Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.822/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_822/2017  
 
 
Urteil vom 9. Mai 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Christe, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Neuanmeldung; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 31. August 2017 (IV.2016.00890). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1970 geborene A.________ meldete sich am 25. August 2000 wegen
Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit
Verfügung vom 6. November 2002 wies die IV-Stelle des Kantons Zürich das Gesuch
mit der Begründung ab, die Abklärungen zum Gesundheitszustand hätten zum einen
ergeben, dass zurzeit keine beruflichen Massnahmen möglich seien, zum anderen
die Arbeitsfähigkeit erst seit 1. Februar 2002 erheblich eingeschränkt sei. Auf
eine neue Anmeldung vom 7. Februar 2003 hin sprach sie dem Versicherten ab 1.
Februar 2003 gestützt auf einen ermittelten Invaliditätsgrad von 100 % eine
ganze Invalidenrente zu (Verfügungen vom 11. und 25. November 2003). Mit
Mitteilungen vom 28. April 2005 und 27. Juni 2006 hielt sie fest, die
Überprüfung des Invaliditätsgrades habe keine anspruchsbeeinflussende Änderung
ergeben. Im November 2008 leitete die Verwaltung erneut ein Revisionsverfahren
ein. Mit Verfügung vom 17. Mai 2010 hob sie die Invalidenrente auf das Ende des
der Zustellung folgenden Monats auf, was das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. August 2011 bestätigte. A.________ liess
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, welche das
Bundesgericht mit Urteil 8C_747/2011 vom 9. Februar 2012 abwies. 
Am 17. Dezember 2014 meldete sich der Versicherte erneut zum Leistungsbezug an.
Mit unangefochten rechtskräftig gewordener Verfügung vom 21. Mai 2015 wies die
IV-Stelle das Leistungsbegehren ab. 
Auf die Neuanmeldung des Versicherten vom 17. Dezember 2015 trat die Verwaltung
- nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren - mit Verfügung vom 27. Juni 2016
nicht ein. 
 
B.   
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 31. August 2017). 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der
Verwaltungsverfügung vom 27. Juni 2016 sei die IV-Stelle anzuweisen, die
Neuanmeldung vom 17. Dezember 2015 materiell zu prüfen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen lässt sich nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem
wegen Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG erhoben
werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung der
Verfügung der IV-Stelle vom 27. Juni 2016 erkannt hat, der Versicherte habe mit
dem Neuanmeldegesuch vom 17. Dezember 2015 im Sinne von Art. 87 Abs. 3 in
Verbindung mit Abs. 2 IVV nicht glaubhaft gemacht, sein Gesundheitszustand habe
sich in einer für den Anspruch auf Invalidenrente erheblichen Weise verändert.
Von der Beurteilung dieser Frage hängt ab, ob die IV-Stelle entgegen ihrer
Verfügung vom 27. Juni 2016 auf das Leistungsbegehren hätte eintreten und damit
den Sachverhalt erneut materiell abklären müssen. Die Vorinstanz hat die zu
berücksichtigenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen. 
 
3.  
 
3.1. Das kantonale Gericht hat zunächst erkannt, laut Auskünften der Dr. med.
B._________, Spital C.________, vom 28. August 2015 liege bezüglich der
Ellbogenbeschwerden links sowie des mittelschweren Sulcus-ulnaris-Syndroms
links seit der letzten ärztlichen Beurteilung eine weitgehend gleich gebliebene
Situation vor. Daraus folge, dass sich der medizinische Sachverhalt aus
somatischer Sicht seit der Verfügung vom 21. Mai 2015 nicht verändert habe.
Diese Feststellung zieht der Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Vorinstanz hat weiter erwogen, der Versicherte stehe seit dem 22.
Mai 2015 wegen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere
depressive Episode ohne psychotische Symptome, in Behandlung (Bericht des Dr.
med. D._________, Facharzt für Psychiatrie & Psychotherapie FMH, vom 22. Januar
2016). Gemäss Austrittsbericht der psychiatrischen Klinik E.________ vom 30.
Juli 2015, wo sich der Versicherte vom 10. bis 30. Juni 2015 aufgehalten habe,
sei dagegen lediglich eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert
worden. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass sich der psychische
Gesundheitszustand seit der stationären Behandlung weiter verschlechtert haben
könnte. Vielmehr sei anzunehmen, dass die Klinik E.________ (Bericht vom 30.
Juli 2015) und Dr. med. D._________ (Bericht vom 22. Januar 2016) denselben
psychiatrischen Gesundheitszustand beschrieben. Nachdem der Versicherte sich
erst seit Mai 2015 in ambulanter Behandlung bei Dr. med. D._________ befinde,
sei zudem nicht erstellt, dass eine konsequente Therapie der Depression
fehlschlagen könnte. Insgesamt fehle es gestützt auf die im
Verwaltungsverfahren eingereichten Arztberichte an glaubhaft gemachten
Anhaltspunkten, dass sich der psychische Gesundheitszustand seit der Verfügung
vom 21. Mai 2015 relevant verschlechtert habe. Dabei sei zu berücksichtigen,
dass seither bis zur erneuten Anmeldung im Dezember 2015 mit rund sieben
Monaten eine relativ kurze Zeit verstrichen sei.  
 
3.2.2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz
verletze Bundesrecht, wenn sie die von Dr. med. D._________ diagnostizierte
schwere depressive Episode als nicht glaubhaft betrachtet habe. Dieser Arzt
habe die subjektiven und objektiven Befunde im Bericht vom 22. Januar 2016
einlässlich diskutiert, weshalb seine Schlussfolgerung, der Patient leide
gegenwärtig an einer schweren depressiven Episode, die Verwaltung ohne Weiteres
zur materiellen Beurteilung des Falles hätte veranlassen müssen. Der
vorinstanzlich erwähnte Grundsatz, wonach an das Glaubhaftmachen höhere
Anforderungen zu stellen sind, wenn die frühere Verfügung nur kurze Zeit
zurückliege, beziehe sich nur auf Fälle, in welchen die Verschlechterung eines
damals bereits bestehenden Gesundheitszustands geltend gemacht werde. Hier
liege ein völlig neues Krankheitsbild vor. Die Vorinstanz habe
bundesrechtswidrig in antizipierter materieller Prüfung der psychiatrischen
Berichte das Nichtbestehen eines Rentenanspruchs vorweggenommen. Im
vorliegenden Verfahren sei jedoch nur die Eintretensfrage streitig. Wie
dargelegt, seien die Voraussetzungen dafür erfüllt. Im Rahmen der materiellen
Prüfung des Neuanmeldegesuchs habe die IV-Stelle den medizinischen Sachverhalt
ergänzend abzuklären und zu beurteilen, ob die attestierte psychische
Erkrankung für die Zusprechung einer Invalidenrente genüge.  
 
3.2.3. Der Argumentation des Beschwerdeführers, es liege ein völlig neues
Krankheitsbild vor, weshalb an das Glaubhaftmachen, dass sich der
Invaliditätsgrad in einer für den Anspruch auf Invalidenrente erheblichen Weise
geändert habe (vgl. Art. 87 Abs. 2 IVV), keine hohen Anforderungen zu stellen
seien, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Aus dem Abschlussbericht
der Klinik E.________ vom 30. Juli 2015 sowie den Auskünften des Dr. med.
D._________ vom 22. Januar 2016 geht zwar hervor, dass sich die depressive
Sympomatik bereits einige Zeit vor Erlass der Ablehnungsverfügung vom 21. Mai
2015 entwickelt haben musste (missglückte Operation der Tochter im Juli 2014;
lange andauernde Arbeitslosigkeit). Indessen ergibt sich aus den der Verfügung
vom 21. Mai 2015 zugrunde liegenden medizinischen Akten (vgl. Berichte des
Spitals C.________ vom 10. Februar und 22. März 2015 sowie des RAD vom 12. März
2015), dass zum damaligen Zeitpunkt keine Einschränkung des Gesundheitszustands
und der Arbeitsfähigkeit wegen einer psychischen Erkrankung zur Diskussion
stand. Dem Beschwerdeführer ist daher insoweit beizupflichten, dass Gegenstand
der Verfügung vom 21. Mai 2015 allein die bestehenden, somatisch begründbaren
Einschränkungen bildeten. Unter diesen Umständen ist nicht nachvollziehbar,
wenn die Vorinstanz die Frage verneint hat, dass der Beschwerdeführer bezogen
auf die geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen, die nie Gegenstand
eines Verwaltungsverfahrens bildeten, mit der Anmeldung zum Leistungsbezug vom
17. Dezember 2015 keinen revisionsrechtlich erheblichen Sachverhalt glaubhaft
gemacht habe.  
 
3.2.4. In Gutheissung der Beschwerde ist daher die Sache an die IV-Stelle zur
weiteren Abklärung des psychischen Gesundheitszustands und dessen Auswirkungen
zurückzuweisen. In diesem Kontext wird sie die geänderte Rechtsprechung gemäss
BGE 143 V 409 und 418 zu beachten haben.  
 
4.   
Die Gerichtskosten sind der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Sie hat den Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1
und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 31. August 2017 und die Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 27. Juni 2016 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer
Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 9. Mai 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder 

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