Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.783/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_783/2017  
 
 
Urteil vom 20. Juni 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Grünvogel. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 14. Oktober 2017
(5V 16 258). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1955 geborene A.________ war als Angestellter der B.________ AG bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von
Betriebs- und Nichtbetriebsunfällen sowie Berufskrankheiten obligatorisch
versichert. Am 4. April 2012 erlitt er eine Fraktur des linken Unterarms. Die
Suva erbrachte dafür Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen. Mit Verfügung vom
23. März 2016 sprach sie ihm unter anderem mit Wirkung ab 1. April 2016 eine
Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 43 % zu. Daran
hielt sie mit Einsprachentscheid vom 21. Juni 2016 fest. 
 
B.   
Auf Beschwerde hin stellte das Kantonsgericht Luzern mit Entscheid vom 14.
Oktober 2017 die Invalidenrente neu auf die Basis eines Invaliditätsgrads von
45 %. 
 
C.   
Die Suva führt dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als
A.________ eine Invalidenrente gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 45 % als
von 43 % zugespochen wurde, und der Einspracheentscheid vom 21. Juni 2016 sei
zu bestätigen. 
Während das Bundesamt für Gesundheit und das kantonale Gericht auf eine
Vernehmlassung verzichten, lässt A.________ auf Abweisung der Beschwerde
schliessen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137 f.). 
 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.   
Im kantonalen Entscheid sind die Grundlagen über die Invalidität    (Art. 8
ATSG), den Rentenanspruch (Art. 18 Abs. 1 UVG), die Invaliditätsbemessung nach
dem Einkommensvergleich (Art. 16 ATSG) wie auch die zu beachtenden Grundsätze
bei der Ermittlung des Invalideneinkommens (BGE 139 V 592 E. 2.3 S. 593; siehe
auch BGE 143 V 295) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. 
Zu ergänzen ist, dass bei der Ermittlung des Valideneinkommens entscheidend
ist, was die versicherte Person im Zeitpunkt des frühest möglichen
Rentenbeginns nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als
Gesunde tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung
angepassten Verdienst angeknüpft, da es empirischer Erfahrung entspricht, dass
die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre (BGE
135 V 58   E. 3.1 S. 59; 134 V 322 E. 4.1 S. 325; 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit
Hinweisen). Liegen zuverlässige Angaben der damaligen Arbeitgeberin vor, was
die versicherte Person zum Zeitpunkt des Rentenbeginns mutmasslich verdient
hätte, ist darauf abzustellen (dazu etwa Urteile 8C_638/2008 vom 15. Januar
2009 E. 4.4 oder U 66/02 vom 2. November 2004 E. 4.1.1, letzterer in: RKUV 2005
Nr. U 538 S. 122). 
 
3.   
Streitig ist allein die Höhe des bei der Invaliditätsbemessung dem
Invalideneinkommen in der Höhe von Fr. 53'457.- gegenüberzustellenden
hypothetischen Verdienstes als Gesunder im Jahre 2016. 
 
3.1. Die Vorinstanz stellte hierfür in einem ersten Schritt auf den zuletzt vor
Eintritt des Gesundheitsschadens im Jahr 2012 tatsächlich erzielten Verdienst
von Fr. 94'175.- ab. Alsdann hob sie diesen der allgemeinen
Nominallohnentwicklung im Sektor "verarbeitendes Gewerbe/Herstellen von Waren"
von 2012 bis 2016 entsprechend auf         Fr. 96'866.- an (Bundesamt für
Statistik (Hrsg.), T1.1.10 Nominallohnindex, Männer, 2011-2016, Index (Basis
2010 = 100), 2012: 101.5, 2014: 103.3, 2016: 104.4).  
 
 
3.2. Wie von der Beschwerdeführerin zu Recht vorgebracht, bezifferte die
damalige Arbeitgeberin auf entsprechende Anfrage hin am 24. Februar 2016 nicht
nur den im Jahr 2012 tatsächlich erzielten Verdienst, sondern gab darüber
hinaus auch an, dieser hätte sich bei einer Weiterbeschäftigung bei ihr ohne
Unfall in den Jahren 2013 bis 2016 nominell nicht mehr weiter entwickelt. Dies
scheint die Vorinstanz übersehen zu haben. Ein Abweichen von den Angaben der
Arbeitgeberin ist aber nur in begründeten Fällen zulässig, so etwa wenn auf
Grund der konkreten Umstände davon auszugehen ist, der Versicherte hätte die
ausbleibenden Lohnerhöhungen nicht hingenommen und damit voraussichtlich die
Stelle gewechselt, um sich so einen höheren Verdienst zu sichern (dazu siehe
etwa: Urteile 9C_192/2014 vom    23. September 2014 E. 3.4 und 9C_414/2011 vom
11. Juli 2011 E. 2.2 und 4.3, beide mit Hinweis auf Urteil U 66/02 vom 2.
November 2004 E. 4.1.1, in: RKUV 2005 Nr. U 538 S. 122). Derartiges wird nicht
dargetan und geht nicht aus den Akten hervor.  
 
3.3. Nachdem der Beschwerdegegner vor dem kantonalen Gericht die Angaben der
Arbeitgeberin noch nicht in Frage stellte, argumentiert er nun, eine
Lohnentwicklung sei nur deshalb nicht bescheinigt worden, weil er der
B.________ AG gegenüber am 17. März 2015 Schadenersatzansprüche infolge
Verletzung von Sicherheitsvorschriften angemeldet hatte; dafür spreche auch,
dass anderen Mitarbeitern in dieser Zeit Lohnerhöhungen gewährt worden seien.
Hingegen macht er nicht geltend, den Betrieb verlassen zu haben, hätte er um
die bis 2016 ausbleibenden Lohnentwicklungen gewusst.  
 
3.4. Abgesehen davon, dass es widersprüchlich ist, wenn der Beschwerdegegner
vor Vorinstanz die Angaben der Arbeitgeberin noch akzeptiert hatte, sie nunmehr
aber als unzutreffend kritisiert, fällt auf, dass er gemäss Lohnkontoauszug
2011 bereits im Jahr vor dem Unfall keine Nominallohnerhöhung erhalten hatte.
Angaben aus früherer Zeit finden sich in den Akten zwar keine, dennoch
erscheint damit die vom Versicherten vorgenommene Verknüpfung der Lohnangaben
mit den im Raum stehenden Schadenersatzansprüchen kaum als evident. Der nicht
attestierte Lohnanstieg lässt sich vielmehr durchaus auch anders begründen, so
etwa mit betriebswirtschaftlichen und leistungsmässigen Überlegungen oder aber
vor allem auch mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit von rund 33 Jahren zum
Unfallzeitpunkt und der damit verbundenen bereits durchlaufenen
Lohnentwicklung. Der von der Arbeitgeberin attestierte Verdienst liegt nämlich
deutlich über dem für 2016 statistisch ausgewiesenen Durchschnittslohn von im
Sektor "verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren", dem Kompetenzniveau 2
(praktische Arbeiten wie [...] Bedienen von Maschinen) zurechenbare Arbeiten
ausführenden Männern in der Höhe von Fr. 73'479.- (LSE 2014 TA 1: Fr. 5'868.-
x12 x41.3/40 (Anpassung an die betriebsübliche Wochenarbeitszeit, Sektor
"verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren"; Bundesamt für Statistik [Hrsg].
T03.02.03.01.04.01, betriebsübliche Arbeitszeitzeit nach
Wirtschaftsabteilungen, 2004-2017) x104.4/103.3 (Anpassung an die
Nominallohnentwicklung bis 2016, Sektor "verarbeitendes Gewerbe/ Herstellung
von Waren"). Der Durchschnittsverdienst für komplexe praktische Tätigkeiten,
welche ein grosses Wissen in einem Spezialgebiet voraussetzen (Kompetenzniveau
3) in der Höhe von          Fr. 90'020.- ist ebenfalls um einiges überschritten
(TA1 2014:          Fr. 7'189.- x12 x41.3/40 x104.4/103.3).  
Zusammengefasst finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, um von den
Angaben der Arbeitgeberin abzuweichen. 
 
3.5. Die Gegenüberstellung des Validenverdienstes von Fr. 94'175.- und des
Invalideneinkommens von Fr. 53'457.- führt zum von der Suva ihrem
Einsprachentscheid zu Grunde gelegten Invaliditätsgrad von   42 %. Damit
erweist sich die Beschwerde in der Hauptsache als begründet.  
 
4.   
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdegegner zu Lasten der Suva eine pauschale
Parteientschädigung von Fr. 3'000.- mit der Begründung zugesprochen, der
Versicherer habe die massgeblichen versicherungsmedizinischen Aktenwürdigungen
erst im Beschwerdeverfahren getätigt und insbesondere auch erst im
Beschwerdeverfahren eine nachvollziehbare medizinische Erklärung für die
Schätzung des Integritätsschadens vorgenommen. Darauf geht die
Beschwerdeführerin letztinstanzlich mit keinem Wort ein. Soweit sie die
Parteientschädigung als Nebenpunkt überhaupt anfechten will, ist darauf mangels
hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht einzutreten. Damit bleibt
Ziff. 2 das angefochtenen Entscheids bestehen. 
 
5.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
Beschwerdegegner auferlegt, weil er in der Hauptsache unterlegen ist (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Aus demselben Grund wird ihm letztinstanzlich keine
Parteientschädigung zugesprochen (e contrario Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.   Ziff. 1 des
Entscheids des Kantonsgerichts Luzern, 3. Abteilung, vom 14. Oktober 2017 wird
aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (Suva) vom 21. Juni 2016 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt. 
 
3.   
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 20. Juni 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grünvogel 

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