Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.582/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_582/2017  
 
 
Urteil vom 22. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione. 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, 
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Wiedererwägung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich 
vom 30. Juni 2017 (IV.2016.01245). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1972, meldete sich im Januar 2001 zum Leistungsbezug bei
der Invalidenversicherung an. Mit Verfügung vom 4. Mai 2001 sprach ihr die
IV-Stelle des Kantons Zürich eine ganze Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von 100 % zu. Mit Schreiben vom 17. Juni 2003 teilte sie
A.________ mit, der Rentenanspruch sei unverändert. Gestützt auf das
polydisziplinäre Gutachten (internistisch, rheumatologisch, psychiatrisch) der
Academy of Swiss Insurance Medicine (ASIM), Basel, vom 23. November 2007
bestätigte die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. April 2008 die ganze
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von nunmehr 70 %. Mit Schreiben vom
23. Oktober 2009 teilte die IV-Stelle den unveränderten Anspruch auf eine
Invalidenrente mit. Im März 2010 informierte die IV-Stelle A.________ über ein
Pilotprojekt zur beruflichen Wiedereingliederung, worauf A.________ jedoch
nicht reagierte. 
Im Rahmen einer weiteren Rentenrevision holte die damals zuständige IV-Stelle
für Versicherte im Ausland bei Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie, und Dr. med. C.________, Facharzt für Rheumatologie und für
Innere Medizin, Basel, ein bidisziplinäres Gutachten vom 1. September 2014 ein.
Gestützt darauf hob die erneut zuständige IV-Stelle des Kantons Zürich mit
Verfügung vom 7. Oktober 2016 die Invalidenrente per Ende November 2016 auf. 
 
B.   
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juni 2017 in dem Sinne gut, dass es die
Verfügung vom 7. Oktober 2016 mit der Feststellung, A.________ habe weiterhin
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, aufhob und die Sache zu weiteren
Abklärungen und neuem Entscheid an die IV-Stelle zurückwies. 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Antrag, es sei festzustellen, dass die Verfügung vom 15. April 2008
zweifellos unrichtig sei, A.________ keinen Anspruch auf Abklärung und
Durchführung beruflicher Eingliederungsmassnahmen habe und der Entzug der
aufschiebenden Wirkung auch während des Abklärungsverfahrens andaure. Zudem
ersucht die IV-Stelle um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ihrer
Beschwerde. 
 A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde sowie des Gesuches um
aufschiebende Wirkung schliessen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche
Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine
Stellungnahme. 
 
D.   
Mit Verfügung vom 24. November 2017 erteilte das Bundesgericht der Beschwerde
in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die aufschiebende Wirkung. 
 
E.   
Nach Erlass von BGE 143 V 409 und 143 V 418 gewährte das Bundesgericht den
Parteien das rechtliche Gehör zur vorgenommenen Änderung der Rechtsprechung,
welches A.________ am 24. Januar 2018 wahrnahm. Die IV-Stelle äusserte sich am
26. Januar 2018. 
 
F.   
Mit Eingabe vom 2. März 2018 verzichtete A.________ auf weitere Bemerkungen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zulässig gegen Endentscheide, das
heisst gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen (Art. 90 BGG), und
gegen Teilentscheide, die nur einen Teil der gestellten Begehren behandeln,
wenn diese unabhängig von den anderen beurteilt werden können, oder die das
Verfahren nur für einen Teil der Streitgenossen und Streitgenossinnen
abschliessen (Art. 91 BGG). Gegen selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide ist hingegen die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die
Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn
die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).
Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen wird, sind Zwischenentscheide, die nur unter den
genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 133
V 477 E. 4.2 S. 481). Anders verhält es sich nur dann, wenn der unteren
Instanz, an welche zurückgewiesen wird, kein Entscheidungsspielraum mehr
verbleibt und die Rückweisung nur noch der Umsetzung des oberinstanzlich
Angeordneten dient (BGE 135 V 141 E. 1.1 S. 143; 134 II 124 E. 1.3 S. 127).  
 
1.2. Vorliegend hat die IV-Stelle in ihrer Beschwerde zu Recht ausgeführt, dass
ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, da sie - entgegen ihrer
Ansicht - gestützt auf den vorinstanzlichen Entscheid verpflichtet wäre, der
Versicherten trotz Entzugs der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 7.
Oktober 2016 weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten. Ebenso liegt ein
nicht wieder gutzumachender Nachteil vor, weil die Vorinstanz die
offensichtliche Unrichtigkeit der Verfügung vom 15. April 2008 (und der
Verfügung vom 4. Mai 2001) verneinte und somit die Möglichkeit der
Wiedererwägung auch gestützt auf den neu abzuklärenden Sachverhalt bereits als
unzulässig qualifizierte, so dass der IV-Stelle lediglich noch die Prüfung
einer allfälligen Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG offenstünde. Auf die
Beschwerde ist demnach einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
2.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen
nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die
Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das
Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen
wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid
festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1
S. 18 mit Hinweisen). 
 
3.   
Streitig ist, ob die Vorinstanz zu Recht die offensichtliche Unrichtigkeit der
Verfügung vom 15. April 2008 verneint und die IV-Stelle trotz Entzugs der
aufschiebenden Wirkung angewiesen hat, infolge notwendiger Abklärungen und
beruflicher Eingliederungsmassnahmen weiterhin die ganze Invalidenrente zu
bezahlen. Die IV-Stelle wendet sich in ihrer Beschwerde jedoch nicht gegen die
angeordnete Einholung eines den Anforderungen von BGE 141 V 281 entsprechenden
Gutachtens. 
 
4.   
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über die Begriffe der Invalidität (Art. 8
Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit (
Art. 7 ATSG), die Revision einer Invalidenrente (Art. 17 Abs. 1 ATSG) und die
Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für
die Grundsätze zur Selbsteingliederung der versicherten Person nach langem
Rentenbezug oder bei über 55-jährigen Versicherten (BGE 141 V 5). Darauf wird
verwiesen. 
 
5.  
 
5.1. Gemäss BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 sind bei psychischen Gesundheitsschäden
folgende Grundsätze zu beachten:  
 
"Was das "sozio-kulturelle Umfeld" als weiteren Grund für das Unvermögen des
Beschwerdeführers, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, anbetrifft, wird in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss geltend gemacht, dass
invaliditätsfremde Faktoren insofern von Bedeutung sind, als sie zur Entstehung
oder Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustandes beitragen oder den
Erfolg therapeutischer Massnahmen gefährden. An dieser Auffassung ist so viel
richtig, dass sich solche Umstände im Rahmen der Invaliditätsbemessung unter
dem Gesichtspunkt zumutbarer Willensanstrengung zu ihrer Überwindung
regelmässig nicht klar vom medizinischen Leiden selber trennen lassen. Indessen
gebietet sich mit Blick auf die in Erw. 4a dargelegte Rechtsprechung,
insbesondere Praxis 1997 Nr. 49 S. 252, die Präzisierung, dass Art. 4 Abs. 1
IVG zu Erwerbsunfähigkeit führende Gesundheitsschäden versichert, worunter
soziokulturelle Umstände nicht zu begreifen sind. Es braucht in jedem Fall zur
Annahme einer Invalidität ein medizinisches Substrat, das (fach)
ärztlicherseits schlüssig festgestellt wird und nachgewiesenermassen die
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt. Je stärker
psychosoziale oder soziokulturelle Faktoren im Einzelfall in den Vordergrund
treten und das Beschwerdebild mitbestimmen, desto ausgeprägter muss eine
fachärztlich festgestellte psychische Störung von Krankheitswert vorhanden
sein. Das bedeutet, dass das klinische Beschwerdebild nicht einzig in
Beeinträchtigungen, welche von den belastenden soziokulturellen Faktoren
herrühren, bestehen darf, sondern davon psychiatrisch zu unterscheidende
Befunde zu umfassen hat, zum Beispiel eine von depressiven
Verstimmungszuständen klar unterscheidbare andauernde Depression im
fachmedizinischen Sinne oder einen damit vergleichbaren psychischen
Leidenszustand. Solche von der soziokulturellen Belastungssituation zu
unterscheidende und in diesem Sinne verselbstständigte psychische Störungen mit
Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit sind unabdingbar, damit
überhaupt von Invalidität gesprochen werden kann. Wo der Gutachter dagegen im
Wesentlichen nur Befunde erhebt, welche in den psychosozialen und
soziokulturellen Umständen ihre hinreichende Erklärung finden, gleichsam in
ihnen aufgehen, ist kein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden
gegeben (vgl. AHI 2000 S. 153 Erw. 3). Ist anderseits eine psychische Störung
von Krankheitswert schlüssig erstellt, kommt der Frage zentrale Bedeutung zu,
ob und inwiefern, allenfalls bei geeigneter therapeutischer Behandlung, von der
versicherten Person trotz des Leidens willensmässig erwartet werden kann zu
arbeiten (eventuell in einem geschützten Rahmen; vgl. Praxis 1997 Nr. 49 S. 255
Erw. 4b) und einem Erwerb nachzugehen (...)." 
 
5.2. Das ASIM diagnostizierte in seinem Gutachten vom 23. November 2007 mit
einschränkender Wirkung der Arbeitsfähigkeit eine mittelgradige depressive
Episode (ICD-10 F32.1) mit ausgeprägter Somatisierung, deutlicher
Symptomausweitung und rezidivierenden Panikattacken sowie ein chronisches
zervikovertrebrales Syndrom (ICD-10 M54.2) bei Wirbelsäulenfehlhaltung und
-fehlform sowie muskulärer Dysbalance. Weiter führte es in seiner
interdisziplinären Besprechung zur zumutbaren Arbeitsfähigkeit aus (S. 19 f.) :
 
 
"Zusammenfassend leidet die Explorandin seit 1995 an einer zurzeit mittelgradig
einzustufenden depressiven Episode mit einer im Verlauf deutlichen
Symptomausweitung, welche sich im psychiatrischen Bereich als rezidivierende
Panikattacken und im somatischen Bereich als therapieresistentes
generalisiertes Schmerzsyndrom mit Schwergewicht im Lendenwirbelbereich
äussert. Erschwerend resp. unterstützend bestehen ausgeprägte psychosoziale
Belastungsfaktoren, welche sich sowohl auf die psychische Befindlichkeit wie
auch die Schmerzproblematik auswirken. Als auslösendes Ereignis der psychischen
Probleme gibt die Explorandin die verschiedenen ausserehelichen Beziehungen
ihres Ehemannes an, welche nach einer heimlichen Heirat des Ehemannes mit einer
Cousine der Explorandin schliesslich zu einer Trennung führten, woraufhin sich
in der Folge Freunde und Bekannte von ihr zurückzogen. Die psychosoziale
Belastungssituation hat sich nach einem Gefängnisaufenthalt des Ehemannes und
der nachfolgenden Rückkehr zur Explorandin zuletzt noch akzentuiert.... 
Gemäss unserer Einschätzung steht die psychische Problematik, wie oben
ausgeführt insbesondere betreffend der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit,
deutlich im Vordergrund. Die zuvor beschriebene psychosoziale Situation mit
oben genannter psychiatrischer Diagnose schränken Frau Coban in ihrer
Arbeitstätigkeit weitgehend ein, wobei wir aktuell von einer Arbeitsfähigkeit
von 2-3 Stunden am Tag für leichte körperliche Arbeit ausgehen. Die
psychosoziale Belastungssituation ist sicherlich für die Aufrechterhaltung
resp. allenfalls auch Verstärkung der Depression verantwortlich und lässt
zurzeit eine höhere Arbeitstätigkeit nicht zu. Allerdings ist davon auszugehen,
dass sich die psychosoziale Situation, insbesondere durch das Älterwerden der
Kinder, in Zukunft wohl eher bessern wird, wobei dann in Abhängigkeit von der
psychischen Situation der Explorandin eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit
durchaus realistisch ist.... 
... Wie bereits oben erwähnt, ist jedoch die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit
insbesondere durch die psychiatrische Problematik gegeben und nicht durch das
somatische Beschwerdebild der Explorandin.... Von einer langfristig negativen
Auswirkung dieser psychosozialen Umstände muss jedoch grundsätzlich nicht
ausgegangen werden, da zumindest das Potenzial besteht, dass sich diese in
Zukunft verbessern können, was wiederum zu einer Verbesserung der
Arbeitsfähigkeit führen sollte." 
In der Folge attestierten die Experten eine Arbeitsfähigkeit von 30 % sowohl in
der zuletzt ausgeübten als auch in Verweisungstätigkeiten. 
 
5.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanz (E. 5.4 des kantonalen Entscheids)
sei die Rentenzusprache mit Verfügung vom 4. Mai 2001 als auch deren
revisionsweise Bestätigung mit Verfügung vom 15. April 2008 auf Grund einer
vertretbaren medizinischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit erfolgt. So habe
Dr. med. D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Zürich, im
Jahr 2001 zwar Ausführungen über familiäre Probleme gemacht, es lasse sich
seinen Aussagen aber nicht entnehmen, dass die psychosozialen Faktoren im
Vordergrund gestanden seien. Die Annahme eines invalidisierenden
Gesundheitsschadens sei deshalb nicht offensichtlich unrichtig. Vor dem
Hintergrund der nach wie vor bestehenden psychosozialen Situation erweise sich
auch die revisionsweise Bestätigung der Invalidenrente nicht als offensichtlich
unrichtig. So habe der psychiatrische Experte im ASIM-Gutachten vom 23.
November 2007 festgehalten, dass die vorliegende psychosoziale Situation mit
Ausbildung der genannten psychiatrischen Diagnosen die Versicherte in ihrer
Arbeitsfähigkeit einschränken würde; die Versicherte habe unter den
Zwangsmassnahmen der Familie zur Heirat mit körperlicher Gewalt zunehmend ein
depressives Syndrom und Schmerzen entwickelt. Somit stelle auch der
psychiatrische Gutachter im Jahr 2007 eine psychische Störung mit
Krankheitswert fest. Entgegen der Ansicht der IV-Stelle sei die festgestellte
psychische Erkrankung, welche eine andauernde und erhebliche Erwerbsunfähigkeit
bewirke, relevant und nicht invaliditätsfremd, weil sie auf psychosoziale
Faktoren zurückgeführt werden könne.  
 
5.4. Angesichts der in E. 5.2 wiedergegebenen Einschätzung der ASIM-Experten,
insbesondere der Aussage, die beschriebene psychosoziale Situation mit den
genannten psychiatrischen Diagnosen schränke die Versicherte in ihrer
Arbeitstätigkeit weitgehend ein, ist es aktenwidrig und damit willkürlich (E.
2.2), wenn die Vorinstanz sich auf den Standpunkt stellt, das attestierte
psychische Leiden sei selbstständig und invalidisierend. Vielmehr halten die
Gutachter gerade fest, dass bei Wegfall der psychosozialen Faktoren auch die
Arbeitsfähigkeit sich wieder einstellen würde. Demnach basiert die 2007
attestierte und der Invalditätsermittlung gemäss Verfügung vom 15. April 2008
zugrunde gelegte Arbeitsunfähigkeit ausschliesslich auf psychosozialen
Belastungsfaktoren. Ein davon zu unterscheidendes und damit verselbstständigtes
psychisches Leiden mit Krankheitswert ist - entgegen den willkürlichen
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz - nicht ausgewiesen.  
 
5.5. Die auf psychosozialen Faktoren beruhende psychisch bedingte
Arbeitsunfähigkeit ist kein invalidisierender Gesundheitsschaden im Sinne der
damals (und auch heute noch) geltenden Rechtsprechung von BGE 127 V 294 E. 5a
S. 299. Die diesbezügliche offensichtlich unzutreffende Rechtsanwendung stellt
einen Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG dar. Die Beschwerde ist in
diesem Punkt gutzuheissen. Die IV-Stelle ist somit berechtigt, auf die mit
Verfügung vom 15. April 2008 zugesprochene Rente zurückzukommen und hat den
Anspruch der Versicherten auf eine Invalidenrente gestützt auf die
vorinstanzlich angeordnete und vor Bundesgericht nicht beanstandete erneute
Begutachtung neu zu beurteilen.  
Nachdem die IV-Stelle vor Bundesgericht den vorinstanzlichen Entscheid explizit
nur bezüglich deren Beurteilung der Verfügung vom 15. April 2008, nicht aber
bezüglich der erstmaligen Rentenzusprache rügt, hat es damit sein Bewenden (
Art. 107 Abs. 1 BGG). 
 
6.  
 
6.1. Bei Aufhebung einer rentenaufhebenden Verfügung und Rückweisung der Sache
zu weiteren Abklärungen resp. neuer Verfügung dauert der Entzug der
aufschiebenden Wirkung nach konstanter Rechtsprechung auch während des erneuten
Verwaltungsverfahrens an (vgl. statt vieler BGE 129 V 370 und SVR 2011 IV Nr.
33 S. 96, 8C_451/2010). Im Sozialversicherungsrecht ist bei
leistungsaufhebenden Verfügungen der Entzug der aufschiebenden Wirkung die
Regel (Art. 66 IVG in Verbindung mit Art. 97 AHVG). Muss ein kantonales Gericht
über einen solchen Entzug urteilen, hat es seinen Entscheid wenigstens
summarisch zu begründen (Urteil 8C_507/2013 vom 2. Dezember 2013 E. 2 und 3),
wobei unter Umständen der Verweis auf die Verwaltungsverfügung ausreicht
(Urteil 8C_276/2007 vom 20. November 2007 E. 3.3 und 3.4; vgl. zum Ganzen auch
Urteil 8C_136/2017 vom 7. August 2017 E. 7.1).  
 
6.2. Vorliegend hat die Vorinstanz, ohne sich damit explizit auseinander zu
setzen, die IV-Stelle zur Weiterausrichtung der ganzen Rente bis zur allfällig
erneut verfügten Rentenaufhebung/-herabsetzung gestützt auf die von ihr
angeordneten Abklärungen verpflichtet. Es kann offen bleiben, ob sie mit ihrem
Vorgehen bezüglich der entzogenen aufschiebenden Wirkung ihre
Begründungspflicht und damit Art. 29 Abs. 2 BV verletzt hat, da der von ihr
implizit geltend gemachte Grund für die Weiterausrichtung der bisherigen Rente
(Unterlassung von Abklärungen und Durchführung beruflicher Massnahmen vor
Aufhebung oder Reduktion der Rente) vor Bundesrecht standhält und der
aufschiebenden Wirkung vorgeht (vgl. E. 6.4).  
 
6.3. Im Gebiet der Invalidenversicherung gilt ganz allgemein der Grundsatz,
dass die invalide Person, bevor sie Leistungen verlangt, alles ihr Zumutbare
selber vorzukehren hat, um die Folgen ihrer Invalidität bestmöglich zu mildern.
Von den Versicherten können jedoch nur Vorkehren verlangt werden, die unter
Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des
Einzelfalls zumutbar sind (BGE 113 V 22 E. 4a S. 28 mit Hinweisen). Nach der
Rechtsprechung sind bei Personen, deren Rente revisionsweise herabgesetzt oder
aufgehoben werden soll, nach mindestens fünfzehn Jahren Bezugsdauer oder wenn
sie das 55. Altersjahr zurückgelegt haben, in der Regel vorgängig Massnahmen
zur Eingliederung durchzuführen, bis sie in der Lage sind, das
medizinisch-theoretisch (wieder) ausgewiesene Leistungspotenzial mittels
Eigenanstrengung auszuschöpfen und erwerblich zu verwerten (BGE 141 V 5 E. 4.1
S. 7; SVR 2015 IV Nr. 41 S. 139 E. 5, 9C_183/2015, je mit Hinweisen). Ausnahmen
vom Grundsatz der Unzumutbarkeit einer Selbsteingliederung liegen namentlich
vor, wenn die langjährige Abstinenz vom Arbeitsmarkt auf invaliditätsfremde
Gründe zurückzuführen ist, die versicherte Person besonders agil, gewandt und
im gesellschaftlichen Leben integriert ist oder über besonders breite
Ausbildungen und Berufserfahrungen verfügt. Verlangt sind immer konkrete
Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, die versicherte Person könne sich
trotz ihres fortgeschrittenen Alters und/oder der langen Rentenbezugsdauer mit
entsprechender Absenz vom Arbeitsmarkt ohne Hilfestellungen wieder in das
Erwerbsleben integrieren (SVR 2015 IV Nr. 41 S. 139 E. 5, 9C_183/2015). Die
IV-Stelle trägt die Beweislast dafür, dass entgegen der Regel die versicherte
Person in der Lage ist, das medizinisch-theoretisch (wieder) ausgewiesene
Leistungspotenzial auf dem Weg der Selbsteingliederung erwerblich zu verwerten
(Urteil 8C_394/2017 vom 8. August 2017 E. 4.2 mit Hinweis).  
 
6.4. Die Versicherte ist seit 1996 keiner Arbeitstätigkeit mehr nachgegangen.
Dies vorwiegend nicht aus gesundheitlichen, sondern psychosozialen Gründen. Sie
hat keinerlei Ausbildung genossen und war in den Jahren ihrer Erwerbstätigkeit
stets als ungelernte Hilfsarbeiterin beschäftigt. Ihre ärztlich attestierte
Restarbeitsfähigkeit betrug bei der erstmaligen Rentenzusprache 0 %, ab 2007
gestützt auf das ASIM-Gutachten 30 %. Aus den Akten sind keinerlei
Anstrengungen der Versicherten zur beruflichen Eingliederung ersichtlich. So
hat sie auch auf das Angebot der IV-Stelle zur Teilnahme an einem Pilotprojekt
der beruflichen Eingliederung nicht reagiert. Unter Berücksichtigung all dieser
Umstände ist es dennoch nicht bundesrechtswidrig, dass die Vorinstanz eine
zumutbare Selbsteingliederung verneint und folglich die IV-Stelle mangels
Prüfung und Durchführung allfälliger beruflicher Eingliederungsmassnahmen zur
Weiterausrichtung der bisherigen ganzen Invalidenrente verpflichtet hat. Daran
ändert auch der Einwand der IV-Stelle nichts, der kantonale Entscheid stelle
einen Verstoss gegen die Rechtsprechung zum Entzug der aufschiebenden Wirkung (
BGE 129 V 370; SVR 2011 IV Nr. 33 S. 96, 8C_451/2010) dar. Denn die Aufhebung
der bisherigen Rente im Rahmen einer Rentenrevision oder Wiedererwägung kann
erst nach Durchführung von Eingliederungsmassnahmen erfolgen; mithin ist in
Fällen der nicht zumutbaren Selbsteingliederung die Prüfung und allfällige
Durchführung von Eingliederungsmassnahmen Voraussetzung der Rentenaufhebung (in
BGE 141 V 5 nicht, aber in SVR 2015 IV Nr. 19 S. 56 publizierte E. 4.2.4 des
Urteils 8C_446/2014 vom 12. Januar 2015).  
 
7.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die Parteien haben die Gerichtskosten je
hälftig zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und 2 BGG). Infolge Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) wird der Anteil der
Versicherten jedoch vorläufig auf die Gerichtskasse genommen und ihrer Anwältin
wird eine Entschädigung aus der Gerichtskasse bezahlt. Die Versicherte hat
jedoch Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4
BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 30. Juni 2017 wird insoweit
abgeändert, als nunmehr ein Wiedererwägungsgrund nach Art. 53 Abs. 2 ATSG
bezüglich der Verfügungbejaht vom 15. April 2008 bejaht wird. Im Übrigen wird
die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin Kathrin Hässig wird als unentgeltliche Anwältin bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden zu Fr. 400.- der Beschwerdeführerin und
zu Fr. 400.- der Beschwerdegegnerin auferlegt. Der Anteil der
Beschwerdegegnerin wird vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1400.- zu entschädigen. 
 
5.   
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 1'400.- ausgerichtet. 
 
6.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen. 
 
7.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold 

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