Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.612/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_612/2017  
 
 
Urteil vom 13. April 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Abdullah Karakök, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 27. Juni 2017 (IV.2016.00590). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die 1975 geborene A.________, Mutter von drei Kindern (Jahrgang 1993, 1999 und
2000) arbeitete in einem Teilpensum bei der Firma B.________. Im Mai 2006
meldete sie sich wegen Depression, chronischer Sinusitis mit Kopfschmerzen und
einem vegetativen Schmerzsyndrom seit der Geburt des 3. Kindes bei der
Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die Sozialversicherungsanstalt
des Kantons Zürich, IV-Stelle, sprach der Versicherten nach Abklärung der
medizinischen und erwerblichen Verhältnisse mit Verfügung vom 17. Juli 2008 bei
einem ermittelten Invaliditätsgrad von 40 % eine Viertelsrente ab Mai 2005 zu. 
Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 stellte A.________ mit Verweis auf einen
Austrittsbericht der psychiatrischen Klinik C.________ vom 7. April 2014 ein -
erneutes - Gesuch um Rentenerhöhung. Die IV-Stelle liess die Versicherte bei
der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim) polydisziplinär begutachten
(Expertise vom 26. November 2015). Nach Vorbescheid vom 10. Dezember 2015
verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 21. April 2016 einen Anspruch auf
weitere Leistungen der Invalidenversicherung. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Ausrichtung mindestens einer
halben Rente, eventuell einer Viertelsrente und subeventuell einer Rückweisung
zu weiteren Abklärungen beantragt worden war, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Juni 2017
ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihr mindestens eine
halbe Rente auszurichten, eventualiter sei ihr eine Viertelsrente zu gewähren,
subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) von einer Vernehmlassung abgesehen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (
Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194), was in der Beschwerde näher darzulegen ist
(BGE 133 III 393 E. 3 S. 395). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein
bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die
Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne
Weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 143 V 19 E. 1.2    S. 22 f.).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin legt im bundesgerichtlichen Verfahren einen Bericht
des Sanatoriums D.________ vom 13. Juni 2017 auf. Dabei handelt es sich um ein
unechtes Novum. Die Versicherte erläutert nicht, warum sie die neue Urkunde
nicht bereits im kantonalen Verfahren präsentierte und weshalb erst der
vorinstanzliche Entscheid Anlass für ihre Einreichung gegeben haben soll (Art.
42 Abs. 1 BGG; BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen); sie ist daher
unzulässig und bleibt unberücksichtigt (vgl. E. 1.1).  
 
2.   
Der Beurteilung von Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art.
82 ff. BGG) liegt der Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesen kann das Bundesgericht von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl.
auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Zu den Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 lit. a
BGG gehören auch die unvollständige Feststellung der rechtserheblichen
Tatsachen und die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes als einer
wesentlichen Verfahrensvorschrift (Urteil 9C_53/2008 vom      18. Februar 2009
E. 1.3 mit Hinweisen). 
 
3.   
Streitig ist, ob die vorinstanzliche Bestätigung der revisionsweisen Aufhebung
des Rentenanspruchs Bundesrecht verletzt. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundlagen zu den Begriffen der
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit
(Art. 7 ATSG), zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), zum
Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) sowie zur Rentenrevision (Art.
17 Abs. 1 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
4.   
Nach Darstellung der medizinischen Aktenlage erwog das kantonale Gericht im
Wesentlichen, bezüglich der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit könne auf das
asim-Gutachten vom November 2015 abgestellt werden. Demnach sei die depressive
Episode remittiert. Der Umstand, dass die Versicherte nach dem stationären
Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik C.________ im März 2014 und erneut im
Februar und im Sommer 2015 zu ihrer Familie in die Türkei reiste, spreche gegen
das Vorliegen einer psychischen Problematik. Der behandelnde Dr. med.
E.________ vom Zentrum F.________ führe in seinem Bericht vom 18. Februar 2016
aus, es sei Anfangs des Jahres 2016 im Zusammenhang mit Problemen mit einem
Sohn und dem Vorbescheid der IV-Stelle zu einer massiven Zunahme der
depressiven Beschwerden gekommen. Ein aus invalidenversicherungsrechtlicher
Sicht relevantes eigenständiges psychisches Leiden lasse sich jedoch daraus
nicht ableiten. Daran vermöge auch der während des Beschwerdeverfahrens
eingereichte Bericht des Dr. med. F.________, Arzt für Neurologie, vom 28. Juni
2016 nichts zu ändern, zumal es sich dabei um keine fachärztlich psychiatrische
Einschätzung handle und er die von ihm gestellte Diagnose einer schweren
depressiven Episode weitgehend auf psychosoziale Gründe zurückführe. Gestützt
auf das Gutachten der asim vom November 2015 sei verglichen mit der erstmaligen
Rentenzusprache von einem wesentlich verbesserten Gesundheitszustand
auszugehen. Die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin sei in ihrer
angestammten, wie auch in jeder angepassten Tätigkeit aufgrund von
Migränebeschwerden noch zu 20 % eingeschränkt. Damit habe sie keinen Anspruch
auf eine Rente mehr. 
 
5.  
 
5.1. Die Beschwerdeführerin bringt dagegen insbesondere vor, das kantonale
Gericht habe den Sachverhalt unvollständig festgestellt. Zwar sei im
angefochtenen Entscheid ein von ihr im Beschwerdeverfahren eingereichter
Austrittsbericht vom 22. März 2016 über eine teilstationäre Behandlung an der
psychiatrischen Klinik C.________ vom 10. Februar 2016 bis 3. März 2016 in der
Zusammenfassung der medizinischen Aktenlage erwähnt. Hingegen habe die
Vorinstanz die darin gemachten Ausführungen mit keinem Wort gewürdigt. Dies sei
umso unverständlicher, als das Gericht den Bericht des Dr. med. F.________ vom
28. Juni 2016 mit dem Argument, es handle sich nicht um eine fachärztliche
Einschätzung, als nicht überzeugend qualifizierte, den Bericht der Spezialärzte
der psychiatrischen Klinik C.________ in der Entscheidbegründung indessen
unbeachtet liess.  
 
5.2.  
 
5.2.1. Für die Prüfung, ob sich der Sachverhalt für die Vornahme einer Revision
im Sinne von Art. 17 ATSG verändert hat, werden einerseits die Verhältnisse zur
Zeit der letzten rechtskräftigen Verfügung, welche auf einer materiellen
Prüfung des Rentenanspruchs beruht (vgl. BGE 133 V 108), und andererseits
diejenigen, wie sie sich bis zum Erlass der streitigen Revisionsverfügung (hier
21. April 2016) entwickelt haben (BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243), verglichen.  
 
5.2.2. Die erstmalige Rentenzusprache basierte in medizinischer Hinsicht auf
dem Gutachten der Dr. med. G.________, Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 1. Februar 2007. Sie stellte die Diagnose einer
anhaltenden mittelgradigen depressiven Episode mit ausgeprägten ängstlichen
Zügen und attestierte eine 50 %ige Arbeitsunfähigkeit in allen Tätigkeiten.  
Die vom kantonalen Gericht geschützte Revisionsverfügung basiert auf dem
asim-Gutachten vom 26. November 2015. Das psychiatrische Teilgutachten datiert
vom 10. September 2015. Demnach sei es seit der Leistungszusprache zu einer
deutlichen Verbesserung des psychischen Zustandsbildes gekommen, sodass die
Arbeitsfähigkeit der Versicherten nicht mehr beeinträchtigt sei. Die Diagnose
lautet auf depressive Episode, gegenwärtig remittiert. Bis zum Erlass der
Revisionsverfügung vom 21. April 2016 liegen zwei weitere Arztberichte vor. Dr.
med. E.________ berichtete über eine Verschlechterung des psychischen Zustandes
ab Anfang des Jahres 2016 (Bericht vom 18. Februar 2016). In der Folge kam es
vom 10. Februar bis 3. März 2016 zu einer - weiteren - teilstationären -
Behandlung in der psychiatrischen Klinik C.________. Gemäss Austrittsbericht
vom 22. März 2016 diagnostizierten die Spezialärzte eine rezidivierende
depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (ICD-10: F33.2). Wie die
Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, hat das kantonale Gericht diesen Bericht
zu wenig gewürdigt. Zwar ergibt sich aus dem Bericht der psychiatrischen Klinik
C.________, dass sich die Befunde kaum verifizieren lassen, da die
Beschwerdeführerin oft abwesend war, weshalb schliesslich die Therapie
abgebrochen wurde, da die Diagnosen und Befunde der psychiatrischen Klinik
C.________ mit denjenigen des asim-Gutachtens nicht übereinstimmen, hätte die
Vorinstanz den Sachverhalt entweder weiter abklären müssen oder sie hätte
ausführen müssen, weshalb sie sich einzig auf das Gutachten der asim stützt. Im
angefochtenen Entscheid wird der Bericht in E. 5.6 zwar zitiert, eine
eigentliche Auseinandersetzung findet jedoch nicht statt. Sie erschöpft sich in
E. 6.2 zweitletzter Absatz in der unbegründeten Feststellung, es liege kein
invalidisierendes Leiden vor. Zusammenfassend ergibt sich, dass das kantonale
Gericht angesichts der Aktenlage den Sachverhalt unvollständig festgestellt und
den Untersuchungsgrundsatz missachtet hat, was eine Rechtsverletzung darstellt
(vgl. E. 2 hievor). Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit sie unter Mitberücksichtigung des Austrittsberichts der psychiatrischen
Klinik C.________ vom 22. März 2016 über die Beschwerde neu entscheide.
Erforderlichenfalls ist eine weitere Begutachtung anzuordnen. 
 
6.   
Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu erneuter Entscheidung mit
offenem Ausgang gilt hinsichtlich der Verfahrenskosten als volles Obsiegen (
Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235), unabhängig
davon, ob sie überhaupt beantragt, oder ob das entsprechende Begehren im Haupt-
oder im Eventualantrag gestellt wird. 
Die Gerichtskosten werden der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei
auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der obsiegenden Beschwerdeführerin
für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung auszurichten (
Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2017 aufgehoben.
Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde
neu entscheide. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 13. April 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer 

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