Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.551/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_551/2017  
 
 
Urteil vom 2. August 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, Chile, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente; Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom
22. Juni 2017 (VBE.2017.174). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1969, war seit 1994 im Verkauf/Aussendienst bei der
B.________ AG beschäftigt und bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (Suva) für die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert, als er im Juli 1995
einen Autounfall erlitt (frontaler Zusammenstoss mit einem Lastwagen). Er zog
sich dabei Frakturen am linken Oberschenkel und am rechten Ellbogen sowie an
einem Zahn zu. Gemäss den Berichten des Spitals C.________, des Spitals
D.________ und der Klinik E.________ vom 9. Januar, 16. Februar und 3.
September 1996 sowie vom 2. Juni 1998 bestanden zudem Kopfschmerzen,
neuropsychologische Defizite (Lernschwäche für verbales und figurales Material,
Konzentrationsschwierigkeiten), eine Diplopie (Wahrnehmung von Doppelbildern)
sowie eine globalmotorische Störung, welche auf ein erlittenes
Schädel-Hirntrauma zurückgeführt wurden. Die B.________ kündigte das
Arbeitsverhältnis per 31. Dezember 1995. A.________ zog im Dezember 1996 nach
Chile. Dort arbeitete er ab August 1997 im Betrieb seines Vaters als
Fachverkäufer. Mit Einspracheentscheid vom 22. Juli 1999 sprach ihm die Suva ab
dem 1. Mai 1999 eine Invalidenrente bei einer Erwerbsunfähigkeit von 60 % sowie
eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 48 % zu. Die
dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ die Zusprechung einer
Invalidenrente von 80 % sowie einer Integritätsentschädigung von 70 %
beantragte, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom
21. Februar 2001 ab.  
Die Suva bestätigte den Rentenanspruch am 25. April 2003 und am 10. November
2008. 
Die Invalidenversicherung richtete ab dem 1. Juli bis zum 30. November 1996
eine ganze, ab dem 1. Dezember 1996 eine halbe und ab dem 1. Januar 2004 eine
Dreiviertelsrente aus. 
 
A.b. Am 24. November 2009 teilte A.________ der Suva mit, dass er sein
bisheriges Amt als Geschäftsführer von F.________ S.A. aufgegeben und eine neue
Gesellschaft, G.________ SpA, gegründet habe. Er arbeite dort, wiederum als
Geschäftsführer, weiterhin halbtags. Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland
leitete im Oktober 2013 eine Rentenrevision ein und hob die Invalidenrente
gestützt auf die getroffenen Abklärungen in erwerblicher und medizinischer
Hinsicht auf den 31. März 2015 auf (Verfügung vom 16. Februar 2015,
letztinstanzlich vom Bundesgericht mit Urteil 9C_355/2016 vom 23. Dezember 2016
bestätigt). Mit Verfügung vom 26. März 2015 hob auch die Suva den
Rentenanspruch revisionsweise auf und hielt an ihrer Auffassung mit
Einspracheentscheid vom 23. Januar 2017 fest.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau mit Entscheid vom 22. Juni 2017 ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides seien ihm
weiterhin die bisherigen, eventualiter Rentenleistungen nach Gesetz
zuzusprechen. 
Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Rentenaufhebung
durch die Suva vor Bundesrecht standhält. Umstritten ist dabei das im
Revisionsverfahren ermittelte Valideneinkommen. 
 
3.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die revisionsweise Aufhebung oder
Anpassung der Invalidenrente gemäss dem auch für den Bereich des
Unfallversicherungsrechts (vorbehältlich der Sondernorm des Art. 22 UVG)
anwendbaren Art. 17 Abs. 1 ATSG zutreffend dargelegt. Gleiches gilt bezüglich
der dazu ergangenen Rechtsprechung zum Begriff der wesentlichen Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132), zu den für die
vergleichende revisionsweise Überprüfung relevanten Zeitpunkten (BGE 134 V 131
E. 3 S. 132 f.; 133 V 108 E. 5.4 S. 114) sowie zur umfassenden Neuüberprüfung
bei gegebenem Revisionsgrund (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11). Es wird darauf
verwiesen. Hervorzuheben ist, dass die Invalidenrente nicht nur bei einer
wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann
revidierbar ist, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich
gebliebenen Gesundheitsschadens erheblich verändert haben (BGE 130 V 343 E. 3.5
S. 349). 
 
4.   
Gemäss dem angefochtenen Entscheid habe sich die erwerbliche Situation des
Beschwerdeführers seit der Rentenzusprache verändert, indem er nun nicht mehr
im Betrieb seines Vaters als Fachverkäufer arbeite, sondern eine eigene Firma
gegründet habe, welche er als Geschäftsführer leite. Nach dem
bundesgerichtlichen Urteil 9C_355/2016 vom 23. Dezember 2016 im Verfahren gegen
die Invalidenversicherung liege der Invaliditätsgrad neu unter 50 %. Im
Vergleich zu dem im Einspracheentscheid der Suva vom 22. Juli 1999
festgestellten Invaliditätsgrad von 60 % sei eine massgebliche Veränderung
eingetreten, die eine Rentenrevision im Sinne von Art. 17 ATSG rechtfertige.
Gestützt auf das Urteil 9C_355/2016 vom 23. Dezember 2016 sei von einem
Valideneinkommen von 1'291'060 chilenischen Pesos (CLP) pro Monat auszugehen,
während das Invalideneinkommen 1'262'408 CLP betrage. Daraus resultiere ein
Invaliditätsgrad von 2 %. 
 
5.   
Unter der unbestritten gebliebenen Annahme einer rentenerheblichen Veränderung
der erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung prüfte das kantonale
Gericht den Rentenanspruch praxisgemäss zulässigerweise umfassend neu (oben E.
3). 
Der Beschwerdeführer beantragt, auf der Seite des Valideneinkommens anstelle
des vom kantonalen Gericht herangezogenen Durchschnittslohnes (1'291'060 CLP
pro Monat beziehungsweise 15'492'720 CLP pro Jahr) ein Jahresgehalt von
80'000'000 bis 120'000'000 CLP zu berücksichtigen, das er im Betrieb seines
Vaters gemäss dessen im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Bestätigung
verdienen würde. Bei der Ermittlung des Einkommens, das der Versicherte
erzielen könnte, wäre er nicht invalid geworden (Art. 16 ATSG), ist in der
Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen
Einkommensentwicklung angepassten Lohn anzuknüpfen, da es empirischer Erfahrung
entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt
worden wäre; Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt
sein (BGE 138 V 28 E. 3.3.2 S. 30). Insbesondere wenn der Versicherte als
Gesunder nicht mehr an der bisherigen Arbeitsstelle tätig wäre, ist es
praxisgemäss mittels statistischer Werte zu bestimmen (SVR 2009 IV Nr. 58 S.
181, 9C_5/2009 E. 2.3; Urteil 8C_115/2018 vom 27. Juni 2018 E. 7.1.2). Nachdem
die damalige Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auflöste und der
Beschwerdeführer nach Chile auswanderte, ist es nicht bundesrechtswidrig, dass
das kantonale Gericht auf statistische Löhne abgestellt hat. Dass er als
Gesunder im Betrieb des Vaters tätig wäre (und dort den geltend gemachten
wesentlich höheren als den statistischen Betrag verdienen würde), ist mit der
Vorinstanz nicht überwiegend wahrscheinlich. Dies gilt gerade auch mit Blick
auf die vom Beschwerdeführer erwähnte Konfliktsituation mit seinem Vater, die
sich bereits anlässlich der beruflichen Abklärungen in der Klinik E.________
abzeichnete (Berichte vom 22. November 1996 und vom 2. Dezember 1996). Auch ist
angesichts der vorinstanzlichen Feststellungen im unangefochten gebliebenen
Entscheid vom 21. Februar 2001 und des stets (wenn auch in unterschiedlicher
Position) ausgeübten Berufs eines Fachverkäufers nicht zu beanstanden, dass das
kantonale Gericht den Durchschnittslohn einer hochqualifizierten Arbeitskraft
und nicht denjenigen eines Geschäftsführers in der Produktion herangezogen hat.
Damit hat es mit dem vorinstanzlich ermittelten Valideneinkommen sein Bewenden
und ist mit dem kantonalen Gericht von einem rentenausschliessenden
Invaliditätsgrad auszugehen. 
 
6.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. August 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo 

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