Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.808/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_808/2017  
 
 
Urteil vom 11. Januar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Sebastian Lorentz, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Massnahmen beruflicher Art), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
19. Oktober 2017 (VBE.2017.108). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ absolvierte vom 9. August 2010 bis zum 8. August 2012 eine Lehre zum
Strassenbaupraktiker EBA. Anschliessend war er - unterbrochen von verschiedenen
Phasen der Arbeitslosigkeit - für verschiedene Arbeitgeber unterjährig
erwerbstätig, unter anderem von April bis Oktober 2014 als Strassenbaupraktiker
der B.________ AG. Am 21. Dezember 2015 meldete er sich unter Hinweis auf einen
am 1. August 2015 erlittenen Unfall bei der IV-Stelle des Kantons Aargau zum
Leistungsbezug an. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die
IV-Stelle mit Verfügung vom 4. Januar 2017 einen Anspruch des Versicherten auf
berufliche Massnahmen. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. Oktober 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihm seien unter Aufhebung der Verfügung
und des kantonalen Gerichtsentscheides die gesetzlichen Leistungen,
insbesondere solche in Form einer Umschulung, zuzusprechen. 
 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht
durchgeführt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie in
Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle einen Anspruch des Versicherten auf
berufliche Massnahmen im Sinne einer Umschulung verneinte. 
 
3.   
Der Versicherte hat gemäss Art. 17 Abs. 1 IVG Anspruch auf Umschulung auf eine
neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist
und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder verbessert
werden kann. Unter Umschulung ist dabei rechtsprechungsgemäss grundsätzlich die
Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die
notwendig und geeignet sind, der vor Eintritt der Invalidität bereits
erwerbstätig gewesenen versicherten Person eine ihrer früheren annähernd
gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln. Dabei bezieht sich der Begriff
der "annähernden Gleichwertigkeit" nicht in erster Linie auf das
Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Eingliederung zu
erwartende Verdienstmöglichkeit. In der Regel besteht nur ein Anspruch auf die
dem jeweiligen Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen, nicht
aber auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn das
Gesetz will die Eingliederung lediglich so weit sicherstellen, als diese im
Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist (BGE 130 V 488 E. 4.2 S. 489 f.;
Urteil 8C_163/2008 vom 8. August 2008 E. 2.2). Dabei setzt der
Umschulungsanspruch grundsätzlich eine Mindesterwerbseinbusse von rund 20 % in
den für die versicherte Person ohne zusätzliche Ausbildung offenstehenden, noch
zumutbaren Erwerbstätigkeiten voraus (BGE 130 V 488 E. 4.2 S. 489 f., 124 V 108
E. 3 S. 111). Hievon kann namentlich bei jungen Versicherten mit entsprechend
langer verbleibender Aktivitätsdauer abgewichen werden, wenn es sich bei den
ohne Umschulung zumutbaren angepassten Tätigkeiten um unqualifizierte
Hilfsarbeiten handelt, die im Vergleich zur erlernten Tätigkeit qualitativ
nicht als annähernd gleichwertig bezeichnet werden können (BGE 124 V 108 E. 3c
S. 112; SVR 2011 IV Nr. 51 S. 152, 9C_704/2010 E. 3.1). 
 
4.   
 
4.1. Der Beschwerdeführer kann unbestrittenermassen aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr in seinem angestammten Beruf als Strassenbaupraktiker tätig
sein. Weiter steht fest, dass er dadurch zur Zeit keine Erwerbseinbusse von
mindestens 20 % erleidet; während die IV-Stelle jegliche Erwerbseinbusse
verneinte, rechnet der Beschwerdeführer selber mit einer solchen von 6,15 %. Zu
prüfen ist daher einzig, ob aufgrund des jungen Alters des Versicherten und der
entsprechend langen verbleibenden Aktivitätsdauer vom Erfordernis der
Mindesterwerbseinbusse abzuweichen ist. Dies würde voraussetzen, dass der
Verweis auf unqualifizierte Hilfsarbeiten im Vergleich zu seinem erlernten
Beruf als Strassenbaupraktiker qualitativ nicht als annähernd gleichwertig
qualifiziert werden könnte. Auch bei jungen Versicherten ist hiebei entgegen
den Ausführungen in der Beschwerde auf den tatsächlich erlernten Beruf
abzustellen und nicht auf eine theoretisch bei steter Weiterbildung erreichbare
Karriere. Jedenfalls so lange wie vorliegend keine konkreten Indizien erkennbar
sind, dass der Versicherte eine entsprechende Weiterbildung absolviert hätte,
interessiert daher nicht weiter, dass ihm als Strassenbaupraktiker im Idealfall
und bei entsprechender Weiterbildung eine Karriere bis zu einem
Fachhochschulabschluss in Bauingenieurwesen offengestanden hätte.  
 
4.2. Das Berufsattest "Strassenbaupraktiker EBA", welches der Versicherte
erwerben konnte, setzt neben einer entsprechenden Prüfung eine zweijährige
Lehrzeit voraus (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung des SBFI über die berufliche
Grundbildung Berufsfeld «Verkehrswegbau» mit eidgenössischem Berufsattest [EBA]
vom 1. November 2013; SR 412.101.220.81). Strassenbaupraktiker unterstützen
gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. a, b und g dieser Verordnung die Erstellung und
Gestaltung sowie die Instandhaltung und den Unterhalt von Verkehrswegen und
deren Infrastruktur und führen im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft
allgemeine Arbeiten im Verkehrswegbau aus. Sie unterstützen die Organisation
der Arbeiten auf den Arbeits- und Baustellen, führen sie gemäss betrieblichen
und gesetzlichen Vorgaben qualitätsbewusst, umweltgerecht und nachhaltig aus
und gewährleisten dabei die Arbeitssicherheit sowie den Gesundheitsschutz und
den Umweltschutz. Sie helfen mit, Fahrbahnen aller Art zu erstellen,
Asphaltbeläge einzubauen, Plätze und Trottoirs sowie Rad- und Fusswege, kleine
Mauern und Treppen, Strassenkreisel und Verkehrsinseln zu erstellen,
Stromleitungen und Wasserrohre in den Boden zu verlegen und Schächte zu setzen.
 
 
4.3. Aus dem dargelegten Berufsprofil ergibt sich, dass Strassenbaupraktiker im
Wesentlichen Hilfsarbeiten im Verkehrswegbau verrichten. Wenn der Versicherte
daher von der Invalidenversicherung auf ihm gesundheitlich zumutbare
unqualifizierte Hilfsarbeiten verwiesen wird, so erscheinen solche Tätigkeiten
als im Rahmen dessen liegend, was noch als annähernd gleichwertig zu betrachten
ist wie der erlernte Beruf als Strassenbaupraktiker. Wie die Vorinstanz für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt hat, ist auch bei einer
mittel- bis langfristigen Betrachtungsweise von einer finanziellen
Gleichwertigkeit einer allgemeinen Hilfsarbeitertätigkeit mit einer solchen als
Strassenbaupraktiker auszugehen. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was
diese Feststellung als offensichtlich unrichtig erscheinen lassen würde;
insbesondere ist nicht ersichtlich, dass - wie dies bei anderen Tätigkeiten,
die eine berufliche Grundbildung voraussetzen, teilweise der Fall sein mag -
erfahrenen Strassenbaupraktiker wesentlich besser bezahlte Tätigkeiten
offenstehen würden als jüngeren Berufsleuten. Auch unter Berücksichtigung des
jungen Lebensalters des Beschwerdeführers und der damit verbleibenden
voraussichtlich langen Aktivitätsdauer rechtfertigt es sich demnach nicht,
vorliegend ausnahmsweise vom Erfordernis der Mindesterwerbseinbusse von 20 %
abzuweichen. Insgesamt erscheint der Versicherte somit als hinreichend
eingegliedert, so dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, als sie
einen Anspruch auf Umschulungsmassnahmen verneint hat. Entsprechend ist seine
Beschwerde abzuweisen.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Januar 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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