Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.579/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_579/2017  
 
 
Urteil vom 11. Dezember 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Glarus, 
Burgstrasse 6, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus 
vom 11. August 2017 (VG.2017.00033). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1972, ist gelernte Charcuterieverkäuferin und Mutter eines
erwachsenen Sohnes. Sie war zuletzt vollzeitlich bis am 30. September 2013 als
regionale Verkaufsleiterin bei der B.________ AG, Winterthur, angestellt. Am 2.
Dezember 2013 meldete sie sich unter Hinweis auf Rückenbeschwerden mit
dreimaliger Operation bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Der
Hausarzt Dr. med. C.________, Glarus, reichte die Berichte der Klinik
D.________, Zürich, ein. Die mit einem ersten Gespräch am 17. Dezember 2013
eingeleiteten beruflichen Massnahmen wurden gesundheitlich bedingt verzögert.
Nach einer weiteren Operation (Metallentfernung) am 16. April 2015 absolvierte
die Versicherte ab dem 1. September 2015 eine berufliche Abklärung. Die
IV-Stelle Glarus holte ein Gutachten des Ärztlichen Begutachtungsinstituts ABI,
Basel, vom 5. Dezember 2016 ein. Gestützt auf die dort bescheinigte volle
Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ermittelte sie einen
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 39 Prozent und lehnte den Anspruch
auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 10. April 2017 ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus
mit Entscheid vom 11. August 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Des Weiteren ersucht sie um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Ein
Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Da die Beschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich ein reformatorisches
Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss sie einen Antrag in der Sache
(vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG) enthalten; ein blosser Antrag auf Rückweisung genügt
nicht, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden
könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135 f. mit Hinweis; Urteil 8C_673/2016 vom 10.
Januar 2017 E. 1). Aus der Beschwerdebegründung, die in diesem Zusammenhang zur
Interpretation beigezogen werden kann, ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin
der Sache nach auf einen Rentenanspruch abzielt. Daher und weil das
Bundesgericht im vorliegenden Fall bei Gutheissung der Beschwerde nicht
reformatorisch entscheiden könnte, ist darauf einzutreten. 
 
2.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Vorinstanz bestätigte
Rentenablehnung vor Bundesrecht standhält. Umstritten sind dabei der Umfang der
Arbeitsfähigkeit der Versicherten aus somatischer Sicht und, bezüglich der
erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens, die Höhe des Abzugs vom
Tabellenlohn. 
 
4.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der
Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 ATSG), zur
Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach
der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) und zum Rentenanspruch (Art. 28
Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zum
Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE
134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3 S. 352). Es wird darauf verwiesen. 
 
5.  
 
5.1. Das kantonale Gericht stellte gestützt auf das ABI-Gutachten fest, dass
die Beschwerdeführerin in einer leichten, adaptierten Tätigkeit zu 100 Prozent
arbeitsfähig sei. Insbesondere habe die von den behandelnden Ärzten gestellte
Verdachtsdiagnose einer demyelinisierenden Erkrankung (multiple Sklerose, MS)
nicht bestätigt werden können. Beim Zumutbarkeitsprofil zu berücksichtigen
seien lumbale Rückenbeschwerden (Zustand nach Spondylodese L5 bis S1) bei im
Übrigen blanden Befunden des Bewegungsapparates. Des Weiteren bestehe eine
funktionelle Störung (Taubheitsgefühl und Kraftverlust) am linken Bein. Die
elektrophysiologische Untersuchung habe eine diskrete Läsion der Nervenwurzel
L5 links gezeigt, erkläre aber nicht die angegebene globale
Sensibilitätsstörung. Den von der Beschwerdeführerin verwendeten Rollstuhl
benötige sie nicht. Schliesslich bestehe eine neurogene
Blasenentleerungsstörung. Nach erfolgloser Behandlung mit Medikamenten sei die
Beschwerdeführerin mit Botox therapiert worden und verfüge über einen Katheter.
Damit könne sie gut umgehen, und das Beschwerdebild der Inkontinenz habe sich
deutlich verbessert. Deren Ursache sei nicht festzustellen. In Frage komme ein
Zusammenhang mit der Operation im Oktober 2013, die vom Neurologen vermutete
Komedikation oder die im Raum stehende Diagnose einer multiplen Sklerose. Aus
ophthalmologischer Sicht bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.
Gleiches habe auch der psychiatrische Gutachter festgestellt. Gesamthaft sei
damit hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit einzig das chronische lumbovertebrale
Schmerzsyndrom zu berücksichtigen.  
 
Bei den erwerblichen Auswirkungen seien die genannten Beeinträchtigungen unter
dem Titel eines leidensbedingten Abzuges (und nicht noch zusätzlich bei der
zeitlichen Leistungsfähigkeit beziehungsweise bei den noch möglichen
Verweistätigkeiten) zu berücksichtigen. Das kantonle Gericht bestätigte den von
der Verwaltung gewährten 10-prozentigen Abzug vom Tabellenlohn, weil der
Beschwerdeführerin nur noch leichte Tätigkeiten zumutbar seien und weil sie
einer Toilette in der Nähe des Arbeitsplatzes bedürfe. Aus dem Vergleich des
unbestritten gebliebenen Valideneinkommens von 79'226 Franken und dem mit
48'413 Franken ermittelten Invalideneinkommen im Jahr 2014 resultierte ein
Invaliditätsgrad von 39 Prozent. 
 
5.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass sie zu 100 Prozent leistungsfähig
sei. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass sie an einer multiplen Sklerose
leide und durch unregelmässig auftretende Krankheitsschübe zusätzlich
eingeschränkt sei. Die Einnahme von opiathaltigen Schmerzmitteln erfordere
vermehrte Pausen und führe zu Effizienzeinbussen. Des Weiteren seien ihre
Miktionsprobleme verharmlost worden. Sie hätten sich zwischenzeitlich wieder
verstärkt. Durch die Botoxinjektion habe nur eine vorübergehende Verbesserung
erreicht werden können. Der Sachverhalt sei diesbezüglich nicht hinreichend
abgeklärt. Aus diesen Gründen sei auch ein höherer als der gewährte
10-prozentige leidensbedingte Abzug gerechtfertigt.  
 
6.   
Zu prüfen ist zunächst, ob der angefochtene Entscheid hinsichtlich des vom
kantonalen Gericht festgestellten zumutbaren zeitlichen Arbeitspensums
bundesrechtskonform ist. 
 
6.1. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatte Frau Dr. med. E.________,
Fachärztin für Neurologie, in ihrem Bericht vom 1. März 2016 nach Abklärung
einer (neurogenen) Blasenentleerungsstörung die Verdachtsdiagnose einer
Enzephalomyelitis disseminata gestellt (positiver Liquorbefund, cerebrale
MS-typische Läsionen und Myelopathie C2). Spätere erneute Untersuchungen hätten
jedoch gemäss ihrem Bericht vom 16. August 2016 keine Hinweise auf einen akuten
MS-Schub ergeben. Die ABI-Gutachter hätten den Verdacht auf eine
demyelinisierende Erkrankung nicht bestätigen können. Dass das kantonale
Gericht in den Berichten der behandelnden Ärztin keine hinreichenden Indizien
zu erkennen vermochte, die gegen die Zuverlässigkeit des ABI-Gutachtens
sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353), ist im
Rahmen der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Denn
bis zum Zeitpunkt der rentenablehnenden Verfügung vom 10. April 2017 (welcher
die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet, BGE 129 V
167 E. 1 S. 169) waren lediglich eine Verdachtsdiagnose, aber keine akuten
MS-Schübe in Betracht zu ziehen. Die vorinstanzliche Feststellung, dass die
Arbeitsfähigkeit durch eine MS-Erkrankung nicht eingeschränkt gewesen sei, ist
nicht offensichtlich unrichtig.  
 
6.2. Das kantonale Gericht stellte des Weiteren gestützt auf die
Gesamtbeurteilung der ABI-Gutachter fest, dass die therapeutisch im Mai 2015
mit einer Botoxinjektion sowie mittels Katheter behandelte
Blasenentleerungsstörung zu keiner Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führe.
Die behandelnde Urologin Frau Dr. med. F.________, habe am 7. Juni 2016 nach
ihrer Verlaufskontrolle über ein sehr zufriedenstellendes Resultat mit nur noch
geringer zwischenzeitlicher Urininkontinenz und einer erhöhten Blasenkapazität
berichtet. Spätere ärztliche Stellungnahmen, die die geltend gemachte
Verstärkung der Miktionsprobleme beziehungsweise eine erneute
Behandlungsbedürftigkeit bestätigen würden, wurden von der Beschwerdeführerin
nicht erwähnt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die vorinstanzliche
Feststellung einer zeitlich uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit offensichtlich
unrichtig sein sollte. Dass das kantonale Gericht auch bezüglich der
intermittierenden Selbstkatheterisierung alle vier Stunden kein gegen die
Zuverlässigkeit des ABI-Gutachtens (beziehungsweise der Bescheinigung einer
zeitlich uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit) sprechendes Indiz zu erkennen
vermochte, lässt sich nicht beanstanden.  
 
6.3. Die Beschwerdeführerin macht eine zeitliche Einbusse der Arbeitsfähigkeit
wegen der Einnahme von opiathaltigen Schmerzmitteln geltend. Verglichen mit dem
vorinstanzlichen Verfahren handelt es sich dabei um eine neue
Tatsachenbehauptung. Weshalb dieses neue Vorbringen zulässig sein soll (Art. 99
Abs. 1 BGG; BGE 135 V 194 E. 3.4 S. 199 f.), wird beschwerdeweise nicht
ausgeführt. Folglich kann es im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt
werden.  
 
6.4. Zusammengefasst ist mit dem kantonalen Gericht davon auszugehen, dass die
Arbeitsfähigkeit (bis anhin) weder durch MS-Schübe noch durch eine
(Verschlechterung der) Blasenentleerungsstörung in zeitlicher Hinsicht
eingeschränkt war.  
 
7.  
 
7.1. Zu prüfen bleiben die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung.
Streitig ist dabei allein der leidensbedingte Abzug vom Tabellenlohn.  
 
7.2. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage der Lohnstrukturerhebung des
Bundesamtes für Statistik (LSE) ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert
allenfalls zu kürzen. Ohne für jedes zur Anwendung gelangende Merkmal separat
quantifizierte Abzüge vorzunehmen, ist der Einfluss aller Merkmale auf das
Invalideneinkommen (leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre,
Nationalität/Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad) unter Würdigung der
Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen.
Der Abzug darf 25 Prozent nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301 mit
Hinweisen). Ob und in welcher Höhe statistische Tabellenlöhne herabzusetzen
sind, hängt von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen des
Einzelfalles ab, die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind.
Ob ein (behinderungsbedingter oder anderweitig begründeter) Abzug vom
hypothetischen Invalideneinkommen vorzunehmen sei, ist eine Rechtsfrage.
Demgegenüber stellt die Höhe des Abzuges eine typische Ermessensfrage dar
(Urteil 8C_312/2017 vom 22. November 2017 E. 3.1).  
 
7.3.  
 
7.3.1. Das kantonale Gericht berücksichtigte, dass der Beschwerdeführerin nur
noch leichte, adaptierte Tätigkeiten zumutbar seien, während sie früher als
Verkaufsleiterin bei B.________ auch körperlich schwere Arbeit verrichtet habe.
Zudem zog es in Betracht, dass sie wegen der intermittierenden
Selbstkatheterisierung eines Arbeitsplatzes in der Nähe einer Toilette bedürfe.
Ausser Acht liess es hingegen das Alter und das Geschlecht der
Beschwerdeführerin, die fehlende einschlägige Berufserfahrung in den ihr noch
zumutbaren Hilfsarbeitertätigkeiten sowie die Absenz vom Arbeitsmarkt. In
diesem Sinne und unter Hinweis darauf, dass die Beschwerdeführerin ihre
Arbeitsleistung in einem vollen Pensum erbringen kann, schützte es den von der
Verwaltung auf insgesamt 10 Prozent festgesetzten Leidensabzug.  
 
7.3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihre gesundheitlichen
Beeinträchtigungen und die dadurch resultierenden funktionellen
Leistungsdefizite zusammen mit ihrem Alter und der langen Abwesenheit vom
konkreten Arbeitsmarkt einen höheren leidensbedingten Abzug zwingend
erforderten. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die
Selbstkatheterisierung während der Arbeitszeit erfolgen müsse.  
 
7.4.  
 
7.4.1. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatte die Beschwerdeführerin
vor Eintritt der Gesundheitsschädigung auch körperliche Schwerarbeit
verrichtet, vermag nunmehr jedoch (wenn auch vollzeitlich) nur noch leichte
Tätigkeiten auszuüben. Die Berücksichtigung dieses Umstandes war daher mit
Blick auf die einschlägige Rechtsprechung fraglos rechtens (BGE 126 V 75 E. 5a/
aa und bb S. 78; AHI 1999 S. 177 E. 3b S. 181; RKUV 1999 Nr. U 343 S. 412 E. 4b
/cc S. 414; Urteil 8C_238/2014 vom 1. Juni 2015 E. 6.1). Des Weiteren fragt
sich unter dem Titel des leidensbedingten Abzuges, ob die versicherte Person im
Vergleich mit gesunden Mitbewerbern auch bei einer leidensangepassten Tätigkeit
auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt wegen eines ausserordentlichen Umstandes
eine Lohneinbusse zu gewärtigen hätte (Urteile 8C_146/2017 vom 7. Juli 2017 E.
5.2.2; 9C_826/2015 vom 13. April 2016 E. 3.2.1). Dass das kantonale Gericht
ausgehend davon die Blasenentleerungsstörung beziehungsweise die deswegen von
der Beschwerdeführerin durchgeführte Selbstkatheterisierung als Grund für einen
leidensbedingten Abzug erachtet hat, ist ebenfalls bundesrechtskonform.  
 
7.4.2. Entgegen der Beschwerdeführerin verstösst es nicht gegen Bundesrecht,
dass das Alter der zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses 45-jährigen
Beschwerdeführerin nach Auffassung der Vorinstanz keinen leidensbedingten Abzug
zu rechtfertigen vermag. Das Bundesgericht liess das Alter auch im Fall eines
53-jährigen Versicherten ausser Acht (BGE 126 V 75 E. 5a/cc S. 79 mit Hinweis
auf AHI 1999 S. 237 E. 4c). Gleiches gilt hinsichtlich der im neuen
Tätigkeitsbereich fehlenden Berufserfahrung. Eine dadurch bedingte Schmälerung
der Verdienstaussichten ist bei den der Beschwerdeführerin noch zumutbaren
körperlich leichten und intellektuell weniger anspruchsvollen
Hilfsarbeitertätigkeiten (Tabellenlohn bei Kompetenzniveau 1) nach der
Rechtsprechung nicht zu befürchten (BGE 126 V 75 E. 5a/cc S. 79 mit Hinweis auf
AHI 1999 S. 237 E. 4c; SVR 2015 IV Nr. 1 S. 15, 8C_97/2014 E. 4.2; Urteil
8C_145/2015 vom 22. April 2015 E. 6.2 i.f.). Soweit das kantonale Gericht
sodann feststellte, dass ihre Absenz vom Arbeitsmarkt nur von Oktober 2013 bis
Juli 2014 invaliditätsbedingt gewesen und deshalb für den leidensbedingten
Abzug unbeachtlich sei, wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich,
inwiefern diese Feststellung offensichtlich unrichtig beziehungsweise die
daraus gezogene Folgerung rechtlich fehlerhaft wäre.  
 
7.4.3. Die Frage nach der Höhe des Abzuges ist eine typische Ermessensfrage,
deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist,
wo das Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also
Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 137 V
71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; SVR 2015 IV Nr.
22 S. 65, 8C_693/2014 E. 2.2). Es wird beschwerdeweise nicht näher ausgeführt
und ist nicht zu ersehen, inwiefern die Gewährung des 10-prozentigen Abzuges
unter Berücksichtigung der beiden erwähnten Aspekte (Zumutbarkeit nur noch von
leichten Hilfsarbeitertätigkeiten, Blasenprobleme) in diesem Sinne
bundesrechtswidrig wäre. Entgegen der Beschwerdeführerin kann im Übrigen
hinsichtlich des leidensbedingten Abzugs auch nicht von einer unzureichenden
Begründung ausgegangen werden. Seine Festsetzung lässt sich daher im Rahmen der
bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis nicht beanstanden.  
 
7.5. Im Übrigen werden die Feststellungen des kantonalen Gerichts zu den
erwerblichen Auswirkungen nicht bemängelt, und sie geben keinen Anlass zu
Weiterungen. Damit muss es mit der vorinstanzlichen Ermittlung eines
rentenausschliessenden Invaliditätsgrades von 39 Prozent sein Bewenden haben.  
 
8.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden der
unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die
unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den
Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs.
2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4
BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hardy Landolt wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Dezember 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo 

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