Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.573/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_573/2017            

 
 
 
Urteil vom 18. Oktober 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Yolanda Schweri, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Insolvenzentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 13. Juni 2017 (AL.2016.00013). 
 
 
Sachverhalt:  
 A.________ war seit 1. Juni 1985 als Schreiner bei der B.________ AG
angestellt. Am... August 2015 wurde über diese der Konkurs eröffnet. Am...
August 2015 teilte das Konkursamt Niederglatt allen Arbeitnehmern der
B.________ AG mit, die Konkursverwaltung trete nicht in die Arbeitsverträge
ein, was sich wie eine Kündigung auf den nächsten zulässigen Termin auswirke.
Am... August 2015 meldete der Versicherte beim Konkursamt Forderungen im Betrag
von total Fr. 63'031.49 für offene Löhne ab 1. Februar bis 30. November 2015,
den Anteil des 13. Monatslohns ab 1. Januar bis 30. November 2015 und eine
Entschädigung für 17 ausstehende Feiertage an. Gleichentags stellte er Antrag
auf Insolvenzentschädigung in gleicher Höhe. Mit Verfügung vom 29. September
2015 verneinte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich diesen Anspruch, da der
Versicherte seine Schadenminderungspflicht nicht erfüllt habe. Seine Einsprache
wies sie mit Entscheid vom 9. Dezember 2015 ab. 
 
Die hiergegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 13. Juni 2017 ab. 
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass er
Anspruch auf Insolvenzentschädigung habe; zu deren Festlegung sei die Sache an
die Kasse zurückzuweisen. 
 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn
die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art.
97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Das kantonale Gericht - auf dessen Entscheid verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3
BGG) - hat die für die Beurteilung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung
massgebenden Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben hat
es insbesondere die Rechtsprechung, wonach es für die Erfüllung der
Schadenminderungspflicht in der Regel nicht genügt, wenn Lohnausstände
lediglich mündlich gemahnt werden. Dies gilt beispielsweise, wenn es um eine
lang andauernde, das heisst über zwei bis drei Monate hinaus anhaltende
Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers geht, wenn
überhaupt keine, also auch keine Akonto- oder Teilzahlung erfolgt, wenn aus der
Sicht des Versicherten nicht mit guten Gründen damit gerechnet werden kann,
dass sich bald eine Besserung der Situation ergibt und wenn nicht andere, im
Einzelfall verständliche Gründe vorliegen, die ein Zuwarten mit zielgerichteten
Schritten aus objektiver Sicht verständlich erscheinen lassen (ARV 2010 S. 46,
8C_682/2009 E. 4; Urteil 8C_66/2011 vom 29. August 2011 E. 4.2). 
 
3.   
Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, bei Konkurseröffnung über die
B.________ AG am... August 2015 seien (mindestens) die Löhne des
Beschwerdeführers für Februar bis Juli 2015 ausstehend gewesen. Die letzte
Lohnzahlung für Dezember 2014 habe er aufgrund eines Mahnschreibens vom 6.
April 2015 im April 2015 erhalten. Von März bis Juli 2015 seien monatliche
mündliche Aufforderungen zur Lohnzahlung dokumentiert. Im Zuge dieser
mündlichen Mahnungen sei dem Beschwerdeführer an einem unbestimmten Datum der
Lohn für Januar 2015 überwiesen worden. Erst am 10. und 18. August 2015 habe er
der Arbeitgeberin erneut schriftlich Frist zur Begleichung des Lohnausstands
für Februar bis Juli 2015 angesetzt. Damit habe er seine
Schadenminderungspflicht nicht hinreichend erfüllt. Bereits sein Schreiben vom
6. April 2015 sei spät erfolgt, habe er doch ausstehende Löhne für die Monate
Januar bis März 2015 sowie offene Restzahlungen für das Jahr 2014 gemahnt.
Unverständlich sei aber, dass er bis zur nächsten schriftlichen Intervention
vier Monate habe verstreichen lassen, obwohl innert der am 6. April 2015
angesetzten Frist nur die Restzahlung für Dezember 2014 beglichen worden sei
und die weiteren laufend fällig gewordenen Löhne nicht mehr bezahlt worden
seien. Von einigermassen substanziellen Teilzahlungen aufgrund der mündlichen
Interventionen könne keine Rede sein, selbst wenn diese zur Begleichung des
längst fälligen Lohnes für Januar 2015 geführt hätten. Angesichts der hohen
Ausstände habe der Beschwerdeführer nicht mit guten Gründen mit einer baldigen
Besserung der Situation rechnen können, zumal auch andere Mitarbeiter offene
Lohnforderungen gehabt hätten. Selbst wenn es bereits in der Vergangenheit zu
monatelang verspäteten Lohnzahlungen gekommen sei, sei lange vor August 2015
ein Ausmass an Lohnausständen erreicht gewesen, bei dem unter Anwendung der zu
erwartenden Aufmerksamkeit nicht mehr in guten Treuen habe davon ausgegangen
werden können, es drohe kein Forderungsverlust. In dieser Situation habe der
Versicherte nicht bis August 2015 mit der nächsten schriftlichen Mahnung
zuwarten dürfen. Zudem wäre es angezeigt gewesen, diese mit der Androhung
weiterer Schritte, etwa einer fristlosen Kündigung, zu verbinden. Auch wenn es
verständlich sei, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner langjährigen
Arbeitgeberin loyal verbunden gefühlt habe und zwei Jahre vor der Pensionierung
nicht einen Stellenverlust habe riskieren wollen, habe er seine
Schadenminderungspflicht durch sein zögerliches Handeln grobfahrlässig
verletzt. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, er spreche sehr schlecht und schreibe
auch nicht Deutsch. Bei administrativen Belangen unterstütze ihn sein Sohn.
Deshalb sei es nachvollziehbar, dass er den Verwaltungsratspräsidenten
mehrheitlich mündlich gemahnt habe. Dieser Einwand ist unbehelflich. Denn der
Beschwerdeführer begründet nicht, weshalb ihm sein Sohn nicht schon vor der
schriftlichem Mahnung vom 6. April 2015 und in der Zeit bis zu derjenigen vom
10. August 2015 hätte helfen können, weitere schriftliche Mahnungen zu
verfassen.  
 
4.2. Die rechtlichen Wirkungen der mündlichen Mahnungen des Beschwerdeführers
werden von keiner Seite bestritten. Ausschlaggebend ist jedoch, dass es ihm im
Zusammenhang mit dem vorliegend allein zur Debatte stehenden
Insolvenzentschädigungsanspruch mit zunehmendem Zeitablauf rasch klar werden
musste, dass die nach dem 6. April 2015 erfolgten mündlichen Mahnungen nicht
zielführend waren (siehe Urteil 8C_364/2012 vom 24. August 2012 E. 4.2).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer wendet weiter ein, es sei für ihn absolut nicht
vorhersehbar gewesen, dass der Arbeitgeberin der Konkurs drohen könnte. Denn
ähnliche Verspätungen der Lohnzahlungen habe es schon in früheren Jahren
gegeben und die Auslastung der Mitarbeiter sei gut gewesen. In der
Vergangenheit seien die Ausstände aber schlussendlich immer bezahlt worden.
Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig, wie bereits das kantonale Gericht
richtig erkannt hat (vgl. E. 3 hiervor).  
 
4.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei nachvollziehbar, dass er mit
seinen schriftlichen Mahnungen keine fristlose Kündigung angedroht habe. Im
Juni 2015 sei er nämlich 63 Jahre alt geworden und somit kurz vor der
Pensionierung gewesen. Er hätte keine Chance mehr auf eine Anstellung bei einem
anderen Arbeitgeber gehabt. Auch dieser Einwand verfängt nicht. Denn der
Vorinstanz ist beizupflichten, dass sein Verhalten selbst dann als
grobfahrlässig zu taxieren ist, wenn berücksichtigt wird, dass er einen
Stellenverlust nicht habe riskieren wollen (siehe E. 3 hiervor).  
 
4.5. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer schliesslich
aus seinem pauschalen Hinweis auf das Urteil 8C_641/2014 vom 27. Januar 2015 E.
4.1, wonach dem Erfordernis der Verhältnismässigkeit mit dem Ausmass der von
der versicherten Person zu erwartenden Vorkehrungen Rechnung zu tragen sei. Er
bringt keine triftigen Gründe vor, die es rechtfertigten, von der
vorinstanzlichen Verschuldensbeurteilung abzuweichen. Soweit er einwendet, die
Leistungsverweigerung nach Art. 55 Abs. 1 AVIG setze schweres Verschulden
voraus, ist festzuhalten, dass Grobfahrlässigkeit als schweres Verschulden gilt
(Urteil 8C_748/2015 vom 9. Februar 2016 E. 3.2).  
 
4.6. Insgesamt erhebt der Beschwerdeführer keine Rügen, aus denen sich ergäbe,
dass das kantonale Gericht den Sachverhalt offensichtlich unrichtig
festgestellt oder sonstwie bundesrechtswidrig entscheiden hätte (vgl. E. 1
hiervor).  
 
5.   
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird das Verfahren nach Art.
109 Abs. 2 lit. a BGG angewendet. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft
und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar 

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