Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.522/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 

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8C_522/2017            

 
 
 
Urteil vom 26. Oktober 2017  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A._________, 
vertreten durch Fürsprecher Christian Flückiger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 12. Juni 2017 (200 16 1197 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A._________, geboren 1960, hatte sich am 14. April 1998 bei einem Unfall
mehrere Frakturen an beiden Beinen zugezogen. Die IV-Stelle Bern sprach ihm mit
Wirkung ab dem 1. April 1999 eine ganze Invalidenrente zu (Verfügung vom 7.
Juli 2003).  
 
A.b. Am 4. März 2013 verfügte die IV-Stelle die Herabsetzung des Anspruchs auf
eine halbe Invalidenrente. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die
dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 29. Oktober 2013 ab und hob die
Rente in angedrohter Schlechterstellung (reformatio in peius) per 30. April
2013 auf. Das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid mit Urteil 8C_867/2013
vom 7. März 2014.  
 
A.c. Am 4. Juni 2014 meldete sich A._________ erneut zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle holte die Gutachten der Dres. med. B._________, Orthopädische
Chirurgie FMH, vom 10. August 2015 und C._________, Spezialarzt für Neurologie
FMH sowie für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 15. Juli 2016 ein. Der
Orthopäde bescheinigte für leidensangepasste Tätigkeiten eine uneingeschränkte
Arbeitsfähigkeit. Nach Einschätzung des Psychiaters war eine solche
Verweistätigkeit im zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden zumutbar. Es
bestehe dabei zusätzlich eine Leistungsminderung von 10 Prozent. Mit Verfügung
vom 3. November 2016 lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente
ab mit der Begründung, dass weder in somatischer noch in psychiatrischer
Hinsicht eine revisionsrelevante Veränderung eingetreten sei.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 12. Juni 2017 ab. 
 
C.   
A._________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine
halbe Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter sei die Angelegenheit zur
Einholung eines Obergutachtens, allenfalls einer polydisziplinären
Begutachtung, zurückzuweisen. 
 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt. Ein
Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung nur
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels
für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art.
106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend
gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann
eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es
kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG),
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel
nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze, die bei einer
Neuanmeldung der versicherten Person nach vorausgegangener Rentenverweigerung
anwendbar sind, zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben sind auch die
Regeln zu den Vergleichszeitpunkten (BGE 133 V 108 E. 5.3.1 S. 112; 130 V 71).
Es wird darauf verwiesen. 
 
3.   
Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Vorinstanz bestätigte
Rentenablehnung vor Bundesrecht standhält. Umstritten ist dabei, ob eine
erhebliche gesundheitliche Veränderung eingetreten ist. 
 
3.1. Die letzte materielle Beurteilung des Rentenanspruchs erfolgte durch das
kantonale Gericht mit Entscheid vom 29. Oktober 2013 für den für die
richterliche Überprüfungsbefugnis massgeblichen Zeitpunkt der Verfügung vom 4.
März 2013 (BGE 129 V 167 E. 1 S. 169). Es stellte fest, dass der
Beschwerdeführer bereits bei der ursprünglichen Rentenzusprechung und auch
aktuell in einer seinem körperlichen Leiden angepassten Tätigkeit zu 100
Prozent arbeitsfähig (gewesen) sei. Ob die diagnostizierte
Persönlichkeitsänderung eine Arbeitsunfähigkeit bewirke, prüfte das kantonale
Gericht nach der Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen und
erachtete sie als überwindbar. Als Gesunder hätte der Versicherte als
Betriebsmitarbeiter bei der vormaligen Arbeitgeberin und aus der zusätzlich
ausgeübten Nebenerwerbstätigkeit als Hauswart insgesamt 85'776 Franken
verdienen können. Als Invalideneinkommen rechnete ihm das kantonale Gericht mit
Blick auf die noch zumutbare einfache, serielle Tätigkeit mit überwiegend
sitzender Arbeit, aber auch Intervallen leichter Belastung, den Tabellenlohn
gemäss der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung
(LSE) für einfache und repetitive Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) an. Unter
Berücksichtigung eines leidensbedingten Abzuges von 10 Prozent ermittelte es
ein Invalideneinkommen von 56'173 Franken. Aus dem Vergleich ergab sich ein
rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 35 Prozent. Es hob daher die seit
dem 1. April 1999 gewährte Rente per 30. April 2013 auf. Das Bundesgericht
schützte den Entscheid mit Urteil 8C_867/2013 vom 7. März 2014.  
 
3.2. Im hier angefochtenen Entscheid prüfte das kantonale Gericht, ob seit der
Aufhebung der Rente per 30. April 2013 eine wesentliche Veränderung der
erheblichen Tatsachen eingetreten sei. In orthopädischer Hinsicht stellte es
auf das von der IV-Stelle eingeholte Gutachten des Dr. med. B._________ vom 10.
August 2015 ab, das es als voll beweiskräftig erachtete. Demnach sei dem
Beschwerdeführer eine angepasste leichte bis höchstens mittelschwere Tätigkeit
(seit spätestens 2002 und auch weiterhin) ganztags und ohne
Leistungseinschränkung zuzumuten. Der psychische Gesundheitszustand habe sich
nach dem Gutachten des Dr. med. C._________, welcher eine anhaltende
somatoforme Schmerzstörung diagnostizierte, nicht verändert. Gleiches bestätige
auch der behandelnde Psychiater Dr. med. D._________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH. Der Gutachter weise zudem mehrfach auf erhebliche
Aggravationstendenzen sowie Inkonsistenzen hin. Dies schliesse die Annahme
einer Arbeitsunfähigkeit nach der Rechtsprechung aus. Für die Vorinstanz war
daher weder aus somatischer noch aus psychiatrischer Sicht eine erhebliche
Verschlechterung ausgewiesen. In erwerblicher Hinsicht war eine Veränderung
weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.  
 
 
3.3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Vorinstanz seine Einwände
gegenüber dem Gutachten des Dr. med. B._________ unberücksichtigt gelassen
beziehungsweise ihren Entscheid diesbezüglich nur unzureichend begründet habe.
Er beruft sich auf die Berichte seines behandelnden Arztes Dr. med.
E._________, Facharzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparates. Der psychiatrische Gutachter bescheinige eine
eingeschränkte Arbeitsfähigkeit von etwa 75 Prozent mit zusätzlicher
Leistungsminderung. Das kantonale Gericht sei davon zu Unrecht abgewichen.  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht stellte fest, dass Dr. med. E._________ die von ihm
bescheinigte Abeitsunfähigkeit (von 100 Prozent in der angestammten
beziehungsweise von 50 Prozent in einer leidensangepassten Tätigkeit) in keinem
seiner Berichte medizinisch näher begründe. Nach seinen Angaben bestünden
Beschwerden an der Lendenwirbelsäule, am linken Kniegelenk und an beiden
Sprunggelenken. Er erkläre jedoch nicht und es sei nicht nachvollziehbar,
weshalb der Beschwerdeführer dadurch bei der Ausübung einer leichten Tätigkeit
eingeschränkt sein solle. Die seit der Verfügung vom 4. März 2013 erfolgten
operativen Eingriffe hätten jeweils nur kurzzeitig eine Arbeitsunfähigkeit,
aber keine langandauernde Veränderung des Gesundheitszustandes verursacht,
worauf der Gutachter ausdrücklich hingewiesen habe. Die im vorinstanzlichen
Verfahren eingereichten Eingaben hätten eine Operation eines Ermüdungsbruchs am
Wadenbein im März 2017 betroffen und seien nicht zu berücksichtigen. Dass das
kantonale Gericht in den Einwänden des Beschwerdeführers keine hinreichenden
Indizien zu erkennen vermochte, die gegen die Zuverlässigkeit des Gutachtens
des externen Spezialarztes sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 125 V 351
E. 3b/bb S. 353), ist im Rahmen der bundesgerichtlichen Überprüfungsbefugnis
nicht zu beanstanden. Seine Feststellung, dass die Arbeitsfähigkeit in einer
leidensangepassten, überwiegend sitzenden Tätigkeit (oben E. 3.1) durch die
genannten Beschwerden auch weiterhin nicht eingeschränkt sei, erscheint nicht
offensichtlich unrichtig. Auch seine Erwägungen zu den im vorinstanzlichen
Verfahren eingereichten Unterlagen betreffend die Operation im März 2017 sind
nicht bundesrechtswidrig, bildet doch der Zeitpunkt des Erlasses der
rentenablehnenden Verfügung vom 3. November 2016 nach der Rechtsprechung in
zeitlicher Hinsicht die Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis (BGE 129
V 167 E. 1 S. 169).  
 
4.2. Der Vorinstanz wird weiter vorgeworfen, die Arbeitsfähigkeitsschätzung des
begutachtenden Psychiaters ausser Acht gelassen zu haben. Das kantonale Gericht
stellte fest, dass die vom RAD im Jahr 2012 diagnostizierte
Persönlichkeitsveränderung infolge Einbusse der körperlichen Integrität nach
nicht selbstverschuldetem Unfall (ICD-10 F62.8) in seinem Entscheid vom 29.
Oktober 2013 als nicht invalidisierend beurteilt worden sei. Dr. med.
C._________ habe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4)
sowie, ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, akzentuierte, emotional
unreife, impulsive, narzisstische und histrionische Persönlichkeitszüge (ICD-10
Z73.1) und die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen
(ICD-10 F68.0) diagnostiziert. Zwar sei er wegen der somatoformen
Schmerzstörung von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen, habe aber
differenziert und überzeugend dargelegt, dass sich das Zustandsbild (seit der
Rentenzusprechung im Jahr 2003) nicht verändert habe und die Zunahme des
Rentenbegehrens sowie der Klagen über die Beeinträchtigungen und Zukunftsängste
nicht als krankheitsimmanente Verschlechterung zu werten seien. Diese
Beurteilung stehe im Einklang mit den Ausführungen des behandelnden Psychiaters
Dr. med. D._________, welcher im Verlaufsbericht vom 27. Oktober 2015 ebenfalls
vermerkt habe, dass sich seit der Rentenzusprechung aus psychiatrischer Sicht
praktisch gar nichts verändert habe. Anhaltspunkte, welche eine andere
Betrachtungsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor und würden vom
Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht. Die Annahme des kantonalen
Gerichts, dass die bei der Neuanmeldung erforderliche erhebliche Veränderung (
Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 117 V 198 E. 3a) nicht erstellt
sei, erscheint angesichts der ärztlichen Ausführungen nicht offensichtlich
unrichtig. Die von der Vorinstanz daraus gezogene Schlussfolgerung, dass das
psychosomatische Leiden auch weiterhin keine Arbeitsunfähigkeit zu begründen
vermöge, verletzt kein Bundesrecht, nachdem auch das Bundesgericht die im
vorinstanzlichen Verfahren frei überprüfbare Rechtsfrage, ob ein
invalidisierender Gesundheitsschaden nach Art. 4 Abs. 1 IVG vorliege (BGE 140 V
193 E. 3.1 und 3.2 S. 194 ff.; 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.; Urteil 8C_308/2017
vom 27. September 2017 E. 2.2), in seinem Urteil 8C_867/2013 vom 7. März 2014
gleich beurteilt hat.  
 
5.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem
unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 26. Oktober 2017 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo 

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