Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.581/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_581/2017  
 
 
Urteil vom 25. April 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Sutter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
 Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG, Schadenservice, Postfach, 8010
Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 2. August 2017 (UV 2015/67). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1954 geboren A.________ arbeitete seit dem 1. März 1989 für das Spital
B.________ als Chauffeur bei Wäsche- und Mahlzeitentransporten. Am 21. Januar
1991 wurde er am linken Fuss von einem herabfallenden Container getroffen. Nach
primär konservativer Behandlung einer Lisfranc-Luxations-Fraktur war eine
Dystrophie aufgetreten. Zudem bestand eine lokale Arthrose in einzelnen
Gelenkabschnitten. Die Elvia Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft
(nachstehend: Elvia) gewährte Taggelder und kam für Heilbehandlungskosten auf.
Mit Verfügung vom 6. Januar 1998 bestätigte die Elvia einen Vergleich und
sprach dem Versicherten für die Zeit ab 1. Oktober 1997 eine Invalidenrente
aufgrund eines Invaliditätsgrades von 45 % zu. Als Ergebnis eines
Rentenrevisionsverfahrens hob die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG
(nachstehend Allianz) als Rechtsnachfolgerin der Elvia die bisher gewährte
Invalidenrente mit Verfügung vom 15. Januar 2015 rückwirkend auf den 31. Mai
2009 hin auf, wobei sie auf eine Rückforderung zu Unrecht bereits
ausgerichteter Zahlungen ausdrücklich verzichtete. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2015 fest. 
 
B.   
Die dagegen gerichtete Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen nach Androhung einer Reformatio in peius mit Entscheid vom 2. August
2017 in dem Sinne teilweise gut, dass es den Einspracheentscheid vom 2. Oktober
2015 aufhob und die Allianz verpflichtete, A.________ ab 1. Juni 2009 eine
Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 14 % auszurichten.
Zudem wurde der Versicherte verpflichtet, zu Unrecht bereits bezogene
Rentenleistungen im Sinne der Erwägungen zurückzuerstatten. Zur Festsetzung des
Rückforderungsbetrages wurde die Sache an die Allianz zurückgewiesen. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt A.________, es sei ihm die auf einem Invaliditätsgrad
von 45 % basierende Rente unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides
weiterhin zu gewähren. Eventuell sei die Angelegenheit zur neuen Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Allianz beantragt die Abweisung der Beschwerde, "eventualiter" sei unter
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides die Einstellung der
Versicherungsleistungen per 31. Mai 2009 zu bestätigen. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
 
2.1. Im angefochtenen Entscheid bestätigte die Vorinstanz zwar nicht die
Rentenaufhebung der Beschwerdegegnerin per 31. Mai 2009, hielt jedoch fest, ab
1. Juni 2009 bestehe lediglich noch Anspruch auf eine Rente bei einem
Invaliditätsgrad von 14 %. Der Beschwerdeführer beantragt letztinstanzlich die
Weiterausrichtung einer Rente bei einem Invaliditätsgrad von 45 %. Dieser
Antrag ist zulässig, liegt doch betreffend der Rente ein anfechtbarer
Endentscheid vor.  
 
2.2. Zu Recht nicht angefochten hat der Beschwerdeführer den vorinstanzlichen
Entscheid, soweit er im Grundsatz die Rückerstattungspflicht zu Unrecht
bezogener Rentenleistungen bejaht und die Sache zur Festsetzung des
Rückforderungsbetrags an die Beschwerdegegnerin zurückweist, liegt doch
insoweit lediglich ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG vor und sind
die Voraussetzungen zum Eintreten auf eine Beschwerde gegen einen solchen
Entscheid offensichtlich nicht erfüllt.  
 
2.3. Da die Allianz gegen den vorinstanzlichen Entscheid keine eigene
Beschwerde erhoben hat, das BGG grundsätzlich keine Anschlussbeschwerde kennt
und die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise von diesem Grundsatz
abgewichen werden könnte (vgl. BGE 138 V 106 E. 2 S. 110 f.), vorliegend nicht
erfüllt sind, ist auf den "Eventualantrag" der Allianz, es sei die
Rentenaufhebung per 31. Mai 2009 zu bestätigten, nicht einzutreten.  
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist demnach, ob der Beschwerdeführer in der Zeit ab 1.
Juni 2009 Anspruch auf eine höhere als die vorinstanzlich zugesprochene
Invalidenrente hat. 
 
4.   
 
4.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 %
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines
Rentenbezügers erheblich, so wird gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG die Rente von
Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht,
herabgesetzt oder aufgehoben.  
 
4.2. Eine Rentenherabsetzung oder Aufhebung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG
setzt eine anspruchserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus,
welche entweder in einer objektiven Verbesserung des Gesundheitszustandes mit
entsprechend gesteigerter Arbeitsfähigkeit oder in geänderten erwerblichen
Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen
Gesundheitsbeeinträchtigung liegen kann. Demgegenüber stellt eine bloss
abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes
keine revisionsrechtlich relevante Änderung dar (BGE 112 V 371E. 2b S. 372
unten; in BGE 136 V 216 nicht publizierte E. 3.2 des Urteils 8C_972/2009,
publiziert in: SVR 2011 IV Nr. 1 S. 1 mit Hinweis).  
 
5.   
Die ursprüngliche Rentenzusprache erfolgte in Bestätigung eines zwischen dem
Versicherten und der Unfallversicherung abgeschlossenen Vergleiches.
Praxisgemäss sind auch rentenzusprechende Verfügungen, welche auf einem
Vergleich beruhen, ohne Weiteres in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 ATSG
revidierbar (Urteil 8C_739/2011 vom 20. August 2012 E. 4.1 mit weiterem
Hinweis, vgl. auch Urteil 8C_457/2014 vom 5. September 2014 E. 2.4). Entgegen
den Ausführungen des Beschwerdeführers besteht kein hinreichender Anlass, auf
diese Rechtsprechung zurückzukommen. Insbesondere kann die Praxis, wonach
Verfügungen, welche einen Vergleich bestätigen, nur zurückhaltend und unter
Berücksichtigung des Vergleichscharakters in Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2
ATSG) gezogen werden dürfen (vgl. BGE 138 V 147 mit weiteren Hinweisen), nicht
auf die Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG übertragen werden. Anders als die
Wiedererwägung knüpft die Revision nicht an eine Fehlerhaftigkeit der
ursprünglichen Rentenzusprache an, sondern dient der Anpassung einer
ursprünglich fehlerfreien Verfügung an einen in der Zeit seit der
Rentenzusprache veränderten Sachverhalt (vgl. BGE 140 V 514 E. 3.2 S. 516). Es
besteht somit kein Grund, bezüglich der Revision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG
Rentenzusprachen, welche auf einem Vergleich beruhen, anders zu behandeln als
andere Rentenzusprachen. 
 
6.   
 
6.1. Während die Beschwerdegegnerin ihre Revisionsverfügung noch damit
begründete, der Gesundheitzustand des Versicherten habe sich seit der
Rentenzusprache (6. Januar 1998) erheblich verbessert, hat das kantonale
Gericht erwogen, eine Revision sei bereits aufgrund der geänderten erwerblichen
Rahmenbedingungen zulässig. Bei der Rentenzusprache habe man sich
vergleichsweise darauf geeinigt gehabt, den Versicherten, der in diesem
Zeitpunkt zu 50 % bei seinem bisherigen Arbeitgeber mit angepasstem
Tätigkeitsprofil tätig war, als in erwerblicher Hinsicht optimal eingegliedert
zu betrachten. Entsprechend sei der Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung
dieser konkreten Tätigkeit als Invalidentätigkeit festgelegt worden. Der
Beschwerdeführer habe diese Anstellung jedoch per 31. Juli 2008 verloren, so
dass in erwerblicher Hinsicht eine wesentliche Sachverhaltsänderung
stattgefunden habe. Was der Versicherte gegen diese vorinstanzlichen Erwägungen
vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Zwar mag es zutreffen, dass das
Arbeitsverhältnis nicht direkt Gegenstand des Vergleiches war und sein
Interesse am Vergleichsabschluss in erster Linie auf eine möglichst zeitnahe
Festlegung der Ansprüche gerichtet war. Wird jedoch, wie vorliegend, eine Rente
unter Bezugnahme auf eine bestimmte Tätigkeit als Invalidentätigkeit
zugesprochen und fällt diese Tätigkeit in der Folge dahin, so kann dies eine
erhebliche Änderung der erwerblichen Folgen eines Gesundheitsschadens
darstellen. Somit ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz einen
Revisionsgrund bejaht hat.  
 
6.2. Liegt ein Revisionsgrund vor, ist der Rentenanspruch in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") zu prüfen, wobei keine Bindung
an frühere Beurteilungen besteht (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f. mit weiteren
Hinweisen). Das kantonale Gericht hat in umfassender Prüfung der Sach- und
Rechtslage und unter Durchführung eines Einkommensvergleiches geschlossen, dem
Versicherten stehe ab 1. Juni 2009 noch eine Rente bei einem Invaliditätsgrad
von 14 % zu. Diese Erwägungen sind vom Versicherten unbestritten geblieben; was
die Beschwerdegegnerin gegen sie vorbringt, ist im vorliegenden Fall nicht zu
hören (vgl. E. 2.3). Entsprechend ist die Beschwerde des Versicherten ohne
Weiterungen abzuweisen.  
 
7.   
Da durch die Anschlussbeschwerde der Allianz kein erheblicher Mehraufwand für
das Bundesgericht entstanden ist, rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten
vollumfänglich dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Auf die Anschlussbeschwerde der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG
wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 25. April 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold 

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