Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.536/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_536/2017  
 
 
Urteil vom 5. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Wirthlin. 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 SWICA Versicherungen AG, Römerstrasse 37, 8400 Winterthur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ronald E. Pedergnana, 
Beschwerdegegner, 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang, Taggeld, Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 9. Juni 2017 (UV 2015/25). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ arbeitete seit 2006 als Kundenberater in der Bank B.________ und war
in dieser Eigenschaft bei der SWICA Versicherungen AG (nachfolgend: SWICA oder
Beschwerdeführerin) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Im Juli 2009 schloss er seine Berufslehre als
Bankkaufmann mit der Berufsmaturität ab. Am 13. Oktober 2009 zog er sich
anlässlich einer tätlichen Auseinandersetzung unter anderem eine Verletzung an
seinem rechten Auge zu. Die SWICA übernahm die Heilbehandlung und richtete ein
Taggeld aus. Per 31. August 2010 wurde das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Für die
bleibenden Folgen am rechten Auge sprach die SWICA dem Versicherten gestützt
auf die Beurteilung des Ophtalmologen Dr. med. C.________ vom 2. Dezember 2011
eine Integritätsentschädigung von 35% zu. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2014,
bestätigt durch Einspracheentscheid vom 26. März 2015, hielt die SWICA an der
Höhe der bereits im Februar 2012 ausbezahlten Integritätsentschädigung fest.
Gleichzeitig bestätigte sie die formlose Einstellung der Taggeldzahlungen per
Ende August 2010 sowie den Heilbehandlungsabschluss per 12. Juli 2013. Zudem
verneinte sie einen Rentenanspruch sowie einen Anspruch auf zukünftige
Versorgung mit dem Hilfsmittel einer jährlich zu erneuernden Iris-Printlinse. 
 
B.   
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 9. Juni 2017 teilweise gut und hob den
Einspracheentscheid auf (Dispositiv-Ziffer 1). Es sprach dem Versicherten ab 1.
März 2012 eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 20% zu
und wies diesbezüglich die Sache zur Festsetzung und Ausrichtung der Rente an
die SWICA zurück (Dispositiv-Ziffer 2). Es bejahte vom 1. September 2010 bis
29. Februar 2012 einen Taggeldanspruch basierend auf einer Arbeitsunfähigkeit
von 20% und wies diesbezüglich die Sache zur Festsetzung und Ausrichtung der
Taggelder an die SWICA zurück (Dispositiv-Ziffer 3). In Bezug auf die
Kostenübernahme für Hilfsmittel und Kontrolluntersuchungen trat es auf die
Beschwerde nicht ein (Dispositiv-Ziffern 4 und 5). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die SWICA,
die Dispositiv-Ziffern 1 bis 3 des angefochtenen Gerichtsentscheids seien
aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 26. März 2015 zu bestätigen
(Rechtsbegehren Ziffer 1). Zudem seien die Geldleistungen gemäss Art. 39 UVG in
Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 UVV mindestens um die Hälfte zu kürzen
(Rechtsbegehren Ziffer 2). 
 
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde; auf das Rechtsbegehren
Ziffer 2 sei nicht einzutreten. Eventualiter sei die Sache an die SWICA
zurückzuweisen, damit diese nach Beizug der IV-Akten neu verfüge. Zudem lässt
er um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung
ersuchen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine
Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Soweit das kantonale Gericht gemäss den Dispositiv-Ziffern 4 und 5 auf die
Beschwerde bezüglich Kostenübernahme für Hilfsmittel und Kontrolluntersuchungen
nicht eintrat, ist der vorinstanzliche Entscheid unangefochten in Rechtskraft
erwachsen.  
 
2.2. Gegen den von der SWICA am 5. Dezember 2014 per 12. Juli 2013 verfügten
und mit Einspracheentscheid vom 26. März 2015 bestätigten
Heilbehandlungsabschluss liess der Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren
keine substanziierten Einwände erheben. Das kantonale Gericht hat dazu im
Dispositiv des angefochtenen Entscheids keine rechtsverbindlichen Anordnungen
getroffen. Folglich bleibt es bei der Einstellung der Heilbehandlung per 12.
Juli 2013.  
 
2.3. Strittig ist demgegenüber geblieben, ob die SWICA die Taggeldleistungen zu
Recht per 31. August 2010 eingestellt und einen Rentenanspruch verneint hat,
oder ob im Gegenteil die SWICA gemäss angefochtenem Entscheid dem Versicherten
vom 1. September 2010 bis 29. Februar 2012 ein Taggeld aufgrund einer
Arbeitsunfähigkeit von 20% sowie ab 1. März 2012 eine Invalidenrente aufgrund
einer unfallbedingten Erwerbseinbusse von 20% auszurichten hat.  
 
3.  
 
3.1. Nach Gesetz und Rechtsprechung hat der Unfallversicherer den Fall (unter
Einstellung der vorübergehenden Leistungen Heilbehandlung und Taggeld sowie mit
Prüfung des Anspruchs auf eine Invalidenrente und auf eine
Integritätsentschädigung) abzuschliessen, wenn von der Fortsetzung der
ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes der
versicherten Person mehr erwartet werden kann und allfällige
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Art. 19
Abs. 1 UVG; BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 114 mit Hinweisen; Urteil 8C_29/2010 vom
27. Mai 2010 E. 4.1).  
 
3.2. Der Taggeldanspruch (Art. 16 Abs. 1 UVG) erlischt mit der Wiedererlangung
der vollen Arbeitsfähigkeit, mit dem Beginn einer Rente oder mit dem Tod des
Versicherten (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 UVG). Erst - aber immerhin dann - wenn von
der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr zu erwarten ist, ist der Fall unter Einstellung der
vorübergehenden Leistungen mit gleichzeitiger Prüfung des Anspruchs auf eine
Invalidenrente und auf eine Integritätsentschädigung abzuschliessen (BGE 134 V
109 E. 4.1 S. 114 mit Hinweisen).  
 
3.3. Die Integritätsentschädigung wird gemäss Art. 24 Abs. 2 UVG mit der
Invalidenrente festgesetzt oder, wenn kein Rentenanspruch besteht, bei der
Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt. Diese Bestimmung schreibt dem
Unfallversicherer nicht nur vor, wann er über eine Integritätsentschädigung zu
verfügen hat, sondern legt auch den massgeblichen Zeitpunkt fest, in dem die
materiellen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind (RKUV 2002 Nr. U 460 S. 417
E. 7a mit Hinweis auf BGE 113 V 48 E. 4 S. 53). Weil die
Integritätsentschädigung dem Ausgleich von Dauerschäden dient, kann dieser
Anspruch erst beurteilt werden, wenn sich der Gesundheitszustand der
versicherten Person stabilisiert hat und von medizinischen Massnahmen keine
Besserung mehr erwartet werden kann (Urteil 8C_820/2011 vom 25. April 2012 E.
2.3 mit Hinweis auf THOMAS FREI, Die Integritätsentschädigung nach Art. 24 und
25 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1997, S. 63;
Urteil 8C_836/2013 vom 27. März 2014 E. 4.5).  
 
3.4. Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit
denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der
Versicherungsträger gemäss Art. 49 Abs. 1 ATSG schriftlich Verfügungen zu
erlassen. Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und
sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen (
Art. 49 Abs. 3 ATSG). Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter 
Art. 49 Abs. 1 ATSG fallen, können in Anwendung von Art. 51 Abs. 1 ATSG in
einem formlosen Verfahren behandelt werden. Die betroffene Person kann nach 
Art. 51 Abs. 2 ATSG den Erlass einer Verfügung verlangen. Zwar bezieht sich 
Art. 51 ATSG ausdrücklich nur auf das zulässige formlose Verfahren, doch
erachtet es die Rechtsprechung - in Analogie zu Art. 51 Abs. 2 ATSG - auch dann
als angezeigt, dass die versicherte Person einen Entscheid in Form einer
Verfügung verlangen kann, wenn der Versicherungsträger zu Unrecht formlos und
nicht mittels Verfügung entschieden hat (BGE 134 V 145 E. 5.1 S. 149). Die
Frist für eine Intervention der betroffenen Person gegen den unzulässigerweise
formlos mitgeteilten Entscheid beträgt im Regelfall ein Jahr seit der
Mitteilung. Eine längere Frist kommt allenfalls dann in Frage, wenn die
betroffene Person - insbesondere wenn sie rechtsunkundig und nicht anwaltlich
vertreten ist - in guten Treuen annehmen durfte, der Versicherer habe noch
keinen abschliessenden Entscheid fällen wollen und sei mit weiteren Abklärungen
befasst (BGE 134 V 145 E. 5.3 S. 151 ff.; Urteil 8C_620/2016 vom 21. November
2016 E. 2.3). Ohne fristgerechte Intervention erlangt der Entscheid rechtliche
Wirksamkeit, wie wenn er zulässigerweise im Rahmen von Art. 51 Abs. 1 ATSG
ergangen wäre (BGE 134 V 145 E. 5.4 S. 153; Urteil 8C_738/2016 vom 28. März
2017 E. 3.2).  
 
4.   
Vorweg zu prüfen ist ein allfälliger Taggeldanspruch über den 31. August 2010
hinaus. 
 
4.1. Der Beschwerdeführerin war bekannt, dass der Versicherte gemäss Attest der
Klinik für Augenkrankheiten des Spitals D.________ vom 9. Juni 2010 seine
angestammte Tätigkeit ab Mitte Juni 2010 unfallbedingt wieder auf 80%
reduzieren musste. Weil er diese Arbeitsstelle jedoch per 31. August 2010
aufgab, im September 2010 ein Fachhochschulstudium begann und angeblich mit der
Einstellung der Taggeldzahlungen per 31. August 2010 einverstanden war, hielt
die SWICA mit Verfügung vom 5. Dezember 2014 an der Taggeldeinstellung fest.  
 
4.2. Nach umfassender Beweiswürdigung stellte das kantonale Gericht
demgegenüber fest, der Versicherte sei sowohl in Bezug auf seine angestammten
beruflichen Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich wie auch hinsichtlich jeder
anderen leidensadaptierten Tätigkeit über den 31. August 2010 hinaus anhaltend
zu 20% arbeitsunfähig geblieben. Er habe daher auch vom 1. September 2010 bis
29. Februar 2012 Anspruch auf ein Taggeld basierend auf einer 20%-igen
Arbeitsunfähigkeit. Gestützt auf den Bericht der behandelnden Augenärztin Dr.
med. E.________, vom 28. März 2012 sei davon auszugehen, dass von einer
Fortsetzung der ärztlichen Behandlung ab März 2012 keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr zu erwarten gewesen war.  
 
4.3. Was die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Entscheid hinsichtlich
des strittigen Taggeldanspruchs vorbringt, ist unbegründet.  
 
4.3.1. Erstmals vor Bundesgericht macht die SWICA neu geltend, mangels
Intervention innert Jahresfrist seit formloser Taggeldeinstellung per 31.
August 2010 sei diese Leistungseinstellung praxisgemäss (BGE 134 V 145)
rechtswirksam, wie wenn sie zulässigerweise im Rahmen von Art. 51 Abs. 1 ATSG
ergangen wäre (vgl. dazu E. 3.4 hievor).  
 
4.3.1.1. Im Verfahren vor Bundesgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel
nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu
Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2
BGG). Zwar sind neue rechtliche Begründungen vor Bundesgericht im Rahmen des
Streitgegenstands zulässig, jedoch nur soweit dazu nicht neue Tatsachen im
Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG festgestellt werden müssten (vgl. BGE 136 V 362 E.
4.1 S. 366 mit Hinweisen). Werden neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht,
ist in der Beschwerde darzutun, inwiefern erst der angefochtene Entscheid dazu
Anlass gegeben hat (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395). Der vorinstanzliche
Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von 
Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im
kantonalen Verfahren ohne weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 134 V
223 E. 2.2.1 S. 226).  
 
4.3.1.2. Die fehlende Intervention innert Jahresfrist seit der
Taggeldeinstellung (negative Tatsache) scheint die SWICA aus einer internen
Telefonnotiz vom 16. August 2010 abzuleiten, welche das Einverständnis des
Versicherten mit der Leistungseinstellung belegen soll. Dabei handelt es sich
nicht um eine aktenkundige Tatsache. Diese einseitige schriftliche
Parteibehauptung vom 16. August 2010 steht zudem im Widerspruch zum Schreiben
des Versicherten an die Beschwerdeführerin vom 30. Juni 2011, wonach er immer
noch zu 20% arbeitsunfähig sei und Anspruch auf weitere Taggeldzahlungen
bestehe. Die SWICA legt vor Bundesgericht mit keinem Wort dar, weshalb sie die
Tatsache der fehlenden Intervention innert Jahresfrist nicht bereits im
vorinstanzlichen Verfahren hätte geltend machen können. Unter den gegebenen
Umständen ist die neue rechtliche Begründung demnach unzulässig und hier
folglich unbeachtlich.  
 
4.3.2. Weiter argumentiert die Beschwerdeführerin widersprüchlich. Einerseits
vertritt sie die Auffassung, in Bezug auf den Fallabschluss sei in
medizinischer Hinsicht auf die beweiskräftigen "Gutachten" ihres beratenden
Augenarztes Dr. med. F.________ vom 12. Juli 2013 und 18. März 2014
abzustellen. Andererseits veranlasste sie die medizinisch abschliessende
Beurteilung des Integritätsschadens bereits am 19. Oktober 2011, um gestützt
darauf schon im Januar/Februar 2012 über die Integritätsentschädigung von 35%
zu verfügen. Trotz Erheblichkeit des entsprechenden Betrages von Fr. 44'100.-
sprach die SWICA diese Entschädigung - entgegen von Art. 49 Abs. 1 ATSG -
formlos zu. Sodann rügt die SWICA zum einen, das kantonale Gericht habe den
Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt, indem es "auf die nicht
verifizierten Aussagen des [Versicherten] anlässlich der Verhandlung vom 17.
Mai 2017" abgestellt habe. Dies, obwohl sie es zuvor unterlassen hatte, im
Rahmen der ihr obliegenden Untersuchungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) die
entsprechenden Sachverhaltsabklärungen selber zu tätigen. Zum anderen macht die
Beschwerdeführerin geltend, die - entgegen von Art. 49 Abs. 1 ATSG - formlos
verfügte Taggeldeinstellung per 31. August 2010 sei "im Einverständnis mit dem
[Versicherten]" erfolgt. Bei der erwähnten Telefonnotiz (E. 4.3.1.2 hievor)
handelt es sich jedoch bloss um eine - hinsichtlich des angeblichen Konsenses
betreffend Taggeldeinstellung - nicht verifizierbare, einseitige schriftliche
Parteibehauptung der SWICA.  
 
4.3.3. Soweit Letztere sich vor Bundesgericht darauf beruft, im Zeitraum vom
20. September 2010 bis 29. Februar 2012 sei "keine echtzeitliche
Arbeitsunfähigkeit" ausgewiesen, liegt die Beweislast in Bezug auf die
anspruchsaufhebende Tatfrage nach der Wiedererlangung der vollen
Arbeitsfähigkeit nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (SVR
2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 3.2 mit Hinweisen). Nicht nur die
behandelnde Augenärztin, sondern auch der von der Beschwerdeführerin als
fachärztlicher Experte beauftragte Dr. med. F.________ gingen übereinstimmend
von einer anhaltenden 20%-igen Arbeitsunfähigkeit auch in einer
leidensangepassten Tätigkeit aus. Nach dem Gesagten hat die SWICA in Bezug auf
die Taggeldeinstellung die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, zumal sie
nicht nur in Verletzung von Art. 49 Abs. 1 ATSG auf den Erlass einer
schriftlichen Verfügung verzichtete, sondern in der Folge auch die ihr
obliegende Untersuchungspflicht (Art. 43 Abs. 1 ATSG) vernachlässigte.  
 
4.3.4.  
 
4.3.4.1. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, der Versicherte sei
nach dem behinderungsbedingten Unterbruch seines Studiums im Dezember 2010
zwischen Januar und Mai 2011 arbeitslosenversicherungsrechtlich voll
vermittlungsfähig gewesen. Danach habe er gemäss Auszug aus dem individuellen
Konto (nachfolgend: IK-Auszug) von Mai bis August 2011 bei der G.________ AG
mit einem 100%-Pensum gearbeitet. Daraus folge, dass der Beschwerdegegner voll
arbeitsfähig gewesen sei.  
 
4.3.4.2. Die SWICA legt demgegenüber nicht dar, inwiefern die Vorinstanz
Bundesrecht verletzte, indem sie gestützt auf die Tatsachenfeststellungen
gemäss Parteibefragung anlässlich der kantonalen Gerichtsverhandlung vom 17.
Mai 2017 abweichende Schlussfolgerungen zog. Demnach war die Angewöhnungsphase
nach Einsetzung einer Iris-Printlinse gegen Ende 2010 abgeschlossen. Bedingt
durch die verminderte bzw. verlangsamte visuelle Aufnahmefähigkeit habe der
Versicherte das im September 2010 begonnene Studium unterbrechen müssen. Zur
Überbrückung dieses vorübergehenden Unterbruchs des Studiums habe er bei der
G.________ AG gearbeitet. Bei dieser Arbeitsstelle habe es sich um einen
Nischenarbeitsplatz gehandelt, der ihm nur wegen seiner Bekanntschaft mit dem
Sohn des Chefs der Arbeitsgeberfirma vermittelt worden sein. Dank der
Flexibilität der Arbeitgeberin habe er in dem für ihn angepassten Tempo
arbeiten können. Mit zumindest nachvollziehbarer Begründung hat das kantonale
Gericht dargelegt, weshalb es basierend auf diesen Sachverhaltsfeststellungen
auch von Januar bis September 2011 wie für den gesamten Zeitraum vom 1.
September 2010 bis 29. Februar 2012 auf eine durchgehend attestierte
unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von 20% schloss. Bei gegebener Aktenlage
vermag die SWICA nicht aufzuzeigen, inwiefern die beanstandete vorinstanzliche
Tatsachenfeststellung auf einer bundesrechtswidrigen Beweiswürdigung beruhen
soll. Weder aus dem IK-Auszug noch aus anderen Akten ist mit dem erforderlichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit darauf zu schliessen, dass der
Beschwerdegegner trotz unbestrittener Unfallrestfolgen ab 2011 vorübergehend
wieder voll arbeitsfähig war.  
 
4.4. Nach dem Gesagten sind die Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen den mit
angefochtenem Entscheid bejahten Taggeldanspruch unbegründet. Sie hat dem
Versicherten somit basierend auf einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von
20% vom 1. September 2010 bis 29. Februar 2012 ein Taggeld auszurichten
(Dispositiv-Ziffer 3).  
 
5.   
Es bleibt zu prüfen, ob die Vorinstanz dem Versicherten zu Recht mit Wirkung ab
1. März 2012 einen Anspruch auf eine Invalidenrente basierend auf einer
unfallbedingten Erwerbseinbusse von 20% zugesprochen hat. Da weder geltend
gemacht wird noch ersichtlich ist, dass sich die unfallbedingte Einschränkung
der Leistungsfähigkeit ab 1. März 2012 verbessert hätte, ist auch ab diesem
Zeitpunkt mit der Vorinstanz von einer 20%-igen Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf
die angestammte und jede andere leidensangepasste Tätigkeit auszugehen (E. 4
hievor). 
 
5.1. Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent
invalid, so hat sie gemäss Art. 18 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine Invalidenrente.
Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten
Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch
eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen
könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen,
das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog.
Valideneinkommen).  
Der Einkommensvergleich nach Art. 16 ATSG hat in der Regel in der Weise zu
erfolgen, dass die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig
möglichst genau ermittelt und einander gegenübergestellt werden, worauf sich
aus der Einkommensdifferenz der Invaliditätsgrad bestimmen lässt. Sind Validen-
und Invalideneinkommen ausgehend vom selben Tabellenlohn zu berechnen,
entspricht der Invaliditätsgrad dem Grad der Arbeitsunfähigkeit unter
Berücksichtigung des Abzuges vom Tabellenlohn (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; SVR
2008 IV Nr. 2 S. 3, I 697/05 E. 5.4; Urteil 8C_628/2015 vom 6. April 2016 E.
5.3.1; vgl. auch 8C_754/2015 vom 26. Februar 2016). Dieser sog.
Prozentvergleich stellt eine zulässige Variante des Einkommensvergleichs dar
(SVR 2014 UV Nr. 1 S. 1, 8C_211/2013 E. 4.1). Das ohne Invalidität erzielbare
hypothetische Einkommen ist dabei mit 100 Prozent zu bewerten, während das
Invalideneinkommen gegebenenfalls auf einen entsprechend kleineren Prozentsatz
veranschlagt wird, so dass sich aus der Prozentdifferenz der Invaliditätsgrad
ergibt (BGE 114 V 310 E. 3a S. 312 f.; Urteil 8C_934/2015 vom 9. Mai 2016 E.
2.1). 
Um das von der versicherten Person ohne Gesundheitsschaden hypothetisch
erzielbare Valideneinkommen zu bestimmen, wird in der Regel am zuletzt
erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung
angepassten Verdienst angeknüpft. Denn erfahrungsgemäss wäre die bisherige
Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden. Ausnahmen von diesem
Grundsatz müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (vgl.
Urteil 8C_934/2015 vom 9. Mai 2016 E. 2.2 mit zahlreichen Hinweisen). 
 
5.2. Einerseits steht fest, dass der Versicherte das angestammte
Arbeitsverhältnis als Bankkundenberater nach Eintritt des Gesundheitsschadens
einvernehmlich per 31. August 2010 auflöste, um ab September 2010 - früher als
ursprünglich in Betracht gezogen - das Fachhochschulstudium der
Betriebsökonomie aufzunehmen. Andererseits hält die Beschwerdeführerin auch vor
Bundesgericht an ihrem Standpunkt fest, wonach der Versicherte ohne
Gesundheitsschaden seine angestammte Tätigkeit noch während unabsehbarer Zeit
fortgesetzt ausgeübt hätte. Deshalb sei beim Valideneinkommen vom Verdienst aus
der angestammten Tätigkeit bei der Bank B.________ auszugehen.  
 
5.3. Gestützt auf diese Argumentation ist nicht erkennbar, inwiefern das
kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es den Invaliditätsgrad nach der
Methode des Prozentvergleichs bestimmte (E. 5.1 hievor; vgl. auch Urteil 8C_852
/2016 vom 12. September 2017 E. 4.4.4). War der Beschwerdegegner auch im
massgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheides (hier: vom 26.
März 2015; BGE 130 V 445 E. 1.2 S. 446; SVR 2014 IV Nr. 6 S. 25, 9C_656/2013 E.
3.1; vgl. auch BGE 134 V 392 E. 6 S. 397 mit Hinweis) infolge seines
Augenschadens hinsichtlich der angestammten und jeder leidensangepassten
Tätigkeit zu 20% arbeitsunfähig, bleibt es bei der vorinstanzlich
festgestellten unfallbedingten Erwerbseinbusse von 20%. Demnach ist auch
Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Entscheides nicht zu beanstanden.  
 
6.  
 
6.1. Obwohl die SWICA die genauen Umstände des Unfalles aus den Strafakten seit
Ende November 2009 kannte, hat sie die Integritätsentschädigung und Taggelder
bisher ungekürzt ausgerichtet. Sie zog die Prüfung einer Kürzung der
Geldleistungen gemäss Art. 39 UVG in Verbindung mit Art. 49 Abs. 2 UVV erstmals
anlässlich der vorinstanzlichen Gerichtsverhandlung in Erwägung. Weshalb sie
die tatsächlichen Vorbringen zu den konkreten Umständen des schädigenden
Faustschlages im Einzelnen erstmals vor Bundesgericht neu geltend macht (vgl. 
Art. 99 Abs. 1 BGG), legt sie nicht dar. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang
allein bildet jedenfalls keinen hinreichenden Anlass für die Zulässigkeit
unechter Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten
vorgebracht werden können (Urteil 8C_690/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.2, nicht
publ. in: BGE 138 V 286, aber in: SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7). Da die
Beschwerdeführerin nicht dartut, dass ihr letzteres trotz hinreichender
Sorgfalt prozessual unmöglich oder objektiv unzumutbar gewesen wäre, können
diese Vorbringen hier nicht mehr gehört werden (SVR 2017 UV Nr. 1 S. 1, 8C_257/
2016 E. 5.2.2 mit Hinweisen).  
 
6.2. Entscheidend ist jedoch, dass die SWICA über das formell erstmals vor
Bundesgericht neu gestellte Rechtsbegehren Ziffer 2 (vgl. Sachverhalt lit. C) -
ungeachtet der Unzulässigkeit neuer Rechtsbegehren im bundesgerichtlichen
Beschwerdeverfahren (Art. 99 Abs. 2 BGG) - noch nicht verfügt hat. Insofern
fehlt es an einem Anfechtungsobjekt. Denn im verwaltungsgerichtlichen
Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen
bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig
verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit
bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren
Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und
somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung
ergangen ist (BGE 131 V 164 Erw. 2.1, 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je
mit Hinweisen).  
 
6.3. Auf das Rechtsbegehren Ziffer 2 ist daher in diesem Verfahren nicht
einzutreten. Das kantonale Gericht hat die Sache in Bezug auf den Taggeld- und
Rentenanspruch zur Festsetzung und Ausrichtung der konkreten Geldleistungen mit
- hier bestätigtem - angefochtenen Entscheid an die Beschwerdeführerin zurück
gewiesen. Sie wird im Rahmen der Leistungsfestsetzung prüfen und gegebenenfalls
darüber im Sinne von Art. 49 Abs. 1 ATSG schriftlich verfügen, ob und inwieweit
diese Geldleistungen zu kürzen sind. Soweit in Erwägung Ziffer 4 des
angefochtenen Entscheides Abweichendes ausgeführt wurde, kommt dieser
vorinstanzlichen Auffassung mangels eines Verweises auf die Erwägungen im
Dispositiv keine Rechtsverbindlichkeit zu (vgl. Urteile 8C_720/2015 vom 12.
April 2016 E. 3.3 i.f. und 9C_242/2015 vom 16. September 2015 E. 3 i.f., je mit
Hinweisen).  
 
7.   
Ist die Beschwerde demnach gesamthaft unbegründet, ist sie abzuweisen, soweit
darauf eingetreten wird. Folglich bleibt es beim angefochtenen Entscheid. 
 
8.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Als unterliegende Partei hat
die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die
Beschwerdeführerin hat dem Versicherten überdies eine Parteientschädigung
auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit wird sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdegegners für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 5. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli 

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