Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.709/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_709/2017  
 
 
Urteil vom 27. April 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
Bundesrichterin Viscione. 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jiri Mischa Mensik, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Ausstand; Kausalzusammenhang; unentgeltliche
Rechtspflege), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern vom 30. August 2017
(5V 17 180/5U 17 84). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geb. 1962, arbeitete bei der B.________ AG und war über den
Arbeitgeber bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Am 4. Oktober 2014 stürzte sie bei der Arbeit
von einem Podest und verletzte sich am linken Ellenbogen
(Radiusköpfchenfraktur) sowie am linken Fuss (Fraktur des Metatarsale V). Die
Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). In der
Folge nahm die Suva medizinische Abklärungen vor und veranlasste eine
stationäre Rehabilitation in der Klinik C.________. Mit Verfügung vom 18.
August 2015 stellte sie die Versicherungsleistungen per 31. August 2015 ein mit
der Begründung, dass gemäss der kreisärztlichen Untersuchung vom 17. Juli 2014
keine behandlungsbedürftigen Unfallfolgen mehr vorlägen. Die noch geklagten
Beschwerden, insbesondere ein grobmotorischer Tremor und
Bewegungseinschränkungen des linken Arms, seien organisch als Folge des Unfalls
nicht mehr erklärbar, sondern auf psychische Gründe zurückzuführen, die mit dem
Unfall in keinem rechtserheblichen Zusammenhang stünden. Daran hielt sie im
Einspracheentscheid vom 21. November 2014 fest. Das Kantonsgericht Luzern wies
die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. September 2016 ab. Mit
Urteil 8C_723/2016 vom 30. März hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf,
weil das Kantonsgericht die von der Beschwerdeführerin beantragte öffentliche
Verhandlung nicht durchgeführt hatte, und wies die Sache zur Behebung des
Verfahrensmangels und zu neuer Entscheidung an das Kantonsgericht zurück. 
 
B.   
Nach Durchführung der öffentlichen Verhandlung wies das Kantonsgericht die
Beschwerde sowie das inzwischen gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
mit Entscheid vom 30. August 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie Rückweisung an
die Vorinstanz zu neuem Entscheid. Sodann ersucht sie um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Die Suva
stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht schliesst
ebenfalls auf Beschwerdeabweisung, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt
für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
Erwägungen: 
 
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280). Es
ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.   
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass der angefochtene Entscheid
in Verletzung von Ausstandsvorschriften zustande gekommen sei, weil die
Ersatzrichterin D.________ und der Gerichtsschreiber E.________ Teil des
Spruchkörpers gebildet hätten, obwohl sie bereits beim ersten Entscheid des
Kantonsgerichts vom 21. September 2016 mitgewirkt hätten und deswegen befangen
seien. 
 
2.1.   
 
2.1.1. Nach Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jede Person Anspruch
darauf, dass ihre Sache von einem durch Gesetz geschaffenen, zuständigen,
unabhängigen und unparteiischen Gericht ohne Einwirken sachfremder Umstände
entschieden wird. Dieser Anspruch ist verletzt, wenn bei einer Gerichtsperson -
objektiv betrachtet - Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der
Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen (BGE
141 IV 178 E. 3.2.1 S. 179 mit Hinweisen). Solche Umstände können entweder in
einem bestimmten Verhalten der betreffenden Person oder in äusseren
Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Für den
Ausstand wird nicht verlangt, dass die Gerichtsperson tatsächlich befangen ist.
Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein
der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Mit anderen Worten muss
gewährleistet sein, dass der Prozess aus Sicht aller Beteiligten als offen
erscheint (BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 328 f.; 133 I 1 E. 6.2 S. 6).  
Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit und damit Misstrauen in das
Gericht kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn eine Gerichtsperson
mit der gleichen Sache in einem früheren Verfahrensstadium schon einmal befasst
war (vgl. BGE 138 I 425 E. 4.2.1 S. 429; 131 I 113 E. 3.4 S. 116; Urteil 2C_912
/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 2.3). Grundsätzlich liegt jedoch keine
unzulässige Mehrfachbefassung bei einer Gerichtsperson vor, die an einem durch
die Rechtsmittelinstanz aufgehobenen Entscheid beteiligt war und nach
Rückweisung der Sache an der Neubeurteilung mitwirkt. Von der Gerichtsperson
darf erwartet werden, dass sie die Streitsache auch nach Aufhebung des
Entscheids objektiv und unparteiisch behandelt (BGE 116 Ia 28 E. 2a S. 30; 113
Ia 407 E. 2 S. 408 ff.; s. auch BGE 121 I 113 E. 3.6 S. 120; Urteile 1B_27/2016
vom 4. Juli 2016 E. 5.2.1 mit zahlreichen Hinweisen; 8C_720/2015 vom 12. April
2016 E. 2). Die am Entscheid beteiligten Richterinnen und Richter der unteren
Instanz stehen bei einer Rückweisung mithin nicht von vornherein unter dem
Anschein der Befangenheit. Vielmehr bedarf es besonderer Umstände, namentlich
konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Vorbefassung mit einer bestimmten
Angelegenheit bereits zu einer festen richterlichen Gewissheit über den Ausgang
des Verfahrens geführt hat (Urteil 1B_27/2016 vom 4. Juli 2016 E. 5.2.1; vgl.
auch BGE 140 I 326 E. 5.1 S. 329; je mit Hinweisen). 
 
2.1.2. Der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Prinzip der
Verfahrensökonomie verlangen, dass über Ausstandsgründe möglichst vorab und
nicht erst zusammen mit dem Entscheid in der Sache befunden wird (BGE 132 V 93
E. 6.2 S. 106 f.; Urteil 8C_820/2010 vom 22. März 2011 E. 2.2). Demzufolge sind
Ausstandsbegehren sofort nach Entstehen oder Bekanntwerden des Ausstandsgrundes
zu stellen (BGE 140 I 271 E. 8.4.3 S. 275; 138 I 1 E. 2.2 S. 4; 121 I 225 E. 3
S. 229). Dies ergibt sich im Grundsatz auch aus § 15 Abs. 2 des Gesetzes des
Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG-LU; SRL
Nr. 40), der festhält, dass eine Partei, die den Ausstand einer Amtsperson
verlangen will, bei der in der Sache zuständigen Behörde sofort nach
Bekanntwerden oder Entstehen des Ausstandsgrunds ein begründetes Gesuch zu
stellen hat.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Im zweiten Verfahren des Kantonsgerichts (nach Rückweisung durch das
Bundesgericht) bestand der Spruchkörper aus zwei am früheren Entscheid nicht
beteiligten Richtern sowie aus Ersatzrichterin D.________ und Gerichtsschreiber
E.________ (der über eine beratende Stimme verfügte, vgl. § 37a Abs. 1 des
Gesetzes des Kantons Luzern vom 10. Mai 2010 über die Organisation der Gerichte
und Behörden in Zivil-, Straf- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren [JusG,
SRL Nr. 260]), die beide bereits am ersten Entscheid mitgewirkt hatten. Diese
Zusammensetzung war der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Juni 2017
mitgeteilt worden. An der Verhandlung vom 6. Juli 2017 fragte der präsidierende
Richter den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, ob er einen formellen
Antrag betreffend den Ausstand dieser beiden Personen stellen wolle. Diesfalls
würde die Verhandlung unterbrochen und in einem separaten Verfahren über das
Ausstandsbegehren entschieden. Der Rechtsvertreter äusserte daraufhin zwar
Bedenken hinsichtlich der Vorbefassung und machte geltend, die Ausstandsgründe
seien von Amtes wegen abzuklären, verzichtete aber auf ein formelles Gesuch.
Auf diesem Verzicht ist er zu behaften.  
 
2.2.2. Zudem gilt es zu beachten, dass eine Person, auf die ein Ausstandsgrund
zutrifft, zwar von sich aus in den Ausstand treten muss (vgl. BGE 134 I 20 E.
4.3.2 S. 2; § 15 Abs. 1 VRG-LU), die hier Betroffenen allerdings keinen Anlass
dazu hatten. Denn die Aufhebung und Rückweisung war einzig aus formellen
Gründen erfolgt, ohne dass sich das Bundesgericht zur Sache geäussert hätte.
Angesichts des Fehlens von materiellen Vorgaben im Rückweisungsentscheid waren
die Ersatzrichterin und (im Rahmen seiner Kompetenzen) der Gerichtsschreiber
frei, ihre frühere Überzeugung zu bestätigen oder auf ihre Entscheidung
zurückzukommen. Es bestehen zudem keine Anzeichen dafür, dass sich diese beiden
Personen in Bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu
entscheidenden Rechtsfragen bereits in einem solchen Mass festgelegt hätten,
dass das Verfahren nicht mehr als offen erschienen wäre (zumal nicht bekannt
ist, ob die jeweiligen Entscheidungen einstimmig oder mit einfacher Mehrheit
getroffen wurden). Solche Anhaltspunkte ergeben sich - entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin - insbesondere auch nicht daraus, dass der hier angefochtene
Entscheid vom 30. August 2017 über weite Teile die gleiche Begründung und
gleiche Formulierungen aufweist wie der Entscheid vom 21. September 2016.
Soweit das Kantonsgericht in der neuen Besetzung, nach Behebung des
Verfahrensmangels und in Würdigung des Parteivortrags zu demselben Ergebnis
gelangte, brauchte es nicht zwingend auf die Formulierungen zurückzukommen.
Denn es wäre der Sache kaum dienlich gewesen, wenn dasselbe Resultat gleichsam
künstlich neu formuliert begründet worden wäre (Urteile 1B_27/2016 vom 4. Juli
2016 E. 5.3.2; 1P.40/1999 vom 31. Januar 2000 E. 2c). Im Übrigen erfüllte das
kantonale Gericht damit (entgegen der Beschwerdeführerin) auch die
Anforderungen an einen "neuen materiellen Entscheid", hatte das Bundesgericht
der Vorinstanz doch mit dieser Wortwahl nicht aufgetragen, in der Sache anders
zu entscheiden. Die Rüge erweist sich damit als unbegründet.  
 
3.   
 
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie den von der Beschwerdegegnerin verfügten Fallabschluss per 31. August 2014
schützte.  
 
3.2. Im angefochtenen Entscheid sowie im Einspracheentscheid vom 21. November
2014 werden die rechtlichen Grundlagen zutreffend dargelegt. Dies betrifft die
Ausführungen zum Gegenstand der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG), zu
Fallabschluss und allfälligem Beginn des Anspruchs auf eine Invalidenrente (
Art. 19 Abs. 1 UVG) sowie zum Beweiswert ärztlicher Berichte. Gleiches gilt für
die Erläuterungen zum natürlichen Kausalzusammenhang sowie zur adäquaten
Kausalität, insbesondere von psychischen Fehlentwicklungen nach mittelschweren,
im Grenzbereich zu den leichten Unfällen liegenden Ereignissen. Darauf wird
verwiesen.  
 
3.3. In ausführlicher Würdigung der medizinischen Akten, die im angefochtenen
Entscheid zutreffend zusammengefasst sind, kam die Vorinstanz zum Ergebnis,
bezüglich des grobmotorischen Tremors im linken Arm fehle es am Nachweis
objektivierbarer organischer Unfallfolgen. Auch sei nicht zu beanstanden, dass
die Beschwerdegegnerin keine weiteren neurologischen Abklärungen zur Ursache
dieses Tremors und zum von der Beschwerdeführerin behaupteten komplexen
regionalen Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome [CRPS], auch Morbus
Sudeck genannt) getroffen habe. Denn keiner der involvierten Fachärzte habe
Anhaltspunkte gesehen oder erwähnt, die für ein CRPS gesprochen hätte,
geschweige denn eine entsprechende (Verdachts-) Diagnose gestellt. Daran ändere
auch nichts, dass gemäss den Ausführungen der Versicherten anlässlich der
öffentlichen Verhandlung vom 6. Juli 2017 insbesondere die Radiusfraktur das
häufigste einem Morbus Sudeck vorausgehende Trauma sei und weitere Anzeichen
dafür bestünden. Die von der Beschwerdeführerin selbst als typische Beschwerden
eines CRPS erwähnten klinischen Symptome wie Schwellungen, Haut- und
Temperaturveränderungen seien von keinem der Fachärzte beobachtet worden und
auch der Hausarzt habe derartige Beschwerden in keinem seiner Berichte erwähnt.
Im Übrigen hätten alle involvierten Fachärzte Symptomausweitungen in Form einer
Zunahme der Bewegungsstörungen in Situationen mit zugewendeter Aufmerksamkeit
beschrieben, während das grobmotorische Zittern in nicht beobachteten Momenten
abgenommen oder ganz aufgehört habe. Die Fachärzte hätten den Tremor daher als
psychogen eingestuft. Bei dieser Sachlage seien weitere polydisziplinäre
Abklärungen nicht notwendig.  
Bei der Prüfung, ob diese psychischen Beschwerden allenfalls in einem adäquaten
Kausalzusammenhang mit dem Unfall stünden, ging die Vorinstanz davon aus, dass
es sich beim Sturz vom 4. Oktober 2013 um einen mittelschweren Unfall im
Grenzbereich zu den leichten Ereignissen gehandelt habe. Die von der
Rechtsprechung (BGE 115 V 133 E. 6c S. 140) in diesem Fall für die Bejahung der
Adäquanz geforderten unfallbezogenen Kriterien seien allesamt nicht erfüllt, so
dass es an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und
den organisch nicht objektivierbar ausgewiesenen Unfallfolgen, insbesondere dem
Tremor, fehle. Angesichts der umfangreichen Abklärungen der Beschwerdegegnerin
könne sowohl auf die beantragten Zeugenbefragungen zweier behandelnder Ärzte
als auch die Einholung eines polydisziplinären Gutachtens und eine
Parteibefragung verzichtet werden, weil nicht erkennbar sei, inwiefern daraus
neue entscheidwesentliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten. 
 
4.   
 
4.1. Die Beschwerdeführerin wirft dem kantonalen Gericht im Wesentlichen vor,
ihren Gehörsanspruch verletzt zu haben, indem es die beantragten
Beweismassnahmen in unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt habe.
Im Übrigen verweist sie für die materielle Begründung ihrer Beschwerdeanträge
"integrierend" auf ihre gegen den Entscheid des Kantonsgerichts vom 21.
September 2016 gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
 
 
4.2. Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG haben Rechtsschriften die Begehren und
deren Begründung zu enthalten; in der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt schweizerisches Recht (Art. 95 BGG)
verletze bzw. der Sachverhalt (offensichtlich) unrichtig festgestellt worden
sei (vgl. Art. 97 BGG). Die Begründung hat sachbezogen zu sein und sich auf die
massgebliche Streitfrage zu beziehen; die Beschwerde führende Partei hat in
gezielter Auseinandersetzung mit den für das Ergebnis des angefochtenen
Entscheids massgeblichen Erwägungen plausibel aufzuzeigen, welche Rechte bzw.
Rechtsnormen die Vorinstanz verletzt oder weshalb sie den Sachverhalt
(offensichtlich) unrichtig festgestellt haben soll (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88
f. mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein
gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das
Bundesgericht nicht ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S.
266 mit Hinweisen; Urteil 8C_562/2017 vom 26. Januar 2018 E. 2.2).  
Die Begründung muss in der Rechtsschrift enthalten sein, der blosse Verweis auf
andere Eingaben oder Dokumente genügt nicht (vgl. etwa BGE 138 IV 47 E. 2.8.1
S. 54; 134 I 303 E. 1.3 S. 306; 133 II 396 E. 3.2 S. 399 f.; Urteil 2C_1078/
2017 vom 8. Januar 2018 E. 2). Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob auf eine
Rechtsschrift vor unterer Instanz oder auf eine frühere Rechtsschrift vor der
gleichen Instanz verwiesen wird (Urteil 9C_537/2014 vom 12. März 2015 E. 6;
vgl. LAURENT MERZ, in: Basler Kommentar zum BGG, Basel 2011, N. 52 und 56 f. zu
Art. 42 Abs. 2 BGG). 
 
4.2.1. Mit dem blossen Verweis auf die Beschwerdeschrift im früheren Verfahren
8C_723/2016 vermag die Beschwerdeführerin den Begründungsanforderungen somit
nicht zu genügen. Denn mit dem neuen vorinstanzlichen Entscheid vom 31. August
2017 liegt der vorliegenden Beschwerde ein neues Anfechtungsobjekt zugrunde, zu
dem sich die Beschwerdeführerin sachbezogen hätte äussern müssen. Daran vermag
auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich das Bundesgericht im Urteil 8C_723
/2016 vom 30. März 2017 nicht zu den materiellen Vorbringen geäussert hatte.
Auf die entsprechenden Rügen kann somit nicht eingegangen werden.  
 
4.2.2. Zur behaupteten Gehörsverletzung ist festzuhalten, dass der Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) - entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin - grundsätzlich kein Recht auf mündliche Anhörung mit
einschliesst. (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 130 II 425 E. 2.1 S. 428 f.). Eine
Parteibefragung durfte daher bereits aus diesem Grund unterbleiben, zumal
vorliegend keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich das Gericht im Rahmen
einer mündlichen Anhörung einen unmittelbaren persönlichen Eindruck von der
Beschwerdeführerin hätte verschaffen müssen (vgl. BGE 142 I 188 E. 33 S. 193).
Hinzu kommt, dass sich aus dem Gehörsanspruch keine allgemeine Pflicht der
Behörde zur Abnahme aller angebotenen Beweise und zur Würdigung sämtlicher
Argumente ableiten lässt. Vielmehr kann ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn
die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde sich ihre Meinung aufgrund zuvor
erhobener Beweise bereits bilden konnte und sie ohne Willkür in
vorweggenommener, antizipierter Beweiswürdigung annehmen darf, die gewonnene
Überzeugung werde durch weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert (BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236; 134 I 140 E. 5.3 S. 148; 131 I 153 E. 3 S. 157; Urteil
2C_408/2017 vom 12. Februar 2018 E. 3.2). Vorliegend setzte sich die Vorinstanz
gründlich und sorgfältig mit den medizinischen Berichten und Unterlagen
auseinander und ging auf die Vorbringen des mündlichen Parteivortrags vom 6.
Juli 2017 ein. Daher erweist sich ihr Verzicht auf die Erhebung weiterer
Beweise nicht als bundesrechtswidrig. An diesem Ergebnis vermag auch die
Argumentation der Beschwerdeführerin nichts zu ändern, beschränkt sie sich doch
auf die blosse, nicht weiter begründete Behauptung, sie hätte anlässlich des
Parteivortrags die Unfallkausalität des CRPS nachgewiesen (wobei offen bleiben
kann, ob diese Begründung den Anforderungen des Art. 42 BGG zu genügen vermag).
In der Hauptsache erweist sich die Beschwerde damit klar als unbegründet.  
 
5.   
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, das kantonale Gericht habe ihre
Bedürftigkeit fälschlicherweise verneint und ihr daher die unentgeltliche
Rechtspflege zu Unrecht verweigert. 
 
5.1.   
 
5.1.1. Die Vorinstanz legte die rechtlichen Grundlagen zum Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV; Art. 61 lit. f ATSG) und zur
prozessualen Bedürftigkeit (vgl. BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E.
2.5.1 S. 232) zutreffend dar, worauf verwiesen wird. Anzufügen ist, dass das
Bundesgericht frei prüft, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit im
Sinne von Art. 29 Abs. 3 BV zutreffend gewählt worden sind; die tatsächlichen
Feststellungen der kantonalen Behörden dagegen werden nur auf Willkür hin
überprüft (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 mit Hinweis), beziehungsweise im Rahmen
von Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
5.1.2. Das kantonale Gericht stellte fest, dass die Beschwerdeführerin kein
Einkommen erzielt und sich der durchschnittliche Monatsverdienst des Ehegatten
(inkl. Anteil am 13. Monatslohn) auf Fr. 4'902.15 beläuft. Davon zog es einen
Grundbetrag von Fr. 2'040.- (Ansatz für Ehepaar von Fr. 1'700.-; Zuschlag von
20 % = Fr. 340.-), die monatlichen Wohnkosten von Fr. 1'295.- und die Prämien
für die obligatorische Krankenversicherung für beide Eheleute (Fr. 811.70) ab.
Ob dem Auto des Ehemanns, der Schichtarbeit leistet und teilweise um 5 Uhr
morgens beginnt, angesichts des kurzen Arbeitswegs von 3.5 km
Kompetenzcharakter zukommen kann, liess es zwar offen, rechnete den geltend
gemachten Abzug für die Kosten der Autoversicherung von monatlich Fr. 102.-
jedoch an. Weitere Abzüge für die Anteile an Steuerschulden und privaten
Schulden verweigerte es hingegen und errechnete einen prozessualen Notbedarf
von Fr. 4'248.95. Der resultierende Überschuss von Fr. 653.20 pro Monat
ermögliche es der Beschwerdeführerin, die Kosten für das Verfahren innert eines
Jahrs zu tilgen, so dass ihre Bedürftigkeit zu verneinen sei.  
 
5.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, das kantonale Gericht habe die
belegten, monatlichen Lohnpfändungen (zuletzt Fr. 900.-) nicht berücksichtigt
und den Notbedarf damit zu tief angesetzt. Die Rüge ist im Grundsatz
berechtigt, weil nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verfallene
(Steuer-) Schulden bei der Beurteilung der prozessualen Bedürftigkeit zu
berücksichtigen sind, soweit sie effektiv abbezahlt werden (BGE 135 I 221 E.
5.2 S. 224 ff.; Urteil 1B_425/2016 vom 14. März 2017 E. 4.1 und 4.2;.vgl.
ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar ZPO, 2012 N. 198 zu Art. 117 ZPO mit
Hinweisen; derselbe, Die Prozessarmut, in: Gerichtskosten, Parteikosten,
Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, 2001, S. 176 ff.). Insbesondere
sind laufende Lohnpfändungen einzubeziehen, weil sie die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Gesuchstellers, d.h. die ihm tatsächlich zur Verfügung
stehenden Mittel, direkt beschränken (vgl. Urteile 5A_331/2016 vom 29. November
2016 E. 2.3.2; 6B_883/2016 vom 28. Februar 2017 E. 10.5.6; 5P.250/2002 vom 20.
September 2002 E. 4.3; DANIEL WUFFLI, Die unentgeltliche Rechtspflege in der
Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 292; zum Effektivitätsgrundsatz:
STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege [Art. 29 Abs.
3 BV], 2008, S. 79 und 93). Vorliegend stellt sich angesichts der variierenden
Beträge der monatlichen Lohnpfändungen die Frage, ob - mit der
Beschwerdeführerin - auf den letzten, der Vorinstanz bekannten Betrag von Fr.
900.- oder einen Durchschnittswert (aus einem noch zu bestimmenden Zeitraum)
abgestellt werden soll). Dies kann allerdings offen gelassen werden. Denn der
Durchschnittswert aller der Vorinstanz vorgelegten Lohnpfändungen (Januar 2016
bis Juni 2017) beträgt Fr. 591.90, derjenige der letzten zwölf Monate Fr.
711.45 und der Durchschnitt der letzten sechs Monate Fr. 456.20. Bei keinem
dieser Beträge würde ein hinreichend grosser Überschuss resultieren, der es der
Beschwerdeführerin und ihrem Gatten ermöglichte, die Prozesskosten innert
nützlicher Frist (vgl. BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 372) zu begleichen. Die
prozessuale Bedürftigkeit ist damit in jedem Fall ausgewiesen. Damit erübrigt
es sich zu prüfen, ob die ebenfalls geltend gemachten Mehrkosten für auswärtige
Verpflegung des Schicht arbeitenden Ehegatten zum Abzug zuzulassen wären (wozu
sich die Vorinstanz nicht geäussert hat). Die Vorinstanz verneinte den Anspruch
auf unentgeltliche Rechtspflege somit zu Unrecht. Insofern ist der angefochtene
Entscheid aufzuheben, der Beschwerdeführerin für das kantonale Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen und Rechtsanwalt Jiri Mischa Mensik als
unentgeltlicher Rechtsanwalt zu bestellen. Zur Festlegung seiner Entschädigung
ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
6.   
 
6.1. Die Beschwerde ist somit, soweit sie die Parteientschädigung betrifft,
teilweise gutzuheissen. Im Übrigen ist sie abzuweisen.  
 
6.2. In Bezug auf den Hauptpunkt sind die Begehren der Beschwerdeführerin als
von vornherein aussichtslos zu bezeichnen, so dass ihr dafür weder eine
Kostenbefreiung noch eine Parteientschädigung zusteht (Art. 64 BGG). Zufolge
ihres Unterliegens im Hauptpunkt hat sie drei Viertel der Gerichtsgebühr zu
tragen. Dem Kanton Luzern werden keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Hingegen hat er der Beschwerdeführerin für das Obsiegen im Nebenpunkt
betreffend unentgeltliche Rechtspflege eine reduzierte Parteientschädigung
auszurichten (vgl. Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 109 Ia 5 E. 5 S. 11 f.; Urteil
5A_504/2015 vom 22. Oktober 2015 E. 4, nicht publ. in BGE 141 III 560; Urteil U
24/93 vom 24. September 1993 E. 5, in: RKUV 1994 U Nr. 184 S. 77). Angesichts
des dafür erforderlichen geringen Aufwands erscheint ein Betrag von Fr. 800.-
als angemessen. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht wird in diesem Umfang
gegenstandslos.  
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Ziff. 2 des Entscheids des
Kantonsgerichts Luzern vom 30. August 2017 wird aufgehoben. Der
Beschwerdeführerin wird für das kantonale Verfahren die unentgeltliche
Rechtspflege erteilt und Rechtsanwalt Jiri Mischa Mensik als unentgeltlicher
Anwalt bestellt. Die Sache wird zum neuen Entscheid über die
Parteientschädigung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die
Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen,
soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 800.- werden zu drei Vierteln (Fr. 600.-)
der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.   
Der Kanton Luzern hat die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor
Bundesgericht mit Fr. 800.- zu entschädigen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 3. Abteilung, und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 27. April 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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