Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.76/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_76/2017

Urteil vom 27. März 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Gabriela Gwerder,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Abteilung
Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. November 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1968 geborene A.________ war ab 5. März 2001, zuletzt als Chief Operating
Officer (COO), bei der B.________ AG, tätig. Mit Schreiben vom 31. Mai 2013
hatte er das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf seinen Plan, Afrika zu
bereisen, per Ende August 2013 aufgelöst. Während des nachfolgenden
Aufenthaltes in Afrika hatte er das Diplom "Recirculation Fish Farming"
erworben. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz meldete er sich am 20. Dezember
2013 zur Arbeitsvermittlung an und am 15. Januar 2014 beantragte er die
Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 20. Dezember 2013. Am
1. April 2014 liess er die Einzelfirma "A.C.________" im Handelsregister
eintragen. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2014 verneinte das Amt für Wirtschaft
und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) einen Anspruch auf Arbeitslosentaggelder ab
20. Dezember 2013 unter Hinweis auf fehlende Vermittlungsfähigkeit. Daran hielt
es auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 2. Februar 2015).

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 29. November 2016).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
und beantragen, es sei festzustellen, dass er vermittlungsfähig sei.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Wie die Sachverhaltsfeststellung ist auch die vorinstanzliche
Ermessensbetätigung im Verfahren vor Bundesgericht nur beschränkt überprüfbar.
Eine Angemessenheitskontrolle (vgl. BGE 126 V 75 E. 6 S. 81 [zu Art. 132 lit. a
OG]) ist dem Gericht verwehrt; es hat nur zu prüfen, ob die Vorinstanz ihr
Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, mithin überschritten, unterschritten oder
missbraucht hat (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Die Beweiswürdigung im
Allgemeinen einschliesslich die Würdigung von Indizien und fallbezogene
Wahrscheinlichkeitsüberlegungen betreffen Tatfragen, die das Bundesgericht
lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit und Rechtsfehlerhaftigkeit hin zu
überprüfen befugt ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Blosse Zweifel an der Richtigkeit
der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ändern an deren
Verbindlichkeitswirkung gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG nichts (vgl. etwa die
Hinweise in Urteil 8C_431/2012 vom 12. Dezember 2012 E. 1.2).

2. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen zur
Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 Abs. 1 AVIG) als Voraussetzung für den Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG) richtig dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Im angefochtenen Entscheid wird für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich festgestellt, der Beschwerdeführer habe im Zeitraum vom 20.
Dezember 2013 bis Ende März 2014 in erster Linie eine auf Dauer ausgerichtete
selbstständige Erwerbstätigkeit angestrebt und sei mit den entsprechenden
Vorbereitungsarbeiten in einem Umfang beschäftigt gewesen, der die Ausübung
einer normalen Arbeitnehmertätigkeit zu den üblichen Zeiten ausgeschlossen
habe. Ab 1. April 2014 habe er das Ziel einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
weiterhin in unvermindertem Ausmass angestrebt auf der Basis einer
Bereitschaftsstellung, die es ihm ermöglicht habe, schnell auf neue Angebote
reagieren zu können. Dabei habe er sich sämtliche Optionen offen halten wollen,
weshalb er damals nicht bereit gewesen sei, die Einzelfirma jederzeit zugunsten
einer Vollzeitanstellung aufzugeben. Aufgrund der Vorbringen des Versicherten
und der Akten (Formulare "Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen") zeichne
sich eine Suchstrategie ab, die darauf angelegt gewesen sei, sich den Rahmen
der persönlichen Arbeitsbemühungen zunutze zu machen, indem er diese für die
Suche nach Projekten zur Realisierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit
gebraucht habe. Damit habe er das System der Arbeitslosenversicherung gezielt
umgangen. Die Vermittlungsfähigkeit sei demzufolge für den gesamten zu
beurteilenden Zeitraum zu verneinen.

3.2. Was der Versicherte letztinstanzlich gegen die Sachverhaltsfeststellung
des kantonalen Gerichts vorbringt, ist nicht stichhaltig. Insbesondere vermag
er nicht dazulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid willkürlich und damit
offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder
in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 132 I 13 E.
5.1 S. 17 f. und BGE 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f. je mit Hinweisen).

3.2.1. Seine Behauptung, er habe die Idee einer selbstständigen
Erwerbstätigkeit lediglich im Sinne einer Option gehabt, um einen Weg aus der
Arbeitslosigkeit zu finden, ist in Berücksichtigung des vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalts nicht überzeugend. Der Beschwerdeführer beendete
sein langjähriges Angestelltenverhältnis bei der B.________ AG nämlich nach
seinen eigenen Schilderungen (bei der Arbeitslosenkasse am 20. Februar 2014 und
beim AWA, Fachstelle Selbstständigkeit, am 30. April 2014 eingegangene
Stellungnahmen), um sich im Bereich "Aquaculture" (Fischzucht und -verkauf)
selbstständig zu machen, was einem lang gehegten Wunsch von ihm entsprochen
habe. Das Abstellen auf diese Angaben "der ersten Stunde", welche unbefangener
und zuverlässiger erscheinen als die späteren Schilderungen des
Beschwerdeführers, die bewusst oder unbewusst von Überlegungen
versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst sein können (BGE 121 V 45
E. 2a S. 47; Urteil 8C_940/2015 vom 19. April 2016 E. 6.3), verletzt kein
Bundesrecht. Im Rahmen der bundesgerichtlichen Kognition ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz gestützt auf eine umfassende Würdigung der
Situation darauf schloss, dass das Bestreben dem Ausbau einer auf Dauer
angelegten Selbstständigkeit galt.

3.2.2. Soweit der Versicherte einwendet, die "breite" Stellensuche sei vom RAV
nie beanstandet worden, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten.
Ebenso wenig lässt sich aus seinem Argument, er habe mehrfach und insbesondere
bereits im Interview beim AWA vom 25. Juli 2014 deutlich gemacht, er verzichte
auf die Selbstständigkeit und sei sofort und jederzeit bereit, eine
unselbstständige Arbeit anzunehmen, eine willkürliche Beweiswürdigung des
kantonalen Gerichts ableiten. Denn auch in der Stellungnahme vom 7. September
2014 gab er noch an, dass die "A.C.________" keine Alibifirma sei; gerade
letzte Woche habe er sich nämlich mit der B.________ AG darüber unterhalten,
dass es für diese unter Umständen interessant sei, Personen für bestimmte
Einsätze als Contractor zu verpflichten, welche (ihrerseits) bei einer
Einzelfirma, GmbH oder AG beschäftigt seien, weil so für die B.________ AG das
Ausstellen eines Arbeitsvertrages mit den damit verbundenen Pflichten entfalle.
Dass sich der Fokus im Laufe der Zeit nicht mehr nur auf eine Selbstständigkeit
im Bereich der Fischzucht bezog, spricht nicht gegen die vorinstanzliche
Verneinung der Vermittlungsbereitschaft und deckt sich im Übrigen mit dem weit
gefassten Zweck der Einzelfirma ("Erbringung von Dienstleistungen im In- und
Ausland, insbesondere in den Bereichen Unternehmungs-, Management- und
Wirtschaftsberatung; Import und Export von Gütern, insbesondere Lebensmittel
und Textilien. Beratung und Vermittlung von Finanzierungs-, Versicherungs- und
Finanzgeschäften.").

3.2.3. Der Beschwerdeführer gibt schliesslich in seiner letztinstanzlichen
Eingabe über weite Strecken lediglich die eigene Sichtweise wieder, wie die
Akten tatsächlich und rechtlich zu würdigen seien, womit unzulässige
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geübt wird (BGE 138 I 171 E.
1.4 S. 176; 137 II 353 E. 5.1 S. 356).

3.3. Zusammenfassend durfte die Vorinstanz mit Blick auf die prospektive
Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit ohne Verletzung von Bundesrecht für den
hier interessierenden Zeitraum annehmen, dass der Versicherte bestrebt war, auf
Dauer als selbstständig Erwerbender tätig zu sein. Da von weiteren Abklärungen
keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten waren, konnte sie darauf
verzichten. Dies verstösst entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht
gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. auf Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2
BV; antizipierte Beweiswürdigung; BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 140 I 285 E. 6.3.1
S. 299). Damit hat es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.

4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Dem Prozessausgang
entsprechend sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 27. März 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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