Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.564/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_564/2017  
 
 
Urteil vom 26. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin. 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Appenzell Ausserrhoden, Neue Steig 15, 9100 Herisau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden vom 21.
März 2017 (O3V 16 27). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ meldete sich im August 2006 unter Hinweis auf ein Burnout und
Depressionen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle
des Kantons Appenzell Ausserrhoden gewährte berufliche Massnahmen. Im Rahmen
ihrer Abklärungen liess sie den Versicherten sodann observieren und holte nebst
weiteren Arztberichten ein psychiatrisches Gutachten des Dr. med. B.________
vom 24. April 2013 ein. Gestützt auf dessen Empfehlung ordnete sie am 1. Juli
2013 an, A.________ habe sich einer dreimonatigen stationären Therapie in einer
psychiatrischen Klinik zu unterziehen. Mit Verfügung vom 26. August 2014
verneinte die IV-Stelle einen Anspruch auf weitere Leistungen, insbesondere auf
eine Invalidenrente, mit der Begründung, A.________ sei dieser - mehrfach
angemahnten - Anordnung nicht gefolgt und habe damit seine
Schadenminderungspflicht verletzt. A.________ erhob hiegegen Beschwerde beim
Obergericht Appenzell Ausserrhoden, das mit Entscheid vom 18. November 2015
diese teilweise guthiess. Es wies die Sache zur ergänzenden Abklärung
hinsichtlich der Frage einer befristeten Rente im Zeitraum zwischen Abschluss
der beruflichen Eingliederungsbemühungen (16. November 2010) und formellem
Hinweis auf die Mitwirkungspflicht (25. September 2013) mit anschliessender
Neuentscheidung an die Verwaltung zurück. Vorgängig wies das kantonale Gericht
mit Zwischenentscheid vom 11. November 2014 das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit ab. A.________ führte hiergegen
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und das Bundesgericht
stellte mit Urteil 8C_89/2015 vom 22. April 2015 seinen Anspruch auf
unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verfahren fest.  
 
A.b. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme der Frau Dr. med. C.________,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Regionaler Ärztlicher Dienst
(RAD) der IV-Stelle, vom 27. Mai 2016 verneinte die Verwaltung mit Verfügung
vom 26. September 2016 erneut einen Rentenanspruch.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden mit
Entscheid vom 21. März 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die IV-Stelle
zu verpflichten, ihm eine Dreiviertelsrente für die Zeit vom 16. November 2010
bis 24. April 2013 zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zur nochmaligen
Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner wird um unentgeltliche
Rechtspflege ersucht. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem
sie für die Zeit vom 16. November 2010 bis 24. April 2013 den Anspruch auf eine
befristete Rente verneinte.  
 
2.2. Die Vorinstanz stellte fest, mit Blick auf die gesamte Aktenlage liege
kein psychisches Leiden erheblichen funktionellen Schweregrads vor. Sie mass
dabei dem Gutachten des Dr. med. B.________ keine Beweiskraft zu, nachdem sich
dieser nicht abschliessend zur Frage der Arbeitsfähigkeit geäussert und eine
schlüssige Aussage hierzu von einer stationären Behandlung des Versicherten
abhängig gemacht habe.  
 
2.3. Beschwerdeweise wird - wie vor kantonaler Instanz - hauptsächlich
eingewendet, aus dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. B.________ ergebe
sich eine 50%-ige Arbeitsunfähigkeit wegen einer mittelgradigen Panikstörung,
während die rezidivierende depressive Störung gegenwärtig mit leichten- bis
mittelschweren Episoden, derzeit remittiert, keinen Einfluss auf die
Arbeitsfähigkeit habe. Daraus resultiere nach durchgeführtem
Einkommensvergleich ein Anspruch auf eine Dreiviertelsrente für die Zeit vom
16. November 2010 bis 24. April 2013.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei auf das Gutachten vom 24. April
2013 abzustellen, ohne aber dabei darzulegen, weshalb die Beweiswürdigung der
Vorinstanz offensichtlich unrichtig oder sonstwie bundesrechtswidrig sein soll.
Das kantonale Gericht stellte in nicht willkürlicher Weise und daher
verbindlich fest, bereits die Stellungnahme der RAD-Psychiaterin Dr. med.
C.________ vom 6. Dezember 2012 zeige überzeugend auf, dass die von den
behandelnden Ärzten gestellten psychiatrischen Diagnosen eines klinisch
relevanten, ausgeprägten Angstsyndroms mit Panikattacken sowie Depressionen
nicht nachvollziehbar seien und hauptsächlich auf den subjektiven Angaben des
Versicherten beruhen würden (Berichte des Psychiatrischen Zentrums D.________
vom 7. Februar 2012 und des Dr. med. E.________, Spezialarzt FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie, vom 19. April 2012). Die RAD-Psychiaterin sei
in ihrer Stellungnahme vom 12. Mai 2016 von einem unauffälligen Psychostatus
ausgegangen und habe auf inkonsistente Angaben hinsichtlich der geltend
gemachten Einschränkungen im Alltag hingewiesen. Weiter stellte die Vorinstanz
fest, dass die in den Jahren 2011 (Bericht vom 8. November 2011) und 2013
(Bericht vom 25. Januar 2013) erfolgten Observationen einen ausgeglichenen und
unauffälligen Versicherten zeigten (zur Verwertbarkeit der
Observationsergebnisse: BGE 143 I 377). Er sei bei Gartenarbeiten, bei einer
Wanderung, aber auch zusammen mit anderen Menschen gesehen worden, dabei habe
zu keinem Zeitpunkt ein Unwohlsein des Versicherten beobachtet werden können.
Zudem sei er der Empfehlung des Gutachters Dr. med. B.________ eine
dreimonatige stationären Therapie zu absolvieren, nicht nachgekommen. Der
Experte sei davon ausgegangen, dass nur im Rahmen einer stationären Therapie
überhaupt eruiert werden könne, ob beim Versicherten ein Gesundheitsdefizit
vorliege, und erst gestützt darauf eine abschliessende Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit möglich sei. Die stete Weigerung des Versicherten, Medikamente
einzunehmen oder eine stationäre Therapie anzutreten, lasse auf einen fehlenden
Leidensdruck schliessen.  
Die Inkonsistenzen zwischen den geltend gemachten massiven
Leistungseinschränkungen und der mangelnden Bereitschaft, sich zumindest einer
zumutbaren Psychopharmakotherapie zu unterziehen, konnte die Vorinstanz
zusammen mit dem dokumentierten Aktivitätsverhalten als Indiz dafür werten,
dass die Beeinträchtigungen anders zu begründen sind als durch eine versicherte
Gesundheitsschädigung. Auch die von der RAD-Ärztin aufgeführten Ressourcen des
Versicherten, wie soziale Kompetenzen, körperliche Gesundheit und Kreativität,
sprechen gegen eine relevante Erkrankung (Bericht vom 30. April 2013). Das
Gericht durfte in diesem Kontext die Beurteilung der RAD-Ärztin vom 27. Mai
2016, die auch auf ihren Erkenntnissen aus einem am 28. November 2012 mit dem
Versicherten geführten Evaluationsgespräch und aus telefonischen Kontakten mit
verschiedenen involvierten Ärzten basierte, in Kenntnis der
Observationsberichte vom 8. Dezember 2011 und 25. Januar 2013 sowie der
weiteren medizinischen Akten erging, als überzeugend qualifizieren.
Hinsichtlich des Gesundheitszustands und dessen Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit ging die Vorinstanz nach einer nicht zu beanstandenden
Gesamtwürdigung der Aktenlage demnach willkürfrei davon aus, dass in der hier
interessierenden Zeitspanne kein invalidenversicherungsrechtlich relevanter
psychischer Gesundheitsschaden ausgewiesen ist. Es ist nicht zu beanstanden,
wenn das kantonale Gericht der vom Gutachter nicht abschliessend beurteilten
Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt ist. Nachdem einzig der Gesundheitszustand im
Zeitraum vom 16. November 2010 bis 24. April 2013 umstritten ist und
anschliessend keine die Arbeitsfähigkeit erheblich einschränkende Beschwerden
mehr aktenkundig sind und auch nicht geltend gemacht werden sowie echtzeitliche
beweiskräftige fachärztliche Einschätzungen über eine psychisch bedingte
Arbeitsunfähigkeit nach dem Gesagten fehlen, konnte das kantonale Gericht von
weiteren Abklärungen hierzu im Sinne des gestellten Eventualantrags ohne
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes verzichten. Der Beschwerdeführer legt
denn auch nicht dar, inwieweit angesichts der zeitlichen Distanz zur
umstrittenen Arbeitsfähigkeit im interessierenden Zeitraum und den damit
zusammenhängenden Schwierigkeiten retrospektiver Beurteilungen (Urteil 8C_810/
2010 vom 16. September 2011) von weiteren Beweisvorkehren neue zuverlässige
Erkenntnisse für die Feststellung der behaupteten psychisch bedingten
Funktionsausfälle gewonnen werden könnten. 
Weiter erübrigt sich ein strukturiertes Beweisverfahren nach BGE 141 V 281, da
vorliegend ein krankheitswertiger Gesundheitsschaden mit Auswirkung auf die
Arbeitsfähigkeit nicht schlüssig erstellt ist. Denn aus Gründen der
Verhältnismässigkeit kann dort von einem strukturierten Beweisverfahren
abgesehen werden, wo es nicht nötig oder auch gar nicht geeignet ist (BGE 143 V
418 E. 7.1 S. 427 f.; 9C_337/2017 E. 3.4 vom 27. Oktober 2017; 9C_648/2017 E.
3.2.3.2 vom 20. November 2017). Damit hat es mit der vorinstanzlichen
Feststellung sein Bewenden, dass keine relevante Leistungseinschränkung in der
geltend gemachten Zeitspanne ausgewiesen ist. 
 
3.2. Weiterungen zu den erweblichen Auswirkungen des behaupteten
Gesundheitsschadens erübrigen sich schliesslich unter diesen Umständen.  
 
4.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer grundsätzlich
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG) kann jedoch entsprochen
werden. Er hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn er später dazu
in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwältin Bettina Surber wird als unentgeltliche Anwältin bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem
Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla 

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