Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.529/2017
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2017


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

[displayimage]       
8C_529/2017            

 
 
 
Urteil vom 22. November 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Grunder. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, 
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Thomann, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Valideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 19. Juni 2017 (VSBES.2016.169). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der als selbstständig erwerbender Maurer tätig gewesene A.________ (Jahrgang
1954) meldete sich am 15. Dezember 2009 wegen Rücken- und Hüftbeschwerden zum
Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Nach Abklärungen in
medizinischer und beruflicher Hinsicht und nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle des Kantons Solothurn mit
Verfügung vom 19. Oktober 2011 einen Anspruch auf Invalidenrente mangels eines
den Schwellenwert von 40 % erreichenden Invaliditätsgrades. Die hiegegen
erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit
Entscheid vom 30. Oktober 2012 ab. Mit Urteil 8C_975/2012 vom 1. Juli 2013 hob
das Bundesgericht in Gutheissung der Beschwerde den vorinstanzlichen Entscheid
und die Verfügung der IV-Stelle vom 19. Oktober 2011 auf und wies die Sache an
die Verwaltung zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre und über den
Anspruch auf eine Invalidenrente neu verfüge. 
Die IV-Stelle holte unter anderem das Gutachten des Dr. med. B.________, Innere
Medizin FMH, spez. Rheumaerkrankungen, vom 7. Mai 2015 ein. Danach war der
Versicherte vor allem wegen des chronifizierten lumbospondylogenen
Schmerzsyndroms im angestammten Beruf als selbstständig erwerbender
Kundenmaurer nicht mehr, hingegen in einer den körperlichen Beeinträchtigungen
besser angepassten Tätigkeit weiterhin zu 80 % arbeitsfähig. Nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom
9. Mai 2016 erneut einen Anspruch auf Invalidenrente. 
 
B.   
In teilweiser Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde sprach das
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn dem Versicherten ab 1. Juni 2010
eine Viertelsrente zu (Entscheid vom       19. Juni 2017). 
 
C.   
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei in Bestätigung der
Verfügung vom 9. Mai 2016 aufzuheben. Ferner beantragt sie, der Beschwerde sei
die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
 
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft
das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht dem
Beschwerdegegner ab 1. Juni 2010 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung
zugesprochen hat. Prozessthema bildet dabei allein die Frage, ob das kantonale
Gericht das zur Bestimmung des Invaliditätsgrades gemäss Art. 16 ATSG in die
Vergleichsrechnung einzusetzende Einkommen, welches der Beschwerdegegner hätte
erzielen können, wäre er nicht invalid geworden, bundesrechtskonform ermittelt
hat.  
 
2.2. Bei der Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was eine
versicherte Person im Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns - hier Juni
2010, da die Anmeldung zum Leistungsbezug im Dezember 2009 erfolgte (vgl. Art.
29 Abs. 1 IVG) - auf Grund ihrer beruflichen Fähigkeiten und ihrer persönlichen
Umstände nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne
Gesundheitsschaden tatsächlich verdient hätte. Die Einkommensermittlung hat so
konkret wie möglich zu erfolgen. Da nach empirischer Erfahrung in der Regel
ohne gesundheitliche Beeinträchtigung die bisherige Tätigkeit weitergeführt
worden wäre, ist Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Valideneinkommens
grundsätzlich der letzte vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielte,
nötigenfalls der statistisch ausgewiesenen Einkommensentwicklung angepasste
Verdienst (BGE 134 V 322 E. 4.1 S. 325, 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224 mit
Hinweisen). Angesichts der in Art. 25 Abs. 1 IVV vorgesehenen Gleichstellung
der invalidenversicherungsrechtlich massgebenden hypothetischen
Vergleichseinkommen mit den AHV-rechtlich beitragspflichtigen Erwerbseinkommen
kann das Valideneinkommen von Selbstständigerwerbenden zumeist auf Grund der
Einträge im Individuellen Konto (IK) bestimmt werden. Weist das bis zum
Eintritt der Invalidität erzielte Einkommen starke und verhältnismässig
kurzfristig in Erscheinung getretene Schwankungen auf, ist dabei auf den
während einer längeren Zeitspanne erzielten Durchschnittsverdienst abzustellen
(SVR 2010 IV Nr. 26 S. 79, 8C_9/2009 E. 3.3 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile
8C_554/2013 vom 14. November 2013 E. 2.1 und 8C_626/2011 vom 29. März 2012 E. 3
mit weiteren Hinweisen).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Versicherte ausweislich der von
ihr im kantonalen Verfahren beim Hausarzt eingeholten Krankengeschichte in den
Jahren 2005 bis 2007 in der Ausübung seines angestammten Berufs als
selbstständig erwerbender Kundenmaurer erheblich eingeschränkt gewesen war,
weshalb die in diesen Jahren eingetragenen Einkünfte im IK zur Ermittlung des
hypothetischen Validenlohnes nicht zu berücksichtigen seien. Vielmehr sei auf
den Durchschnitt der in den Jahren 1996 bis 2004 und 2008 im IK-Auszug
dokumentierten Einkommen (jeweils indexiert auf das Jahr 2010) abzustellen, in
welchem Zeitraum der Versicherte vollständig arbeitsfähig gewesen sei. Damit
ergebe sich ein in die Vergleichsrechnung gemäss Art. 16 ATSG einzusetzendes
durchschnittliches Valideneinkommen von Fr. 76'099.-.  
 
3.2. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist entgegen den Vorbringen
der IV-Stelle nicht offensichtlich unrichtig. Aus dem IK-Auszug geht klar
hervor, dass der Beschwerdegegner während der Jahre 2005 bis 2007 deutlich
geringere Einkommen erzielte als davor und danach, was angesichts der
medizinischen Akten allein mit der erheblich eingeschränkten Arbeitsfähigkeit
zu begründen ist. Der Einwand der IV-Stelle, der Beschwerdegegner habe sein
Geschäft auch während der Phase seiner ganzen und teilweisen Arbeitsunfähigkeit
mithilfe von angestellten Personen aufrecht halten können, deutet gerade darauf
hin, dass er gesundheitlich bedingt in seiner Berufstätigkeit beeinträchtigt
gewesen war. Sodann wird in der Beschwerde nicht hinreichend begründet,
inwieweit das kantonale Gericht die Vorgaben des Rückweisungsurteils 8C_975/
2012 vom 1. Juli 2013 E. 3.1 f. nicht eingehalten haben soll. Darin hat das
Bundesgericht einzig festgehalten, in welchem Rahmen die Vorinstanz das ihr
zustehende Ermessen bei der Bestimmung des hypothetischen Valideneinkommens
auszuschöpfen haben werde. Dass sie dabei nur auf die während der letzten fünf
Jahre vor dem Eintreten der Invalidität erzielten Einkünfte würde abstellen
dürfen, wie die IV-Stelle anzunehmen scheint, geht aus dem Urteil 8C_975/2012
nicht hervor.  
 
3.3. Wird der vorinstanzlich ermittelte Validenlohn von Fr. 76'099.- dem
unbestritten auf Fr. 44'039.- zu beziffernden Invalideneinkommen
gegenübergestellt, ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 42 %, womit ein
Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung besteht.  
 
4.   
Die offensichtlich unbegründete Beschwerde wird mit summarischer Begründung und
unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid abgewiesen (Art. 109 Abs. 2 lit.
a und Abs. 3 BGG). 
 
5.   
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch der IV-Stelle um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos. 
 
6.   
Die IV-Stelle hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen (Art.
66 Abs. 1 BGG). Sie hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 f. BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 22. November 2017 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Grunder 

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben