Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.532/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_532/2017            

 
 
 
Urteil vom 6. Oktober 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau, Langfeldstrasse 53a, 8510 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Anspruchsvoraussetzung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 14. Juni 2017 (VV.2016.224/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1957 geborene A.________ arbeitet seit Jahren als Informatiklehrer am
Zentrum B.________. Daneben übt er verschiedene Nebenerwerbstätigkeiten aus. Am
27. Juni 2014 meldete er sich zum - erneuten - Leistungsbezug ab dem 1. Juli
2014 bei der Arbeitslosenversicherung an. Er gab an, in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis auf Abruf zu stehen und eine Vollzeitbeschäftigung zu suchen.
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau verneinte mit Verfügung vom 23.
November 2015 einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 1. Juli 2014.
Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 21. Juni 2016 fest. 
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
mit Entscheid vom 14. Juni 2017 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
sinngemässen Antrag, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Vorinstanz
anzuweisen, zu überprüfen, ob er ab 1. Juli 2014 Anspruch auf eine neue
Rahmenfrist habe. 
Das Bundesgericht verzichtet auf einen Schriftenwechsel. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes
wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG
). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz den Anspruch des
Beschwerdeführers auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung ab 1. Juli 2014
zu Recht verneint hat. 
 
2.1. Im angefochtenen Gerichtsentscheid werden die gesetzlichen Voraussetzungen
des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 AVIG), insbesondere
diejenigen der ganzen oder teilweisen Arbeitslosigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. a
und Art. 10 AVIG) sowie des anrechenbaren Arbeitsausfalls, welcher einen
Verdienstausfall erfordert (Art. 8 Abs. 1 lit. b und Art. 11 Abs. 1 AVIG),
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2. Bei der Arbeit auf Abruf besteht keine Garantie für einen bestimmten
Beschäftigungsumfang, sodass die Person während der Zeit, in der sie nicht zur
Arbeit aufgefordert wird, keinen Arbeits- und Verdienstausfall nach Art. 11
Abs. 1 AVIG erleidet. Dies deshalb, weil ein anrechenbarer Ausfall an
Arbeitszeit nur entstehen kann, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem
Arbeitnehmer eine wöchentliche Normalarbeitszeit vereinbart war. Von diesem
Grundsatz kann jedoch abgewichen werden, wenn der auf Abruf erfolgte Einsatz
während längerer Zeit im Wesentlichen mehr oder weniger konstant war. In diesem
Fall ist die effektiv absolvierte Arbeitszeit als normal zu betrachten. Nach
der Rechtsprechung kann der Beobachtungszeitraum dabei umso kürzer sein, je
weniger die Arbeitseinsätze in den einzelnen Monaten schwanken, und er muss
länger sein, wenn die Arbeitsein-sätze sehr unregelmässig anfallen oder wenn
die Arbeitsdauer während der einzelnen Einsätze starken Schwankungen
unterworfen ist (BGE 107 V 59 E. 1 S. 61 unten f.; SVR 2006 ALV 29 S. 99, C 9/
06   E. 1.3;  THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale
Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2310 Rz. 151; ARV 2014 S. 62,
8C_625/2013 E. 2.2). In Bezug auf langjährige Arbeitsverhältnisse wurde
höchstrichterlich regelmässig erkannt, dass auf die Arbeitsstunden pro Jahr und
die Abweichungen vom Jahresdurchschnitt abgestellt werden kann (SVR 2008 ALV
Nr. 3 S. 6, C 266/06 E. 3.2; SVR 2006 ALV Nr. 29 S. 99, C 9/06 E. 3.3; ARV 1995
Nr. 9    S. 45, C 1/93 E. 3b). Das Abstellen auf die Arbeitsstunden pro Jahr
und die Abweichungen vom Jahresdurchschnitt rechtfertigt sich umso mehr, als im
Arbeitsvertragsrecht in jüngerer Zeit vermehrt von der Massgeblichkeit einer
Jahresarbeitszeit ausgegangen wird, welche es den Arbeitgebern erlaubt,
flexibler auf saisonale oder anderweitige Beschäftigungsschwankungen zu
reagieren (ARV 2014 S. 62, 8C_625/2013 E. 2.2 mit Hinweisen).  
 
 
3.   
Das kantonale Gericht legte dar, dass ein Arbeitsausfall nach Art. 8 lit. b
AVIG nur anrechenbar und damit entschädigungsberechtigt sei, wenn er ein
Mindestausmass erreiche und einen Verdienstausfall zur Folge habe (Art. 11 Abs.
1 AVIG). Es stellte fest, beim Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit dem
Zentrum B.________ handle es sich um ein Jahrespensum, welches naturgemäss in
den einzelnen Monaten unterschiedlich ausfallen könne. Von einer temporären
Arbeitslosigkeit per 1. Juli 2014 könne damit nicht gesprochen werden. Der
Versicherte erfülle daher im fraglichen Zeitpunkt die für die
Arbeitslosenentschädigung massgeblichen Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8
Abs. 1 AVIG nicht. Bezüglich der bei fünf weiteren Arbeitgebern ausgeübten
Nebenbeschäftigungen handle es sich um Arbeit auf Abruf. Die Vorinstanz traf
weiter die Feststellung, die geleistete Arbeitszeit bei den
Nebenerwerbstätigkeiten sei regelmässig und ohne erhebliche Schwankungen
gewesen, weshalb nicht von einer Normalarbeitszeit auszugehen sei. Aus der
angeführten Feststellung wurde im angefochtenen Entscheid erkannt, der
Beschwerdeführer habe per 1. Juli 2014 die Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art.
8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG nicht erfüllt. Hinzu komme, dass
er ab Juli 2014 mit seinem Erwerbseinkommen von Fr. 136'844.- (2014), Fr.
170'502.- (2015) und Fr. 115'487.- (bis 30. Juni 2016) 70 % der massgebenden
Höchsteinkommen von Fr. 126'000.- (bis 31. Dezember 2015) beziehungsweise Fr.
148'200.- (ab 1. Januar 2016) (Art. 23 AVIG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 UVV)
erreichte, was Leistungen der Arbeitslosenversicherung ebenfalls ausschliesse. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer bringt vor, er beantrage die - wiederholte - Verlängerung
der Rahmenfrist. Bei den verschiedenen von ihm seit dem Jahre 2008 ausgeübten
Tätigkeiten handle es sich um Zwischenverdienst, da er nach wie vor eine
Vollzeitstelle suche. Ende Juni 2014 habe er nicht gewusst, ob er vom Zentrum
B.________ einen neuen Jahresvertrag erhalte, weshalb er zu diesem Zeitpunkt
arbeitslos gewesen sei. 
 
5.   
Der Zweck der Rahmenfristen im Sinne von Art. 9 ff. AVIG liegt darin in
beitrags- und leistungsmässiger Hinsicht für die Anspruchsberechtigung
zeitliche Grenzen zu ziehen. Sie erfüllen damit vor allem eine technische
Funktion und bilden ein geschlossenes System für die Leistungsberechtigung
(NUSSBAUMER, a.a.O. 2297 Rz. 102). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug
beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt
sind (Art. 9 Abs. 2 AVIG). Das heisst, sämtliche in Art. 8 AVIG aufgezählten
und in Art. 10-15 sowie 17 AVIG konkretisierten Erfordernisse müssen erfüllt
sein. Soweit der Versicherungsfall "Arbeitslosigkeit" im Sinne von Art. 10 AVIG
nicht eingetreten ist, kann eine Rahmenfrist nicht zu laufen beginnen (BGE 126
V 520 E. 4 S. 523). 
 
5.1. Damit prüfte das kantonale Gericht zu Recht, ob der Beschwerdeführer im
Zeitpunkt, in welchem er Leistungen der Arbeitslosenversicherung beantragte,
somit am 1. Juli 2014, arbeitslos im Sinne des Gesetzes war. Die von der
Vorinstanz auf Grund der vorliegenden Arbeitsverträge getroffene Feststellung,
beim Arbeitsverhältnis mit dem Zentrum B.________ handle es sich um ein
Jahrespensum mit in den einzelnen Monaten schwankenden Beschäftigungen, kann
letztinstanzlich nur unter den Voraussetzungen von Art. 105 Abs. 2 BGG
überprüft werden. Selbst der Versicherte bringt indessen nicht vor, sie sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung. Darauf ist
daher abzustellen. Dass er per 1. Juli 2014 einen Arbeitsausfall, das heisst
einen Ausfall an normaler (Jahres-) Arbeitszeit, erlitten habe, bringt auch der
Beschwerdeführer nicht vor. Er war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor beim
Zentrum B.________ angestellt (Vertragsende 31. Juli 2014). Er war damit
bezüglich dieser Beschäftigung nicht arbeitslos.  
 
5.2. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, sein Arbeitsausfall bestehe im
Vergleich zu seiner (Vollzeit-) Anstellung vor dem Jahre 2008 kann er nichts zu
seinen Gunsten ableiten. Er beantragt nun die Eröffnung der wiederholten
Rahmenfrist zum Leistungsbezug aufgrund desselben Arbeitsverhältnisses beim
Zentrum B.________, welches er weiterhin als Zwischenverdiensttätigkeit
abgerechnet haben will. Nachdem er nun ununterbrochen seit über sechs Jahren
dieselbe Tätigkeit inne hat, kann nicht mehr von einer notgedrungenen
Überbrückungstätigkeit gesprochen werden (vgl. BGE 139 V 259 E. 5.1 S. 260 f.).
Die Reduktion der Lektionenzahl seit dem Jahre 2008 wurde mit den Jahren
Normalität und begründet demnach keine Arbeitslosigkeit per 1. Juli 2014. Beim
Aufeinanderfolgen von Rahmenfristen hat jedes Mal eine Neuprüfung aller
Anspruchsvoraussetzungen zu erfolgen. Der durch Zeitablauf veränderte
Sachverhalt rechtfertigt eine andere rechtliche Beurteilung als die Situation,
wie sie bei der Eröffnung der vorangegangenen Rahmenfrist vorlag (BGE 139 V 259
E. 5.2 S. 261).  
 
 
5.3. Die Ausführungen und Schlussfolgerungen der Vorinstanz in Bezug auf die
weiteren Nebenbeschäftigungen des Versicherten werden letztinstanzlich nicht in
Frage gestellt. Demnach bestand im Zeitpunkt, in welchem der Beschwerdeführer
um Leistungen der Arbeitslosenversicherung ersuchte, auch in dieser Hinsicht
kein anrechenbarer Arbeits- und Verdienstausfall. Der Beschwerdeführer war
daher auch bezüglich seiner Nebenbeschäftigungen nicht arbeitslos, weshalb per
1. Juli 2014 zu Recht keine neue Rahmenfrist eröffnet worden ist.  
 
6.   
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (
Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 6. Oktober 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer 

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