Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.480/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_480/2017  
 
 
Urteil vom 1. Februar 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
 Unfallversicherung Stadt Zürich, Stadelhoferstrasse 33, 8001 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
 A._________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Bolzli, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 22. Mai 2017 (UV.2015.00175). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geboren 1951, war seit 1988 im Rahmen von verschiedenen
Teilarbeitsverhältnissen als Reinigungsmitarbeiterin/Schulabwartin mit einem
Pensum zwischen 50 % und 65 % im Schulhaus B.________ der Stadt Zürich tätig
und in dieser Eigenschaft bei der Unfallversicherung Stadt Zürich (nachfolgend:
UVZ oder Beschwerdeführerin) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. 
 
A.a. Am 20. Mai 2012 verlor A.________ bei Haushaltsarbeiten auf einem Stuhl
stehend das Gleichgewicht und stürzte zu Boden (nachfolgend: "erster Unfall").
Dabei zog sie sich eine mediale Schenkelhalsfraktur links zu. Die UVZ übernahm
die Heilbehandlung und richtete ein Taggeld aus. In der Folge blieb die
Versicherte in unterschiedlichem Ausmass arbeitsunfähig. Die Stadt Zürich löste
zwei von drei Teilarbeitsverhältnissen mit der Versicherten aus
gesundheitlichen Gründen per 31. Mai 2014 auf. Weil sie in einer
behinderungsangepassten Tätigkeit zu 75 % arbeitsfähig sei, das verbleibende
Arbeitspensum jedoch nur 53 % betrage, ging die UVZ von einer vollen
Arbeitsfähigkeit aus und stellte die Taggeldleistungen ein (Verfügung vom 31.
Juli 2014). Hiegegen liess die Versicherte Einsprache erheben.  
 
A.b. Bei 50%-iger Arbeitsunfähigkeit als Folge des ersten Unfalles erlitt sie
als Beifahrerin am 17. August 2013 (nachfolgend: "zweiter Unfall") in dem von
ihrem Mann gelenkten Renault Megane bei einer Heckauffahrkollision vor einem
Fussgängerstreifen ein Distorsionstrauma der Halswirbelsäule (HWS). Die ab 19.
August 2013 nachbehandelnde Hausärztin C.________, Zürich, verordnete
Physiotherapie und ging gemäss Arztzeugnis vom 27. Oktober 2013 von einem
Heilbehandlungsabschluss in etwa acht bis zehn Wochen aus. Mit Verfügung vom
26. August 2014 prüfte und verneinte die UVZ die Unfalladäquanz der nach dem
zweiten Unfall geklagten Beschwerden und stellte folglich sämtliche Leistungen
im Zusammenhang mit diesem Unfall ein. Auch hiegegen liess die Versicherte
Einsprache erheben.  
 
A.c. Im Einspracheverfahren liess die UVZ die Versicherte polydisziplinär
begutachten. Das Zentrum für Medizinische Begutachtung (ZMB) in Basel
erstattete das Gutachten am 29. Juni 2015 (nachfolgend: ZMB-Gutachten). Die UVZ
vereinigte die beiden Einspracheverfahren und hielt an ihren Verfügungen vom
31. Juli und 26. August 2014 fest (Einspracheentscheid vom 10. August 2015).
Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 6. Oktober 2015
sprach die UVZ der Versicherten für die ihr aus dem ersten Unfall dauerhaft
verbleibende Beeinträchtigung der gesundheitlichen Unversehrtheit eine
Integritätsentschädigung basierend auf einer Integritätseinbusse von 10 % zu.  
 
B.   
Die gegen den Einspracheentscheid vom 10. August 2015 erhobene Beschwerde der
A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich gut. Es hob
den Einspracheentscheid auf und stellte fest, dass die Versicherte auf Grund
der Restbeschwerden im Hüftbereich ab 1. November 2014 Anspruch auf eine
Invalidenrente von 40 % hat (Entscheid vom 22. Mai 2017). 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die UVZ
beantragen, der angefochtene Gerichts- und der Einspracheentscheid seien
insoweit abzuändern, als der vorinstanzlich zugesprochene Rentenanspruch auf
einen Invaliditätsgrad von 33 % zu reduzieren und die Prozessentschädigung
entsprechend anzupassen sei. Eventualiter sei die Sache zum Neuentscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die
Vorinstanz das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.   
Streitig ist einzig, ob die Vorinstanz bei der Ermittlung eines
Invaliditätsgrades von 40 % in Anwendung der Praxis gemäss BGE 126 V 75 durch
Berücksichtigung eines 10%-igen Tabellenlohnabzuges Bundesrecht verletzte. 
 
3.   
 
3.1. Wird das Invalideneinkommen auf der Grundlage von statistischen
Durchschnittswerten ermittelt, ist der entsprechende Ausgangswert
(Tabellenlohn) um maximal 25 % zu kürzen, wenn persönliche und berufliche
Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre,
Nationalität resp. Aufenthaltskategorie oder Beschäftigungsgrad Auswirkungen
auf die Lohnhöhe haben und die versicherte Person deswegen die verbliebene
Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit
unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E.
5.2 S. 301; 126 V 75 E. 5b/aa-cc S. 80). Die Rechtsprechung gewährt
insbesondere dann einen Abzug auf dem Invalideneinkommen, wenn eine versicherte
Person selbst im Rahmen körperlich leichter Hilfsarbeitertätigkeit in ihrer
Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist (BGE 126 V 75 E. 5a/bb S. 78; Urteil
8C_434/2017 vom 3. Januar 2018 E. 7.3.1 mit Hinweis).  
 
3.2. Gemäss Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts ist die
Versicherte laut ZMB-Gutachten in Bezug auf eine leidensangepasste Tätigkeit
infolge der Notwendigkeit vermehrter Pausen bei ganztägiger Präsenz nur zu 80 %
arbeitsfähig aufgrund eines um 20 % reduzierten Rendements wegen der
unfallbedingten Minderbelastbarkeit. Das leidensbedingt eingeschränkte
Anforderungsprofil umfasst nur leichte wechselbelastende Tätigkeiten ohne
repetitives Treppengehen, ohne Leiternsteigen, ohne repetitives Heben von über
5 Kilogramm schweren Lasten und ohne Arbeiten in kniender oder kauernder
Stellung. Gegen diese - in bundesrechtskonformer Beweiswürdigung -
festgestellte unfallbedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit erhebt die
UVZ keine Einwände.  
 
3.3. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Vorinstanz habe durch
zusätzliche Berücksichtigung eines leidensbedingten Tabellenlohnabzuges von 10
% (vgl. hievor E. 3.1 i.f.) neben der um 20 % eingeschränkten
Leistungsfähigkeit dieselben lohnbeeinflussenden Faktoren doppelt
berücksichtigt (vgl. dazu statt vieler: Urteile 8C_805/2016 vom 22. März 2017
E. 3.4.2 und 8C_97/2014 vom 16. Juli 2014 E. 4.2), ist diese Kritik mit Blick
auf die in tatsächlicher Hinsicht unbestrittene
Leistungsfähigkeitseinschränkung (E. 3.2 hievor) unbegründet. Denn
behinderungsbedingt ist nicht nur das Anforderungsprofil von leidensangepasst
noch zumutbaren Tätigkeiten erheblich eingeschränkt. Zusätzlich ist die
Beschwerdegegnerin infolge eines erhöhten Pausenbedarfs nur noch zu 80 %
arbeitsfähig, wobei das Rendement wegen der Minderbelastbarkeit um 20 %
reduziert ist. Sie bleibt somit auch hinsichtlich einer körperlich leichten
Hilfsarbeitertätigkeit zusätzlich eingeschränkt, weshalb sich praxisgemäss (E.
3.1 i.f.) die Berücksichtigung eines leidensbedingten Tabellenlohnabzuges
rechtfertigt. Jedenfalls ist nicht erkennbar, inwiefern das kantonale Gericht
bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades gemäss angefochtenem Entscheid
Bundesrecht verletzt hätte.  
 
3.4. Ist nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass die Vorinstanz bei
der Ermittlung des Invaliditätsgrades nebst der eingeschränkten
Arbeitsfähigkeit einen behinderungsbedingten Abzug im Sinne von BGE 126 V 75 E.
5a/bb S. 78 berücksichtigt hat, bleibt es bei der mit angefochtenem Entscheid
zugesprochenen Invalidenrente von 40 %. Gegen die Bemessung des
berücksichtigten Abzuges von 10 % hat die UVZ zu Recht keine Einwände erhoben.
 
 
4.   
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden UVZ
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat der Beschwerdegegnerin überdies
eine dem Aufwand angemessene reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art.
68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 1. Februar 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli 

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