Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.449/2017
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                [displayimage]  
 
 
8C_449/2017  
 
 
Urteil vom 7. März 2018  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione. 
Gerichtsschreiberin Betschart. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Waller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Aargau, 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungs gerichts des Kantons Aargau
vom 25. April 2017 (VBE.2016.770). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________, geb. 1963, war zuletzt als Tankstellenpächter und im Telefonverkauf
tätig. Am 10. Januar 2014 meldete er sich unter Hinweis auf ein Meningeom WHO
Grad I frontal links bei der IV-Stelle des Kantons Aargau (IV-Stelle) zum
Leistungsbezug an. Im Rahmen des Abklärungsverfahrens liess die IV-Stelle
A.________ durch die PMEDA AG Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen,
Zürich, polydisziplinär begutachten. Gestützt auf das Gutachten vom 25. Februar
2016 und dessen Ergänzungen vom 4. August 2016 verneinte die IV-Stelle, wie im
Vorbescheid angekündigt, mit Verfügung vom 7. November 2016 einen
Rentenanspruch. 
 
B.   
Mit Entscheid vom 25. April 2017 wies das Versicherungsgericht des Kantons
Aargau die dagegen erhobene Beschwerde ab. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben
und beantragen, es sei ihm in Aufhebung des angefochtenen Entscheids eine ganze
Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei ein aktuelles interdisziplinäres
Gutachten einzuholen und ihm darauf eine ganz Invalidenrente zuzusprechen;
subeventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege (Gerichtskosten
und Verbeiständung) für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Das Bundesgericht räumte den Parteien die Möglichkeit ein, sich zu allfälligen
Folgerungen, die sich aus dem Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 für die
vorliegende Streitsache ergeben, zu äussern. Die Parteien nahmen dazu Stellung,
wobei A.________ die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zur erneuten
Abklärung beantragte, während die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung schloss. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es -
unter Beachtung der Begründungspflicht nach Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG -
grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 247 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann eine - für den
Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) -
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (
Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet willkürlich (BGE 133 II
249 E. 1.2.2 S. 252). Sachverhaltsrügen unterliegen deshalb dem qualifizierten
Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dazu genügt es nicht, einen von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1
S. 356). Dass die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht mit der
Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine
Willkür. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht
ein (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S. 253; 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen;
Urteil 8C_562/2017 vom 26. Januar 2018 E. 2.2).  
 
1.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Gleiches
gilt für die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E.
4.1, nicht publ. in: BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164).
Dagegen sind die unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie
die Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes, der Beweiswürdigungsregeln und
der Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten
Rechtsfragen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232), die das Bundesgericht (im Rahmen
der erwähnten Begründungs- bzw. Rügepflicht der Parteien) frei überprüfen kann.
 
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz legte die für die Beurteilung der Streitsache massgeblichen
Rechtsgrundlagen zutreffend dar, worauf verwiesen wird. Dies betrifft
namentlich die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Invalidität und
Erwerbsfähigkeit (Art. 4 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 7 und 8 ATSG), zum Anspruch auf
eine Invalidenrente (Art. 28 IVG), zum im Sozialversicherungsrecht üblichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 134 V 109 E. 9.4 S. 125
mit Hinweis), zur Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) sowie zum Beweiswert
ärztlicher Berichte und Gutachten (134 V 231 E. 5.1 S. 232; vgl. auch BGE 143 V
269 E. 6.2.3.2 S. 282; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353).  
 
2.2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es
einen invalidisierenden Gesundheitsschaden und damit den Anspruch des
Beschwerdeführers auf eine Invalidenrente verneinte.  
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wurde am 23. und 26. November 2015 von der PMEDA AG
durch Prof. Dr. med. B.________, Facharzt für Neurologie und Neuropsychologie,
Dr. med. C.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, Dr. med.
D.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des
Bewegungsapparats, Dr. med. E.________, Facharzt für Psychiatrie und
Psychotherapie und Dipl.-Psych. F.________ (Neuropsychologie und
Psychotherapie) begutachtet. Im Gutachten vom 25. Februar 2016 stellten die
Experten als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine
mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1) im Sinn einer sogenannten
atypischen Depression, eine Pseudarthrose des Talus rechts und eine chronische
Achillodynie rechts. Ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit
diagnostizierten sie eine Adipositas Grad III, Diabetes mellitus Typ 2,
Psoriasis, einen Status nach frontalem Meningeom (im Jahr 2013, symptomatische
Krampfanfälle, stabile Anfallskontrolle unter Keppra) sowie eine Läsion des
distalen Nervus peroneus superficialis rechts.  
Die Gutachter kamen zum Schluss, dass die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in
der zuletzt ausgeübten sowie jedweder vergleichbaren Tätigkeit oder auch in
einer anderen körperlich leichten, wechselbelastend oder überwiegend sitzend
ausgeübten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts aktuell mit 50 %, per Ende
Mai 2016 mit 100 % einzuschätzen sei. Dazu führten sie aus, dass die
Beeinträchtigungen am rechten Bein aus orthopädischer Sicht eine qualitative
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit begründeten und rieten zu einer
Gewichtsreduktion. Die Mitarbeit des Versicherten sei medizinisch gut zumutbar
und stehe in seinem Gesundheitsinteresse. Sodann legten die Gutachter dar, dass
aufgrund des depressiven Symptoms mit einer nachvollziehbaren affektiven und
vegetativen Instabilität sowie einer Antriebsstörung derzeit eine auf 50 %
herabgeminderte Arbeitsfähigkeit (50 % Pensum, 100 % Rendement) zu attestieren
sei. Sie empfahlen, die psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung (die
bislang in einem sechs- bis achtwöchigem Intervall stattgefunden habe) zu
intensivieren. Eine Aufdosierung und gegebenenfalls Umstellung der Medikation
seien zu erwägen und die Gesprächsfrequenz sei deutlich zu erhöhen. Dadurch sei
mit dem Wiedererlangen einer Arbeitsfähigkeit von 100 % spätestens per Ende Mai
2016 zu rechnen. Auch hier sei dem Versicherten die Mitwirkung medizinisch gut
zumutbar und stehe in seinem Gesundheitsinteresse. 
 
3.2.  
 
3.2.1. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, seit rund zwei Jahren
an einer schweren Depression zu leiden, mit sozialem Rückzug und grosser
Antriebslosigkeit, die es ihm verunmögliche, sich einer regelmässigen Therapie
zu unterziehen. Dazu verweist er auf eine E-Mail des behandelnden Psychiaters,
Dr. med. G.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 27.
Oktober 2016 sowie auf Berichte seines Hausarztes, Dr. med. H.________,
Facharzt für Allgemeine Medizin, vom 29. November 2016 und vom 6. Juni 2017.
Diese Stellungnahmen seien jüngeren Datums als die gutachterlichen
Untersuchungen, was den Beweiswert des Gutachtens schmälere, zumal sich der
psychische Zustand einer Person im Lauf der Zeit ändern könne. Indem die
Vorinstanz dennoch auf das Gutachten der PMEDA AG (statt auf diese
Arztberichte) abgestellt bzw. kein aktuelles Gutachten eingeholt habe, habe sie
den Sachverhalt offensichtlich unrichtig bzw. unvollständig festgestellt.  
 
3.2.2. Die Vorinstanz hatte sich bereits mit den Berichten vom 27. Oktober und
29. November 2016 auseinandergesetzt und befunden, dass sie keine konkreten
Indizien enthielten, die Zweifel an der gutachterlichen Beurteilung aufkommen
liessen. In der E-Mail des Dr. med. G.________ sei nur der letzte
Konsultationstermin, die Medikation und der Punktwert im Beck Depression
Inventory enthalten, wobei diese Testung weitgehend auf den Angaben und
Selbsteinschätzung der zu untersuchenden Person beruhe (vgl. Urteil 8C_486/2010
vom 2. Dezember 2010 E. 3.1.2). Hingegen enthalte das Schreiben weder einen
klinischen Befund noch eine lege artis erhobene Diagnose oder Anzeichen dafür,
dass die empfohlene intensivierte Therapie durchgeführt worden sei. Die von Dr.
med. H.________ aufgelisteten Diagnosen hätten die Gutachter in der Beurteilung
der Arbeitsfähigkeit bereits berücksichtigt, und allein die Tatsache, dass eine
Vielzahl von Diagnosen vorliege, müsse nicht zu einer Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit führen. Insofern der Beschwerdeführer dieser Argumentation
lediglich seine eigene Auslegung der Ausführungen der behandelnden Ärzte
gegenüberstellt, übt er rein appellatorische Kritik, auf die nicht weiter
einzugehen ist. Offen bleiben kann, ob der Bericht des Dr. med. H.________ vom
6. Juni 2017 als Novum zu berücksichtigen wäre (vgl. Art. 99 BGG), weil er
ohnehin keine neuen Umstände nennt, die zu einer abweichenden Beurteilung
führen könnten.  
 
3.2.3. Zur Beantwortung der Frage, ob die Expertise der PMEDA AG hinreichend
aktuell ist, ist nicht primär auf das formelle Kriterium des Alters des
Gutachtens abzustellen. Massgeblich ist vielmehr die materielle Frage, ob
Gewähr dafür besteht, dass sich die Ausgangslage seit der Erstellung des
Gutachtens nicht gewandelt hat. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der
Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, sind
neue Abklärungen unabdingbar (BGE 134 IV 246 E. 4.3 S. 254; Urteil 6B_572/2010
vom 18. November 2010 E. 5.2). Vorliegend fehlt es - wie die Ausführungen zu
den Berichten der behandelnden Ärzte zeigen - bereits an objektivierbaren
Hinweisen auf eine angeblich in letzter Zeit eingetretene erhebliche
Verschlechterung des Gesundheitszustands, so dass die Vorinstanz zu Recht in
antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme weiterer Beweise verzichtete (BGE
136 I 220 E. 5.3 S. 236 mit Hinweisen; vgl. Urteil I 204/05 vom 29. September
2005 E. 6). Ihre Feststellung, dass eine mittelgradige depressive Episode
vorliege, erweist somit nicht als bundesrechtswidrig.  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht wendete die bisherige Rechtsprechung des
Bundesgerichts an, die bei leichten bis mittelschweren Störungen aus dem
depressiven Formenkreis - aufgrund der regelmässig guten Therapierbarkeit -
eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit in der Regel verneinte (statt vieler: BGE 140 V 193 E. 3.3 S.
197; Urteil 9C_13/2016 vom 14. April 2016 E. 4.2, in: SVR 2016 IV Nr. 52 S.
176). Eine leichte bis mittelschwere depressive Störung wurde demnach nur als
invalidisierend gewertet, wenn sie schwer und therapeutisch nicht (mehr)
angehbar war, was voraussetzte, dass keine therapeutische Option mehr und somit
eine Behandlungsresistenz bestand (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 f.;
Urteil 8C_222/2017 vom 6. Juli 2017 E. 5.2). Da die Gutachter vorliegend keine
Therapieresistenz festgestellt, sondern Therapieempfehlungen ausgesprochen
hatten, erachtete die Vorinstanz einen invalidisierenden Gesundheitsschaden als
nicht gegeben.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Im Urteil 8C_130/2017 vom 30. November 2017 (zur Publikation vorgesehen)
entschied das Bundesgericht, dass grundsätzlich sämtliche psychischen
Erkrankungen einem strukturierten Beweisverfahren nach Massgabe von BGE 141 V
281 zu unterziehen sind (Urteil 8C_130/2017 vom 30. November 2017 E. 7).
Speziell mit Bezug auf leichte bis mittelschwere depressive Störungen hielt es
im gleichentags ergangenen Urteil 8C_841/2016 fest, dass eine
invalidenversicherungsrechtlich relevante psychische Gesundheitsschädigung
nicht mehr allein mit dem Argument der fehlenden Therapieresistenz
auszuschliessen sei (Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 E. 5.1; zur
Publikation vorgesehen). Damit bekräftigte das Bundesgericht seine
Rechtsprechung gemäss BGE 127 V 294 E. 4c S. 298, wonach die Behandelbarkeit
eines Leidens dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht absolut
entgegenstehe (Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 E. 4.2.1). Für die
Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sind somit auch bei den leichten bis
mittelgradigen depressiven Störungen systematisierte Indikatoren beachtlich,
die es - unter Berücksichtigung leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren
einerseits und Kompensationspotentialen (Ressourcen) andererseits - erlauben,
das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2
S. 285 ff., E. 3.4-3.6 und 4.1 S. 291 ff.). Die Therapierbarkeit ist dabei als
Indiz in die gesamthaft vorzunehmende allseitige Beweiswürdigung
miteinzubeziehen (Urteil 8C_841/2016 vom 30. November 2017 E. 4.2.2).  
 
4.2.2. Gemäss altem Verfahrensstandard eingeholte Gutachten verlieren nicht per
se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des
Einzelfalls mit seinen spezifischen Gegebenheiten und den erhobenen Rügen
entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandenen
Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält (BGE 141 V 281 E. 8 S. 309; 137 V
210 E. 6 S. 266).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer macht in seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2018
geltend, die Vorinstanz habe sich nicht dazu geäussert, inwiefern sich sein
Gesundheitsschaden funktionell auswirke. Sodann nehme auch das Gutachten der
PMEDA AG zu den funktionellen Auswirkungen keine Stellung und entspreche dem
strukturierten Beweisverfahren gemäss BGE 141 V 281 offenkundig nicht, weil es
nicht auf den dort genannten Standardindikatoren beruhe. Zwar beschränkte sich
die Vorinstanz angesichts der bisherigen Rechtsprechung auf Fragen der Diagnose
und der Therapieresistenz. Die Gutachter der PMEDA folgten jedoch dem aus BGE
141 V 281 abgeleiteten Standardfragenkatalog der IV-Stelle - ohne dass dies zum
damaligen Zeitpunkt zwingend notwendig gewesen wäre - und setzten sich mithin
bereits mit den Standardindikatoren auseinander. Das Gutachten enthält somit
alle erforderlichen Angaben für die Prüfung der Frage, ob sich ein
invalidisierender Gesundheitsschaden anhand der Standardindikatoren
verifizieren lässt.  
 
4.3.1. Beim Indikator der Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und
Symptome gilt es u.a., die Schwere des Krankheitsgeschehens anhand aller
verfügbaren Elemente aus der diagnoserelevanten Ätiologie und Pathogenese zu
plausibilisieren (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.1 S.298 f.). Die Gutachter halten dazu
fest, dass das depressive Syndrom vor dem Hintergrund multipler psychosozialer
Belastungen - insbesondere des langwierigen Rechtsstreits nach der Beendigung
des Pachtvertrags und seiner finanziellen Schwierigkeiten - ursächlich mit zu
verstehen sei, letztlich jedoch als sui generis Erkrankung anzusehen sei. Zudem
bestehen Anzeichen dafür, dass die schwierigen Lebensumstände sich weiterhin
auf das Befinden des Beschwerdeführers auswirken: So haftete er im Gespräch mit
der Neuropsychologin an seinen finanziellen Sorgen und am Rechtsstreit und
wirkte dabei logorrhoisch. Auch brachte er einen mehrseitigen, selbst
verfassten Bericht zu seinen Vorwürfen an die Verpächterin in diese
Untersuchung mit.  
 
4.3.2. Sodann ist auf Verlauf und Ausgang von Therapien (und damit auf
Behandlungserfolg bzw. -resistenz) als wichtige Indikatoren für den
funktionellen Schweregrad einzugehen (BGE 141 V 281 E. 4.3.1.2 S. 299 f.) : Aus
dem Gutachten geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer seit rund zwei Jahren
nur alle sechs bis acht Wochen in ambulante psychiatrische Behandlung begab und
täglich in niedrig dosierter Menge psychopharmakologische Medikamente einnahm,
während bislang keine stationären oder teilstationären Massnahmen stattgefunden
hatten. Deshalb gingen die Gutachter betreffend Therapieerfolg von einem
protrahierten Genesungsverlauf aus und empfahlen eine Intensivierung und
Optimierung der antidepressiven Therapie. Dadurch könne die vollständige
Arbeitsfähigkeit (in einer angepassten Tätigkeit) innert weniger Monate
wiedererlangt werden.  
 
4.3.3. Eine psychiatrische Komorbidität (BGE 141 V 281 E, 4.3.1.3 S. 300 ff.)
liegt nicht vor. Die Gutachter verneinten eine Angst- oder Zwangserkrankung,
Persönlichkeitsstörung, Suchterkrankung oder Traumafolgestörung. Immerhin sei
das depressive Syndrom geeignet, mit der somatischen Einschränkung am rechten
Fuss negativ zu interferieren und sei auch deshalb nunmehr fokussiert zu
behandeln. Die körperlichen Beeinträchtigungen wirken sich zwar qualitativ aus,
schränken die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in einer angepassten
Tätigkeit aber nicht ein (vgl. E. 3.1.1) und haben somit keine
ressourcenhemmende Wirkung.  
 
4.3.4. Mit Bezug auf die Komplexe "Persönlichkeit" (BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S.
302) und "sozialer Kontext" (BGE 141 V 281 E. 4.3.3 S. 303) stellten die
Gutachter fest, dass die persönlichen Ressourcen hinsichtlich der sozialen
Interaktion, Alltagsselbständigkeit und Mobilität ausreichend erhalten seien,
um eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen. So habe der Beschwerdeführer berichtet,
dass er gute Kontakte zu seinem Sohn pflege, während die Beziehung zur Tochter
konfliktreich sei. Auch habe er einen Freundeskreis und sei noch in den
Fussballclub eingebunden, wo er früher Spieler und Trainer gewesen sei. In
somatischer Hinsicht beobachteten die Gutachter deutlich beschwielte Füsse als
Zeichen der regen physischen Mobilität und insgesamt einen muskulösen Habitus.
 
 
4.3.5. Im Rahmen der Konsistenzprüfung stellt sich einerseits die Frage nach
einer gleichmässigen Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen
vergleichbaren Lebensbereichen (BGE 141 V 281 E. 4.4 S. 303 f.). Andererseits
ist auch hier die Inanspruchnahme von therapeutischen Optionen zu prüfen, weil
das Ausmass, in welchem Behandlungen wahrgenommen oder vernachlässigt werden,
auf den tatsächlichen Leidensdruck hinweist (BGE 141 V 281 E. 4.4.2 S. 304).
Der Beschwerdeführer hatte zu seinem typischen Tagesverlauf dargelegt, er
beschäftige sich intensiv mit dem Computer, der Haushaltsversorgung und den
Tageszeitungen. Zudem schreibe er Match-Berichte und pflege den
Facebook-Account seines Fussballvereins. Bei der Bewältigung des Haushalts
stosse er jedoch an seine Grenzen, weshalb das Haus und der Hausrat langsam
verkommen würden. Dies deckt sich mit der Einschätzung der Gutachter einer im
Begutachtungszeitpunkt reduzierten Arbeitsfähigkeit. Immerhin ist auch in
diesem Zusammenhang auf die eben beschriebenen, grundsätzlich vorhandenen
persönlichen Ressourcen und das Fehlen eines sozialen Rückzugs zu verweisen (s.
E. 4.3.4). Sodann spricht die beschriebene niedrige Therapiefrequenz und
-intensität (s. E. 4.3.2) nicht für einen grossen Leidensdruck.  
 
4.3.6. In zeitlicher Hinsicht gilt es zu beachten, dass gemäss den Ausführungen
im Gutachten die im Begutachtungszeitpunkt auf 50 % herabgeminderte
Arbeitsfähigkeit retrospektiv etwa seit 2013 gelten sollte. Auf Rückfrage der
IV-Stelle hin präzisierten die Experten der PMEDA AG am 4. August 2016, dass
die empfohlene Arbeitsfähigkeit von 50 % auch in angepassten Tätigkeiten bis
Ende Mai 2016 psychiatrisch begründet sei und wahrscheinlich auch retrospektiv
gelten könne. Mangels eigener Vorbefunde und hierfür ausreichender Vorberichte
sei sie aber retrospektiv nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit zeitlich
und quantifizierend definierbar bzw. eingrenzbar, zumal damit passagere
somatische Erkrankungen (insbesondere Epilepsie und Hirntumor [Meningeom] von
November 2013 bis Mai 2014) mit aktenkundig attestierten Arbeitsunfähigkeiten
einhergegangen seien. Hier könne nur empfohlen werden, sich pragmatisch an den
Vorbewertungen zu orientieren. Zwar hatte Dr. med. I.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie, der den Beschwerdeführer im November 2014
psychiatrisch begutachtet hatte, eine chronifizierte depressive Entwicklung bei
multiplen lebensgeschichtlichen und psychosozialen Belastungen und ein aktuell
knapp mittelgradiges depressives Syndrom (ICD-10: F32.1) diagnostiziert, die
die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigten. Allerdings hielt auch dieser Gutachter
fest, dass der Beschwerdeführer die therapeutischen Optionen schon damals bei
weitem nicht ausschöpfte (was, wie gezeigt, immerhin als Indiz für einen
fehlenden Leidensdruck zu werten ist). Ebenso beschrieb er einerseits die (auch
im Gutachten der PMEDA AG festgestellten) belastenden psychosozialen Umstände
(Rechtsstreit, wirtschaftliche Situation), und verwies andererseits auf
vorhandene Ressourcen (z.B. Sthenizität und Leistungswille, soziales Umfeld).
Damit ist eine länger dauernde, ununterbrochene (vgl. Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG
) invalidisierende Gesundheitsschädigung auch rückwirkend ab 2013 nicht mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt.  
 
4.3.7. Zusammenfassend wirkt sich die diagnostizierte mittelgradige depressive
Störung in funktioneller Hinsicht nicht so einschneidend aus, dass sie eine
eingeschränkte (oder gar aufgehobene) Arbeitsfähigkeit zu begründen vermöchte.
Die Vorinstanz verletzte daher kein Bundesrecht, indem sie einen
invalidisierenden Gesundheitsschaden verneinte. Die Beschwerde ist unbegründet.
 
 
5.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer
die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren (im Sinn der
unentgeltlichen Prozessführung) kann indessen entsprochen werden, da die
Bedürftigkeit ausgewiesen ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt geboten war (Art. 64
Abs. 1 und 2 BGG). Ausdrücklich wird jedoch auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam
gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten
haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Rechtsanwalt
Christoph Waller wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4.   
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. März 2018 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Betschart 

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