Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.622/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_622/2017  
 
 
Urteil vom 16. April 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Loher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
AXA Versicherungen AG, 
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung 
(Unfallbegriff; unfallähnliche Körperschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 16. Juni 2017 (UV.2016.00081). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geb. 1958, war als Logistiker bei der B.________ AG angestellt und
über die Arbeitgeberin bei der AXA Versicherungen AG (im Folgenden: AXA) gegen
die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 29. Oktober 2014
verletzte er sich beim Tragen bzw. Werfen eines Paletts die linke Schulter. In
der MRI-Arthrographie vom 6. November 2014 wurde eine Ruptur der
Supraspinatussehne mit begleitender Affektion der Bursa subacromealis bzw.
subdeltoida, eine Ansatztendopathie der Infraspinatussehne mit Hinweis auf
einen initialen Riss, eine SLAP-Läsion Typ II und eine geringe
AC-Gelenksarthrose festgestellt. Nach schriftlicher Befragung des Versicherten
zum Unfallhergang teilte ihm die AXA mit Schreiben vom 17. November 2014 mit,
dass das Ereignis vom 29. November 2014 weder einen Unfall noch eine
unfallähnliche Körperschädigung darstelle, so dass er keinen Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung habe. Daran hielt sie in der
Verfügung vom 2. Juli 2015 und im Einspracheentscheid vom 24. Februar 2016
fest. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 16. Juni 2017 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich die gegen den Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde ab. 
 
C.   
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
beantragt, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids seien ihm die gesetzlichen
Leistungen zuzusprechen, eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen an
die AXA zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht holte die vorinstanzlichen Akten ein. Ein Schriftenwechsel
wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280). Es
ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). 
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung der Streitsache
massgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird (
Art. 109 Abs. 3 Satz 2 BGG). Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zur
Beweismaxime der "Aussage der ersten Stunde", wonach den Angaben der
versicherten Person, die sie kurz nach dem Unfallereignis gemacht hat, meist
grösseres Gewicht zukommt als jenen nach Kenntnis einer Ablehnungsverfügung des
Versicherers (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47 mit Hinweisen; Urteil 8C_325/2017 vom
26. Oktober 2017 E. 4.2.1; je mit Hinweisen).  
 
2.2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie das Vorliegen eines Unfalls oder einer unfallähnlichen Körperschädigung und
damit den Anspruch des Beschwerdeführers auf Leistungen der Unfallversicherung
verneinte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob das kantonale Gericht den
Sachverhalt gestützt auf die Beweismaxime der "Aussage der ersten Stunde"
feststellen durfte.  
 
3.  
 
3.1. In den Akten finden sich folgende Beschreibungen des Unfallhergangs:  
 
3.1.1. Gemäss den Schadenmeldungen vom 29. Oktober und 4. November 2014 trug
der Beschwerdeführer zusammen mit einem Kollegen ein Palett und zerrte sich
dabei die linke Schulter.  
 
3.1.2. Im Arztzeugnis vom 10. November 2014 hielt Dr. med. C.________, Facharzt
für Allgemeine Innere Medizin FMH, fest, dass der Beschwerdeführer zusammen mit
einem Kollegen ein Palett in einen Abfallcontainer habe werfen wollen und dabei
ein Distorsionstrauma der linken Schulter erlitten habe.  
 
3.1.3. Am 11. November 2011 präzisierte der Beschwerdeführer im Fragebogen der
Versicherung zum Unfallhergang, dass er zusammen mit einem Kollegen ein mit
Brettern beladenes, insgesamt ca. 30 kg schweres Palett getragen und in einen
Container geworfen habe. Beim Werfen habe er starke Schmerzen erlitten (Antwort
auf Frage 1). Weiter bestätigte er in der Antwort auf Frage 3, dass es sich um
einen normalen Arbeitsablauf gehandelt habe. Die Frage 5, ob etwas Besonderes
(z.B. Ausgleiten, Sturz) geschehen sei, verneinte er, insbesondere sei er nicht
gestürzt; sodann erwähnte er hier erneut einen Sehnenriss beim Werfen eines
Paletts.  
 
3.1.4. Mit Schreiben vom 9. April 2015 schilderte die Tochter des
Beschwerdeführers den Unfallverlauf wie folgt: Ihr Vater habe am 29. Oktober
2014 zusammen mit dem Lehrling ein 30 bis 40 kg schweres Palett aufgehoben, um
es in den Container zu werfen. Sie hätten das Palett mit grossem Schwung in den
Container geworfen. Beim Werfen sei der Vater mit der Schulter auf den
Container geprallt und habe einen Sehnenriss am linken Arm erlitten. Es habe
sich nicht um eine zu 100 % kontrollierbare Handlung gehandelt, da zwei
Personen beteiligt gewesen seien und ihr Vater nicht die alleinige Kontrolle
über das Palett gehabt habe.  
 
3.1.5. Dr. med. C.________ führte im Arztzeugnis vom 30. März 2015 aus, der
Beschwerdeführer habe angegeben, zusammen mit einem Kollegen ein ca. 40 kg
schweres Palett ca. 1.5 Meter hochgehoben und in einen Container geworfen zu
haben. Dabei habe er die linke Schulter angeschlagen.  
 
3.2. Die Vorinstanz weist zunächst zutreffend darauf hin, dass der Umstand,
wonach der Beschwerdeführer beim Wurf die Schulter am Container angeschlagen
habe, erstmals geltend gemacht worden sei, nachdem die Beschwerdegegnerin den
Beschwerdeführer am 17. November 2014 formlos darüber informiert habe, dass
kein Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung bestehe. Das Anschlagen am
Container wäre aber ein so wichtiger Ereignisfaktor gewesen, dass dieser
bereits in der Unfallmeldung oder spätestens im Fragebogen zum detaillierten
Beschrieb des Unfallhergangs hätte erwähnt werden müssen. Dort habe der
Beschwerdeführer jedoch angegeben, dass es sich um einen normalen
Arbeitsverlauf gehandelt habe und die Frage, ob etwas Besonderes vorgefallen
sei, ausdrücklich verneint. Es könne daher nicht lediglich von einer
nachträglichen Konkretisierung des Unfallgeschehens gesprochen werden, sondern
es handle sich um eine neue, abweichende Tatsachenbehauptung. Weder den
Unfallmeldungen noch dem von der Beschwerdegegnerin eingeholten Fragebogen
liessen sich Hinweise auf Unklarheiten oder etwas Ungewöhnliches entnehmen.
Folglich bestehe kein Anlass zu ergänzenden Abklärungen, z.B. zur beantragten
Befragung des am 29. Oktober 2014 anwesenden Arbeitskollegen. Daher sei gemäss
der Beweisregel der "Aussage der ersten Stunde" die zeitnahe Schilderung des
Vorfalls vom 29. Oktober 2014 die wahrscheinlichere und der weiteren
Beurteilung zugrunde zu legen.  
 
3.3. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen:  
 
3.3.1. Zunächst macht er geltend, dass auf dem Formular der Versicherung zur
Erfragung des genauen Unfallhergangs sehr wenig Platz für die Beantwortung der
Fragen vorhanden gewesen sei. Die Gestaltung des Formulars erwecke somit den
Eindruck, dass keine detaillierte Beschreibung des Geschehens erwartet werde,
eine solche vielmehr eher verhindert werden solle. Daher dürfe eine
entsprechend knapp gehaltene Antwort sich nicht zum Nachteil des Versicherten
auswirken und auch nicht der einzige Grund für die Einstellung der
Untersuchungen sein. Dieses Vorgehen verstosse im Übrigen auch gegen Treu und
Glauben. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn abgesehen davon, dass ein
Versicherter angesichts des in der Tat geringen Zeilenabstands seine
Ausführungen beispielsweise auch auch auf einem Beiblatt oder auf der Rückseite
des Fragebogens niederschreiben könnte, bleibt entscheidend, dass der
Beschwerdeführer vorliegend die Frage nach einem besonderen Vorkommnis
ausdrücklich verneint und festgehalten hatte, dass der Sehnenriss beim Werfen
des Paletts auftrat. Ein Anschlagen am Container erwähnte er dort aber nicht,
obwohl ein solcher Umstand, wie schon die Vorinstanz festhielt, wohl so
eindrücklich gewesen wäre, dass er es bereits in dieser Befragung angegeben
hätte. Im Übrigen hält der Beschwerdeführer zur Antwort auf Frage 5 selbst
fest, dass die Interpretation, wonach der Sehnenriss beim Werfen entstanden
sei, angesichts des Wortlauts wohl am ehesten nachvollziehbar sei. Inwiefern
dennoch eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit dafür bestehen soll, dass sich
der Sachverhalt gemäss seiner späteren, ausführlichen Beschreibung abgespielt
habe, ist nicht erkennbar und lässt sich, wie gesagt, namentlich nicht mit den
Platzverhältnissen im Fragebogen erklären.  
 
3.3.2. Frage 3 des Fragenkatalogs erforscht, ob es sich um eine dem
Versicherten gewohnte Tätigkeit gehandelt habe und diese unter normalen
äusseren Bedingungen verlaufen sei, was der Beschwerdeführer bejahte und um die
Bemerkung "normaler Arbeitsablauf" ergänzte. Inwiefern er die Frage falsch
verstanden haben könnte, ist nicht ersichtlich, lässt er in der vorliegenden
Beschwerde doch selbst ausführen, dass die Tätigkeit, die zur Verletzung führte
(Entsorgen eines Paletts), einen normalen Arbeitsablauf darstelle und öfters
ausgeführt werde. Aus seinen Angaben lässt sich immerhin ableiten, dass weder
ein äusserer Faktor (z.B. schlechte Sichtverhältnisse, rutschiger oder unebener
Boden) noch eine ungewohnte Verrichtung (z.B. Werfen einer ausserordentlich
schweren oder besonders sperrigen Last) die Verletzung (mit) verursacht hätten.
 
 
3.3.3. Neu und damit von vornherein unbeachtlich (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG) ist
sodann die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er die Antworten wegen seiner
spärlichen Deutschkenntnisse nicht selbst geschrieben habe, diese vielmehr
Ergebnis einer Übersetzung seien und bereits deswegen eine Unschärfe aufwiesen.
 
 
3.4. Im Ergebnis verletzte das kantonale Gericht kein Bundesrecht, als es im
Rahmen der Beweiswürdigung auf die "Aussage der ersten Stunde" abstellte und
darauf verzichtete, zur später eingebrachten, abweichenden
Sachverhaltsdarstellung Beweise zu erheben (vgl. BGE 122 V 157 E. 1d S. 162).
Daran vermögen auch die übrigen Vorbringen in der Beschwerde nichts zu ändern.
 
 
4.   
Ausgehend vom Sachverhalt gemäss der Aussage der ersten Stunde verneinte die
Vorinstanz einerseits das Vorliegen eines Unfalls im Sinn von Art. 4 ATSG
mangels eines aussergewöhnlichen äusseren Faktors. Andererseits liege auch
keine unfallähnliche Körperschädigung vor, weil es sich beim Vorgang vom 29.
Oktober 2014 um eine alltägliche Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ohne
Störung des Bewegungsablaufs gehandelt habe und kein zur Unkontrollierbarkeit
der Vornahme der alltäglich Lebensverrichtung führender Faktor hinzugetreten
sei. Zudem weise weder der Umstand, dass die Wurfbewegung zu zweit ausgeführt
wurde, noch das Gewicht des Paletts von ca. 30 kg auf ein gesteigertes
Schädigungspotenzial hin. Schliesslich sei das Auftreten von Schmerzen als
solches kein äusserer schädigender Faktor. Der Beschwerdeführer setzt sich mit
diesen korrekten Schlussfolgerungen nicht auseinander, so dass sich weitere
Ausführungen dazu erübrigen. Die Beschwerde ist damit abzuweisen. 
 
5.   
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird im vereinfachten Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung unter Verweis auf den
kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - erledigt. 
 
6.   
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. April 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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