Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.442/2017
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_442/2017        

Urteil vom 25. August 2017

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard, Wirthlin,
Gerichtsschreiber Jancar.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn, Juristische
Dienstleistungen, Rathausgasse 16, 4509 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Rahmenfrist für den Leistungsbezug;
Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 29. Mai 2017.

Sachverhalt:

A. 
Der 1955 geborene A.________ war seit 16. August 1999 Maschinenoperateur bei
der B.________ SA. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis am 29. April 2015 per
31. Juli 2015. Am 18. Juni 2015 stellte der Versicherte Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung ab 1. August 2015. Er gab an, er mache gegenüber der
Arbeitgeberin Lohnansprüche geltend und habe ein arbeitsgerichtliches Verfahren
eingeleitet. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn
(nachfolgend Kasse) erachtete die Kündigung als nichtig, da sie in einer
Sperrfrist erfolgt sei. Sie eröffnete per 1. August 2015 eine
Leistungsrahmenfrist und richtete Arbeitslosenentschädigung aus, wobei die
arbeitsvertraglichen Ansprüche des Versicherten auf sie übergingen
(Subrogation). Die Arbeitgeberin sprach für den Fall der Nichtigkeit der obigen
Kündigung am 24. August 2015 eine Kündigung per 30. November 2015 aus. Am 10.
Juni 2016 schloss sie mit dem Versicherten einen Vergleich ab, worin beide
Kündigungen als gegenstandslos angesehen wurden und das Arbeitsverhältnis
einvernehmlich per 31. Dezember 2015 aufgelöst wurde. Die Arbeitgeberin
verpflichtete sich, dem Versicherten per Saldo aller Ansprüche Fr. 25'000.-
brutto zu bezahlen und die gesetzlichen sowie vertraglichen
Sozialversicherungsleistungen (richtig: Sozialversicherungsbeiträge) zu
erbringen. Vom verbleibenden Nettobetrag von Fr. 22'118.45 würden Fr. 14'525.50
der Kasse und Fr. 7'592.95 dem Versicherten ausbezahlt. Dieser verpflichtete
sich, nach Überweisung der genannten Beträge die Abschreibung des
arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu beantragen. Die Kasse stimmte diesem
Vergleich zu. Mit Verfügung vom 8. September 2016 eröffnete sie dem
Versicherten, die Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 1. August 2015 bis 31.
Juli 2017 bleibe bestehen. Einspracheweise verlangte der Versicherte, der
Beginn der Leistungsrahmenfrist sei auf den 1. Januar 2016 festzulegen; zudem
sei zu prüfen, ob er eine ausserordentliche Rahmenfrist und Taggelder
beanspruchen könne. Mit Entscheid vom 21. Dezember 2016 wies die Kasse die
Einsprache ab.

B. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen mit Entscheid vom 29. Mai 2017 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtliche Angelegenheiten beantragt der
Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei entweder die
Leistungsrahmenfrist auf den 1. Januar 2016 zu verschieben oder ihm der Betrag
von Fr. 22'118.45 zurückzuerstatten.
Ein Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet.

Erwägungen:

1. 
Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem
Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1
S. 389). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung
von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig
ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn
die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art.
97 Abs. 1, Art. 105   Abs. 2 BGG).

2. 
Das kantonale Gericht - auf dessen Entscheid verwiesen wird       (Art. 109
Abs. 3 BGG) - hat die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden
rechtlichen Grundlagen richtig dargelegt.

3. 
Das kantonale Gericht erwog, bei den von der Kasse ab 1. August bis 31.
Dezember 2015 ausgerichteten Taggeldern handle es sich um einen Anwendungsfall
von Art. 29 Abs. 1 AVIG. Das Anspruchsmerkmal des anrechenbaren Arbeitsausfalls
könne für diesen Zeitraum nicht nachträglich verneint werden. Demnach begännen
der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung und die Leistungsrahmenfrist
unverändert am 1. August 2015. Die vergleichsweise erbrachte Zahlung der
ehemaligen Arbeitgeberin falle im Zusammenhang mit den Leistungen der Kasse nur
insofern ins Gewicht, als sie gemäss Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG im Umfang der
ausgerichteten Taggeldentschädigung auf die Kasse übergehe. Diese habe es somit
zu Recht abgelehnt, den Beginn der Leistungsrahmenfrist zu korrigieren und auf
den 1. Januar 2016 festzusetzen. Der Beschwerdeführer sei am 25. November 1955
geboren. Am 1. August 2015, als die Rahmenfrist eröffnet worden sei, sei er
somit etwas mehr als 5 Jahre vom AHV-Alter entfernt gewesen. Eine Ausdehnung
der Rahmenfrist und des Taggeldanspruchs im Sinne von Art. 41b AVIV entfalle
demnach. Somit sei die Beschwerde abzuweisen.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe seine arbeitsrechtlichen
Ansprüche gegenüber seiner Arbeitgeberin geltend gemacht und einen Vergleich
abgeschlossen, den die Kasse bewilligt habe. Ob eine festgelegte Rahmenfrist
für den Leistungsbezug auch bei nachträglich teilweiser oder vollständiger
Realisierung der arbeitsvertraglichen Ansprüche unverändert bleibe, sei
gesetzlich nicht klar geregelt. Die Weisung des Bundesamtes für Wirtschaft und
Arbeit (BWA; heute Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO) ALV-Praxis 98/4
Blatt 4 schliesse eine Verschiebung der Rahmenfristen in allen Fällen aus, was
gesetzwidrig sei. Die Kasse habe die ihm vom 1. August bis      31. Dezember
2015 ausgerichtete Arbeitslosenentschädigung ohne Gegenleistung erhalten. Sein
Anspruch sei entsprechend gekürzt worden, weil die Leistungsrahmenfrist nicht
auf den 1. Januar 2016 verschoben worden sei. Er könne vermutlich auch keine
neue Rahmenfrist erhalten, weil er nicht zwölf Monate als Arbeitnehmer
gearbeitet habe. Somit sei die Kasse zu seinen Gunsten bereichert, weil sie
weder die Leistungsrahmenfrist verschoben noch ihm die erhaltene Entschädigung
zurückbezahlt habe. Dies sei rechtswidrig.

4.2. Diese Einwände sind nicht stichhaltig. Denn bei der Ausrichtung von
Arbeitslosenentschädigung gestützt auf den Sonderfall von Art. 29 Abs. 1 AVIG
wird - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - unter der Voraussetzung,
dass begründete Zweifel über Ansprüche aus Arbeitsvertrag bestehen, zugunsten
des Leistungsbezügers das Anspruchsmerkmal des anrechenbaren Arbeitsausfalls im
Sinne einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung als gegeben angenommen.
Folgerichtig stellt die spätere vollständige oder teilweise Erfüllung der im
Bestand oder im Hinblick auf die Realisierbarkeit mit Zweifeln behafteten Lohn-
und Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG keinen
prozessualen Revisionsgrund dar mit der Folge, dass die Rahmenfrist
entsprechend neu festzulegen wäre. Ebenfalls entfällt - systemkonform - eine
Rückerstattungspflicht im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ATSG (BGE 137 V 362 E. 4.2.2
S. 366; vgl. auch BGE 127 V 475 E. 2b/bb S. 477 f.). Sachliche Gründe für eine
Änderung dieser Rechtsprechung (hierzu siehe BGE 141 II 297 E. 5.5.1 S. 303;
140 V 538 E. 4.5 S. 541) macht der Beschwerdeführer nicht geltend und sind auch
nicht ersichtlich.
Nach dem Gesagten besteht auch keine Grundlage dafür, die Kasse zu
verpflichten, dem Beschwerdeführer den Betrag von Fr. 22'118.45
zurückzuerstatten.

5. 
Gegen die vorinstanzliche Ablehnung der Ausdehnung der Rahmenfrist und des
Taggeldanspruchs nach Art. 41b Abs. 1 f. AVIV erhebt der Beschwerdeführer keine
substanziierten Einwände. Hierzu erübrigen sich somit Weiterungen.

6. 
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird das Verfahren nach Art.
109 Abs. 2 lit. a BGG angewendet. Der unterliegende Beschwerdeführer trägt die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. August 2017

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Maillard

Der Gerichtsschreiber: Jancar

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