Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.631/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_631/2017  
 
 
Urteil vom 23. Januar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Brem, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
 B.________ SE, 
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Bürkle, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 4. Juli 2017 (UV.2016.61). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war als Ballett-Tänzer des Theaters C.________ bei der Zürich
Versicherungsgesellschaft AG (nachstehend: die Zürich) gegen die Folgen von
Unfällen versichert, als er am 24. November 2005 auf das linke Knie fiel und
sich verletzte. Die Zürich anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die
gesetzlichen Leistungen; der Versicherte konnte seine bisherige Tätigkeit im
April 2006 wieder voll aufnehmen. 
 
Als Ballett-Tänzer des Theaters C.________ war A.________ nunmehr bei der
D.________ AG gegen die Folgen von Unfällen versichert, als er am 29. August
2007 bei einer Probe erneut auf das linke Knie fiel. Die D.________ AG
anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen,
stellte diese jedoch mit Verfügung vom 14. März 2013 und Einspracheentscheid
vom 11. März 2014 rückwirkend per 29. November 2007 ein, da ab diesen Zeitpunkt
bezüglich des Ereignisses vom 29. August 2007 der "Status quo sine" erreicht
worden sei. Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 4.
November 2014 in dem Sinne gut, als es unter Aufhebung des angefochtenen
Einspracheentscheides eine Vorleistungspflicht der D.________ AG feststellte.
Mit Urteil 8C_81/2105 vom 3. Juli 2015 trat das Bundesgericht auf eine
Beschwerde der D.________ AG gegen diesen kantonalen Entscheid nicht ein. 
 
Die D.________ AG verneinte daraufhin mit Verfügung vom 1. März 2016 und
Einspracheentscheid vom 3. Oktober 2016 einen Rentenanspruch des Versicherten. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 4. Juli
2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, ihm seien unter Aufhebung des Einsprache-
und des kantonalen Gerichtsentscheides ab 1. Juli 2009 ein Rente der
Invalidenversicherung und ab 1. Juli 2011 Verzugszinse von 5 % auf den
ausstehenden Rentenbetrag auszurichten. 
Während die D.________ AG auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung. 
 
In ihren weiteren Eingaben halten die Parteien an ihren Anträgen fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht den
rentenablehnenden Einspracheentscheid der D.________ AG bestätigt hat. 
 
3.  
 
3.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten
Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch
eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte
(sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie
erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).
 
 
3.2. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens können nach der Rechtsprechung
unter anderem Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch
herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) herangezogen werden (BGE 129 V 472
E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen). Kann eine versicherte Person ihre
gesundheitsbedingt eingeschränkte Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt mutmasslich nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichen Erfolg
verwerten, so ist von den Tabellenlöhnen der LSE gegebenenfalls ein Abzug
vorzunehmen. Die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen
sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des konkreten
Einzelfalles ab (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre,
Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad). Der Einfluss
sämtlicher Merkmale auf das Invalideneinkommen ist nach pflichtgemässem
Ermessen gesamthaft zu schätzen, wobei der Abzug auf insgesamt höchstens 25 %
zu begrenzen ist (BGE 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5b/bb S. 80). Die
Frage, ob ein solcher Abzug vorzunehmen ist, stellt rechtsprechungsgemäss eine
Rechtsfrage dar, welche vom Bundesgericht frei überprüft werden kann (BGE 132 V
393 E. 3.3 S. 399).  
 
4.   
 
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer aufgrund
seines unfallbedingten Knieleidens nicht länger in der Lage ist, seiner
angestammten Tätigkeit als Ballett-Tänzer nachzugehen. Ebenfalls ausser Streit
liegt, dass er in einer seinem Leiden angepassten Tätigkeit zu 100 %
arbeitsfähig ist. Das kantonale Gericht ermittelte durch Vergleich des aufgrund
der Tätigkeit als Ballett-Tänzer auf Fr. 64'571.- festgesetzten
Valideneinkommens mit einem ausgehend von LSE-Tabellen bemessenen
Invalideneinkommen von Fr. 61'164.- einen rentenausschliessenden
Invaliditätsgrad von 5 %. Der Versicherte bringt letztinstanzlich gegen diese
Vorgehensweise einzig vor, das kantonale Gericht habe bei der Ermittlung des
Invalideneinkommens zu Unrecht keinen Abzug vom Tabellenlohn im Sinne von BGE
129 V 472 vorgenommen.  
 
4.2. Rechtsprechungsgemäss ist bei der Frage, ob und in welchem Ausmass ein
Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, der Einfluss aller Merkmale auf das
Invalideneinkommen unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach
pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb S. 80).
Dies bedeutet indessen entgegen den Ausführungen des Versicherten nicht, dass
die Vorgehensweise der Vorinstanz, zu jedem der in Frage kommenden Merkmale
kurz Stellung zu nehmen, gegen die höchstrichterlichen Vorgaben verstossen
würde. Die Rechtsprechung, wonach eine gesamthafte Würdigung der Umstände im
Einzellfall durchzuführen ist, bedeutet lediglich, dass nicht für jedes zur
Anwendung gelangende Merkmal separat quantifizierte Abzüge vorzunehmen sind
(vgl. auch Urteil 8C_319/2017 vom 6. September 2017 E. 3.3.1).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer ist französischer Staatsangehöriger, war zum
Zeitpunkt des beantragten Rentenbeginns 32 Jahre alt und in einer angepassten
Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig. Wie das kantonale Gericht zutreffend
ausgeführt hat, kann demnach ein Abzug aufgrund der Merkmale "Alter,
Dienstjahre, Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad" ohne
weiteres verneint werden. Dem Umstand, dass er zudem nur über eine geringe
erwerblich verwertbare Bildung verfügt, hat die Vorinstanz durch die Wahl des
Tabellenlohnes im tiefsten Anforderungsniveau hinreichend Rechnung getragen.  
 
4.4. Was einen Abzug aufgrund des Merkmals "leidensbedingte Einschränkung"
betrifft, ist Folgendes festzuhalten:  
 
4.4.1. Zunächst ist anzumerken, dass alleine die Tatsache, dass gewisse
leidensbedingten Einschränkungen zurückbleiben, für sich alleine noch nicht
zwingend einen Abzug rechtfertigt. Die Vermutung des Versicherten, als nicht
100 % gesunde Person auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt zu sein, anerkennt die
Rechtsprechung nicht als einkommensminderndes Element (vgl. auch BGE 139 V 592
E. 7.4 S. 597f.). Dasselbe hat von der Angst eines potenziellen Arbeitgebers
vor krankheitsbedingten Absenzen zu gelten; soweit diese Befürchtung
medizinischen fundiert wäre, wäre ihr bei der Festlegung des zumutbaren
Arbeitspensums Rechnung zu tragen (vgl. Urteil 9C_414/2017 vom 21. September
2017 E. 4.3).  
 
4.4.2. Der Versicherte bringt weiter vor, aus medizinischer Sicht seien nicht
nur grössere Belastungen des linken Kniegelenkes zu vermeiden, vielmehr seien
auch vorwiegend sitzende oder statische oder ausschliesslich gehende/stehende
Tätigkeiten zu vermeiden. Ob daraus tatsächlich mit dem Beschwerdeführer der
Schluss gezogen werden kann, auch alle Bürotätigkeiten seien nicht mehr
zumutbar, erscheint aufgrund des Umstandes, dass viele Bürotätigkeiten die
Möglichkeit bieten, bei Bedarf aufzustehen und so einseitig belastende
Körperteile zu entlasten, als zweifelhaft, braucht indessen nicht abschliessend
geklärt zu werden. So oder anders ist in dem von der Vorinstanz beigezogenen
Tabellenlohn eine solche Vielzahl von Tätigkeiten eingeschlossen, dass sich die
Einschränkungen, welche sich aus dem medizinischen Zumutbarkeitsprofil für den
Versicherten ergeben, erwerblich kaum ins Gewicht fallen. Es ist jedenfalls
nicht ersichtlich, dass Arbeitsstellen, welche einen regelmässigen Wechsel
zwischen Sitzen, Stehen und Gehen erlauben, schlechter entlöhnt werden, als
andere Tätigkeiten im Anforderungsniveau 4 der LSE.  
 
4.5. Ist demnach nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz bei der Bemessung
des Invalideneinkommens keinen Abzug vom Tabellenlohn vorgenommen hat, so
besteht bei einem Valideneinkommen gemäss vorinstanzlicher Bemessung (Fr.
64'571.-) kein rentenbegründender Invaliditätsgrad. Damit kann die von der
Beschwerdegegnerin aufgeworfene Frage offenbleiben, ob das Valideneinkommen
nicht aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherte seine
Tätigkeit als Ballett-Tänzer auch ohne die Unfälle bereits lange vor dem
Pensionsalter aufgegeben hätte, als zu hoch erscheint. Die Beschwerde des
Versicherten ist so oder anders abzuweisen.  
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 23. Januar 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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