Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.632/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_632/2017  
 
 
Urteil vom 6. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin. 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
vertreten durch Advokat Martin Boltshauser, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. August 2017 (IV 2016/43). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 2005 geborene A.________ wurde von ihren Eltern am 23. März 2005 bei der
Invalidenversicherung für medizinische Massnahmen zur Behandlung des
Geburtsgebrechens Ziff. 313 des Anhangs zur Verordnung über Geburtsgebrechen
[GgV-Anhang] (angeborene Herz- und Gefässmissbildungen) angemeldet, für welche
die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen (IV-Stelle) mit Verfügung vom 23.
März 2005 für den Zeitraum vom 3. Februar 2005 bis 28. Februar 2010
Kostengutsprache leistete. Aufgrund eines festgestellten
Entwicklungsrückstandes übernahm die IV-Stelle auch die Kosten für die
heilpädagogische Früherziehung. Mit Verfügung vom 7. Februar 2008 wurde ihr
zudem eine Hilflosenentschädigung leichten Grades gewährt. Ab dem 1. April 2011
stand ihr eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades sowie ein
Intensivpflegezuschlag zu (Verfügung vom 5. Dezember 2011). 
Mit Eingabe vom 1. Juni 2015 ersuchten die Eltern der Versicherten darüber
hinaus um Leistungen in Form von Ergotherapie aufgrund des Geburtsgebrechens
Ziff. 403 GgV-Anhang. Dr. med. B.________, Fachärztin FMH für Kinder- und
Jugendmedizin sowie Entwicklungspädiatrie, stellte die Diagnosen eines
hyperaktiven (erethischen) Verhaltens bei geistiger Behinderung mit
dissoziiertem Leistungsprofil, geringer Aufmerksamkeitsspanne und ausgeprägter
Artikulationsstörung. Die Intelligenz der Versicherten habe sich bei einem IQ
von 50 eingependelt. Die Ärztin empfahl die Aufnahme einer Ergotherapie zur
Verbesserung einerseits der Praxie (zielgerichtetes und zweckmässiges Handeln,
basierend auf Bewegungserfahrung, Bewegungsplanung und zeitlicher sowie
räumlicher Koordinierung von Bewegungsabläufen), anderseits der Fokussierung
auf eine Arbeit. Die IV-Stelle erteilte in der Folge Kostengutsprache für
medizinische Massnahmen ab 16. April 2015 bis 30. April 2020 zur Behandlung des
Geburtsgebrechens Ziff. 403 (Behandlung des apathischen oder erethischen
Verhaltens). Mit Verfügung vom 8. Januar 2016 teilte sie der Versicherten mit,
die beantragte Kostenübernahme für Ergotherapie könne im Rahmen des
Geburtsgebrechens Ziff. 403 GgV-Anhang nicht gewährt werden. Ebensowenig könne
die Ergotherapie bei der Schwere der geistigen Behinderung im Rahmen von Art.
12 IVG übernommen werden. 
 
B.   
In Gutheissung der Beschwerde von A.________ hob das Versicherungsgericht des
Kantons St. Gallen die angefochtene Verfügung vom 8. Januar 2016 auf, stellte
fest, dass sie Anspruch auf die Vergütung der Kosten einer Ergotherapie hat,
und wies die Sache zur Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens im Sinne der
Erwägungen an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 29. August 2017). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. August 2017 sei aufzuheben und die
Verfügung vom 8. Januar 2016 zu bestätigen. 
Das kantonale Versicherungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung. A.________
verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Formell handelt es sich beim vorinstanzlichen Entscheid um einen
Rückweisungsentscheid. Rückweisungsentscheide sind grundsätzlich
Zwischenentscheide, welche nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht anfechtbar sind, auch wenn damit über materielle
Teilaspekte der Streitsache entschieden wird (BGE 133 V 477 E. 4.2 und 4.3 S.
481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790 f.; 129 I 313 E. 3.2 S. 316). Wenn jedoch der
unteren Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum
mehr verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich
Angeordneten dient, handelt es sich in Wirklichkeit um einen Endentscheid nach 
Art. 90 BGG (SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131, 9C_684/2007 E. 1.1 mit Hinweisen;
Urteile 8C_793/2016 vom 15. September 2017 E. 1.1 und 8C_829/2016 vom 30. Juni
2017 E. 1.1).  
 
1.2. Das kantonale Gericht hat in seinem Dispositiv der Versicherten einen
Anspruch auf die Vergütung der Kosten einer Ergotherapie zugesichert und die
Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen, damit diese eine rechtsgestaltende
Verfügung erlasse. Da die Rückweisung somit lediglich noch der Umsetzung des
Angeordneten dient, wobei der Verwaltung kein Entscheidungsspielraum mehr
verbleibt, liegt in Wirklichkeit ein Endentscheid nach Art. 90 BGG vor. Da auch
die übrigen Eintretensvoraussetzungen nach Art. 82 ff. BGG erfüllt sind, ist
auf die Beschwerde der IV-Stelle einzutreten.  
 
2.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem
Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105
Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang
des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG
). 
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht den Anspruch der
Versicherten auf Vergütung der Kosten einer Ergotherapie zur Behandlung des
Geburtsgebrechens Ziff. 403 GgV-Anhang im Sinne einer medizinischen Massnahme
zu Lasten der Invalidenversicherung bejaht hat. 
 
3.1. Nach Art. 13 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr
Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen
Massnahmen (Abs. 1). Der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese
Massnahmen gewährt werden; er kann die Leistung ausschliessen, wenn das
Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist (Abs. 2).  
Als Geburtsgebrechen im Sinne von Art. 13 IVG gelten Gebrechen, die bei
vollendeter Geburt bestehen; die Geburtsgebrechen sind in der Liste im Anhang
aufgeführt (Art. 1 GgV). Als medizinische Massnahmen, die für die Behandlung
eines Geburtsgebrechens notwendig sind, gelten sämtliche Vorkehren, die nach
bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und den
therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben (Art. 2
Abs. 3 GgV). 
 
3.2. Ziff. 403 GgV-Anhang nennt das Geburtsgebrechen "Kongenitale Oligophrenie
(nur Behandlung erethischen oder apathischen Verhaltens) ". Oligophrenie stellt
eine "allgemeine Bezeichnung für (einen) ätiologisch uneinheitlichen,
angeborenen oder frühzeitig erworbenen Intelligenzdefekt" dar, wobei die
Einteilung in Schweregrade anhand des Hamburg-Wechsler-Intelligenztests erfolgt
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Berlin und New York, 256. Aufl. 1990, S.
1205; in der späteren Auflage dieses Werkes, vgl. 260. Aufl. 2004, S. 1312,
wird der Terminus "Oligophrenie" demgegenüber nur noch als "veraltete
Bezeichnung für geistige Behinderung" aufgeführt; vgl. auch Urteil I 617/01 vom
28. August 2002 und I 309/05 vom 1. Dezember 2005 und in der 267. Auflage 2017
gar nicht mehr aufgeführt). Unter Erethismus ist gemäss Pschyrembel, 267. Aufl.
2017, S. 525 eine gesteigerte Erregbarkeit und Aktivität mit Bewegungsunruhe zu
verstehen.  
 
4.  
 
4.1. Vorliegend ist unstrittig, dass bei der Versicherten eine kongenitale
Oligophrenie vorliegt und die Beschwerdeführerin eine Leistungspflicht zur
Behandlung des apathischen oder erethischen Verhaltens anerkennt. Die IV-Stelle
lehnt indessen die Leistung von Ergotherapie ab, da es sich dabei nicht um eine
medizinische Behandlung handle, die sich spezifisch und ausschliesslich gegen
das apathische oder erethische Verhalten der Versicherten richtet.  
 
4.2. Nach Auffassung des kantonalen Gerichts berechtigte die Verweisungsnorm
von Art. 13 Abs. 2 IVG den Bundesrat nicht, die Leistungspflicht der
Invalidenversicherung bei einem anerkannten Geburtsgebrechen generell zu
beschränken. In diesem Sinne finde die Beschränkung in Ziff. 403 GgV-Anhang,
wonach nur die Behandlung erethischen und apathischen Verhaltens übernommen
werden kann, im Gesetz keine Stütze. Vielmehr widerspreche sie dem Sinn und
Zweck des Art. 13 IVG und sei folglich gesetzwidrig. Die Vorinstanz folgerte
daraus, die Versicherte habe Anspruch auf sämtliche medizinische Massnahmen,
die zur Behandlung des Geburtsgebrechens Ziff. 403 GgV-Anhang und seiner Folgen
notwendig seien. Sie wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese die
weiteren Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere die Wissenschaftlichkeit der
durchgeführten Ergotherapiemassnahmen prüfe.  
 
5.   
 
5.1.  
 
5.1.1. Als Geburtsgebrechen im invalidenversicherungsrechtlichen Sinne gelten
nach medizinischer Betrachtungsweise nur solche, die der medizinischen
Behandlung zugänglich sind (BGE 114 V 26 Erw. 2c). In diesem Sinne
einschränkend hat die Invalidenversicherung gemäss Art. 1 Abs. 2 GgV in
Verbindung mit Ziff. 403 GgV-Anhang bei kongenitaler Oligophrenie medizinische
Massnahmen nur insoweit zu gewähren, als erethisches oder apathisches Verhalten
zu behandeln ist (ZAK 1983 S. 497 Erw. 2b). Der Anspruch setzt des Weiteren
voraus, dass die entsprechende Therapie notwendig ist (vgl. auch SILVIA BUCHER,
Eingliederungsrecht der Invalidenversicherung, S. 127 f. Rz. 197 mit
Hinweisen).  
 
5.1.2. Es besteht keine Veranlassung, von dieser gefestigten Rechtsprechung
abzuweichen und die Rechtmässigkeit der in Ziff. 403 GgV-Anhang vorgenommenen
Beschränkung in Frage zu stellen. Die Vorinstanz legte denn auch nicht dar, die
Sichtweise, wonach bei der festgestellten Gesundheitsschädigung nur erethisches
und apathisches Verhalten medizinisch behandelbar ist, sei aus
medizinisch-wissenschaftlicher Sicht überholt. Von einer Gesetzeswidrigkeit,
wie sie das kantonale Gericht postuliert, kann keine Rede sein.  
 
5.2. Zu prüfen bleibt, ob die beantragte Ergotherapie bei der Versicherten der
Behandlung erethischen oder apathischen Verhaltens dient.  
 
5.2.1. Gemäss Ziff. 403.4 des Kreisschreibens über die medizinischen
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME) werden von der
Invalidenversicherung ausschliesslich anerkannte, einfache und zweckmässige
medizinische Behandlungen, die sich spezifisch und ausschliesslich gegen das
apathische oder erethische Verhalten richten, übernommen.  
 
5.2.2. Im Bericht vom 3. August 2015 nennt die behandelnde Kinderärztin Dr.
med. B.________ als Grund zur beantragten Aufnahme einer Ergotherapie die
Verbesserung einerseits der Praxie und andererseits der Fokussierung auf eine
Arbeit. In ihrem zweiten Bericht zu Handen der Rechtsvertretung der
Versicherten vom 3. Januar 2016 führt sie aus, in der Ergotherapie könne die
Beschwerdegegnerin Strategien erlernen und einüben, um an Alltagshandlungen
(z.B. Zähneputzen, Anziehen) dranzubleiben. Dadurch werde ihr überaktives
(erethisches) und umtriebiges Verhalten in konstruktive Bahnen gelenkt. Ein
weiteres Ziel wäre auch das Einüben und Durchführen von Abläufen, dass sie
lerne, Aufgaben bis zum Ende durchzuführen. Ein zusätzlicher Input der
Ergotherapie bei der eher schwachen Praxie sei bei dem Mädchen durchaus
erwünscht.  
 
5.2.3. Die von der behandelnden Kinderärztin angeführten therapeutischen Ziele
der beantragten Ergotherapie betreffen demnach nicht ausschliesslich die
Behandlung oder gar die Überwindung des überaktiven und umtriebigen Verhaltens
der Beschwerdegegnerin. Folglich kann offen bleiben, ob eine solche überhaupt
eine einfache, zweckmässige (Aufwand/Ertragsverhältnis) und wissenschaftlich
anerkannte Methode zur Behandlung eines erethischen Verhaltens bei Oligophrenie
darstellt.  
 
5.3. Im Sinne einer Alternativbegründung erachtet das kantonale Gericht auch
eine Leistungspflicht in Form von Ergotherapie aufgrund von Art. 12 IVG als
gegeben.  
 
5.3.1. Gemäss Art. 12 IVG und Art. 2 Abs. 1 IVV besteht ein Anspruch auf
Übernahme medizinischer Massnahmen durch die Invalidenversicherung, wenn durch
diese Vorkehr stabile oder wenigstens relativ stabilisierte Folgezustände von
Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall - im Einzelnen: Beeinträchtigungen der
Körperbewegung, der Sinneswahrnehmung oder der Kontaktfähigkeit - behoben oder
gemildert werden, um die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern
oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren.  
Der Eingliederungserfolg ist bei jüngeren Versicherten als dauernd zu
betrachten, wenn er wahrscheinlich während eines bedeutenden Teils der
konkreten Aktivitätserwartung, welche ihrerseits nicht wesentlich herabgesetzt
sein darf, erhalten bleiben wird (AHI 2000 S. 297, I 626/99 E. 1c mit
Hinweisen). Bestehen Nebenbefunde, welche geeignet sind, die
Aktivitätserwartung trotz der medizinischen Massnahme wesentlich herabzusetzen,
ist die Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolgs zu verneinen (Urteil 9C_695/
2009 vom 1. Dezember 2009 E. 2.1). Ob der Eingliederungserfolg dauerhaft sein
wird, ist prognostisch zu beurteilen. Massgebend ist der medizinische
Sachverhalt vor Durchführung der Massnahme in seiner Gesamtheit (Urteil 9C_842/
2016 vom 27. April 2017 E. 4 mit Hinweis). Die erforderliche Prognose bei einem
Kind muss zwei Aussagen enthalten: Zunächst muss erstellt sein, dass ohne die
vorbeugende Behandlung in naher Zukunft mit Wahrscheinlichkeit eine bleibende
Beeinträchtigung eintreten würde; zugleich muss erstellt sein, dass durch die
Behandlung ein stabiler Zustand herbeigeführt werden kann, in welchem
vergleichsweise erheblich verbesserte Voraussetzungen für die spätere
Ausbildung und Erwerbsfähigkeit bestehen (SILVIA BUCHER, a.a.O. S. 155 Rz. 245
mit Hinweisen). 
 
5.3.2. Das kantonale Gericht begründet seine Bejahung der Leistungspflicht
gemäss Art. 12 IVG damit, bei einem zehnjährigen Kind könne noch nicht mit
ausreichender Plausibiliät prognostiziert werden, dass später jede
Eingliederung - auch jene in den geschützten Rahmen oder in den Aufgabenbereich
- ausgeschlossen sein werde. Eine Gefährdung einer späteren Erwerbsfähigkeit
dürfe aber nicht mit einer Verweigerung von Eingliederungsmassnahmen in Kauf
genommen werden. Eine Verweigerung der Kostenvergütung für die Ergotherapie
erweise sich daher auch mit Blick auf Art. 12 IVG als nicht gerechtfertigt.  
 
5.3.3. Dem ist mit der Beschwerde führenden IV-Stelle und der Vernehmlassung
des BSV zu entgegnen, dass bei der Beschwerdegegnerin ein IQ von ca. 50
diagnostiziert worden ist. Als Ursache der kardialen sowie der
Entwicklungsstörung fand sich ein zusätzliches Markerchromosom (Bericht Dr.
med. B.________ vom 3. August 2015). Es handelt sich damit um einen nicht heil-
oder wesentlich behandelbaren Gesundheitsschaden. Dr. med. C.________, Facharzt
für Kinder und Jugendliche, hatte bereits in seinem Bericht vom 14. Mai 2011
angeführt, prognostisch sei von einer lebenslänglichen schweren geistigen
Behinderung auszugehen. Die Versicherte werde nie in der Lage sein, eine
normale Schule oder eine Berufsausbildung zu absolvieren. Damit kann auch bei
einem jüngeren Kind nicht von einer günstigen Prognose im Sinne des Gesetzes
ausgegangen werden. Das kantonale Gericht legt die Grenze einer
Anspruchsberechtigung gemäss Art. 12 IVG beim Ausschluss einer später möglichen
Eingliederung. Damit verletzt es das in Erwägung 5.3.1 dargestellte
Bundesrecht. Die Beschwerde ist begründet.  
 
6.   
Ausgangsgemäss hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66
Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 29. August 2017 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 8. Januar 2016 bestätigt. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer 

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