
4.3. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, der Kreisarzt und damit auch die
Vorinstanz gingen insofern von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, als das
Ereignis vom 1. April 2016 nicht bei Überkopfarbeiten stattgefunden habe. Hiezu
ist zunächst festzuhalten, dass der Versicherte nicht nur gegenüber der Suva,
sondern auch gegenüber seinem behandelnden Arzt angegeben hat, sich die
Verletzung bei einem Anheben eines Rohrschachts über Kopf zugezogen zu haben
(vgl. den Bericht des Spitals E.________ vom 25. Juli 2016). Wenn der
Versicherte nunmehr nach Kenntnis der Ablehnungsverfügung einen abweichenden
Geschehensverlauf geltend macht, so wirft dies bezüglich der Glaubwürdigkeit
seiner Darstellung Fragen auf. Diese brauchen indessen vorliegend nicht
abschliessend beantwortet zu werden, wird doch vom Kreisarzt dem Element
"Überkopfarbeit" keine massgebende Bedeutung zugemessen. Vielmehr führt dieser
aus, traumatische Sehnenrisse entstünden durch eine unnatürliche Zugbelastung:
eine plötzliche, von aussen (über das Skelett vermittelte) auf das Sehnengewebe
einwirkende dehnende Kraft. Dabei müsse eine ganz erhebliche Gewalt auf die
Schulter einwirken. Ungeeignet sei als Ursache einer solchen Schädigung eine
willkürliche, koordinierte Kraftenfaltung. Auch in dem vom Beschwerdeführer
letztinstanzlich geltend gemachten Geschehensablauf wird kein für eine
Schädigung geeigneter Mechanismus geschildert, vielmehr ist auch hier von einer
vom Versicherten gewollten Kraftanwendung die Rede. Daran vermag auch der
Umstand nichts zu ändern, dass die vom Beschwerdeführer aufzuwendende
Anstrengung zur Einführung des Spirorohrs in den Bogen offenbar deutlich
grösser als von ihm zunächst erwartet war.  
 
4.4. Wie die Vorinstanz im Weiteren zutreffend erwogen hat, vermögen die
verschiedenen Berichte des Dr. med. C.________ keine auch nur geringe Zweifel
(vgl. BGE 135 V 465 E. 4.7 S. 471) an den Schlussfolgerungen der
kreisärztlichen Stellungnahme zu begründen. Der behandelnde Arzt setzt sich mit
der Argumentation des Kreisarztes nicht auseinander, sondern folgert den
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 1. April 2016 und der
erlittenen Rotatorenmanschettenruptur aus dem Umstand, dass der Versicherte vor
diesem Ereignis in der Schulter beschwerdefrei war. Praxisgemäss ist es jedoch
nicht zulässig, gesundheitliche Beschwerden einzig aus dem Grund als Folge
eines Ereignisses anzuerkennen, weil diese nach dem Ereignis erstmals
aufgetreten sind, folgt doch aus einer zeitlichen Korrelation nicht zwingend
ein Kausalzusammenhang (vgl. auch Urteil 8C_642/2017 vom 25. Januar 2018 E. 5.4
mit weiteren Hinweisen).  
 
4.5. Hat die Vorinstanz demnach zu Recht einen natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen dem Ereignis vom 1. April 2016 und der diagnostizierten
Listenverletzung verneint und ist kein anderes Ereignis geltend gemacht,
welches ursächlich für die Verletzung sein könnte, so liegt keine
unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 aUVV (in der bis 31.
Dezember 2016 gültig gewesenen Fassung) vor. Somit hat das kantonale Gericht zu
Recht eine Leistungspflicht der Unfallversicherung verneint; die Beschwerde des
Versicherten ist abzuweisen.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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