Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.558/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_558/2017  
 
 
Urteil vom 1. Februar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Anwander, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Mythenquai 2, 8002 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden 
vom 20. Dezember 2016 (O3V 15 12). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geb. 1957, arbeitet seit Juni 2001 im Alterszentrum B.________ als
Hausangestellte und ist über den Arbeitgeber bei der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Zürich) gegen die Folgen von
Unfällen versichert. Am 4. Juli 2010 erlitt sie bei einem Motorradunfall als
Beifahrerin eine Unterschenkelfraktur links mit zusätzlicher
Fibulaköpfchenfraktur. Nach der operativen Erstversorgung war der
Heilungsverlauf durch verschiedene Komplikationen (z.B. Weichteil-/Hautdefekte,
Infektionen), die mit chirurgischen Massnahmen und antibiotischen Therapien
behandelt wurden, erschwert. Die Zürich anerkannte ihre Leistungspflicht und
erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggelder). Ab 20. Juni
2011 nahm A.________ die Arbeit, die sie bis zum Unfall in einem Pensum von 60
% ausgeübt hatte, zu 20 % wieder auf. In der Folge holte die Zürich drei
Gutachten ein: zunächst bei Dr. med. C.________, Facharzt für orthopädische
Chirurgie und Traumatologie FMH (Gutachten vom 11. Juli 2012), sodann beim
Spital D.________, Klinik für Orthopädie und Traumatologie (Gutachten vom 4.
Juni 2013) und schliesslich beim arbeitsmedizinischen Zentrum E.________
(Gutachten vom 12. Dezember 2012). Mit Verfügung vom 8. August 2014 stellte die
Zürich die Leistungen für Heilbehandlungen und Taggelder per 31. Mai 2014 ein,
verneinte einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 5.16 % und sprach
A.________ eine Integritätsentschädigung von Fr. 25'200.- auf der Basis einer
Integritätseinbusse von 20 % zu. Daran hielt sie im Einspracheentscheid vom 18.
Februar 2015 fest. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 20. Dezember 2016 wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden
die dagegen gerichtete Beschwerde ab. 
 
C.   
Hiergegen erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten und beantragt im Wesentlichen, die Zürich sei in Aufhebung des
angefochtenen Entscheids zu verpflichten, ihr ab 1. Juni 2014 eine
Invalidenrente gemäss UVG auszurichten. Eventualiter sei die Streitsache zur
Einholung eines orthopädischen Gutachtens sowie zur Vornahme weiterer
Abklärungen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Die Zürich schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für Gesundheit und
das Obergericht verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Immerhin prüft es,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht im
Beschwerdeverfahren (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend
gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236; 138 I 274 E. 1.6 S. 280). Es
ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen betreffend den Anspruch auf
eine Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 7 und 8 Abs. 1
ATSG) und die Bemessung des Invaliditätsgrads mittels Einkommensvergleichs (
Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Ausführungen zu
Beweiswert und Beweiswürdigung medizinischer Berichte. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. In Würdigung der medizinischen Gutachten und Berichte sprach das kantonale
Gericht dem Gutachten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ vom 12.
Dezember 2013 und dessen Ergänzungsgutachten vom 14. Juni 2016 Beweiskraft zu.
Gestützt darauf ging es davon aus, dass die Beschwerdeführerin in einer
wechselbelastenden leichten, überwiegend sitzenden Tätigkeit, in der das Sitzen
minimal zwei Drittel und das Stehen und Gehen maximal ein Drittel der
Arbeitszeit beansprucht und bei der das Sitzen wiederholt durch kurze, stehende
oder gehende Sequenzen unterbrochen werden kann, zu 100 % arbeitsfähig sei.
Zudem gebe es kein Anlass für einen leidensbedingten Abzug. Somit betrage das
Invalideneinkommen Fr. 51'801.- (gemäss LSE 2012, Tabelle TA1, Privater Sektor,
Frauen, Kompetenzniveau 1, nach Vornahme der gebotenen Anpassungen an die
durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 2013 von 41.7 Stunden und an den
Nominallohnindex Frauen 2013 von 0.7 %). Die Gegenüberstellung mit dem
Valideneinkommen von Fr. 57'222.- ergebe einen Invaliditätsgrad von 9.47 %,
gerundet 9 %, weshalb kein Rentenanspruch bestehe.  
 
2.3. Die Beschwerde richtet sich gegen die Festlegung des Invalideneinkommens.
Die Beschwerdeführerin erachtet zum einen die Annahme einer 100%igen
Arbeitsfähigkeit als nicht gerechtfertigt, weil das Gutachten des
arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ von der Vorinstanz in unzulässiger
Weise ergänzt worden sei und im Widerspruch zu den Gutachten des Dr. med.
C.________ und des Spitals D.________ stehe, in denen ihr eine Arbeitsfähigkeit
von 20 % bzw. 50 % attestiert worden sei. Zum andern sei ihr ein Abzug vom
Tabellenlohn zu gewähren.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin hatte im Verfahren vor der Vorinstanz zu Recht
gerügt, dass im Gutachten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ vom 12.
Dezember 2013 nicht nachvollziehbar begründet werde, weshalb die abweichenden
Beurteilungen der Arbeitsfähigkeit in den übrigen Gutachten und Stellungnahmen
nicht korrekt seien. Dies veranlasste das kantonale Gericht, das
arbeitsmedizinische Zentrum E.________ zur Ergänzung seines Gutachtens
aufzufordern. Im Ergänzungsgutachten vom 14. Juni 2016 würdigte der Leiter
Medizin des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________, PD Dr. med. F.________,
Facharzt für Rheumatologie, Physikalische Medizin und Rehabilitation und FMH
die Gutachten des Dr. med. C.________ und des Spitals D.________ und
beantwortete die Ergänzungsfragen der Beschwerdeführerin. Im vorliegenden
Verfahren macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz hätte gemäss BGE
137 V 210 E. 4.4.1 S. 245 zur Klärung der Widersprüche ein Gerichtsgutachten
einer unabhängigen, noch nicht mit dieser Sache befassten Stelle einholen oder
die Sache zu diesem Zweck an die Versicherung zurückweisen müssen.  
 
3.2.  
 
3.2.1. Im Prozess um die Zusprechung oder Verweigerung von
Sozialversicherungsleistungen holt die Beschwerdeinstanz in der Regel ein
Gerichtsgutachten ein, wenn sie im Rahmen der Beweiswürdigung zum Schluss
kommt, ein bereits erhobener medizinischer Sachverhalt müsse (insgesamt oder in
wesentlichen Teilen) noch gutachtlich geklärt werden oder eine
Administrativexpertise sei in einem rechtserheblichen Punkt nicht
beweiskräftig. Eine Rückweisung an die Verwaltung bleibt hingegen gemäss der
Rechtsprechung möglich, wenn es darum geht, zu einer bisher vollständig
ungeklärten Frage ein Gutachten einzuholen. Ebenso steht es dem
Versicherungsgericht (bzw. dem Bundesverwaltungsgericht) frei, eine Sache
zurückzuweisen, wenn allein eine Klarstellung, Präzisierung oder Ergänzung von
gutachterlichen Ausführungen erforderlich ist (BGE 137 V 210 E. 4.4.1.4 S. 264;
Urteil 8C_633/2014 vom 11. Dezember 2014 E. 3.2, in: SVR 2015 IV Nr. 12 E. 33).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich daraus jedoch nicht,
dass das kantonale Gericht stets ein Gerichtsgutachten einholen oder aber die
Sache an die Verwaltung zurückweisen müsste, wenn sich eine Ergänzung oder
Präzisierung eines Gutachtens aufdrängt. Angesichts des weitreichenden
Devolutiveffekts (BGE 136 V 2 E. 2.5 S. 5), der Verpflichtung auf ein einfaches
und rasches Verfahren (Art. 61 lit. a ATSG) und der Untersuchungspflicht des
kantonalen Versicherungsgerichts (Art. 61 lit. c ATSG) kann es vielmehr
angezeigt sein, dass das kantonale Gericht solche ergänzenden Abklärungen
selbst vornimmt (vgl. PHILIPP EGLI, Pflicht zur Herstellung der Spruchreife
durch das Gericht? in: "Justice - Justiz - Giustizia" 2016/4, Rz. 38; vgl.
MIRIAM LENDFERS, Sachverständige im Verwaltungsgerichtsverfahren, in: Ueli
Kieser/ Miriam Lendfers [Hrsg.], Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2016, S.
190 f.).  
Weiter darf die Einholung eines Zweitgutachtens gemäss Rechtsprechung nicht
beliebig erfolgen, sondern sollen offene Fragen oder Zweifel an den
gutachterlichen Schlüssen in erster Linie mit den Gutachtern geklärt werden.
Wenn z.B. der Experte versehentlich nicht alle Fragen beantwortet hat,
inhaltsverzerrende Verschreiber vermutet werden, die das Gericht nicht selbst
korrigieren kann, sich aus dem im Gutachten geklärten Sachverhalt weitere
relevante Fragestellungen ergeben, oder wenn das Gericht im Gutachten
Widersprüche zu erkennen glaubt, kann eine Rückfrage beim Experten sinnvoll
sein (BGE 137 V 210 E. 3.3.1 S. 245 mit Hinweisen; LENDFERS, a.a.O., S. 199).
Mithin ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass ein Gutachter seine
Feststellungen im späteren Verfahren ergänzt oder im Lichte neuer Tatsachen
oder erhobener Einwendungen prüft, soweit dabei das bereits erstattete
Gutachten zum Ausgangspunkt der weiteren Untersuchungen und Ausführungen
gemacht wird. Ein Zweitgutachten steht im Vordergrund, wenn das Gericht ein
bestehendes Gutachten für klar unzureichend und kaum verwertbar erachtet
(Urteil 6B_283/2007 vom 5. Oktober 2007 E. 2), oder wenn es die Würdigung der
vorhandenen, gegensätzlich lautenden gutachterlichen Stellungnahmen nicht
erlaubt, auf eine derselben abzustellen, weil die Kenntnis fehlt, eine der
beiden vertretenen Auffassungen als schlüssig und nachvollziehbar zu bezeichnen
(UELI KIESER, Die rechtliche Würdigung von medizinischen Gutachten, in: René
Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Rechtsfragen der medizinischen
Begutachtung in der Sozialversicherung, St. Gallen 1997, S. 158 f.; zum Ganzen:
Urteil 8C_89/2007 vom 20. August 2008 E. 5.2 mit Hinweisen, in: SVR 2009 IV Nr.
16 S. 41; vgl. auch Urteil 9C_441/2014 vom 18. Juni 2014 E. 2.2.3). 
 
3.2.2. Grundsätzlich ist es somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz
beim arbeitsmedizinischen Zentrum E.________ ein Ergänzungsgutachten einholte,
anstatt die Beschwerdeführerin von dritter Seite erneut begutachten zu lassen.
Weiter triff die Behauptung der Beschwerdeführerin, das kantonale Gericht habe
das Gutachten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ als nicht schlüssig
bewertet, nicht zu. Denn die Vorinstanz ordnete in der Beweisverfügung vom 17.
September 2015 klar eine "Ergänzung" des Gutachtens vom 12. September 2013 an
und hielt in der Begründung fest, dass dieses Gutachten im Wesentlichen als
beweiskräftig erscheine. Im Übrigen opponierte die anwaltlich vertretene
Beschwerdeführerin dieser Vorgehensweise damals nicht.  
 
4.  
 
4.1. Gegen die Beweiskraft des Gutachtens des arbeitsmedizinischen Zentrums
E.________ vom 12. Dezember 2013 und des Ergänzungsgutachtens vom 14. Juni 2016
wendet die Beschwerdeführerin ein, es sei weiterhin nicht erkennbar, weshalb
die abweichenden Beurteilungen ihrer Arbeitsfähigkeit in einer
leidensangepassten Tätigkeit durch Dr. med. C.________ und das Spital
D.________ nicht korrekt sein sollen, zumal auch deren Gutachten die
Anforderungen der Rechtsprechung an beweistaugliche medizinische Gutachten
erfüllten.  
 
4.1.1. Das Bundesrecht schreibt nicht vor, wie die einzelnen Beweismittel zu
würdigen sind. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die Herkunft
eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in Auftrag
gegebenen Stellungnahmen als Bericht oder Gutachten. Vielmehr gilt es das
gesamte Beweismaterial zu würdigen und bei sich widersprechenden medizinischen
Berichten die Gründe anzugeben, warum auf die eine oder andere medizinische
These abzustellen ist (BGE 143 V 124 E. 2.2.2 S. 127; 125 V 351 E. 3a S. 352).
Das kantonale Gericht nahm in Beachtung dieses Grundsatzes eine Abwägung
zwischen den sich in der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit widersprechenden
Gutachten vor.  
 
4.1.2. Dr. med. C.________ kam im Gutachten vom 11. Juli 2012 zum Ergebnis,
dass die aktuelle Arbeitsfähigkeit als Hausangestellte von 20 % aufgrund der
Beschwerden nicht erhöht werden könne. Auf dem freien Arbeitsmarkt sei keine
realistische Anstellung möglich. Es seien nur nicht körperlich belastende
Tätigkeiten mit Möglichkeiten zum willkürlichen Positionswechsel und Pausen in
sitzender Position möglich. Eine lediglich 20%ige derartig unbelastete
Arbeitsstelle sei als Neuanstellung nicht vorhanden. Das komme somit auf dem
freien Arbeitsmarkt einer 0%igen Arbeitsfähigkeit gleich. Das
Ergänzungsgutachten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ hält zu Recht
fest, dass sich Dr. med. C.________ damit nicht zu einer leidensangepassten
Tätigkeit geäussert, sondern bloss die effektiv attestierte Arbeitsfähigkeit
von 20 % im angestammten Beruf übernommen hat (was die Vorinstanz anhand eines
Vergleichs der Anforderungsprofile verdeutlicht). Des Weiteren ist es nicht
Aufgabe des Arztes, sich zu den erwerblichen Auswirkungen der gesundheitlichen
Beeinträchtigungen oder zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu äussern (
BGE 140 V 199 E. 3.2 S. 195 f.; 107 V 17 E. 2b S. 20; Urteile 9C_324/2017 vom
6. Juli 2017 E. 3.1; 9C_943/2009 vom 10. Februar 2010 E. 4.2.3). Schliesslich
ist es für die Invaliditätsbemessung nicht massgebend, ob eine invalide Person
unter den konkreten Arbeitsmarktverhältnissen vermittelt werden kann, sondern
einzig, ob sie die ihr verbliebene Arbeitskraft noch wirtschaftlich nutzen
könnte, wenn ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage nach Arbeitsplätzen
bestünde (ausgeglichener Arbeitsmarkt, Art. 16 ATSG; BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S.
70 f.; 110 V 273 E. 4b S. 276). Dass der Beschwerdeführerin die Verwertbarkeit
ihrer Restarbeitsfähigkeit in einem ausgeglichenen Markt nicht möglich wäre,
ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. med. C.________ nicht. Im Ergebnis kann
auf seine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht abgestellt werden.  
 
4.1.3. Das Spital D.________ erachtete die Beschwerdeführerin in der
angestammten Tätigkeit als Hausangestellte im Alterszentrum zu 20 %
arbeitsfähig. In einer angepassten Tätigkeit, die abwechselnd stehend und
sitzend verrichtet werden könne, könnte sie unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass sie aufgrund der eingeschränkten Gehstrecke länger für den
Arbeitsweg benötige und zweimal pro Woche Zeit für Physiotherapie benötige,
wahrscheinlich zu ca. 50 % arbeiten. Das arbeitsmedizinische Zentrum E.________
weist demgegenüber zutreffend darauf hin, dass das Spital D.________ die
Kürzungen des zeitlichen Rendements auf die Hälfte nicht mit funktionellen
Einschränkungen, sondern mit therapeutischen Massnahmen ausserhalb der Arbeit
und einer verlängerten "Gehzeit" (für den Arbeitsweg) begründete. Allerdings
würden therapeutische Massnahmen nach übereinstimmender Einschätzung des
arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ und des Spitals D.________ keinen
Effekt mehr auf die Arbeitsunfähigkeit haben, zudem erscheine die Gehfähigkeit
der Beschwerdeführerin als stark selbstlimitiert und sei ein verlängerter
Arbeitsweg davon abhängig, ob überhaupt eine längere Gehstrecke zurückgelegt
werden müsse. Mithin sei hier eine Vermischung zwischen der Realsituation am
angestammten Arbeitsplatz mit der medizinisch-theoretisch zumutbaren
Arbeitsfähigkeit erfolgt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sind
diese Ausführungen nicht unklar. Sodann ist es im Rahmen der
Invaliditätsbemessung Aufgabe des Arztes, den Gesundheitszustand zu beurteilen
und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher
Tätigkeiten der oder die Versicherte arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 256 E. 4 S.
261 mit Hinweisen; Urteil 9C_107/2017 vom 8. September 2017 E. 5.1); ferner
sind die ärztlichen Angaben eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der
Frage, welche Arbeitsleistungen der versicherten Person noch zugemutet werden
können (BGE 105 V 157 E. 1 in fine S. 159; vgl. auch Urteil 9C_323/2009 vom 14.
Juli 2009 E. 4.2: "funktionelle Leistungsfähigkeit"). Es geht darum, inwiefern
die betreffende Person in den körperlichen und/oder geistigen Funktionen
gesundheitlich bedingt eingeschränkt ist, insbesondere ob sie sitzend oder
stehend, in freien oder in geheizten Räumen arbeiten kann oder muss, ob sie
Lasten heben und tragen kann usw. (BGE 107 V 17 E. 2b S. 20; zum Ganzen: Urteil
9C_624/2009 vom 7. Oktober 2009 E. 4.1.1). Äussere Faktoren, wie hier ein
allenfalls längerer Arbeitsweg oder Therapien ausserhalb der Arbeitszeit, sind
dabei jedoch nicht zu beachten. Folglich stützte sich die Vorinstanz zu Recht
auch nicht auf die Beurteilung des Spitals D.________ ab.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, die Gutachten des
arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ seien unvollständig, weil sie sich
nicht mit einer Osteosynthesematerialentfernung auseinandergesetzt hätten. Zwar
hätten die Gutachter des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ den Bericht
des Spitals G._______ vom 5. Juni 2013 zitiert, demzufolge im Einverständnis
mit der Patientin von einer Osteosynthesematerialentfernung vorerst abgesehen
werde. Gemäss Bericht des Spitals G._______ vom 4. Juli 2016 würden die Ärzte
nun aber davon ausgehen, dass ein proximal überstehendes Nagelende (ca. 13 mm)
die Hauptbeschwerden verursache.  
 
4.2.2. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin prüfte das
arbeitsmedizinische Zentrum E.________, ob das Osteosynthesematerial allenfalls
Schmerzen auslöse. Die Gutachter stellten auf der damals aktuellsten
Röntgenaufnahme vom 16. Februar 2012 einen gut sitzenden Marknagel fest, der
nicht im Knie oder Sprunggelenkbereich intraartikulär sitze; da kaum
Beschwerden angegeben würden, bestehe medizinisch keine Indikation zu einer
neuen Bildgebung. Mithin ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die
Gutachter des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ keinen Anlass zu
weiteren Abklärungen hatten. Sollte sich die medizinische Situation inzwischen
verändert haben, wäre dies unter dem Blickwinkel eines Rückfalls zu melden und
zu prüfen. Sodann zeigte das arbeitsmedizinische Zentrum E.________ auf,
inwiefern die Beschwerdeführerin sich selbst limitierte: Erstens stellten die
Experten fest, dass die Beschwerdeführerin beim Gehen die minimale Performance
(Gehgeschwindigkeit von 3 km/h) nicht erreicht habe, indem sie am ersten Tag
ohne Walkingstöcke mit einer Geschwindigkeit von 2.46 km/h unterwegs gewesen
sei und eine Strecke von 246 m zurückgelegt habe, wobei ein eher langsames
Bewegungsverhalten beobachtbar gewesen sei. Selbst mit Walkingstöcken sei das
Bewegungsverhalten am 2. Tag eher langsam gewesen und sei die
Beschwerdeführerin nicht deutlich weiter gekommen (266 m, Geschwindigkeit 2.66
km/h), obwohl dies mit den Stöcken zu erwarten gewesen wäre. Zweitens
beobachteten die Experten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ auch
eine Selbstlimitierung in der Schulter (die vom Unfall nicht betroffenen war),
indem die Versicherte die Schulter bei Arbeiten über Schulterhöhe nicht bis an
eine beobachtbare funktionelle Leistungsgrenze belastete.  
 
4.3. Aufgrund des Gesagten ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das
Gutachten des arbeitsmedizinischen Zentrums E.________ vom 12. Dezember 2013
und das Ergänzungsgutachten 14. Juni 2016 als vollständig und beweiskräftig
bewertete und in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 141 I 60 E. 3.3 S. 64; 136
I 229 E. 5.3 S. 236) auf die Einholung eines weiteren Gutachtens verzichtete.  
 
5.   
Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführerin ein Abzug vom Tabellenlohn zu
gewähren ist. 
 
5.1. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen
Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert allenfalls zu
kürzen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und
berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter,
Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad
Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können (BGE 142 V 178 E. 1.3 S. 181; 124 V
321 E. 3b/aa S. 323) und die versicherte Person je nach Ausprägung deswegen die
verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit
unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/
aa i.f. S. 80). Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter
Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft
zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 134 V
322 E. 5.2 S. 327 f.; 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80).  
Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom
Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare
Rechtsfrage dar (Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4, nicht publ. in: BGE
135 V 297). 
 
5.2. Die Beschwerdeführerin erachtet einen leidensbedingten Abzug im
Wesentlichen aufgrund ihres Alters (57 Jahre im Zeitpunkt des
Verfügungserlasses am 8. August 2014) als angebracht. Auch habe sie vor dem
Unfall als Hausangestellte im Alterszentrum B.________ körperlich anstrengende
Arbeiten in der Reinigung und der Küche verrichtet, was ihr nach den
übereinstimmenden Feststellungen aller Gutachten nicht mehr möglich sei. Ihre
(Rest-) Arbeitsfähigkeit könne sie auch auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur
noch mit unterdurchschnittlichem Erfolg erwerblich verwerten und werde sich bei
ihrer Stellensuche mit zahlreichen lohnwirksamen Nachteilen (hohe
Lohnnebenkosten für den Arbeitgeber, zu erwartende längere Absenzen, kürzere
Aktivitätsdauer) konfrontiert sehen.  
 
5.3.  
 
5.3.1. Dass eine grundsätzlich vollzeitlich arbeitsfähige versicherte Person
gesundheitlich bedingt lediglich reduziert leistungsfähig ist, rechtfertigt an
sich noch keinen Abzug vom Tabellenlohn (Urteil 9C_728/2009 vom 21. September
2010 E. 4.3.2, in: SVR 2011 IV Nr. 31 S. 90 mit Hinweisen). Bestehen jedoch
über das ärztlich beschriebene Beschäftigungspensum hinaus zusätzliche
Einschränkungen, wie ein vermindertes Rendement pro Zeiteinheit wegen
verlangsamter Arbeitsweise oder ein Bedarf nach ausserordentlichen Pausen, oder
ist die funktionelle Einschränkung ihrer besonderen Natur nach nicht ohne
weiteres mit den Anforderungen vereinbar, wie sie sich aus den gewöhnlichen
betrieblichen Abläufen ergeben, kann dies bei der Bemessung des
leidensbedingten Abzugs vom statistischen Tabellenlohn berücksichtigt werden
(Urteil 8C_163/2015 vom 16. Juni 2015 E. 3.2.2 mit Hinweisen). Solche
zusätzlichen, leidensbedingten Beeinträchtigungen sind vorliegend nicht
erkennbar, so dass ein Abzug unter diesem Titel nicht angezeigt erscheint.  
 
5.3.2. Weiter kommt dem Alter im Zusammenhang mit dem Leidensabzug nur
beschränkte Bedeutung zu. Zum einen fällt der Umstand, dass die Stellensuche
altersbedingt erschwert sein mag, als invaliditätsfremder Faktor regelmässig
ausser Betracht. Ausserdem steht fest, dass sich das Alter bei Frauen im
Alterssegment von 40 bis 64/65 bei Stellen ohne Kaderfunktion eher lohnerhöhend
auswirkt (vgl. LSE 2008, 2010, 2012 und 2014, je Tabelle TA9, Median; vgl.
Urteile 9C_535/2017 vom 14. Dezember 2017 E. 4.6; 8C_477/2016 vom 23. November
2016 E. 4.2; je mit Hinweisen). Sodann gilt es zu beachten, dass Hilfsarbeiten
auf dem hypothetisch ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG)
altersunabhängig nachgefragt werden (vgl. z.B. Urteile 8C_805/2016 vom 22. März
2017 E. 3.4.3; 9C_134/2016 vom 12. April 2016 E. 5.3). Mithin erfordert auch
das Alter der Beschwerdeführerin keinen Abzug.  
 
6.   
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. Februar 2018 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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