Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.638/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_638/2017  
 
 
Urteil vom 25. Januar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, nebenamtlicher Bundesrichter An. Brunner, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
 GastroSocial Pensionskasse, Buchserstrasse 1, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision; Wiedererwägung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
12. Juli 2017 (VBE.2016.560). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1969 geborene A.________ meldete sich am 25. Februar 2002 unter Hinweis auf
Nackenschmerzen, ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom und Angstzustände bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich
führte erwerbliche und medizinische Abklärungen durch, insbesondere holte sie
das Gutachten des PD Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH Psychiatrie
Psychotherapie, vom 7. Februar 2003 ein. Mit Verfügung vom 9. Juli 2003 sprach
sie dem Versicherten ab 1. September 2001 gestützt auf einen Invaliditätsgrad
von 100 % eine ganze Invalidenrente zu, welchen Anspruch sie mit Mitteilung vom
13. September 2007 bestätigte. 
Am 23. April 2012 leitete die infolge Wohnsitzwechsels des Versicherten nunmehr
zuständig gewordene IV-Stelle des Kantons Aargau von Amtes wegen ein
Revisionsverfahren ein. Mit Eingabe vom 1. Oktober 2013 wurde sie von der
GastroSocial Pensionskasse, Aarau, gestützt auf das von ihr eingeholte
Gutachten des Dr. med. C.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 13.
September 2013 ersucht, die IV-Rente aufzuheben. Nach Rücksprache mit dem
Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) veranlasste die IV-Stelle eine zusätzliche
Begutachtung bei Dr. med. D.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und
Psychotherapie (Expertise vom 13. Oktober 2014). Nachdem der Versicherte gemäss
Schreiben des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD, Zentrale Ausgleichsstelle
ZAS, vom 30. Dezember 2013 neu im Ausland wohnte, wurde für die weitere
Bearbeitung des Falles die IV-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA)
zuständig, die einen über den 30. Juni 2015 hinausgehenden Anspruch auf eine
Invalidenrente verneinte, wobei sie einer allfälligen Beschwerde die
aufschiebende Wirkung entzog. Zur Begründung führte sie an, aus den
medizinischen Unterlagen ergebe sich, dass sich der Gesundheitszustand
revisionsrechtlich erheblich verbessert habe und aktuell keine Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit mehr vorliege (Verfügung vom 4. Mai 2015). Die hiegegen
eingereichte Beschwerde hiess das Bundesverwaltungsgericht in dem Sinne gut,
dass es die Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs und zur Neubeurteilung
an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 7. Dezember 2015). 
Nachdem der Versicherte seinen Wohnsitz am 1. Juni 2015 wieder in den Kanton
Aargau verlegt hatte, war für das weitere Verwaltungsverfahren erneut die
IV-Stelle des Kantons Aargau zuständig geworden. Nach durchgeführtem
Vorbescheidverfahren hob sie die Verfügung vom 9. Juli 2003
wiedererwägungsweise auf und stellte fest, die gestützt darauf ausgerichtete
Rente bleibe per 30. Juni 2015 eingestellt (Verfügung vom 12. August 2016). Zur
Begründung führte sie an, der Versicherte sei bei seiner Einreise in die
Schweiz Ende 1997 bereits zu mindestens 40 % invalid gewesen, weshalb der
Versicherungsfall Rente schon damals eingetreten sei, mithin bevor die
Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragsdauer gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG
erfüllt gewesen seien. Daher sei die Rentenverfügung vom 9. Juli 2003
zweifellos unrichtig gewesen. 
 
B.   
A.________ liess Beschwerde führen und beantragen, die IV-Stelle sei zu
verpflichten, ihm weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten;
eventualiter sei sie per Ende September 2016 zu reduzieren oder aufzuheben. Das
Versicherungsgericht des Kantons Aargau lud die GastroSocial Pensionskasse zum
Verfahren bei und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 12. Juli 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ die
vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren wiederholen. Ferner ersucht er um
Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche
Verfahren. 
Die IV-Stelle beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen; eventualiter sei die
Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die GastroSocial Pensionskasse
und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren beanstandeten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2
BGG). 
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt
hat, indem es die Wiedererwägungsvoraussetzungen gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG
hinsichtlich der Rentenverfügung vom 9. Juli 2003 bejahte und die von der
IV-Stelle verfügte Aufhebung der Invalidenrente per 30. Juni 2015 bestätigte.
Prozessthema bildet dabei die Frage, ob die Vorinstanz von einem
bundesrechtskonformen Verständnis der zweifellosen Unrichtigkeit ausgegangen
ist. Die Feststellungen, die der Beurteilung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs
zugrunde liegen, sind tatsächlicher Natur und folglich nur auf offensichtliche
Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit (vgl. E. 1 hievor) hin überprüfbar (vgl.
SVR 2008 IV Nr. 53 S. 177 f., I 803/06 E. 4.2). Dagegen ist die Auslegung
(Konkretisierung) des Begriffs der zweifellosen Unrichtigkeit nach Art. 53 Abs.
2 ATSG eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei beurteilt (Urteil 9C_994/
2010 vom 12. April 2011 E. 2).  
 
2.2. Nach Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell
rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese
zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung
ist. Wird die zweifellose Unrichtigkeit der ursprünglichen Rentenzusprechung
erst vom Gericht festgestellt, kann dieses ein (zu Unrecht) auf Art. 17 ATSG
gestütztes Rückkommen mit dieser substituierten Begründung schützen (BGE 125 V
368 E. 2 f. S. 369 f. mit Hinweisen). Vorausgesetzt ist wie immer bei der
Wiedererwägung, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg
bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss
denkbar ist. Das Erfordernis der zweifellosen Unrichtigkeit ist in der Regel
erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung aufgrund falsch oder unzutreffend
verstandener Rechtsregeln erfolgt war oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht
oder unrichtig angewandt wurden (BGE 140 V 77 E. 3.1 S. 79 mit Hinweis). Anders
verhält es sich, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller
Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung notwendigerweise
Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung einzelner Schritte bei der
Feststellung solcher Anspruchsvoraussetzungen (Invaliditätsbemessung,
Arbeitsunfähigkeitsschätzung, Beweiswürdigung, Zumutbarkeitsfragen) vor dem
Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der
rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot, als vertretbar, scheidet die
Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus. Zweifellos ist die Unrichtigkeit, wenn
kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war.
Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung
- denkbar (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328 mit Hinweisen; in BGE 140 V 15 nicht,
aber in SVR 2014 IV Nr. 10 S. 39 [9C_125/2013] publizierte E. 4.1 mit
Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat erkannt, gemäss Rentenverfügung vom 9. Juli 2003 habe
die IV-Stelle den Invaliditätsgrad gestützt auf das Gutachten des PD Dr. med.
B.________ vom 7. Februar 2003 bestimmt, der eine sehr schwere Sozialphobie
(ICD-10: F.40.1) und depressive Zustände variabler Schwere (ICD-10:F. 32.1)
diagnostiziert habe, die eine vollständige Arbeitsunfähigkeit in jeglicher
Erwerbstätigkeit begründeten. Der Sachverständige habe indessen anlässlich der
von ihm durchgeführten klinischen Untersuchungen explizit keine schweren
psychopathologischen Befunde erheben können, vielmehr sei der Explorand frei
von Angstsymptomen gewesen und habe lediglich bedrückt und resignativ gewirkt.
Insoweit habe der Experte die diagnostizierte sehr schwere Sozialphobie nicht
nachvollziehbar begründet, zumal er auch nicht erläutere, weshalb der
Versicherte im zuletzt ausgeübten Beruf als Nachtportier, bei dem kaum mit
häufigen Kontakten zu ihm fremden Menschen zu rechnen sei, vollständig
arbeitsunfähig geworden sei. So habe sich der Gutachter auch nicht zu einer in
einer anderen Erwerbstätigkeit allenfalls bestehenden Arbeitsfähigkeit
geäussert, obwohl aufgrund seiner klinischen Befunde angenommen werden müsse,
dass eine Beschäftigung mit wenig Sozialkontakt grundsätzlich zumutbar gewesen
wäre. Auch die von ihm diagnostizierten, seit Jahren wiederholt aufgetretenen
depressiven Zustände erheblicher Schwere habe er weder anamnestisch noch
gestützt auf die anlässlich der klinischen Untersuchungen erhobenen Befunde
diskutiert. Dem Gutachten könne zum einen nicht entnommen werden, welche
Vorakten dem Experten bekannt gewesen seien und ob er sich mit ihnen
auseinandergesetzt habe, zum anderen auch nicht, weshalb gestützt auf den
Eindruck anlässlich der psychiatrischen Untersuchungen (der Versicherte wirkte
bedrückt und resignativ) eine nach den einschlägigen Diagnosekriterien gemäss
ICD-10 andauernde und vollständige Arbeitsunfähigkeit resultiert habe. Das
Gutachten habe somit die Anforderungen, die gemäss BGE 125 V 351 an einen
beweiskräftigen Arztbericht gestellt würden, nicht erfüllt. Habe es demnach an
einer aussagekräftigen medizinischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit gefehlt,
sei die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle als qualifiziert unrichtig zu
beurteilen, weshalb die Rentenverfügung vom 9. Juli 2003 wiedererwägungsweise
aufzuheben sei, wie die IV-Stelle im Ergebnis richtig erkannt habe. Ob der
Versicherte bei seiner Einreise in die Schweiz Ende 1997 bereits in
rentenbegründendem Ausmass invalid gewesen sei, wie die Verwaltung annehme,
könne unter diesen Umständen offen gelassen werden.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, aus dem Umstand, dass er
anlässlich der Untersuchungen des ihm fremden PD Dr. med. B.________ keine
Angstsymptome gezeigt habe, dürfe nicht abgeleitet werden, die Diagnose einer
die Arbeitsfähigkeit wesentlich beeinträchtigenden Sozialphobie sei zweifellos
unrichtig gewesen. Aus der beruflichen Karriere vor der Berentung gehe hervor,
dass er zwar jeweils für kurze Zeit funktioniert habe, die Erwerbstätigkeiten
dann aber nie für längere Zeit habe aufrecht erhalten können. Der Gutachter
habe dargelegt, weshalb er auf eine schwere psychische Erkrankung geschlossen
habe, obwohl er anlässlich der Untersuchung keine schweren psychopathologischen
Befunde habe feststellen können.  
Diesen Vorbringen kann nur teilweise gefolgt werden. Aus der fehlenden
Manifestation von Angstsymptomen in der psychiatrischen Begutachtungssituation
kann zwar nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Versicherte habe an keiner
schwerwiegenden psychischen Erkrankung gelitten. Die vorinstanzliche
Feststellung, PD Dr. med. B.________ habe keine besonders schweren Befunde
erheben können, ist indessen nicht offensichtlich unrichtig. Mit der Diagnose
einer schweren Sozialphobie ist wenig zu vereinbaren, dass er in verschiedenen
beruflichen Tätigkeiten eine Zeit lang bestehen konnte, bevor dann
Schwierigkeiten auftraten, die jeweils zum Abbruch der Arbeitsverhältnisse
führten. 
 
3.2.2. Sodann kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht davon
ausgegangen werden, PD Dr. med. B.________ habe nicht nur für die vor Eintritt
des Gesundheitsschadens ausgeübten Beschäftigungen eine vollständige
Arbeitsunfähigkeit angenommen. Das kantonale Gericht hat zutreffend
festgestellt, der Experte habe mögliche Verweistätigkeiten nicht diskutiert und
somit auch nicht geprüft, ob und inwieweit der Versicherte in solchen
arbeitsfähig gewesen sei. Dazu bestand aber umso mehr Anlass, nachdem der
psychiatrische Sachverständige festhielt, der Explorand habe ein Fernstudium im
Bereich Wirtschaft erfolgreich abgeschlossen; er sei dazu in der Lage gewesen,
weil er beim Lernen allein habe sein und die Arbeit in kleinen Etappen frei
habe einteilen können. Daraus ist zu schliessen, dass er in Erwerbstätigkeiten,
die dem psychischen Leiden angepasst gewesen waren, zumindest teilweise
arbeitsfähig war. Dazu hielt der Gutachter aber lediglich fest, der Explorand
sei infolge seiner Sozialphobie, zum Teil auch wegen depressiver Zustände, seit
dem Verlust der letzten Arbeitsstelle als Nachtportier im Dezember 2000
vollständig arbeitsunfähig gewesen.  
Gemäss der in BGE 135 I 1 nicht publizierten Erwägung 5.3 des Urteils 9C_342/
2008 vom 20. November 2008 liegt eine zweifellose Unrichtigkeit einer
Rentenverfügung unter anderem dann vor, wenn im Zeitpunkt deren Erlasses keine
Einschätzung der Leistungsfähigkeit in einer zumutbaren Verweistätigkeit vorlag
und der Invaliditätsgrad allein nach Massgabe der Arbeitsfähigkeit festgelegt,
bei der erstmaligen Anspruchsprüfung also die Invalidität der
Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt und damit von einem rechtlich falschen
Invaliditätsbegriff ausgegangen wurde, und wenn gestützt auf eine rechtlich
korrekte Invaliditätsbemessung eine tiefere Rente zugesprochen worden wäre
(vgl. dazu auch Urteil 8C_114/2015 vom 6. Mai 2015 E. 4.2.1). 
 
3.3. Dem kantonalen Gericht ist auch darin zuzustimmen, dass dem Gutachten des
PD Dr. med. B.________ nicht zu entnehmen ist, welche Vorakten ihm zur
Verfügung standen und inwieweit er diese berücksichtigte. Er führte an, die
Expertise stütze sich auf die ihm von der IV-Stelle zur Verfügung gestellten
Unterlagen, zwei persönliche Gespräche mit dem Versicherten und telefonische
Auskünfte von der Ehefrau, der zuständigen Person bei der Beratungsstelle für
Suchtfragen und vom Hausarzt. Die Ergebnisse der telefonischen Auskünfte gab er
zwar zusammengefasst wieder, nicht ersichtlich ist aber, ob er auch von dem zu
Handen des Krankenversicherers verfassten Bericht der Gutachterstelle
E.________ vom 20. Dezember 2001 Kenntnis hatte. Diesen Bericht sandte die
Gutachterstelle E.________ auch dem behandelnden Hausarzt Dr. med. F.________
zu, mit dem PD Dr. med. B.________ am 3. Februar 2003 telefonierte. Die
Gutachterstelle E.________ hielt fest, dass das arbeitsbezogene Problem
aufgrund der minimalen Belastbarkeit und der Selbstlimitierung nicht
beurteilbar sei und die Leistungsbereitschaft als ungenügend erscheine. Die
Beobachtungen bei den Tests wiesen auf eine deutliche Selbstlimitierung hin.
Die durch die psychische Störung bestimmte Arbeitsfähigkeit sei aktuell nicht
verwertbar. Falls keine graduelle Steigerung der Arbeitsfähigkeit erreicht
werde, müsse diese nach sechs Monaten reevaluiert werden. Im Gutachten des PD
Dr. med. B.________ finden sich dazu keine Ausführungen. Entweder stand ihm der
Bericht der Gutachterstelle E.________ nicht zur Verfügung oder er nahm dazu
nicht Stellung. In beiden Fällen erweist sich seine psychiatrische Expertise
als unvollständig, ist sie doch nicht in Kenntnis und Auseinandersetzung mit
den Vorakten abgegeben worden (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweisen).
Abgesehen davon ist die Expertise des PD Dr. med. B.________ auch hinsichtlich
der Annahme einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit, deren Beginn er auf den
Dezember 2000 festlegte (Aufgabe der Anstellung als Nachtportier), nicht
schlüssig. Er ging bis zum Zeitpunkt der Begutachtung von einer vollen
Arbeitsunfähigkeit aus, obwohl der Versicherte während dieses Zeitraumes
immerhin ein Fernstudium absolvierte.  
Zum weiteren Verlauf führte PD Dr. med. B.________ aus, es könne "zutreffend
sein, dass auch in Zukunft eine volle Arbeitsunfähigkeit bestehen wird,
möglicherweise auf Dauer." Im Weiteren stellte er fest, dass "bisher nicht die
indizierten und erfolgversprechenden psychiatrisch-psychotherapeutischen
Verfahren eingesetzt wurden, die eine wesentliche Verbesserung der psychischen
Verfassung und unter Umständen die völlige Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit zur Folge haben können". Auch wies er daraufhin, "dass die
Psychotherapie nicht koordiniert mit der hausärztlichen Behandlung erfolgt und
z.T. gegenteilige Ziele hat". All diese Überlegungen führten den Gutachter zum
Fazit, dass "wenn es derzeit unvermeidlich ist, dem Versicherten eine IV-Rente
auszurichten, gleichzeitig die Verpflichtung besteht, das Maximum an
psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungen zu unternehmen, damit der
Versicherte die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erreicht." 
Aus dem Gesagten erhellt, dass PD Dr. med. B.________ einerseits die von ihm
festgestellte vollständige Arbeitsunfähigkeit nicht begründete; er orientierte
sich bei deren Einschätzung am Umfang der vom Versicherten zuletzt ausgeübten
oder eben nicht mehr ausgeübten Arbeitstätigkeit (Nachtportier). Er prüfte oder
diskutierte zumindest nicht, weshalb eine andere Erwerbstätigkeit nicht mehr
zumutbar sein soll. Wenn die Vorinstanz angesichts dieser Sachlage davon
ausgegangen ist, dass das Gutachten zum damaligen Zeitpunkt keine genügende
Grundlage zur Bestimmung des Invaliditätsgrades gebildet habe, hat sie den
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig festgestellt. 
 
3.4. Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt
der Rentenverfügung vom 9. Juli 2003 nicht an einer derart schweren
Sozialphobie gelitten haben konnte, mit der eine vollständige
Erwerbsunfähigkeit zu begründen war. Unter diesen Umständen hat das kantonale
Gericht die gestützt auf das Gutachten des PD Dr. med. B.________ vom 7.
Februar 2003 erlassene Verfügung vom 9. Juli 2003 zu Recht als zweifellos
unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG qualifiziert.  
 
4.   
 
4.1. Sind die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung und damit Aufhebung der
Rentenverfügung vom 9. Juli 2003 erfüllt, ist weiter zu prüfen, ob der
Beschwerdeführer über den 30. Juni 2015 hinaus einen Anspruch auf eine Rente
der Invalidenversicherung hat. Dabei ist wie bei einer materiellen Revision
nach Art. 17 Abs. 1 ATSG der Invaliditätsgrad aufgrund eines richtig und
vollständig festgestellten Sachverhalts ex nunc et pro futuro neu zu bestimmen
(vgl. Urteil 9C_11/2016 vom 22. Februar 2016 E. 5 mit Hinweisen).  
 
4.2.  
 
4.2.1. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen zur Bestimmung der
Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit (Art. 6 f. ATSG), der Invalidität (Art. 8 ATSG;
Art. 4 Abs. 1 IVG), des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG) und des
Beweiswertes von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S.
352) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
4.2.2. Das kantonale Gericht hat erkannt, zur Beurteilung der Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit sei auf das in allen Teilen beweiskräftige Gutachten des Dr.
med. D.________ vom 13. Oktober 2014 abzustellen. Danach litt der
Beschwerdeführer unter akzentuierten Persönlichkeitszügen (narzisstische,
histrionische, leicht ängstlich vermeidende gemäss ICD-10: Z73.1) und einem
leichten Abhängigkeitssyndrom von Benzodiazepinen (ICD-10: F13.25; ständiger
Substanzgebrauch), die keine psychiatrisch begründbare Beeinträchtigung der
Arbeitsfähigkeit zu begründen vermochten.  
 
4.2.3. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei dem Gutachten des Dr. med.
C.________ vom 13. September 2013 zu folgen, der eine Arbeitsunfähigkeit von 50
% attestiere. Sowohl diese Expertise wie auch diejenige des Dr. med. D.________
seien grundsätzlich beweiskräftig, widersprächen sich aber in den
Schlussfolgerungen. Während Dr. med. C.________ an das Gutachten des PD Dr.
med. B.________ vom 7. Februar 2003 sowie den Bericht der Gutachterstelle
E.________ vom 20. Dezember 2001 anknüpfe, weiche Dr. med. D.________
wesentlich von den Ergebnissen dieser früheren Abklärungen ab. Indem das
kantonale Gericht die Expertise des Dr. med. C.________ von vornherein als
unbeachtlich abgetan habe, habe es die ihm obliegende Begründungspflicht und
damit Bundesrecht verletzt. Angesichts dieser Zweifel hätte es zumindest ein
Obergutachten in Auftrag geben müssen.  
 
4.2.4. Das kantonale Gericht hat festgehalten, Dr. med. C.________ beurteile
die Arbeitsfähigkeit nicht nachvollziehbar, weshalb sein Gutachten keine
taugliche Grundlage für die Invaliditätsbemessung bilde. Es hat in diesem
Zusammenhang auf die Stellungnahme des RAD vom 2. Oktober 2013 hingewiesen,
wonach Dr. med. C.________ nur punktuell erläutere, welche alltags-/
berufsrelevanten Funktionen konkret eingeschränkt seien. Allein die Angaben zum
"Vermeiden von Kundenkontakten" gemäss Mini-ICF-Dimension Kontaktfähigkeit sei
unzureichend; de facto werde die Arbeitsfähigkeit allein aus der Diagnose (ohne
konkrete Diskussion der daraus resultierenden Einschränkungen) abgeleitet.
Entsprechend der Empfehlung des RAD holte die IV-Stelle das Gutachten des Dr.
med. D.________ ein. Dessen Ergebnisse wurden sowohl vom RAD (Bericht des Dr.
med. G.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 20.
Oktober 2014) wie auch von Dr. med. H.________, FMH Psychiatrie und
Psychotherapie, Vertrauensarzt der IVSTA (Bericht vom 14. Februar 2015)
bestätigt. Beide Fachärzte hielten unter anderem mit Blick auf den von Dr. med.
D.________ dokumentierten Tagesablauf fest, dass der Versicherte nicht mehr
wegen eines Gesundheitsschadens in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei,
sondern sich selbst limitiere. Angesichts dieser Sachlage ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf das
Gutachten des Dr. med. D.________ abgestellt und davon abgesehen hat, ein
psychiatrisches Obergutachten einzuholen. Sie hat mit dem Verweis auf die
nachvollziehbare Stellungnahme des RAD (Dr. med. G.________) vom 2. Oktober
2013 zum Gutachten des Dr. med. C.________ zwar kurz aber ausreichend
begründet, weshalb darauf nicht abgestellt werden kann. Damit ist sie der ihr
obliegenden Begründungspflicht rechtsgenüglich nachgekommen.  
Schliesslich ist dem Beschwerdeführer, soweit er geltend macht, das Gutachten
des Dr. med. C.________ sei voll beweiswertig, zu entgegnen, dass bereits die
Gutachterstelle E.________ (Bericht vom 20. Dezember 2001), anders als PD Dr.
med. B.________ (Expertise vom 7. Februar 2003), auf die ausgeprägte
Selbstlimitierung hinwies. Es verhält sich demnach nicht so, dass die
Schlussfolgerungen des Dr. med. D.________ mit den Ergebnissen der übrigen
medizinischen Abklärungen nicht zu vereinbaren wären. Auch unter diesem Aspekt
erweist sich die Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung als
unbegründet. Mit dem kantonalen Gericht ist deshalb festzustellen, dass dem
Gutachten des Dr. med. D.________ Beweiswert zukommt und demzufolge keine
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit gegeben ist, weshalb dem Beschwerdeführer ex
nunc et pro futuro kein Rentenanspruch mehr zusteht. Die Beschwerde ist
abzuweisen. 
 
5.   
Der Beschwerdeführer beantragt eventualiter, die Invalidenrente sei per Ende
September 2016 zu reduzieren oder aufzuheben. Dieses Rechtsbegehren wird nicht
begründet, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 108 Abs. 1 lit. b
BGG; vgl. BGE 131 II 470 E. 1.3 S. 475). 
 
6.   
Dem Gesuch des unterliegenden Beschwerdeführers um Bewilligung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist
stattzugeben, da die Bedürftigkeit aktenkundig, die Beschwerde nicht als
aussichtslos zu bezeichnen und die Verbeiständung durch einen Anwalt geboten
war (Art. 64 Abs. 1-3 BGG). Er wird indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG
hingewiesen; danach hat er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er
später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Nicolai Fullin wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der GastroSocial Pensionskasse, dem
Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. Januar 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben