Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.611/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_611/2017  
 
 
Urteil vom 29. Dezember 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Jean Louis Scenini, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 28. Juni 2017 (IV 2014/413). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1959 geborene A.________ hatte am 29. Juni 1999 einen Unfall erlitten,
bei dem ihn ein ca. 8 bis 10 kg schwerer Wickel am Kopf getroffen hatte.
Zuletzt war er vom 9. Mai 2005 bis 31. Mai 2006 zu 100 % als
Qualitätsvorausplaner bei der B._________ AG angestellt. Am 4. September 2006
meldete er sich bei der IV-Stelle des Kantons St. Gallen zum Leistungsbezug an.
Diese holte diverse Arztberichte sowie polydisziplinäre Gutachten der MEDAS
Zentralschweiz, Luzern, vom 18. Januar 2008 und 13. Mai 2009 ein. Mit
Verfügungen vom 14. Oktober und 9. November 2009 sprach die IV-Stelle dem
Versicherten ab 1. Oktober 2008 eine Viertelrente und ab 1. Januar 2009 eine
halbe Invalidenrente zu. In teilweiser Gutheissung seiner Beschwerde hob das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen diese Verfügungen auf. Es wies die
Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen und anschliessender
Neuverfügung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 10. August 2011).  
 
A.b. Die IV-Stelle holte ein polydisziplinäres Gutachten der MEDAS Ostschweiz,
St. Gallen, vom 27. Januar 2012 mit Ergänzung vom 20. Februar 2012 ein. Mit
Schreiben vom 12. April 2012 forderte sie den Versicherten auf, sich einem
Analgetika-Entzug zu unterziehen. Dr. med. C.________, Regionaler Ärztlicher
Dienst (RAD) der IV-Stelle, stellte am 15. November 2012 fest, dieser korrekt
durchgeführte Entzug sei vollumfänglich gescheitert. Die IV-Stelle zog ein
polydisziplinäres Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 bei. Mit
Verfügung vom 22. Juli 2014 verneinte sie den Rentenanspruch des Versicherten,
da sein Invaliditätsgrad nur 11 % betrage.  
 
B.   
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 28. Juni 2017 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache zur
Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Eventuell sei ihm eine
ordentliche Viertelsrente zuzusprechen. Für das bundesgerichtliche Verfahren
sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund
dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um
Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585). 
 
2.   
Strittig und zu prüfen ist, ob die von der IV-Stelle am 22. Juli 2014 verfügte
und vom kantonalen Gericht bestätigte Verneinung des Rentenanspruchs vor
Bundesrecht standhält. 
 
2.1. Das kantonale Gericht hat richtig erkannt, dass sich der Beschwerdeführer
bereits im September 2006 zum Rentenbezug angemeldet und eine
Arbeitsunfähigkeit seit Januar 2006 geltend gemacht hat. Demnach sei zu prüfen,
ob er ab 1. Januar 2007 einen Rentenanspruch habe (vgl. BGE 138 V 475;
IV-Rundschreiben Nr. 253 vom 12. Dezember 2007).  
 
2.2. Weiter hat das kantonale Gericht die rechtlichen Grundlagen betreffend die
Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG), die Voraussetzungen des Rentenanspruchs (Art.
28 Abs. 1 IVG) und die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (vgl. Art. 16 ATSG; Art. 28a Abs. 1 IVG) richtig
dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
3.   
Das kantonale Gericht hat im Wesentlichen erwogen, laut dem polydisziplinären
(neurologischen, internistischen und psychiatrischen) Gutachten der MEDAS
Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 handle es sich beim Dauerkopfschmerz des
Beschwerdeführers am ehesten um einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz bei
Analgetika- und Triptanübergebrauch. Die primär zugrunde liegenden
Kopfschmerzen liessen sich deshalb nicht mehr eindeutig differenzieren. Für die
"Drop-Attacks" hätten die MEDAS-Gutachter keine erklärende Diagnose gefunden.
Auch den angegebenen Schwindel hätten sie als nicht-organisch eingestuft. Die
hypertensiven Entgleisungen seien differentialdiagnostisch als Nebenwirkung der
Triptaneinnahme beurteilt worden. Der psychiatrische MEDAS-Gutachter med.
pract. D.________ habe eine starke Selbstlimitierung sowie eine Überlagerung
der Kopfschmerzproblematik durch eine narzisstische und histrionische
Komponente festgestellt. Hinweise für eine affektive Störung im Sinne einer
depressiven Erkrankung oder eine Angststörung, für eine Störung aus dem
schizophrenen Formenkreis oder für eine Störung aus dem Formenkreis der
Somatisierungsstörung habe er nicht feststellen können. Die MEDAS-Gutachter
hätten sich das Ausmass der geltend gemachten gesundheitlichen Probleme also
weder aus somatischer noch aus psychiatrischer Sicht erklären können. Obwohl
der neurologische MEDAS-Gutachter keine signifikanten Auffälligkeiten gefunden
habe, habe er dem Beschwerdeführer mit der Begründung, dass es sich um eine
stressbelastete Tätigkeit handle, für die angestammte Tätigkeit als
Qualitätsingenieur "wohlwollend" eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Da
die Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit im Ergebnis für den
Rentenentscheid nicht relevant sei, könne offen gelassen werden, ob diese
Einschätzung überzeuge. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass das Ausmass der
geltend gemachten Kopfschmerzen und deren Folgen aus medizinischer Sicht nicht
erklärbar seien. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer bei den gutachterlichen
Untersuchungen erhebliche Inkonsistenzen gezeigt habe. Gestützt auf das
Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 sei von einer vollen
Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers für adaptierte Tätigkeiten auszugehen.
Hinweise, dass die Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit vorübergehend
höhergradig gewesen wäre, seien nicht ersichtlich. Deshalb gelte diese
Arbeitsfähigkeitsschätzung ab 1. Januar 2006. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung sei offensichtlich unrichtig. Das Gutachten der MEDAS
Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 sei für die Beurteilung seiner gesundheitlichen
Einschränkungen ungenügend. Es habe sich in einen unauflösbaren Widerspruch zu
den Gutachten der MEDAS Zentralschweiz vom 18. Januar 2008 und 13. Mai 2009
gesetzt. Die MEDAS Zentralschweiz habe eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit in einer
angepassten Tätigkeit festgestellt, während die MEDAS Ostschweiz diesbezüglich
von einer 100%igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen sei. Diesen Widerspruch hätten
die Gutachten nicht plausibel erklärt. Vielmehr hätten sie sich damit begnügt,
seine Ohnmachts- und Schwindelattacken auf einen Analgetika- und
Triptangebrauch zurückzuführen. Genauere Abklärungen zu den "Drop-Attacks"
hätten sie mit der Begründung nicht vorgenommen, diese seien ausreichend
untersucht worden. Dies sei unhaltbar, weil das kantonale Gericht im
Rückweisungsentscheid vom 10. August 2011 ausgeführt habe, die "Drop-Attacks"
seien zu wenig untersucht worden. Auch die im Jahre 2008 vorgenommene
Operation, bei der ihm zwecks Reduktion der Kopfschmerzen ein occipitaler
Neurostimulator eingesetzt worden sei, und die fast jährlich erfolgenden
Radiofrequenzneurotomien seien mit den Schlussfolgerungen des Gutachtens der
MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 unvereinbar. Nach einem Sturz hätten die
Elektroden des Neurostimulators teilweise ersetzt werden müssen, was eine
erneute Operation notwendig gemacht habe.  
 
4.2. Im Rahmen des MEDAS-Gutachtens vom 9. Dezember 2013 war den Experten
aufgrund der Berichte des Dr. rer. nat. E.________ vom 23. Februar 2011, des
Dr. med. F.________, Radiologie FMH, vom 21. April 2011 und des Spitals
G.________ vom 23. September 2013 bekannt, dass beim Beschwerdeführer ein
occipitaler Neurostimulator implantiert worden war. Unbeheflich ist sein
Einwand, die MEDAS habe im Rahmen dieses Gutachtens die "Drop-Attacks" zu
Unrecht nicht näher abgeklärt. Hierzu ist nämlich festzuhalten, dass es
grundsätzlich den Gutachterpersonen überlassen ist, über Art und Umfang der
aufgrund der konkreten Fragestellung erforderlichen Untersuchungen zu befinden.
Das Gericht hat alsdann zu prüfen, ob das Gutachten die praxisgemässen
Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage erfüllt (BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232; Urteil 8C_680/2015 vom 14. Dezember 2015 E. 5.1). Nach dem
kantonalen Rückweisungsentscheid vom 10. August 2011 wurde im Bericht des
Spitals H.________ vom 11. Juli 2012 festgehalten, es habe sich kein Anhalt für
ein epileptisches Geschehen gefunden. Laut dem Bericht des Spitals G._________
vom 23. September 2013 ergaben das CT des Neurokraniums und die CT-Angiographie
keine pathologischen Befunde. Weiter wurde in diesem Bericht ausgeführt, die
genaue Klassifikation der Kopfschmerzen des Beschwerdeführers sei nicht
möglich. Die Gutachter der MEDAS Ostschweiz legten am 9. Dezember 29013 dar,
die "Drop-Attacks" seien in der Vergangenheit mehrfach und von verschiedenen
Disziplinen abgeklärt worden, ohne dass eine erklärende Diagnose habe gefunden
werden können. Wenn sie in diesem Lichte auf weitere Abklärungen verzichteten,
ist dies nicht zu beanstanden (vgl. auch E. 7 hiernach).  
 
5.  
 
5.1. Weiter wendet der Beschwerdeführer ein, das Gutachten der MEDAS Ostschweiz
vom 9. Dezember 2013 gebe nur ungenügend Auskunft über seine aktenkundige
Depression und seine Angstzustände, obwohl die Klinik I.________ im Bericht vom
7. September 2006 eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert habe.
Die Gutachter der MEDAS Ostschweiz hätten die Diagnose eines
medikamenteninduzierten Kopfschmerzes damit begründet, dass bei der
Entzugstherapie die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und
histrionischen Zügen kaum berücksichtigt worden sei. Aus ihrem Gutachten gehe
aber nicht hervor, welcher Anteil der gesundheitlichen Beschwerden auf die
narzisstischen und histrionischen Züge sowie auf die ins Feld geführte
Selbstlimitierung zurückzuführen sei. Bei einer Komorbidität, wie sie bei ihm
vorliege, könnten nicht sämtliche Leiden mit einer narzisstischen und
histrionischen Persönlichkeitsstörung erklärt werden.  
 
5.2. Der Bericht der Klinik I.________ vom 7. September 2006 war den Gutachtern
der MEDAS Ostschweiz bekannt. Hierin wurde festgehalten, der Beschwerdeführer
sei während der Hospitalisation vom 7. August bis 1. Oktober 2006 in der bisher
ausgeübten Tätigkeit zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Anschliessend sei die
weitere Einschätzung der Arbeitsfähigkeit durch den nachbehandelnden Arzt
vorzunehmen. Dieser Bericht stellt mithin eine Momentaufnahme während der
Hospitalisation dar. Zudem ist er insofern widersprüchlich, als darin
gleichzeitig ausgeführt wurde, eine andere, dem Krankheitsverlauf angepasste
Tätigkeit sei nicht möglich. Aus diesem Bericht kann der Beschwerdeführer
demnach nichts zu seinen Gunsten ableiten.  
Im Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 wurde der kombinierten
Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und histrionischen Zügen (ICD-10
F61.0) kein Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit zuerkannt. Darüber hinaus wurde
keine psychiatrische Diagnose gestellt. Von einer Komorbidität kann deshalb
nicht gesprochen werden. Hiergegen bringt der Beschwerdeführer keine
substanziierten Einwände vor (vgl. auch E. 7 hiernach). 
 
6.   
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, laut seinen behandelnden Ärzten
Dres. med. J.________, Allgemeine Medizin FMH, und K.________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, sowie Dr. rer. nat. E.________, Facharzt für
Anästhesiologie und Intensivmedizin, Schmerztherapeut, sei ihm eine
Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Denn er legt nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass sie
wichtige Aspekte benennen, die im Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 9.
Dezember 2013 unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (nicht publ. E. 6.2 des
Urteils BGE 142 V 342, veröffentlicht in SVR 2016 IV Nr. 41 S. 131, 8C_676/
2015; Urteil 8C_362/2017 vom 30. Oktober 2017 E. 4; zum Beweiswert von
Administrativgutachten nach Art. 44 ATSG vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470). 
 
7.   
Entgegen dem Beschwerdeführer (vgl. E. 4.1 hiervor) wurde im Gutachten der
MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember 2013 die Abweichung von der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit in den Gutachten der MEDAS Zentralschweiz vom 18. Januar 2008
und 13. Mai 2009 hinreichend begründet. Wenn die Vorinstanz auf das Ergebnis
des erstgenannten Gutachtens abstellte, lässt sich dies nicht bemängeln, zumal
es auf eingehender klinischer Untersuchung des Beschwerdeführers beruhte und
interdisziplinär bestätigt wurde. 
Insgesamt erhebt der Beschwerdeführer keine Rügen, aus denen sich ergäbe, dass
das kantonale Gericht den medizinischen Sachverhalt offensichtlich unrichtig
oder sonstwie bundesrechtswidrig festgestellt hätte. Da von weiteren
medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse zu erwarten
sind, durfte das kantonale Gericht darauf verzichten (Art. 29 Abs. 2 BV;
antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_706/2017
vom 24. November 2017 E. 9). 
 
8.  
 
8.1. In erwerblicher Hinsicht (Art. 16 ATSG; zur diesbezüglichen Kognition des
Bundesgerichts vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399) ist unbestritten, dass das
ohne Gesundheitsschaden erzielbare Valideneinkommen des Beschwerdeführers auf
jährlich Fr. 76'180.- zu veranschlagen ist.  
 
8.2.  
 
8.2.1. Hinsichtlich des trotz Gesundheitsschadens erzielbaren
Invalideneinkommens erwog das kantonale Gericht, dieses sei anhand des
durchschnittlichen Einkommens eines Hilfsarbeiters zu berechnen, das jährlich
Fr. 60'167.- betrage. Zwar wirke sich das fortgeschrittene Alter des
Beschwerdeführers - im Verfügungszeitpunkt am 22. Juli 2014 fast 55 Jahre -
insoweit etwas lohnmindernd aus, als ein Arbeitgeber für ältere Arbeitnehmer
höhere Beiträge an die Pensionskasse zu bezahlen habe. Dieser Nachteil werde
allerdings dadurch aufgewogen, dass der Beschwerdeführer über eine gute Schul-
und Berufsausbildung verfüge. Die geltend gemachte Unfähigkeit, ein Auto zu
fahren, habe keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit,
da die meisten Arbeitsstellen gut an die öffentlichen Verkehrsmittel
angeschlossen seien und eine Wechselschichtarbeit ohnehin ausser Betracht
falle. Ein Tabellenlohnabzug sei somit nicht angezeigt. Der Vergleich des
Valideneinkommens von Fr. 76'180.- mit dem Invalideneinkommen von Fr. 60'167.-
ergebe einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 21 %.  
 
8.2.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, sein Alter ziehe höhere
Pensionskassenbeiträge nach sich, weshalb die Vorinstanz vom Tabellenlohn von
Fr. 60'167.- einen 5%igen Abzug hätte vornehmen müssen. Dieser offenbar nicht
auf einen leidensbedingen Abzug abzielende Einwand ist nicht stichhaltig, weil
für die Invaliditätsbemessung der Bruttolohn massgebend ist, der auch der vom
Bundesamt für Statistik herausgegebenen Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
[LSE] zugrunde liegt (Urteile 9C_526/2017 vom 14. November 2017 E. 5.3.2 und
8C_758/2014 vom 28. November 2014 E. 8). Im Übrigen würde auch die Gewährung
eines solchen Abzugs von 5 % nicht zu einem Rentenanspruch führen, wie sogleich
zu zeigen ist.  
 
8.2.3. Der Beschwerdeführer rügt weiter, er leide an "Drop-Attacks", die zu
schweren Stürzen führten. Diese würden auch bei einer Erwerbstätigkeit
passieren. Ferner sei er im Verfügungszeitpunkt 55 Jahre alt gewesen und habe
nie auf seinem erlernten Beruf gearbeitet. Ausserdem stamme er aus Syrien und
sei dort sozialisiert worden. Diese Umstände müssten zu einem leidensbedingten
Abzug von 25 % führen.  
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Alter bei Männern im Alterssegment von
40 bis 64/65 bei den dem Versicherten noch zumutbaren Arbeiten im untersten
Anforderungsniveau eher lohnerhöhend auswirkt. Zudem werden Hilfsarbeiten auf
dem massgebenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) grundsätzlich
altersunabhängig nachgefragt (vgl. LSE-Tabellen T17 2012 und 2014; siehe auch
Urteil 8C_477/2016 vom 23. November 2016 E. 4.2 sowie 8C_439/2017 vom 6.
Oktober 2017 E. 5.6.4). 
Unbehelflich ist die Berufung des Beschwerdeführers auf seine Sozialisierung in
Syrien. Denn er ist seit 16. September 1986 mit einer Schweizerin verheiratet,
lebt seit Dezember 1986 in der Schweiz und besitzt seit 6. Juli 1992 das
Schweizer Bürgerrecht. 
Ein Abzug wegen den geltend gemachten "Drop-Attacks" ist ebenfalls nicht
gerechtfertigt. Denn gemäss dem Gutachten der MEDAS Ostschweiz vom 9. Dezember
2013 sind dem Beschwerdeführer leichte Hilfsarbeitertätigkeiten ohne
Einschränkungen zumutbar, wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat (vgl. E.
3 hiervor; BGE 126 V 75 E. 5a/bb S. 78; Urteil 9C_418/2017 vom 30. Oktober 2017
E. 4.1.2). 
 
8.2.4. Im Übrigen ist der vorinstanzliche Einkommensvergleich unbestritten,
weshalb es damit sein Bewenden hat.  
 
9.   
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1).
Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihm gewährt werden (Art. 64 BGG). Er hat
der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu in der Lage ist
(Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Jean Louis Scenini wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 29. Dezember 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar 

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