Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.678/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_678/2017  
 
 
Urteil vom 12. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine. 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Procap für Menschen mit Handicap, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 29. August 2017 (VSBES.2017.44). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ ist Mutter von zwei Kindern (geboren 1996 und 1999). Seit März 2009
arbeitete sie mit einem 50%-Pensum als Sekretärin. Am 19. Juli 2013 meldete
sich wegen einer seit 2009 anhaltende Erschöpfungsdepression bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons
Solothurn erteilte der Versicherten mehrfach Kostengutsprache für ein
wiederholt verlängertes Aufbautraining. Nach erwerblichen und medizinischen
Abklärungen verneinte die IV-Stelle sowohl einen Rentenanspruch als auch einen
Anspruch auf weitere berufliche Massnahmen (Verfügung vom 4. Januar 2017). 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A.________ wies das Versicherungsgericht
des Kantons Solothurn ab (Entscheid vom 29. August 2017). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________
beantragen, der angefochtene Gerichtsentscheid und die Verfügung der IV-Stelle
vom 4. Januar 2017 seien aufzuheben. Ihr sei ab Februar 2014 eine
Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen
an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Während das kantonale Gericht und die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung
schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine
Vernehmlassung. Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zur
zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechungsänderung betreffend Invalidität bei
psychischen Leiden hielten die Parteien an ihren Standpunkten fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Strittig ist, ob die Vorinstanz zu Recht bestätigt hat, dass die Versicherte
keinen Anspruch auf eine Invalidenrente hat. 
 
3.   
 
3.1. Das kantonale Gericht führte aus, die Beschwerdeführerin vermöge trotz
ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein rentenausschliessendes Einkommen
zu erzielen. Der Beweiswert des psychiatrischen Gutachtens des Dr. med.
B.________ vom 11. Februar 2016 (nachfolgend: psychiatrisches Gutachten) sei im
Grundsatz unbestritten. Soweit Dr. med. B.________ in Bezug auf eine
leidensangepasste Vollzeittätigkeit von einer 70%-igen Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit ausging, wichen Verwaltung und Vorinstanz jedoch vom
psychiatrischen Gutachten ab. Stattdessen stützten sie sich diesbezüglich auf
die Aktenbeurteilungen des Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) der
Invalidenversicherung. Er vertrat die Auffassung, es seien - sich verändernde -
psychosoziale Belastungsfaktoren infolge des laufenden Ehescheidungsverfahrens
mitzuberücksichtigen. Mittelgradige depressive Episoden vermöchten zwar die
Leistungsfähigkeit erheblich einzuschränken, jedoch nicht weitgehend
aufzuheben. Die Arbeitsunfähigkeit sei deshalb höchstens auf 50% anzusetzen.
Laut angefochtenem Entscheid fallen leichte bis mittelschwere depressive
Störungen praxisgemäss nur dann als invalidisierende Krankheiten in Betracht,
wenn sie therapieresistent sind. Eine Therapieresistenz sei hier jedoch nicht
mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen. Die diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien
daher nicht geeignet, eine erhebliche Erwerbsunfähigkeit zu begründen.  
 
3.2. Demgegenüber argumentiert die Beschwerdeführerin, ab August 2015 wäre sie
ohne Gesundheitsschaden zu 100% erwerbstätig gewesen. Die Nichtanerkennung des
invalidenversicherungsrechtlichen Status als hypothetisch Vollerwerbstätige
verletze Bundesrecht. Aus gesundheitlichen Gründen vermöge sie nur knapp ein
30%-Pensum zu absolvieren. Gestützt auf das massgebende beweiskräftige
psychiatrische Gutachten sei in Bezug auf eine leidensangepasste
Vollzeit-Tätigkeit von einer 70%-igen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Indem die
Vorinstanz in Anwendung der früheren - inzwischen jedoch geänderten -
Rechtsprechung zur Therapieresistenz und zum erforderlichen Schweregrad bei
depressiven Störungen von der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung des psychiatrischen
Experten abgewichen sei, habe sie ebenfalls Bundesrecht verletzt.  
 
4.   
Die Verwaltung stellte im Rahmen der Haushaltsabklärung vom 15. April 2016
fest, dass die Versicherte ohne gesundheitliche Einschränkungen mit dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu 80% erwerbstätig wäre und zu
20% im Aufgabenbereich Haushalt arbeiten würde. Nachdem die Fachperson
Haushaltsabklärung der Beschwerdeführerin im Anschluss an die Erhebungen vom
15. April 2016 erklärt hatte, wie der Invaliditätsgrad nach der gemischten
Methode zu berechnen sei, liess Letztere gemäss Abklärungsbericht verlauten,
dann hätte sie der Abklärungsfachperson offenbar besser sagen sollen, dass sie
als Gesunde zu 100% erwerbstätig wäre, um dadurch eine Rente zu erhalten.
Seither macht die Versicherte geltend, ohne Gesundheitsschaden hätte sie
spätestens ab August 2015 ihr Pensum auf 100% erhöht. 
 
4.1. Die Statusfrage, das heisst ob eine versicherte Person im Gesundheitsfall
ganz, teilzeitlich oder überhaupt nicht erwerbstätig wäre, ist hypothetisch zu
beurteilen, unter Berücksichtigung ihrer ebenfalls hypothetischen
Willensentscheidungen. Diese Entscheidungen sind als innere Tatsachen einer
direkten Beweisführung nicht zugänglich und müssen in aller Regel aus äusseren
Indizien erschlossen werden. Soweit die Beurteilung hypothetischer
Geschehensabläufe auf Beweiswürdigung beruht, handelt es sich um eine Tatfrage,
selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung
mitberücksichtigt werden. Die auf einer Würdigung konkreter Umstände basierende
Festsetzung des hypothetischen Umfanges der Erwerbstätigkeit ist für das
Bundesgericht daher verbindlich, ausser wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung beruht. Rechtsfragen sind hingegen Folgerungen,
die ausschliesslich - losgelöst vom konkreten Sachverhalt - auf die allgemeine
Lebenserfahrung gestützt werden oder die Frage, ob aus festgestellten Indizien
mit Recht auf bestimmte Rechtsfolgen geschlossen worden ist (BGE 133 V 504 E.
3.2 S. 507; SVR 2018 IV Nr. 7 S. 23, 8C_157/2017 E. 1.3 mit Hinweisen).  
 
4.2.   
 
4.2.1. Für die Bemessung der Invalidität von erwerbstätigen Versicherten ist 
Art. 16 ATSG anwendbar (Art. 28a Abs. 1 IVG). Danach wird für die Bestimmung
des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach
Eintritt der Invalidität und Durchführung der medizinischen Behandlung und
allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei
ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum
Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre
(Art. 16 ATSG). Dies ist die allgemeine Methode des Einkommensvergleichs mit
den Untervarianten des Schätzungs- oder Prozentvergleichs (BGE 114 V 310 E. 3a
S. 313) und der ausserordentlichen Methode (BGE 128 V 29; SVR 2018 IV Nr. 7 S.
23, 8C_157/2017 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
4.2.2. Bei Versicherten, die nur zum Teil erwerbstätig sind oder die
unentgeltlich im Betrieb des Ehegatten oder der Ehegattin mitarbeiten, wird für
diesen Teil die Invalidität nach Art. 16 ATSG festgelegt. Waren sie daneben
auch im Aufgabenbereich tätig, so wird die Invalidität für diese Tätigkeit nach
Art. 28a Abs. 2 IVG festgelegt. In diesem Fall sind der Anteil der
Erwerbstätigkeit oder der unentgeltlichen Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten
oder der Ehegattin und der Anteil der Tätigkeit im Aufgabenbereich festzulegen
und der Invaliditätsgrad in beiden Bereichen zu bemessen (Art. 28a Abs. 3 IVG).
Dies ist die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung (vgl. BGE 137 V 334;
vgl. auch BGE 141 V 15 E. 3.2 S. 20 f.). Die Invalidität ergibt sich aus der
Addierung der in beiden Bereichen ermittelten und gewichteten Teilinvaliditäten
(vgl. Art. 28a Abs. 3 IVG; BGE 130 V 393 E. 3.3 S. 396; Urteil 9C_399/2016 vom
18. Januar 2017 E. 4.1.1 mit Hinweisen). Die gemischte Methode findet weiterhin
Anwendung auf Fälle der erstmaligen Zusprechung oder Verweigerung einer Rente
an eine während des massgebenden Beurteilungszeitraums als teilerwerbstätig
(mit Aufgabenbereich) zu qualifizierende Person (SVR 2018 IV Nr. 7 S. 23,
8C_157/2017 E. 3.5 mit Hinweisen).  
 
4.3. Ausgehend von einem 80%-igen Erwerbspensum und einer psychisch bedingten
Einschränkung der Leistungsfähigkeit von 50% gelangte die Abklärungsfachperson
in Anwendung der gemischten Methode (E. 4.2.2 hievor) zu einem Invaliditätsgrad
von (gerundet) 33%. In der Folge kündigte die IV-Stelle der Beschwerdeführerin
mit Vorbescheid vom 13. Juni 2016 an, basierend auf diesem Invaliditätsgrad
bestehe kein Rentenanspruch. Weshalb Verwaltung und Vorinstanz bei gegebener
Ausgangslage im weiteren Verlauf des Verfahrens die Auffassung vertraten, ein
Einkommensvergleich erübrige sich und die Statusfrage könne ebenfalls
offenbleiben, ist nicht nachvollziehbar. Dass die Versicherte unabhängig von
der Grösse des Erwerbspensums in jedem Falle ein rentenausschliessendes
Einkommen zu erzielen vermöge, trifft nicht zu. Denn selbst wenn gemäss
angefochtenem Entscheid von einer invalidenversicherungsrechtlich relevanten
Arbeitsunfähigkeit von (bloss) 50% auszugehen wäre (vgl. dazu nachfolgend E.
5), würde dies basierend auf den bisher unbestritten gebliebenen
Einkommensvergleichsfaktoren gemäss Haushaltsabklärungsbericht vom 22. April
2016 bei einem Status als Vollerwerbstätige offensichtlich zu einem
anspruchsbegründenden Invaliditätsgrad von jedenfalls mehr als 40% führen.  
 
4.4. Was die Beschwerdeführerin jedoch gegen den von der Verwaltung
ursprünglich festgestellten Status als Erwerbstätige mit 80%-Pensum und
20%-iger Beschäftigung im Aufgabenbereich Haushalt vorbringt, ist unbegründet.
Nach der Beweismaxime der "Aussage der ersten Stunde" waren die ursprünglichen
Angaben der Versicherten gegenüber dem psychiatrischen Gutachter und der
Abklärungsfachfrau noch unbeeinflusst von den nachträglichen Überlegungen
versicherungsrechtlicher Art (vgl. BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit Hinweis; SVR
2015 BVG Nr. 37 S. 138, 9C_141/2014 E. 4.2.1). Dies im Gegensatz zu den
Anmerkungen der Beschwerdeführerin am Ende der Haushaltsabklärung (vgl. dazu
hievor E. 4 Ingress). Zur Begründung, weshalb sie ab August 2015 ein
Vollerwerbspensum aufgenommen hätte, beruft sie sich darauf, zwar habe ihr
psychisch angeschlagener volljähriger Sohn damals noch bei ihr zu Hause
gewohnt. Sie habe ihn auch finanziell unterstützt. Doch sei das jüngere Kind
(Tochter) ab August 2015 während eines einjährigen Aufenthaltes in der Romandie
nur noch über das Wochenende zu ihr heimgekehrt. Deshalb wäre sie als Gesunde
ab August 2015 sicher zu 100% erwerbstätig gewesen. Obwohl der
Beschwerdeführerin diese Umstände bereits anlässlich der psychiatrischen
Exploration und der Haushaltsabklärung im Februar beziehungsweise April 2016
längst bekannt waren, deklarierte sie damals ihr hypothetisches Erwerbspensum
übereinstimmend mit 80%.  
 
4.5. Zusammenfassend legt die Versicherte nicht dar, inwiefern Verwaltung und
Vorinstanz Bundesrecht verletzten, indem sie im Ergebnis darauf schlossen, dass
die Beschwerdeführerin im Gesundheitsfall überwiegend wahrscheinlich mit einem
Pensum vom 80% erwerbstätig und zu 20% im Aufgabenbereich Haushalt beschäftigt
gewesen wäre.  
 
5.   
Es bleibt zu prüfen, ob die IV-Stelle und das kantonale Gericht zu Recht von
einer nur 50%-igen Einschränkung der Leistungsfähigkeit ausgegangen sind. 
 
5.1. Gemäss psychiatrischem Gutachten vermag die Beschwerdeführerin infolge
ihrer psychischen Gesundheitsstörung eine leidensangepasste Tätigkeit wegen
starker Erschöpfbarkeit, kognitiver Beeinträchtigungen und verminderter
Belastbarkeit unter Berücksichtigung eines erhöhten Pausen- und
Erholungsbedarfs nur noch mit einer Arbeitsfähigkeit von 30% auszuüben. Obwohl
der Gutachter den Anteil psychosozialer Einflussfaktoren nicht quantifiziert
hatte, schätzte der RAD-Psychiater die Arbeitsfähigkeit gestützt auf seine
reine Aktenbeurteilung vom 23. März 2016 - abweichend vom Experten - auf bloss
50%. Das kantonale Gericht folgte auf der Grundlage der damaligen
Rechtsprechung (BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197 mit Hinweis; vgl. dazu auch das zur
Publikation in der Amtlichen Sammlung bestimmte Urteil 8C_841/2016 vom 30.
November 2017 E. 4.1) der RAD-psychiatrischen Aktenbeurteilung. Mittelgradige
psychiatrische Episoden seien in der Regel gut therapierbar. Eine
Therapieresistenz sei nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad nachgewiesen.
Deshalb könne nicht auf die Arbeitsfähigkeitsbeurteilung des Gutachters
abgestellt werden.  
 
5.2. Angesichts der von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen - unbestritten
beweiskräftigen - psychiatrischen Expertise hat das kantonale Gericht den
Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und die bundesrechtlichen Vorgaben
an den Beweiswert versicherungsinterner ärtzlicher Berichte verletzt, indem es
der reinen Aktenbeurteilung des RAD-Psychiaters folgte und auf ergänzende
versicherungsexterne Abklärungen zur massgebenden psychisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit verzichtete (SVR 2017 IV Nr. 13 S. 31, 8C_452/2016 E.
4.2.3). Die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit des RAD-Arztes unterscheidet sich
wesentlich von jener des psychiatrischen Experten. Die Einholung eines neuen
psychiatrischen Gutachtens ist jedoch auch aus folgenden Gründen unerlässlich.
 
 
5.3. Das Bundesgericht hat mit dem zur Publikation vorgesehenen Urteil 8C_130/
2017 vom 30. November 2017 erkannt, dass grundsätzlich sämtliche psychischen
Erkrankungen einem strukturierten Beweisverfahren nach Massgabe von BGE 141 V
281 zu unterziehen sind. Im ebenfalls zur Publikation vorgesehenen Urteil
8C_841/2016 mit demselben Datum hielt es im Speziellen in Bezug auf leichte bis
mittelschwere depressive Störungen fest, eine invalidenversicherungsrechtlich
relevante psychische Gesundheitsschädigung sei nicht mehr mit dem Argument der
fehlenden Therapieresistenz auszuschliessen. Dabei bekräftigte das
Bundesgericht in E. 4.2.1 seine Rechtsprechung gemäss BGE 127 V 294 E. 4c S.
298, wonach die Therapierbarkeit eines Leidens dem Eintritt einer
rentenbegründenden Invalidität nicht absolut entgegenstehe. In der
Folgeerwägung hielt es fest, diese Grundsätze stünden im Einklang mit der
Rechtsprechung zu den psychosomatischen Leiden gemäss BGE 141 V 281, wonach die
grundsätzlich gegebene Therapierbarkeit (als Indiz) in die gesamthaft
vorzunehmende allseitige Beweiswürdigung miteinzubeziehen sei (Urteil 8C_398/
2017 vom 1. März 2018 E. 5.1 mit Hinweis).  
 
5.4. Nach dem Gesagten ist den diagnostizierten psychischen Störungen -
entgegen dem angefochtenen Entscheid - weder mangels Ausschöpfung der
zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten noch infolge des Schweregrades jede
invalidenversicherungsrechtliche Relevanz abzusprechen. Soweit Verwaltung und
Vorinstanz basierend auf der früheren Rechtsprechung von der
Arbeitsfähigkeitsbeurteilung des psychiatrischen Gutachters abwichen und den
Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität verneinten, kann daran nicht
festgehalten werden. Schlüssige medizinische Ausführungen, die eine
zuverlässige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im nunmehr anzuwendenden
strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 208 erlauben würden, liegen nicht
vor. Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache an die
IV-Stelle zurückzuweisen, damit sie ein den Grundsätzen von BGE 141 V 281
entsprechendes psychiatrisches Gutachten einhole, wobei auf die Fragen nach
Therapieerfolg bzw. -resistenz und nach invaliditätsfremden psychosozialen
Faktoren ein besonderes Augenmerk zu richten sein wird. Gestützt auf dieses
Gutachten wird sie in Berücksichtigung des gesundheitlichen Verlaufs basierend
auf dem Status gemäss Erwägung 4 hievor erneut über die Sache zu entscheiden
haben.  
 
6.   
 
6.1. Die Rückweisung der Sache zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der
Auferlegung der Gerichtskosten und der Parteientschädigung als vollständiges
Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig
davon, ob sie beantragt und ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im
Eventualantrag gestellt wird (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen).  
 
6.2. Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs.
1 Satz 1 BGG) und der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (
Art. 68 Abs. 2 BGG).  
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 29. August 2017 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 4. Januar 2017 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die
IV-Stelle des Kantons Solothurn zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde
abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. März 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben