Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.45/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_45/2017         

Urteil vom 26. Juli 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Frésard, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecherin Daniela Mathys,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle Bern,
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung
(Arbeitsunfähigkeit; Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 16. Dezember 2016.

Sachverhalt:

A. 
Der 1966 geborene A.________ war bei der B.________ AG als
Fassaden-Gruppenführer angestellt. Am 5. Februar 1998 erlitt er bei einem Sturz
von einem Gerüst eine Fraktur des linken Hüftgelenks und linken Ellbogens. Im
Juni 2003 meldete er sich wegen Ellbogen- und Hüftbeschwerden bei der IV-Stelle
Bern zum Leistungsbezug an. Am 23. Mai 2004 zog er sich bei einem Sturz eine
Unterschenkelfraktur rechts zu. Die IV-Stelle holte unter anderem ein
orthopädisches Gutachten vom 6. Februar 2005 ein und sprach ihm mit Verfügungen
vom 19. Oktober und 21. November 2007 ab 1. Oktober 2003 eine halbe
Invalidenrente (Invaliditätsgrad 53 %) zu. Seine Beschwerden hiess das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern am 2. Juni 2008 gut und wies die Sache zu
weiteren Abklärungen an die IV-Stelle zurück. Diese holte ein orthopädisches
Gutachten vom 28. März 2009 ein. Im Februar, März und Juni 2010 liess sie den
Versicherten observieren (Bericht vom 14. Juni 2010); zudem zog sie Berichte
des Dr. med. C.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie, Regionaler
Ärztlicher Dienst (RAD) der IV-Stelle, vom 30. August und 8. September 2010
bei. Mit Verfügung vom 15. April 2011 sprach sie dem Versicherten ab 1. Oktober
2003 eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad 46 %) zu. Seine Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Oktober 2011 bei
einem Invaliditätsgrad von 40 % ab. In teilweiser Gutheissung seiner Beschwerde
hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf. Es wies die Sache an die Vorinstanz
zurück, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu
entscheide. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil 8C_866/2011 vom 27.
März 2012).

B. 
Das kantonale Gericht holte ein Gutachten des PD Dr. med. D.________, Facharzt
für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, vom
23. Oktober 2015 ein. Am 7. Januar 2016 reichte die IV-Stelle Ergänzungsfragen
ein. Am 27. Juli 2016 beantwortete PD Dr. med. D.________ diese. Am 20.
September 2016 beantragte der Versicherte seinerseits, Zusatzfragen an den
Gutachter stellen zu dürfen, was das kantonale Gericht mit Verfügung vom 29.
September 2016 ablehnte. Mit Entscheid vom 16. Dezember 2016 wies es die
Beschwerde ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides seien die
Observationsakten aus dem Recht zu weisen; die Sache sei zur Durchführung eines
Beweisverfahrens und zum Erlass eines neuen Entscheides an die Vorinstanz
zurückzuweisen; eventuell sei die IV-Stelle zu verpflichten, ihm ab 1. Oktober
2003 Rentenleistungen bei einem Invaliditätsgrad von mehr als 60 %
auszurichten.

Die IV-Stelle schliesst auf Beschwerdeabweisung. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine
Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es -
offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten
Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389). Es legt
seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat
(Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen
berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art.
105 Abs. 2 BGG). Rechtsfragen sind die vollständige Feststellung erheblicher
Tatsachen, die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der
Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG und der Anforderungen an den
Beweiswert von Arztberichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Bei den aufgrund
dieser Berichte getroffenen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit und bei der konkreten Beweiswürdigung geht es um
Sachverhaltsfragen (nicht publ. E. 1 des Urteils BGE 141 V 585).

2. 
Das kantonale Gericht hat richtig erkannt, dass in zeitlicher Hinsicht
grundsätzlich diejenigen (materiellen) Rechtssätze massgebend sind, die bei der
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung hatten (BGE 132 V
215 E. 3.1.1 S. 220). Zudem ist ihm beizupflichten, dass weder das am 1. Januar
2003 in Kraft getretene ATSG noch die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene 4.
IV-Revision noch die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene 5. IV-Revision
substanzielle Änderungen bei der Invaliditätsbemessung gebracht haben (BGE 130
V 343; SVR 2009 IV Nr. 28 S. 79, 8C_576/2008 E. 2.2; Urteil 8C_106/2013 vom 31.
Mai 2013 E. 2). Weiter hat die Vorinstanz die rechtlichen Grundlagen betreffend
die Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), die Invalidität (Art. 8 Abs. 1
ATSG), den Rentenanspruch (Art. 28 Abs. 1 und 1 ^bis IVG in der bis Ende 2003
gültig gewesenen Fassung; Art. 28 Abs. 2 IVG in der seit 1. Januar 2008
geltenden Fassung), die Invaliditätsbemessung nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) und die Rechtsprechung zum Beweiswert von
Gerichtsgutachten (BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469) richtig dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat,
indem es dem Beschwerdeführer in Bestätigung der Verfügung der IV-Stelle vom
15. April 2011 ab 1. Oktober 2003 eine Viertelsrente zusprach.

Hinsichtlich des Gesundheitszustands bzw. der Arbeitsfähigkeit erwog es im
Wesentlichen, das Gerichtsgutachten des PD Dr. med. D.________ vom 23. Oktober
2015 und seine Ergänzung vom 27. Juli 2016 erfüllten die praxisgemässen
Anforderungen an eine medizinische Beurteilungsgrundlage, weshalb darauf
abzustellen sei. Demnach leide der Beschwerdeführer an einer fortgeschrittenen
posttraumatischen/postoperativen Ellbogenarthrose mit einer mässigen
Bewegungseinschränkung und einer schmerzbedingten Verminderung der
Belastbarkeit. Seine Beschwerden an der linken Hüfte könnten hingegen nicht
erklärt werden. Die Angaben des Versicherten betreffend stark verminderte
Belastbarkeit des linken Ellbogens und massiv verkürzter Gehstrecke wegen
Schmerzen in der linken Hüfte stünden im Widerspruch zu den Beobachtungen
während seiner Observation. Die Arbeit als Fassadenmonteur sei dem Versicherten
aufgrund der Ellbogenarthrose nicht mehr zumutbar. Zumutbar sei ihm seit 5.
Februar 1998 ein volles Arbeitspensum in einer angepassten leichten Tätigkeit
mit einer maximalen Leistungseinschränkung von 20 % wegen Verlangsamung und
Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Arms und wegen vermehrten Pausen
von Seiten der linken Hüfte.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer stützt seinen Antrag, die Observationsakten seien aus
dem Recht zu weisen, auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR; dritte Kammer) vom 18. Oktober 2016 in Sachen
Vukota-Bojic gegen die Schweiz (61838/10).

4.2. Darin befand der EGMR über die EMRK-Konformität einer Observation, die im
Auftrag eines (sozialen) Unfallversicherers durch einen Privatdetektiv
überwacht worden war. Er erkannte, dass mit Art. 28 und Art. 43 ATSG sowie mit
Art. 96 UVG, trotz des durch Art. 28 ZGB und Art. 179quater StGB vermittelten
Schutzes von Persönlichkeit und Privatbereich, eine ausreichende gesetzlichen
Grundlage für eine Observation nicht besteht, weshalb er auf eine Verletzung
von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) schloss (Rz. 72 ff. des
EGMR-Urteils 61838/10 vom 18. Oktober 2016). Hingegen verneinte er eine
Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (Gebot eines fairen Verfahrens) durch die
erfolgte Verwendung der Observationsergebnisse. Dafür war ausschlaggebend, dass
bei der Beurteilung des Leistungsanspruchs im Rahmen des streitigen
sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens nicht allein auf sie abgestellt wurde
und seitens der versicherten Person Einwände möglich waren, namentlich gegen
ihre Echtheit und Verwendung sowie bezüglich der Beweiseignung und -qualität.
Als bedeutsam galten zudem die Umstände, unter denen der Beweis gewonnen wurde
und welchen Einfluss dieser auf den Verfahrensausgang hatte (Rz. 91 ff. des
EGMR-Urteils 61838/10 vom 18. Oktober 2016).

4.3.

4.3.1. Das Bundesgericht seinerseits hat nunmehr unter Berücksichtigung der
betreffenden Erwägungen des EGMR entschieden, dass es trotz Art. 59 Abs. 5 IVG
("Zur Bekämpfung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs können die IV-Stellen
Spezialisten beiziehen") auch im Bereich der Invalidenversicherung an einer
ausreichenden gesetzlichen Grundlage fehlt, die die Observation umfassend klar
und detailliert regelt. Folglich verletzen solche Handlungen, seien sie durch
den Unfallversicherer oder durch eine IV-Stelle veranlasst, Art. 8 EMRK bzw.
den einen im Wesentlichen gleichen Gehalt aufweisenden Art. 13 BV. Insofern
kann insbesondere auch an BGE 137 I 327 nicht weiter festgehalten werden (vgl.
zum Ganzen: Urteil 9C_806/2016 vom 14. Juli 2017, zur Publikation vorgesehen).

4.3.2. Was die Verwendung des im Rahmen der widerrechtlichen Observation
gewonnenen Materials anbelangt, richtet sich diese allein nach schweizerischem
Recht. Der EGMR prüft dabei nur, ob ein Verfahren insgesamt fair im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 EMRK gewesen ist (vgl. E. 4.2 hiervor). In diesem Zusammenhang
hat das Bundesgericht im soeben vermerkten Urteil 9C_806/2016 im Wesentlichen
erkannt, dass die Verwertbarkeit der Observationsergebnisse (und damit auch der
gestützt darauf ergangenen weiteren Beweise) grundsätzlich zulässig ist, es sei
denn, bei einer Abwägung der tangierten öffentlichen und privaten Interessen
würden diese überwiegen (vgl. E. 5.1.1). Mit Blick auf die gebotene
Verfahrensfairness hat es sodann in derselben Erwägung eine weitere
Präzisierung angebracht: Unter Hinweis auf das Urteil 8C_239/2008 vom 17.
Dezember 2009 E. 6.4.2 Abs. 2 und die darin enthaltene Anlehnung an die
strafprozessuale Rechtsprechung (vgl. BGE 131 I 272 E. 4.2 S. 279) hat es daran
erinnert, dass eine gegen Art. 8 EMRK verstossende Videoaufnahme verwertbar
ist, solange Handlungen des "Beschuldigten" aufgezeichnet werden, die er aus
eigenem Antrieb und ohne äussere Beeinflussung machte und ihm keine Falle
gestellt worden war. Ferner hat es erwogen, dass von einem absoluten
Verwertungsverbot wohl immerhin insoweit auszugehen ist, als es um
Beweismaterial geht, das im nicht öffentlich frei einsehbaren Raum
zusammengetragen wurde, was im konkreten Fall jedoch nicht zu beurteilen war
(vgl. E. 5.1.3 mit Hinweis auf Urteil 8C_830/2011 vom 9. März 2012 E. 6.4).

4.3.3. Bei seinem Entscheid, die Verwertbarkeit des rechtswidrig erlangten
Observationsmaterials hauptsächlich von einer Interessenabwägung zwischen
privaten und öffentlichen Interessen abhängen zu lassen, war für das
Bundesgericht nebst anderem die Annahme ausschlaggebend, dass das Manko
hinsichtlich einer in allen Belangen genügenden gesetzlichen Grundlage rasch
behoben werden soll (vgl. E. 5.1.1 des Urteils 9C_806/2016 mit Hinweis auf den
erläuternden Bericht des BSV vom 22. Februar 2017 zur Eröffnung des
Vernehmlassungsverfahrens über die Revision des ATSG, S. 5 f. unten). In
rechtlicher Hinsicht hat es zudem auf Art. 152 Abs. 2 der am 1. Januar 2011 in
Kraft getretenen schweizerischen Zivilprozessordnung verwiesen (vgl. dazu BGE
140 III 6 E. 3.1 S. 8 f. mit Hinweisen), mit der nebst dem Strafprozessrecht
ein weiterer Teil des Verfahrensrechts aktualisiert wurde.

4.3.4. Die so für den Bereich des sozialversicherungsrechtlichen
Verwaltungsverfahrens gewonnene Lösung mit einer Abwägung der infrage stehenden
Interessen entspricht inhaltlich dem Konzept, das der Gesetzgeber für den
Bereich des Zivilrechts gemäss Art. 28 Abs. 2 ZGB verfolgt. Es verträgt sich
zudem mit Stimmen im öffentlich-rechtlichen Schrifttum, die in diesem
Zusammenhang - nebst der Interessenabwägung - folgerichtig auch die
Unverletzlichkeit des Kerngehalts der Grundrechte vorbehalten (vgl. KÖLZ/HÄNER/
BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl.
2013, S. 169 Rz. 481).

4.4. In diesem Lichte ist zum Begehren des Beschwerdeführers Folgendes zu
erwägen:

4.4.1. Die IV-Stelle liess den Beschwerdeführer im Februar, März und Juni 2010
an einzelnen Tagen observieren, was mit Video festgehalten wurde; zudem fanden
die wesentlichen Beobachtungen Eingang in einen schriftlichen Bericht vom 14.
Juni 2010. Anlass zu dieser Vorkehr hatte ein Verdacht des Dr. med. C.________
vom RAD gegeben, wonach der Versicherte die geltend gemachten Beschwerden
aggraviere, wenn nicht gar simuliere. In dieser Hinsicht war die Observation
aufgrund konkreter Anhaltspunkte objektiv geboten (vgl. BGE 137 I 327 E.
5.4.2.1 S. 332). Dies hat das Bundesgericht bereits in seinem (den
Beschwerdeführer betreffenden) Urteil vom 8C_866/2011 vom 27. März 2012 (vgl.
E. 3.1) klargestellt und wird im Übrigen auch durch die jüngste Entwicklung der
Rechtsprechung nicht in Frage gestellt.

Im Rahmen desselben Urteils befasste sich das Bundesgericht ebenso mit der im
Lichte von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bedeutsamen Behauptung des Beschwerdeführers, es
sei während eines Einkaufs in einem Laden von der Überwachungsperson mutwillig
der Pneu seines Fahrrads beschädigt worden, weshalb er dieses habe nach Hause
schieben müssen. Dabei hat es erkannt, die nach Würdigung des Bildmaterials
ergangenen vorinstanzlichen Feststellungen zum diesbezüglichen Sachverhalt
seien nicht offensichtlich unrichtig, weshalb das kantonale Gericht zu Recht
nicht auf ein Verwertungsverbot der Abklärungsergebnisse aufgrund der
geäusserten Vermutungen geschlossen habe (vgl. E. 3.3 des Urteils 8C_866/2011
vom 27. März 2012). Darauf ist hier ebenfalls nicht mehr zurückzukommen. Der
Beschwerdeführer greift diesen Gesichtspunkt denn auch gar nicht mehr auf.
Ebenso wenig wird eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK durch die Verwendung
der Observationsergebnisse anderweitig begründet. Damit erübrigen sich
Weiterungen unter diesem Titel (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG).

4.4.2. Im Falle des Beschwerdeführers fanden Beobachtungen an sechs
verschiedenen Tagen statt. An fünf davon kam es zu Videoaufzeichnungen; an
einem weiteren Tag (4. März 2010) trat er nicht bedeutsam in Erscheinung. Im
Wesentlichen bezogen sich die Beobachtungen auf das Hantieren an seinem Wagen
und dessen Reinigung, das Öffnen und Schliessen des Garagetors, das Führen des
Autos und Velofahren, das Schieben des Fahrrads über eine längere Strecke
hinweg sowie das Tragen von Einkäufen und Getränkegebinden. Dass eine
Observation in nicht öffentlich frei zugänglichen Räumen erfolgt wäre, ist
weder behauptet noch ersichtlich. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht
demnach kein Grund für ein Verwertungsverbot.

4.4.3. Der zeitliche Umfang des Eingriffs in die Privatsphäre des
Beschwerdeführers war verhältnismässig gering. Die Überwachung erfolgte zwar
gezielt und nicht bloss zufällig, dafür aber weder andauernd noch systematisch
über einen längeren Zeitraum hinweg. Damit und vor allem mit Blick auf die
aufgezeichneten (sehr) alltäglichen Verrichtungen und Handlungen kann insgesamt
bei bloss geringfügiger Tangierung der Privatsphäre jedenfalls nicht von einer
schweren Verletzung der Persönlichkeit ausgegangen werden (vgl. BGE 137 I 327
E. 5.6 S. 334). Dem gegenüber zu stellen gilt es das Interesse des
Versicherungsträgers und der Versichertengemeinschaft, unrechtmässige
Leistungsbezüge abzuwenden. Dieses ist unter den hier gegebenen Umständen höher
zu gewichten als das Interesse des Beschwerdeführers an einer unbehelligten
Privatsphäre (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.6 S. 335). Damit können im vorliegenden
Fall die ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erhobenen
Observationsergebnisse in Form des entsprechenden Berichts sowie der Foto- und
Videoaufnahmen verwertet werden, zumal der Kerngehalt von Art. 13 BV bei der
hier gegebenen Überwachung und der damit verbundenen geringen Eingriffsschwere
ebenfalls unangetastet blieb (vgl. BGE 137 I 327 E. 5.6 S. 335).

4.5. Damit ergibt sich fürs Erste die Feststellung, dass die im Falle des
Beschwerdeführers zwischen Februar und Juni 2010 erfolgte Observation
rechtswidrig, das heisst in Verletzung der Rechte gemäss Art. 8 EMRK und Art.
13 BV erfolgt war. Hingegen folgt aus der Abwägung der dadurch tangierten
Interessen, dass einer Verwendung der Observationsergebnisse - namentlich auch
aus Sicht von Art. 6 Ziff. 1 EMRK - nichts im Wege steht.

Diese Verwertbarkeit erstreckt sich im vorliegenden Fall auch auf das
Gerichtsgutachten des PD Dr. med. D.________ vom 23. Oktober 2015, das
seinerseits partiell auf die Observation Bezug nimmt. Insofern erübrigt sich
eine nähere Prüfung der Frage, ob und inwieweit die darin enthaltenen
Feststellungen selbst ohne die Observation möglich gewesen wären.

5.

5.1. PD Dr. med. D.________ führte im Gerichtsgutachten vom 23. Oktober 2015
aus, nach Durchsicht der Unterlagen, der Röntgen- und MRI-Bilder, der
Videoaufnahmen und der klinischen Untersuchung komme er zum Schluss, dass der
Bericht des Dr. med. C.________ vom 30. August 2010 die Situation gut
zusammenfasse. Beim Beschwerdeführer scheine eine Leistungsfähigkeit von
mindestens 50 % in einer angepassten Tätigkeit gegeben zu sein. In der
Gutachtensergänzung vom 27. Juli 2016 legte PD Dr. med. D.________ dar, Dr.
med. C.________ sei im Bericht von 30. August 2010 der Meinung gewesen, dass
dem Beschwerdeführer in einer angepassten Tätigkeit ein volles Pensum mit einer
maximalen Leistungsminderung von 20 % wegen Verlangsamung und
Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Arms und wegen vermehrten Pausen
von Seiten der linken Hüfte zugemutet werden könne. Unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass einige seiner Patienten mit einem vollständig gelähmten Arm oder
einer deutlichen Ellbogenarthrose zu 100 % arbeiteten, sei die Einschätzung des
Dr. med. C.________ wahrscheinlich besser als jene der Abklärungsstelle
E.________ vom 17. März 2006.

5.2. Der Beschwerdeführer beanstandet in diesem Zusammenhang, dass die
Vorinstanz seine Zusatzfragen an den Gerichtsgutachter zurückgewiesen habe. PD
Dr. med. D.________ habe die im Gerichtsgutachten vom 23. Oktober 2015 auf 50 %
festgelegte Arbeitsfähigkeit aufgrund der Zusatzfragen der IV-Stelle vom 7.
April 2016 in der Gutachtensergänzung vom 27. Juli 2016 auf 80 % erhöht. Dies
sei eine entscheidrelevante Aussage in Bezug auf den strittigen
Leistungsanspruch. Unter diesen Umständen sei es willkürlich, wenn die
Vorinstanz seine am 20. September 2016 an PD Dr. med. D.________ gestellten
Zusatzfragen nicht zugelassen habe. Damit habe sie auch seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör und Beweis verletzt (Art. 29 BV, Art. 6 EMRK). Diese
Vorbringen sind unbehelflich. Denn der Beschwerdeführer legt nicht dar und es
erschliesst sich auch nicht ohne Weiteres, inwiefern von der Beantwortung
weiterer Fragen durch PD Dr. med. D.________ ein entscheidrelevanter neuer
Aufschluss zu erwarten gewesen wäre (Art. 97 Abs. 1 BGG).

5.3. Bei seiner inhaltlichen Kritik am Gerichtsgutachten und der gestützt
darauf ergangenen vorinstanzlichen Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung
beruft sich der Beschwerdeführer sodann auf das Ergebnis der MRI-Aufnahme des
linken Hüftgelenks vom 11. März 2005. Dieses war dem Gerichtsgutachter PD Dr.
med. D.________ indessen bekannt. Weiter rügt er, der bei den Akten liegende
radiologische Bericht der Orthopädie F.________ betreffend "Becken ap und linke
Hüfte axial" vom 24. Juli 2013 beschreibe eine "Taillierungsstörung Femurhals
links, Enthesiopathien Hemibecken links, heterotope Ossifikation Stadium I nach
Brooker links, vermehrte azetabuläre Überdachung links mit Coxa profunde".
Demgegenüber erwähne PD Dr. med. D.________ im Gerichtsgutachten vom 23.
Oktober 2015 gestützt auf diesen Bericht eine "abgebrochene Bohrerspitze auf Os
ilium, Osteophyten an der Beckenschaufel, leicht verminderte Weichteilschatten
der Hüftabduktoren links im Vergleich zu rechts, vermehrte acetabuläre
Überdachung mit einem CE-Winkel von 36° links gegenüber 28° rechts und einen
Acetabular-Index von 3° links und 5° rechts". Hieraus vermag der
Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Denn abgesehen davon,
dass der Gerichtsgutachter auch eine verminderte Taillierung festhielt und im
Übrigen auf eine stationäre Befundlage im Vergleich zu den Voraufnahmen
verwies, ist für die Einschätzung seiner Arbeitsfähigkeit nicht in erster Linie
das Resultat der bildgebenden Verfahren, sondern dasjenige der klinischen
Untersuchung massgebend.

5.4. Des weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, der Gerichtsgutachter PD Dr.
med. D.________ habe sich nicht mit den Beurteilungen der Dres. med.
G.________, C.________ und H.________ sowie des Prof. Dr. med. I.________
(radikuläre oder pseudoradikuläre Symptomatik) auseinandergesetzt. Dem ist
entgegenzuhalten, dass PD Dr. med. D.________ die Berichte dieser Ärzte bzw.
die Gutachten des Dr. med. G.________ bekannt waren. Dabei hielt er im Rahmen
seiner Einschätzung fest, die von den behandelnden und den begutachtenden Ärzte
erhobenen Befunde stimmten im Wesentlichen überein. Anschliessend verwies er
darauf, dass die verbleibende Restarbeitsfähigkeit von den beteiligten Ärzten
anders beurteilt werde, was er mit deren unterschiedlicher Nähe zum
Beschwerdeführer sowie damit begründete, dass die Festlegung der
Arbeitsfähigkeit keine exakte Wissenschaft sei. Zudem hielt er fest, dass die
Angaben des Patienten zu Schmerzintensität, Leistungsfähigkeit und
Lebensqualität in der Sprechstunde nicht überprüft werden könnten und der Arzt
in der Regel davon ausgehe, dass ihm die Wahrheit gesagt werde. Im Anschluss
nahm er eine eigene Würdigung der Befunde vor, um zum Ergebnis zu gelangen,
dass der Bericht des RAD-Arztes die Situation gut zusammenfasse. Dabei ist
entscheidend, dass der Gerichtsgutachter seine Einschätzung in Kenntnis der
gesamten Aktenlage und nach gut dokumentierter eingehender Erhebung eigener
Befunde abgab. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit anderen ärztlichen
Einschätzungen wäre allenfalls wünschbar und der Akzeptanz wohl zuträglich
gewesen. Aus rechtlicher Sicht war sie unter den gegebenen Umständen mit Blick
auf die Ausführungen zur Befundlage und die vom Gerichtsgutachter
hervorgehobenen Ermessensanteile an der Schätzung der Arbeitsfähigkeit jedoch
nicht zwingend geboten.

5.5. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe in E. 4.2 des
angefochtenen Entscheides festgehalten, er sei ab 14. Oktober 2002 zu
mindestens 50 % arbeitsunfähig gewesen. Gleichzeitig sei sie gestützt auf das
Gerichtsgutachten des PD Dr. med. D.________ von einer 80%igen Arbeitsfähigkeit
seit 5. Februar 1998 ausgegangen. Damit sei der angefochtene Entscheid
widersprüchlich. Dieser Einwand verfängt nicht. Denn bei der von der Vorinstanz
angeführten 50%igen Arbeitsunfähigkeit ging es um diejenige in der angestammten
Tätigkeit im Fassadenbau, während die 80%ige Arbeitsfähigkeit eine
leidensangepasste Arbeit betrifft.

5.6. Schliesslich wendet der Beschwerdeführer ein, gemäss dem Urteil des
Bundesgerichts 8C_866/2011 vom 27. März 2012 hätten Hinweise für eine
Verbesserung seines Gesundheitszustands seit dem Gutachten des Dr. med.
G.________ vom 28. März 2009 bestanden. Eine vertiefte Beurteilung mit dieser
zu prüfenden Verbesserung fehle im Gerichtsgutachten des PD Dr. med.
D.________.

Hierzu ist festzuhalten, dass das Bundesgericht in jenem Urteil die
Arbeitsfähigkeit - und damit auch deren Verbesserung - nicht als hinreichend
abgeklärt ansah, weshalb es die Sache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens an
die Vorinstanz zurückwies. Wenn der Gerichtsgutachter nunmehr gestützt auf
seine Untersuchung des Beschwerdeführers und seine empirische Erfahrung sowie
in umfassender Kenntnis der medizinischen Aktenlage für den gesamten hier in
Frage stehenden Zeitraum von einer 20%igen Arbeitsunfähigkeit in einer
leidensangepassten Tätigkeit ausging und die Vorinstanz hierauf abstellte,
erscheint ihre Beurteilung weder als offensichtlich unrichtig noch als
bundesrechtswidrig. Insgesamt bestehen keine zwingenden Gründe, von der
Einschätzung des Gerichtsgutachters PD Dr. med. D.________ abzuweichen (vgl.
BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 469).

6. 
Da von weiteren medizinischen Abklärungen keine entscheidrelevanten Ergebnisse
zu erwarten sind, ist darauf zu verzichten. Dies verstösst weder gegen den
Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) noch gegen den Anspruch auf
rechtliches Gehör bzw. auf Beweisabnahme (Art. 29 Abs. 2 BV; antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_741/2016 vom 3. März
2017 E. 7.6).

7. 
Der Einkommensvergleich - in dessen Rahmen die Vorinstanz nach dem Gesagten zu
Recht von einer 80%igen Arbeitsfähigkeit des Versicherten in leidensangepassten
Tätigkeiten ausging - ergab einen Invaliditätsgrad von 46 % und damit den
Anspruch auf eine Viertelsrente. Diese Berechnung ist im Einzelnen
unbestritten, weshalb sich hierzu Weiterungen erübrigen. Soweit der Versicherte
die Veranschlagung einer 50%igen Arbeitsunfähigkeit verlangt, kann dem eben
gerade nicht gefolgt werden.

8. 
Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. Juli 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Frésard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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