Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.535/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_535/2017            

 
 
 
Urteil vom 7. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Regionales Arbeitsvermittlungszentrum Basel-Stadt (RAV), Utengasse 36, 4058
Basel, vertreten durch die Kantonale Amtsstelle für Arbeitslosenversicherung
Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
 A.________, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 14. Juni 2017 (AL.2017.9). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ arbeitete zuletzt vom 1. November 2015 bis zum 31. Oktober 2016 in
einem befristeten Arbeitsverhältnis als Praktikantin bei der B.________ AG. Im
Oktober 2016 meldete sie sich bei der Arbeitslosenversicherung zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung an. Mit Verfügung vom 19. Januar 2017 stellte sie das
Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Basel-Stadt, Regionales
Arbeitsvermittlungszentrum (RAV 1), für fünf Tage in der Anspruchsberechtigung
ein, weil A.________ sich in der Kontrollperiode Dezember 2016 nicht um Arbeit
bemüht habe. Die Einsprache der Versicherten, mit welcher sie geltend machte,
sie habe das Kontrollformular am 3. Januar 2017 persönlich in den Briefkasten
des RAV eingeworfen, wies es mit Entscheid vom 17. Februar 2017 ab. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 14. Juni 2017 gut und hob den
Einspracheentscheid vom 17. Februar 2017 auf. 
 
C.   
Das RAV führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Versicherte für
mindestens zwei Tage in der Anspruchsberechtigung einzustellen. 
 
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für
Wirtschaft (SECO) verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die vorinstanzliche Aufhebung der vom RAV
verfügten Einstellung in der Anspruchsberechtigung bundesrechtskonform war.
Umstritten ist dabei, ob das kantonale Gericht die Arbeitsbemühungen der
Versicherten für den Monat Dezember 2016 zu Recht als rechtzeitig eingereicht
erachtet hat. 
 
3.   
Das kantonale Gericht ging davon aus, dass die Versicherte das Kontrollblatt
"Nachweis der persönlichen Arbeitsbemühungen" für Dezember 2016 rechtzeitig
eingereicht habe, obwohl es in den Akten nicht auffindbar war. 
 
Nach Ansicht des RAV sei dieser Nachweis nicht erbracht und trage die
Versicherte die Folgen der Beweislosigkeit. Die Einstellung in der
Anspruchsberechtigung sei daher zu Recht erfolgt, wobei eine Reduktion der
Einstelltage beantragt wird. 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Versicherte ihrer Einsprache gegen
die Verfügung vom 19. Januar 2017 eine Kopie des Kontrollblatts "Nachweis der
persönlichen Arbeitsbemühungen" für Dezember 2016 beigelegt und geltend gemacht
habe, sie habe das Original am 3. Januar 2017 in den Briefkasten des RAV an der
Hochstrasse eingeworfen. Dieser stehe den Versicherten nach den Angaben des RAV
zu diesem Zweck zur Verfügung. Die Unterlagen seien beim RAV jedoch nicht
aufgefunden worden. Die Versicherte habe sich schon ab Juli 2016 bis zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses in qualitativer und in quantitativer
Hinsicht ausreichend um Arbeit bemüht. Am 26. Dezember 2016 habe sie gemäss den
von ihr eingereichten Unterlagen per E-Mail mitgeteilt, dass sie per Februar
2017 eine neue Stelle gefunden habe, und sich nach dem weiteren Vorgehen
erkundigt. Ihre Personalberaterin habe ihr am 2. Januar 2017 geantwortet, dass
sie nun nur noch die Arbeitsbemühungen für Dezember 2016 einreichen müsse. Im
Januar sei sie von der Stellensuche befreit. Es wäre nicht schlüssig, weshalb
die Versicherte die Bemühungen für den Monat Dezember 2016 entgegen dieser
Auskunft und trotz ihres bis anhin stets tadellosen und vorbildlichen
Verhaltens nicht rechtzeitig hätte einreichen sollen. Viel wahrscheinlicher
sei, dass sie nach Erhalt der erwähnten E-Mail umgehend tags darauf die
Unterlagen abgegeben habe. Dabei berücksichtigte die Vorinstanz zusätzlich zum
Nachteil des RAV, dass die von der Versicherten eingereichte
E-Mail-Korrespondenz mit ihrer Personalberaterin in den Akten ebenfalls nicht
vorhanden sei. Das RAV habe der Versicherten im Februar 2017 das Formular
"Angaben der versicherten Person für den Monat Februar 2017" zugestellt, obwohl
es sie nach Kenntnisnahme von der neuen Stelle ab Februar 2017 bereits für
Januar 2017 von der Stellensuche befreit habe. Die von der Versicherten geltend
gemachte Sachverhaltsvariante erschien dem kantonalen Gericht angesichts dieser
Umstände als die wahrscheinlichere.  
 
4.2. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind im Rahmen der bundesgerichtlichen
Überprüfungsbefugnis, die sich auf offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellungen und Rechtsverletzungen beschränkt (oben E. 1), nicht
zu beanstanden.  
 
Nach dem im Sozialversicherungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatz hat das
Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Die Verwaltung als verfügende
Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als
bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind. Im
Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz
nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten
Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Das Gericht hat vielmehr
jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die es von allen möglichen
Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigt (BGE 138 V 218 E. 6 S. 221
f. mit Hinweisen). Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne
der Beweisführungslast begriffsnotwendig aus, da es Sache des
Sozialversicherungsgerichts (Art. 61 lit. c ATSG) oder der verfügenden
Verwaltungsstelle (Art. 43 Abs. 1 ATSG) ist, für die Zusammentragung des
Beweismaterials besorgt zu sein. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin
die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der
Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem
unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel
greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes aufgrund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu
ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit
zu entsprechen (BGE 138 V 218 E. 6 S. 222 mit Hinweisen; Urteil 8C_307/2016 vom
17. August 2016 E. 5.3). 
Das kantonale Gericht hat die Umstände des vorliegenden Falles eingehend
gewürdigt und ist zum Schluss gelangt, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass
die Versicherte das fragliche Formular rechtzeitig eingereicht habe. Inwiefern
seine Feststellungen offensichtlich unrichtig wären, wird beschwerdeweise nicht
dargelegt und ist nicht ersichtlich. Es ist deshalb mit dem kantonalen Gericht
davon auszugehen, dass die Versicherte das Kontrollblatt rechtzeitig abgegeben
hat. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin lag demnach keine
Beweislosigkeit vor, deren Folgen die Versicherte tragen müsste. Die im Rahmen
des Untersuchungsgrundsatzes geltenden Beweisregeln sind nicht verletzt worden.
Nicht bestritten wird, dass mit dem Formular für den Monat Dezember 2016
genügende Arbeitsbemühungen nachgewiesen waren. Die vorinstanzliche Aufhebung
der vom RAV verfügten Einstellung in der Anspruchsberechtigung war deshalb
bundesrechtskonform. 
 
5.   
Das Verfahren wäre grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 62 BGG), doch sind dem
in seinem amtlichen Wirkungskreis und nicht in seinem eigenen
Vermögensinteresse handelnden RAV keine Gerichtskosten (Art. 65 Abs. 1 und 4
lit. a BGG) aufzuerlegen (BGE 133 V 640 E. 4 S. 640 ff.; Art. 66 Abs. 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich
mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. November 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo 

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